Da an der Diskussion über die Features, welche ein ökonomisches Paradigma erfüllen muß, doch ein latentes Interesse erkennbar war, gibt es hier mal eine Übersicht, welche die unterschiedlichen Eigenschaften der jeweiligen Theoriekonzeption enthält. Dabei stellen die Aspekte A-C den Funktionskern des ‚mainstream‘-Paradigmas dar, während die Aspekte 1-13 gewissermaßen die Nebenbedingungen repräsentieren, die zum Funktionieren des jeweiligen Paradigma erforderlich sind. Dabei ergibt sich die jeweilige Spezifizierung der Nebenbedingungen aus den Anforderungen, die seitens des Funktionskerns gestellt werden. Diese können insofern als derivative Konditionen angesehen werden, da sie bereits durch den funktionalen Kern determiniert sind.
Diese Liste muß nicht abschließend sein, aber gibt schon mal einen ersten Eindruck darauf, welche Theorie-Aspekte, die in der wirtschaftspolitischen Diskussion immer wieder vorkommen, welcher Denkrichtung zugeordnet werden können. Und: sie läßt sich sicherlich noch ergänzen/ verbessern/ komplettieren! Ich werde über einige Aspekte noch den einen oder anderen Beitrag verfassen, so daß es durchaus weitergehende Erläuterungen im einzelnen geben wird.
Vielleicht eine Geschichte schon mal vorab: neuerdings ist ja öfter mal was über den Begriff „Emergenz“ zu lesen. Das bedeutet, daß ab einer bestimmten Größenordnung die Funktionsweise einer Gesellschaft sich nach abstrakten und formalisierten Regeln ausgestaltet, um die Informationsflut in „großen“ Gesellschaften (die ab 150 Personen anfangen!) beherrschen zu können. Mit diesem Ansatz im Hinterkopf ist natürlich zu fragen, ob die Funktionsvorstellung der „unsichtbaren Hand“ insofern noch valide sein kann, als sie eine gültige Beschreibung der Prozesse ist, die sich in einer mehr oder weniger modernen Ökonomie abspielen. Aus systemtheoretischer Perspektive würde man sagen, daß der gepflegte Individualliberalismus des ‚mainstream‘ zwar eine verheißungsvolle Vision darstellt, jedoch die Zwänge der Informationsüberflutung – hinsichtlich der Erfüllung eines allgemeinen (Pareto-) Optimums – eine Kanalisation in überschaubare Bahnen erfordert. Damit eröffnet sich ein Grundwiderspruch: die liberale Gesellschaftstheorie kann keine valide Funktionsvorstellung definieren, die es ermöglicht, daß die von ihr vertretenen Prinzipien zu einem wohlfahrtsökonomischen Optimum führen würden, weil sie – lächerlicherweise – an der kombinatorischen Hürde individueller Präferenzen scheitern muß. (Das Drama dabei ist wie in einem skurrilen Film, wo das große und wichtige Ziel wegen eines nebensächlichen, aber a priori ignorierten Umstandes nicht erreicht werden kann. Das hat die Qualität von: „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!“)
Natürlich ist die Reduktion von Vielfalt durch ein abstraktes Kommunikationsmedium wie Geld es ist eine ’second best‘-Lösung im Vergleich zu der individualistischen Lösung, sie auf der vollständigen Berücksichtigung aller individuellen Befindlichkeiten aufgebaut ist. Sie ist aber eine ‚first-best‘-Option vor dem Hintergrund, daß die Nirvana-‚first-best‘-Lösung schlichtweg zu aufwendig ist. Reduktion und Kanalisation von Informationen ist zwar mit Informationsverlust verbunden, eröffnet aber die Möglichkeit, das ein Funktionieren der nicht-informationsvollkommenen Ökonomie in den Bereich des Machbaren gerät! Die durch viele Wirrungen hervorgegangene Kreditgeldökonomie muß somit als ermergente Struktur des individualistischen Paradigmas angesehen werden, welche die Ansprüche der liberalistischen Theorie überhaupt erst in die Tat (Goethe) umsetzt.
Daß damit ein paar Veränderungen der Denkweise einhergehen, versteht sich von selbst. Daß die nicht immer übereinstimmen – selbstverständlich. Daß sie sich grundsätzlich widersprechen kann nur der behaupten, der sein eigenes Denken nicht mehr erweitern möchte!
