Monatsarchiv: Juni 2012

Die Illusionen der EURO-Bond Jünger

Die Hysterie der persönlich nicht haftenden Schuldenverbürger wird immer schriller. Da ist mal eine nicht offizielle Ansage seitens der Bundesregierung erfolgt und schon wird der Chor derjenigen, die sich mit einer vermeintlichen Progressivität schmücken wollen, indem sie einer nicht endenden Schuldenorgie das Wort reden, immer zickiger. Denn wie soll man es interpretieren, daß eine Absage an eine generelle Bürgschaftserklärung dazu Anlaß gibt, davon zu reden, daß die aktuelle Bundesregierung „den EURO zerstört“? Und das vor allem vor dem Hintergrund, daß die USA als weltgrößte „bail-out“-Nation inzwischen selber einen Schreck davor bekommt, daß das Staatsschuldenwachstum anscheinend nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. Und das sogar und vor allem bei der Nation, die aufgrund der Tatsache, daß es sich hierbei um die – noch – aktuelle Weltreservewährung handelt, sich derzeit noch nicht einmal wirklich um derartige Dinge kümmern muß? Will man aus der Geschichte fehlgeschlagener Staatsinterventionen nichts lernen? Oder ist die Paranoia und die latente Großmannssucht bei dieser Staatsschulden affirmierenden Fraktion schon so weit fortgeschritten, daß das simple Einhalten von Grundregeln einer nachhaltigen staatlichen Haushaltspolitik schon als Ausdruck vermeintlich hinterwäldlerischer „Schwabenökonomie“ diffamiert wird?

Man muß sich bei dieser ganzen Diskussion mal eine Geschichte wieder klarmachen: Staatsschulden sind im Grundsatz nicht dazu da, um eine Investitionsunlust der Unternehmen wettzumachen, genausowenig wie private Gewinnprojektionen, die sich aus irgendwelchen Gründen nicht erfüllt haben, durch staatliche Schuldenaufnahme wieder zu reparieren. Es gab natürlich Zeiten, in denen die Staatsschuld als Gegenposten privater Geldvermögensbildung herhalten konnte, weil die Wachstumsraten der privaten Investitionsneigung dies zugelassen haben. Mit der Abschwächung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums gerät aber auch die staatliche Schuldenaufnahme in eine Klemme. Unter anderem auch deswegen, weil es inzwischen Usus geworden ist, Staatsschulden eine zeitliche Befristung zu geben, obwohl jeder, der sich mit der Materie ein bißchen auskennt weiß, daß Staatsschulden nicht dazu da sind, jemals zurückgezahlt zu werden. (In den Zeiten der ‚consols‘ was das alles noch ehrlicher!) Das liegt an dem blöden Hauptsatz der Kreditgeldökonomie, daß positives Nettogeldvermögen nur dann existiert, wenn auch das entsprechende negative Nettogeldvermögen vorhanden ist. Das negative Nettogeldvermögen besteht aus Staatsschulden, ob es sich nun bei den Gegenposten um die „mündelsicheren“ Anlagen handelt, ob es die „risikolosen“ Repo-Papiere sind, oder ob es um den Großteil der privaten „Lebensversicherungen“ geht: der größte Teil der gesellschaftsinternen Verschuldung alias privates Geldvermögen hängt an der Sicherheit der Staatsschuld – ob einem das nun gefällt oder nicht!

Wenn man dies mal im Kopf hat, wird auch klar, warum die Vergemeinschaftung der Staatsschulden, ausgerechnet bei den Staaten, die damit inzwischen ein substanzielles Problem haben, so attraktiv ist. Denn das Versprechen, welches durch einen Staatsschuldtitel gegeben wird ist so viel wert, wie es im Weltmarktmaßstab bewertet wird. Berücksichtigt man diesen kleinen aber wesentlichen Umstand wird klar, warum sich in Vor-EURO-Zeiten kein einziger Staat unmittelbar und freiwillig dazu bereit erklärt hat, eine Abwertung der eigenen Währung zuzulassen. Denn im Gegensatz zu der landläufigen und falschen Meinung, daß die Hauptzielrichtung einer Abwertung die Wiederherstellung einer imaginären „Konkurrenzfähigkeit“ auf dem Weltmarkt ist, muß der eigentliche Effekt einer Abwertung darin gesehen werden, daß das Wert- und Wohlstandsversprechen der Staatsschuld durch eine Abwertung eine empfindliche Einbuße erleidet. Denn wenn der Wert von Geldvermögensansprüchen auf einer internationalen Ebene durch die Devisenreserven einer Zentralbank nicht mehr gewährleistet werden kann, sind die Würfel für eine Abwertung zwangsweise gefallen. Daß das Geldvermögensbesitzern nicht gefällt, kann man sich ziemlich leicht vorstellen. (Spiegelbildlich dazu kommt der Widerstand gegen eine Aufwertung nicht von Geldvermögensbesitzern, sondern tatsächlich von der Exportwirtschaft, die ihre Weltmarktstellung gefährdet sieht – ob das tatsächlich stimmt oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.)

An dieser Stelle liegt der Hase im Pfeffer: positive Geldvermögensbestände sind immer dann gefährdet, wenn die entsprechenden negativen Geldvermögensbestände in die Schieflage geraten. Heißt: geraten die Wertpapiere, welche die Grundlage für die „Guthaben“ bilden unter Druck, werden die damit korrespondierenden Ansprüche entsprechend geringer. Doch sobald der Wechselkurs – als Ausdruck der Änderung der Bewertung von Geldvermögensansprüchen – nicht mehr zur Verfügung steht, geht im Grunde kein Weg daran vorbei, den Vorgaben desjenigen zu folgen, der den höchsten Bonitätsstandard setzt. Man ahnt es schon: der höchste Bonitätsstandard wird in EURO-Land durch Deutschland gesetzt! (Das war auch schon in VOR-EURO-Zeiten so, obwohl die relative Stärke der deutschen Mark seinerzeit noch hauptsächlich der Deutschen Bundesbank zugeschrieben wurde, wobei deren Verdienste um die Aufrechterhaltung eines überdurchschnittlichen Bonitätsniveaus durchaus beträchtlich gewesen sind.) Daß das durch ein Zusammenspiel von Bundesbankpolitik, gewachsener vorausschauender Bankenstrategie, zuzüglich einer effektiven Durchsetzung von Geldansprüchen seitens der Justiz sowie einer implizite Affirmierung der Berechtigung von Schulddurchsetzungsmaßnahmen seitens der Bevölkerung zustande kam, wird bei der platten Frage, wie geldwerte Versprechen in „Pleitestaaten“ garantiert werden können, geflissentlich übersehen!

Und das ist das Desaster der Schuldenverbürger: von denen wird tatsächlich behauptet, daß allein eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme – wie es seit Jahren in den Köpfen der EURO-Bond Befürworter herumspukt – dazu führt, daß dieses soziale Geflecht bzw. die soziale Operationsweise, welche Schulden als soziale und verantwortungsvoll operierende Interaktionsform pflegt, auf einmal automatisch in bislang schuldentechnisch verantwortungslos handelnden Gesellschaften zur Blüte gelangen könnte. Das ist in etwa genauso naiv, wie die Vorstellung, daß man durch ein bißchen Anleitung und ein paar Wahlgänge in klientelistisch strukturierten Staaten eine Demokratie einführen könnte. Die desaströsen Erfolge des ’nation building‘ lassen für den Erfolg der Einführung von EURO-Bonds nichts anderes erwarten, als eine Hypertrophierung verantwortungsloser Verschuldungsbereitschaft.

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Ein Kommentar

Eingeordnet unter Geldtheorie, Wirtschaftspolitik

Griechenland und die TARGET-Falle

Gemessen an den Größenordnungen, die in der TARGET2-Debatte behandelt werden, ist die Reaktion seitens der Politik vergleichsweise moderat. Angesichts der Unsicherheit über den Ausgang der Wahlen in Griechenland und den kursierenden Armaggedon-Phantasien in der Presse könnte man meinen, daß tatsächlich größere Umwälzungen in EURO-Land zu erwarten seien. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich jedoch nichts wesentliches ändern, da ein Verbleib Griechenlands im EURO von (fast) allen Seiten befürwortet wird.