Nutzen-Paradigma | Kreditgeld-Paradigma (Abstraktnutzen-Paradigma) |
||
A |
Funktions- vorstellung |
A. Smith: Tausch: Hirsch gegen Biber Nutzensteigerung durch Gütertausch |
A. Smith: Arbeitsteilung: Stecknadelbeispiel Verteilung des Produktionsergebnisses durch entäußerten Tausch d.h. Verkauf von Waren |
B |
Markttheorie | „Steigendes“ Angebot „Fallende“ Nachfrage Mikroökonomie |
„Steigendes“ Angebot „Steigende“ Nachfrage Keynes 45°-Diagramm C,S ist Funktion von I Makroökonomie |
C |
Theoriemodus | Gleichgewichtstheorie | Gleichgewichtstheorie |
01 |
Dominanzfrage Steuerinstanz |
Haushalte Gleichgewichtspreise |
Unternehmen Gleichgewichts-Investitionsvolumen |
02 |
Marktsteuerung | Auktionator Unsichtbare Hand |
Monetärer Markterfolg |
03 |
Wohlfahrtsantrieb Steuerung |
Relative Preise Nutzen |
Kalkulation über Geld Gewinn |
04 |
Strukturbild Menschenbild |
Individualkonkurrenz isolierter Akteure |
Wettbewerb von Unternehmen |
05 |
Systemteoretischer Charakter | Prä-System ohne Ausbildung einer Systemidentität |
Geld als symbolisches Kommunikationssystem |
06 |
Geldfunktion | Tauschmittel | Schuldentilgungsmittel Relatives Maß der Produktion |
07 |
Erhaltungssatz Gleichgewichts-kriterium |
Überschußnachfrage = 0 Flow-Identität Quantitätstheorie |
Stock-flow-Identität Summe des Nettogeldvermögens = 0 Saldentechnik |
08 |
Realitäts- vorstellung/ -bezug |
Tauschökonomie | Kreditgeld-Kapitalismus Kreditgeldorganisierte Ökonomie |
09 |
Spartheorie | S entspricht Nichtverbrauch von Ressourcen zur Produktion | Sparen als Verzicht auf Geldausgabe ohne Kompensation |
10 |
Zinsen | Zinsanspruch Ricardo: Korntheorie des Zinses Belohnung für Nichtkonsum |
Risiko-/ Versicherungsprämie für Kreditausfälle -> Neutralisierung von Fehlplanungen |
11 |
Inflation | Relative Güterpreise weil Geld = Gut (Realkasse) |
Schuldentilgungsfähigkeit des Geldes ist stets 100% Statistikproblem Erfahrungs- vs. Erkenntnisproblem |
12 |
I = S | S -> I -> Y Schluß von einer realen flow-Größe auf eine Bestandsänderungsgröße |
I -> Y -> C bzw. S Nicht-Konsum als Geldsparen ist ein Umsatzausfall |
13 |
Statistischer Bezug | Relative Gütertheorie VGR – Latente Vermischung von Real- und Geldgrößen |
Flow of Fund Analyse Geldstromanalyse (Morris Copeland) |
There are many things you can not calculate.
Zur Emergenz :
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wib/1882506/
daraus :
„Das was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet, ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a. Und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde.
Aristoteles, 4. Jahrhundert v. Chr.“
Gilt für die Wirtschaftswissenschaften als Teil der Sozialwissenschaften genauso oder?
Und trotzdem muss Mensch mit Menschen und der Welt ungehen 😉
Am besten mit Freude und Humor !
Worum es bei Emergenz geht, habe ich ja oben schon geschrieben. Aber nochmal: Emergenz bezeichnet die Prozesse, die sich einstellen, wenn die Informationsverarbeitungskapazität eines gesellschaftlichen Sozialzusammenhangs überfordert wird. Das begründet den Umstand, daß diese Informationsflut – die individuellen Präferenzen – in einer Weise kanalisiert werden, die es möglich macht, diese in einen gesellschaftlichen Rahmen einzufügen. Emergenz bezeichnet also nichts anderes, als eine Reduktion des Informationsvolumens, wobei sie infolgedessen auf Regeln beruht, die nicht notwendigerweise Rücksicht auf die zugrundeliegenden elementaren Präferenzen nimmt.