Dafür gibt es gute Gründe: soweit die griechische Zentralbank noch ein kleines Wörtchen mitzureden hätte, würde sie ihren Landsleuten erklären, warum ein Ausscheiden Griechenlands aus dem EURO aus reinem Selbstinteresse nicht wirklich tunlich ist. Das ist nicht selbstverständlich, denn interessanterweise wird das TARGET2-Problem als ein Problem der „Gläubiger“ gesehen und allenthalben prognostiziert, daß ein derartiger Austritt zu Forderungs- und damit Vermögensverlusten führen würde. Dabei trifft erstaunlicherweise das Gegenteil zu: die Griechen hätten allen Grund dazu ihre TARGET2-Salden nicht zu TARGET2-Verbindlichkeiten zu machen.

Welches Szenario gibt Anlaß zu vermuten, daß kein Grieche einen Austritt aus dem EURO befürworten dürfte? Dieses:

Angenommen, der Umrechnungskurs von Drachme DR zu EURO € wäre in der ersten logischen Sekunde 1:1. Dann hätten die Zentralbankbilanzen etwa folgendes Aussehen:

Inwieweit der Wertansatz für die TARGET2-Verbindlichkeiten (linke Seite) nach kürzester Zeit korrigiert werden müßte, oder die ZB Griechenland nach kurzer Frist ein negatives Eigenkapital ausweisen müßte, sei mal dahingestellt. Entscheidend bei der Sache ist, daß die EZB nicht einfach generöserweise ihre Forderungen an die ZB Griechenlands auf DR umstellen wird, sondern nach wie vor einen Forderungsposten in € ausweisen wird, der sich auf der Passivseite der Griechen – ebenfalls in €, bzw. bewertet in DR – wiederfindet. Letztere Position ist Ausdruck davon, daß in dieser Höhe € Zentralbankgeld von der GR Zentralbank an die Bundesbank „überwiesen“ worden ist, wobei das ‚clearing‘ zwischen GR Zentralbank und Bundesbank bei der EZB vorgenommen wurde. Nochmal genauer: das ‚clearing‘ zwischen den beiden NZBen ist mit einem Eintrag bei der EZB abschließend erfolgt! Seitens der Bundesbank ist die Sache relativ klar, denn eine Forderung gegen eine Zentralbank, die das geforderte Zahlungsmittel emittieren kann, ist bereits Zentralbankgeld. (Vgl. die Diskussion bei sapereaude!  vl:mr:)

Wie ist es mit der Forderung der EZB gegen die GR Zentralbank? Nun, solange die GR Zentralbank ein Mitglied des ESZB ist ist eine Forderung gegen sie – genau: € Zentralbankgeld. Was ist passiert, wenn die GR Zentralbank nicht mehr Mitglied des ESZB ist? Richtig, dann ist auf einmal ein reiner Verrechnungsposten, aufgrund dessen sie niemals zu einer Zahlung gedrängt werden könnte zu einer monströsen Verbindlichkeitslast geworden, von der sich das Land nicht wirklich wird befreien können. Denn selbst wenn der Verrechnungszinssatz von 1% beibehalten würde, schaukelt sich die Schuldenlast ins Unermeßliche. Das liegt nämlich daran, daß in dieser Situation keine über TARGET2 veranlaßte Überweisung aus dem EURO-Raum nach Griechenland jemals dort ankäme, sondern automatisch gegen den fälligen Saldo – auch wenn der wohl nie fällig gestellt würde – verrechnet werden müßte. (Das würde die GR Zentralbank dazu zwingen sämtliche eingehenden €-Überweisungen in DR auszuzahlen – völlig „unvorhersehbare“ Beschimpfungen als „Betrüger“ wären wohl noch die so ziemlich harmloseste Reaktion!)

Das hieße aber letztlich, daß auf Jahr(zehnt)e hinaus Griechenland in € zahlungsunfähig sein würde. Um dies zu verhindern, bieten sich zwei Optionen an: bewährte „Rettungspakete“ in €, die dann tatsächlich die TARGET-Verrechnungsposten zu direkt zurechenbaren Verlusten machen, weil sie – im Unterschied zu sonst – tatsächlich in Griechenland ankommen müßten, oder Griechenland geht, um der €-Bindung bei unterstellter Nichtanerkennung der TARGET-Verbindlichkeiten zu entgehen dazu über, Teil des Dollarraumes zu werden, um den nötigsten Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Es dürfte jedoch verwegen sein zu vermuten, daß Griechenland als Teil des Dollar-Raumes noch Teil der EU sein könnte.

Ob die EZB eine uneinbringliche Forderung hat oder nicht ist dabei vergleichsweise unerheblich. Denn selbst wenn die Großzügigkeit der verbleibenden 16 EURO-Länder so unermeßlich wäre, die gesamten TARGET-Forderungen zu streichen und daraufhin ein negatives Eigenkapital bei der EZB zu verzeichnen wäre, hätte das nur marginale Auswirkungen auf die Operationsweise des EURO-Systems. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß sich bankbetriebliche Bedenkenträger finden, die meinen, daß die EZB mal wieder „rekapitalisiert“ werden müßte. Wie in dem vl:mr:-Thread angesprochen ist es vergleichsweise müßig ausgerechnet derjenigen Institution, die heutzutage der ‚lender of first liquidity‚ ist, durch eine Geldeinlage unter die Arme zu greifen. Da macht das Eulen nach Athen tragen schon viel mehr Sinn!

Ein Gutes hat die ganze Situation: hierbei ist nichts alternativlos!

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Fiskalpakt und Geldvermögen: eine unheilige Ehe

Die meisten Menschen kennen den Witz von dem Betrunkenen, der nachts an eine Laterne gelehnt auf den Boden starrt. Von einem Passanten angesprochen erklärt er, daß er seinen Schlüssel suche. Auf die Nachfrage, wo er ihn verloren habe, antwortet er, daß er seinen Schlüssel irgendwo im Dunklen verloren habe, aber er nur hier an der Laterne suchen könne, weil es hier heller sei. Man lächelt darüber, weil so unmittelbar einsichtig ist, daß die Lösung an einer falschen Stelle gesucht wird und mit diesem Ansatz endlos fortgesetzt werden kann.

Man sollte sich allerdings darüber klarwerden, daß derartige Absurditäten keinesfalls nur derartige Karikaturen betreffen. Wie man weiß, schreibt das Leben intensivere und realistischere Geschichten, als Geschichtenerzähler jemals erfinden können. Eine der schönsten Beispiele für derartige Verirrungen findet sich immer dann, wenn wieder mal der Versuchunternommen wird, auf die Existenzialfrage des Kapitalismus – die Nachhaltigkeit von Schuldbeziehungen – dahingehend eine Antwort zu formulieren, die Lösung in politischen Korrekturen bzw. in höheren politischen „Strukturen“ zu suchen. So läßt sich durchaus vermuten, daß die politische Lösung Fiskalpakt und ESM allenfalls Lösungen für ein politisches Problem sind und die Verbrämung mit ökonomischer Terminologie nicht das ökonomische Problem der EURO-Zone adressiert.

So vorbereitet hat man instinktiv das Gefühl, daß diese Lösung auch keine Lösung darstellt. Denn die Vergrößerung von Aufsichts- und Kontrollproblemen kann nur dann erfolgreich sein, wenn das was kontrolliert und beaufsichtigt werden soll, auch kontrolliert und beaufsichtigt werden kann. Dies darf man nach allem, was im Verlauf der kurzen Geschichte des EURO vorgefallen ist massiv bezweifeln. Und vor dem Hintergrund, daß souveräne Staaten immer alternative Entscheidungsmöglichkeiten haben ist fraglich, ob die Durchsetzungsfähigkeit von Regeln überhaupt wirksam gestaltbar ist. „In einer Union aus Demokratien ist es unmöglich, souveräne Länder zur Einhaltung von Regeln zu zwingen, wenn diese von Bürgern dieser Länder nicht mehr akzeptiert werden.“ Daniel Gros

Die unsubstantiierte Erwartung, daß die Hypertrophierung von Kontroll- und Aufsichtsinstitutionen das ökonomische Problem lösen, wie das Geflecht interdependenter Schuldbeziehungen auf ein nachhaltiges Maß zurückgeführt werden kann, ist mehr als naiv. Und das ausgerechnet vor dem Hintergrund, daß die Diagnose der ökonomischen Krise je nach Gusto wahlweise in einer „Ansteckungstheorie“ (Lehman), in einer zu „billigen Geldschöpfungstheorie“ (fiat-money), in einer falsch berechneten „Risikodiversifizierungstheorie“ (Bankenkrise) oder in einer „Sozialausgabentheorie“ (Staatsschulden) gesehen wird. Denn von einer Lösung müßte man erwarten können, daß sie alle Einzelaspekte, wenn schon nicht umfassend, so doch von der Tendenz her zu lösen geeignet ist.