Emergenz ist also eine Beschränkung individueller Freiheit, die im Gegensatz zu der schrankenlosen Individualität des Liberalismus steht. Denn hier wird die Frage virulent, inwiefern die eigene Selbstbeschränkung nicht dazu führt, daß – genau dadurch – ein höheres Entwicklungsstadium erreichbar ist, welches durch einen höheren Grad an Organisation charakterisiert wird.
Man kann es so sehen: Tausch ist eine urliberalistische Handlungsweise, deren Wirkungsgrad über eine Subsistenzgesellschaft nicht hinausreicht. Arbeitsteilung erfordert abstrakte Interaktionsformen, die – kristallisiert in der Geldwirtschaft – zu einer Ausdifferenzierung und gesellschaftlicher Wohlstandsförderung führt, die erst durch die emergente Eigenschaft der abstrakten Interaktion, d.h. schuld- bzw. guthabenvermittelter Differenzierung, zu denjenigen Wohlstandsstandards führt, die gegenwärtig Realität sind.
Einfach gesagt: Kapitalismus ist eine Organisationsform, die es möglich macht, eine nicht überschaubare Vielzahl arbeitsteiliger Prozesse miteinander vereinbar zu machen. Der Preis dafür ist die Unterordnung des Individuums unter die Zwänge einer (Unternehmens-) Gemeinschaft, was zur Folge hat, daß die individuelle Selbstbeschränkung zu einer „höheren“ Freiheit – sprich Bedürfnisbefriedigung – führt. Da ja Goethe heutzutage „in“ ist: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister.“
Eine platte Individualtheorie bekommt das natürlich nicht hin – wen wunderts?
Ich bin heute zum ersten Mal hier, großartig, das über Paradigma GROßARTIG und einiges mehr so gut, dass ich es fast nicht glauben konnte …
Jetzt platze ich aber mit der Tür ins Haus:
Emergenz ist das, was „rubicon“ sagte, die Definition von „soffisticated“ ist mir total fremd
????
aber wirklich!
Nun ja, die Formulierung von Definitionen überlasse ich gern den dafür zuständigen Systemtheoretikern. Mir ging es eher darum zu motivieren aus welchen Gründen emergente Prozesse entstehen können. Von daher ist die Bemerkung über die Notwendigkeit von Emergenz hinsichtlich der Funktionsweise von Gesellschaften, die (weit) über der Dunbar-Zahl liegen dahingehend zu verstehen, daß das ‚face-to-face‘-Tauschmodell, in dem eine abstrakte Form der Kompensation weder nötig noch üblich ist Anlaß genug ist, diese abstrakte Operationsweise als emergente Erscheinung zu verstehen. Dies ist ja auch der Grund dafür, daß es jenseits von Stammesgesellschaften einer anderen Koordinationsweise bedarf, welche dann auch folgerichtig ein anderes Paradigma der Funktionsweise erfordert. Überspitzt gesagt versucht die Neoklassik incl. aller Mathematisierungen eine „große“ Gesellschaft immer noch mit den Regeln von Stammesgesellschaften zu analysieren. Man braucht ja nicht lange darüber nachzudenken, um zu erkennen, daß das schief gehen muß. Die Tatsache, daß bis heute versucht wird diesen Umstand mit einer Pseudo-Individualfreiheit zu vermystifizieren, um sich den eigenen Defiziten nicht stellen zu müssen, macht dann die Fruchtlosigkeit der meisten modernen Theorien über Ökonomie erst richtig deutlich.
Ich spreche/sage partikel-mechanische Welt/Paradigma
Dieses Paradigma ist in der Physik vor einem Jahrhudnert gestorben – für immer.
In der Tat fährt die individualistische partikel-mechanische Logik gegen die Wand.
– Die Individuen maximieren Nutzen, keinem fällt ein, sich zu verbünden um die anderen auszunutzen (A. Smith hat dies richtig gesehen)
– Die Arbeitsteilung schreitet voran, die Wirtschaft sollte trozrdem atomistisch aufgebaut sein (Smith war da zu naiv, es muss zu Monopolen kommen, Marx hat es richtig gesehen)
Der Vater der Kybernetik N. Wiener
Start für neue Entwicklungen :
Ich würde Dich bitten, derartige Trottelnummern woanders zu posten.
Immerhin: ich habe den ersten Reflex, diesen Schwachsinn zu löschen, unterdrückt.