Was ist der Fiskalpakt statt dessen? Die Geburtsurkunde eines verwaltungstechnischen Monstrums, über dessen Wirkungsweise und Effektivität so gut wie nichts bekannt ist. Bekannt ist nur eins: die Erwartungen, die er erfüllen soll, die sich dahingehend präzisieren lassen, daß die „Märkte“ wieder ihrer Aufgabe der Staatsfinanzierung nachkommen mögen. Im Wesentlichen werden also mit dieser Konstruktion lediglich politische Aspekte adressiert und die eigentliche Frage, wie mit den hinter den Ausprägungen der Krise noch existierenden Ursachen umgegangen werden soll, schlichtweg ignoriert. Dabei sollte man sich passenderweise vergegenwärtigen, daß in der politischen Diskussion im wesentlichen nur Krisenerscheinungen diskutiert werden und nicht die originären Aspekte, welche das transnationale Schuldengeflecht zu einem Problem machen.

Das ist das eigentliche Desaster: daß nämlich der Fiskalpakt lediglich ein politisches Problem löst, die Verantwortung für die Entwicklung der nationalen staatlichen Schuldenstände auf ein supranationales Gremium zu verschieben, so daß nationale “Fehlentwicklungen” nicht mehr der jeweiligen Administration zurechenbar sind. Wenn man so will wird damit eine Pseudolösung für ein Pseudoproblem formuliert, weil die Ursachenzurechnung der vermeintlichen EURO-Krise auf die überbordende Staatsverschuldung nur das Randproblem privatwirtschaftlicher Geldvermögensbildung betrifft. Denn wie soll sich denn privates Geldvermögen sonst “sicher” anlegen lassen, wenn die privatwirtschaftliche Verschuldungsbereitschaft aufgrund der sinkenden Gewinne inzwischen sehr zu wünschen übrigläßt. Denn hier liegt eine der wesentlichen Ursachen für die Aufblähung der gesellschaftlichen Verschuldungsstände, daß nämlich die private Nachfrage nach sicheren Geldvermögensforderungen durch die unternehmerische Verschuldung nicht mehr alimentiert werden kann und damit Staatsschulden nicht Ausdruck sozialpolitisch motivierter Verschwendungssucht sind, sondern die Tendenz reflektieren, Geldvermögen in sicheren zinstragenden Titeln anzulegen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Staatsschulden sind nichts anderes als der buchhalterische Gegenposten des privaten “Sparens”.

Wiewohl das nun wirklich keine neue Erkenntnis ist, wird der wirtschaftspolitische Diskurs immer noch mit dem Fokus der Schädlichkeit von Staatsschulden geführt, womit automatisch der zwangsläufig einhergehende Aspekt, nämlich die Akkumulation von Nettogeldvermögen des privaten Sektors, ausgeblendet wird. Und damit schließt sich der Kreis zu dem eingangs angeführten Betrunkenen, der die Lösung seines Problem dort sucht, wo er suchen will, die komplementäre Seite der Geschichte jedoch im Dunklen beläßt. Diese Unterlassung – die Existenz von positivem Nettogeldvermögen und dem dualen Gegenstück, dem negativen Nettogeldvermögen, gedanklich nicht als Einheit zu sehen – macht die Diskussion um die Schuldenkrise zu einem besonderen Beispiel diskursiver Skurrilität.

Das Mantra: “Sparen gut, Schulden böse” hat sich anscheinend zu einem politikleitenden Popanz entwickelt und ist inzwischen dabei die Erkenntnis zu verstellen, daß der Kreditgeldkapitalismus sein Lebenselixier daraus bezieht, daß Schuldrelationen im Vertrauen auf eine regelmäßige Bedienung (nicht Tilgung!) eingegangen werden. Dieses Prinzip – in Verbindung mit der Abschreibung fehlgeschlagener Investments – macht jedoch den Erfolg des Kreditgeldkapitalismus aus.

Man kann mit “Schuldenbremsen” natürlich versuchen diese Kraftquelle zu verstopfen. Die “Märkte” wird man bei den dann eintretenden Folgen jedenfalls in keiner Weise beeindrucken können!

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Eingeordnet unter Finanzmarkt, Geldtheorie, Wirtschaftspolitik

Lieber Bank-Run statt Einlagensicherung?

Irgendwie spukt in den Köpfen immer noch die Vorstellung herum, daß ein bank-run für ein Staatswesen zu einer existenziellen Bedrohung werden könnte. Das Kriterium für einen nationalen bank-run besteht dabei daraus, daß davon alle Banken eines Landes betroffen sind. Das ist davon zu unterscheiden, daß das Abheben von Geld zu einem Transfer außer Landes führt, was folgerichtig mit dem Begriff “Kapitalflucht” zu bezeichnen ist. Nun hat sich aber seinerzeit die “Garantie” der schwarz-roten Regierung darauf bezogen, daß nicht mit einem spezifischen bank-run wie etwa bei Nothern Rock, sondern mit einem allgemeinen bank-run auf deutsche Banken zu rechnen sei, der aufgrund der dann regulierungsbedingt eintretenden Zahlungsunfähigkeit der deutschen Banken zu einem Zusammenbruch des nationalen Zahlungsverkehrs hätte führen können.

Komischerweise haben viele Leute noch die Vorstellung, daß ein bank-run das Ende der Wirtschaftstätigkeit einläuten könnte. Dabei werden die möglichen Szenarien i.d.R. garnicht erst diskutiert, weil die Behauptung, daß damit das game over eintreten würde, bereits als a priori gesetzt ist. Die große Frage ist jedoch, ob ein derartiges Ereignis zu einer nennenswerten Problemlage führten würde, die nicht unter Außerkraftsetzung einiger unangemessener Regulierungsvorgaben spielend bewältigt werden könnte. Die ökonomisch unsubstantiierte Horrorbehauptung ist doch immer wieder, daß im ‚fractional reserve‘ oder ‚fiat banking‘ derartige Ereignisse unweigerlich zu einem Kollaps des Bankensektors führten. Man kann diese Folgen natürlich konstruieren und nach Maßgabe der derzeitigen Liquiditätsregeln wäre das ja auch passiert. Nur ist es derzeit ja fast schon üblich, Regeln kurzfristig zu ändern.

Was wäre denn passiert, wenn sagen wir mal 500 Mrd. EUR von den deutschen Banken als BARGELD abgezogen worden wäre? Die Bargeldbesitzer hätten dann vor den Alternativen gestanden, das Bargeld entweder zu verstecken (Horten i.e.S.), bei einer anderen Bank einzuzahlen oder auszugeben. Quartum non datur!

Fall 1, das Kopfkissen:
In einer Zeit, wo Regeln nicht so wichtig sind, hätte man innerhalb eines Wochenendes darüber übereinkommen können, daß das EZB-System die Gläubigerposition anstelle der Privaten übernimmt, da es halt Emittent des EURO ist. Die EZB hätte also die Banknotenlaster zu den Banken geschickt und in gleicher Höhe Kredit eingeräumt. Auf eine Stellung von Sicherheiten hätte man in einer derartigen Notlage auch ohne weiteres verzichten können. In den Bankbilanzen hätte sich nicht mehr geändert, als der Gläubigereintrag, der mit, sagen wir 0,1% Verzinsung sogar günstiger wäre, als die derzeitigen (mickerigen) üblichen Giro- und Sparzinsen. Ergebnis: die Liquiditätslage der Banken wäre sogar um die 1% Mindestreserve besser, da es nicht sinnvoll erscheint, die „Einlagen“ der EZB mit einer Mindestreserve zu belasten und andererseits wäre auch die Ertragslage der Banken besser, da der Zinsaufwand für ihre Verbindlichkeiten geringer geworden ist. Bankenkrise? Fehlanzeige! Als Nebeneffekt noch ein bißchen Zusatzgeschäft bei den Unternehmen, welche die Banknoten produzieren, das war´s dann aber auch schon. Zur Absicherung der Staatsfinanzierung wäre dann noch ein Überziehungs-Swing erforderlich gewesen, um zu verhindern, daß die Staatsliquidität fragwürdig wird. Letzteren hätte man durchaus auf ca. 1 Jahr begrenzen können, denn die Dauerhaftigkeit derartiger Konstellationen ist sehr übersichtlich. (Ackermann muß Merkel und Steinbrück ein Horrorgemälde darüber ausgemalt haben, was passiert, wenn die deutschen Banken auf einmal keine Staatspapiere mehr zeichnen können, in dieser Situation hätten beide auch für die Jungfräulichkeit Marias garantiert.) Preisniveaueffekt = NULL!

Fall 2, der private Bargeldtransporter:
Das Bargeld wird bei einer anderen Bank eingezahlt. Irgendwie ist das nicht mehr, als eine umständliche Art der Überweisung und damit hat doch ein Bankensystem keine Probleme. Es ist natürlich nicht klar, welche Bankengruppe davon profitiert und welche hätte Nachteile hinnehmen müssen. Möglicherweise hätte es einige kleinere Verschiebungen gegeben, deren Konsequenzen m.E. jedoch marginal gewesen wären. Na gut, die Banken hätten ein bißchen weniger Provisionen verdient, aber bei angestrebten 25% Eigenkapitalrendite läßt sich das verschmerzen. Die Variante, daß auf einmal die Deutschen ihr Sparkonto im Ausland einrichten, ist zwar denkbar und letztlich in einschlägigen Kreisen sowieso schon üblich, führt aber per Saldo nur zu noch höheren Nettoauslandsforderungen. Deren Problematik ist hinlänglich bekannt, so daß eine Diskussion darüber an dieser Stelle sich erübrigt. Für diejenigen, die denken, daß ein Kapitalexport auch den entsprechenden Leistungsbilanzsaldo pusht: ‚tant mieux‘! Preisniveaueffekt = marginal im Exportsektor steigend!

Fall 3, privates surplus spending:
Wird das Bargeld schließlich ausgegeben, gibt es den gesündesten Konjunkturaufschwung, den man sich denken kann, weil im Zuge der eintretenden (begrenzten, weil aus Beständen finanzierten) Konsumkonjunktur genau das eingetreten wäre, was immer wieder versucht wird herbeizuzitieren: eine kräftige Binnennachfrage, die letztlich auch den Leistungsbilanzsaldo Richtung Nulllinie treibt. So was ähnliches ist ja auch nach der DM-Einführung in der damals noch real existiert habenden DDR passiert. Haben damals Banken oder Unternehmen oder das Ausland protestiert? Keineswegs. Hat die DM damals wegen Inflationserwartungen größeren Schaden genommen? Keineswegs, obwohl – die professionellen Befürchter gab es natürlich schon. Die Konsequenzen für die Bankenbilanzen sind ebenfalls die besten, die man sich vorstellen kann: wegen der verbesserten Ertragslage der Unternehmen steigt die Bonität der Bankenkredite, höheres Tilgungspotential aufgrund steigender Einzahlungen der Unternehmen verbessert die Liquidität der Banken und letztlich sinken in dieser Situation die Zinsen unmittelbar. Ergebnis: eine gesunde Nachfragekonjunktur, möglicherweise inländische höhere Nettoinvestitionen und schließlich eine anständige Wachstumsrate, die man nicht mit statistischen Methoden künstlich nach oben pushen muß! Preisniveaueffekt: steigend; ob und inwieweit sich das in einem inflationären Prozeß fortsetzt hängt davon ab, ob das Lohnniveau bzw. die Lohnstückkosten im Zuge dieser Konjunktur nachzieht. Falls ja, hätte das immerhin einen Gegeneffekt zu der vielbeklagten “Lohndumpingpolitik” Deutschlands abgegeben und ggf. das Konsumniveau in Deutschland auf Kosten von Zinseinkommen (die i.d.R. nicht konsumwirksam werden) gesteigert.

Fazit: letzten Endes war dieses Bürgschaftsversprechen DIE verpasste Chance, um aus der Bankenkrise eben KEINE Wirtschaftskrise werden zu lassen.

Was lernt man daraus? Die vermeintliche Abhängigkeit des Staates von seinen Banken ist keine vernünftige Leitlinie für ökonomische Entscheidungen! Manchmal ist eben das Aussprechen von Tatsachen, daß nämlich die Banken (stellvertretend für das Finanzsystem) in eine Schieflage gekommen sind besser, als der letztlich untaugliche Versuch, eine Situation schönzureden, die schon längst aus dem Ruder gelaufen ist!

Was lernt man noch daraus? Daß jenseits der Frage, welche neuen Regulierungen mal wieder implementiert werden sollen, die wesentlich wichtigere Frage im Raum steht, welche existierenden Regulierungen dafür verantwortlich sind, daß sich staatliches Handeln – insbesondere in Zeiten, wo es um unmittelbare und grundsätzliche Entscheidungen geht – ungebührlich einschränken muß. Manchmal muß man sich eben auch von juristischem Schrott trennen. Wußte Goethe auch schon…

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