Geldschleife – nicht Geldkreislauf!

PIC000005Das größte Problem von Theorien ist es nicht, eine im Gegensatz zur herrschenden Orthodoxie alternative Theorie zu formulieren, denn die Verknüpfungs-möglichkeiten der Dinge dieser Welt ist so mannigfach, daß im Prinzip sich jeder seine eigene Spielecke basteln kann. Tritt man aus seiner Spielecke hinaus und in die Konfrontation mit der herrschenden Theorie ein, erweist es sich, daß der Orthodoxie mehr an Argumenten zur Verfügung stehen, als es die Schulweisheiten zugeben. Was es für Probleme gibt, ein herrschendes Weltbild zu erschüttern, kann anhand der Prozesse beobachtet werden, deren zentrales Anliegen systematisch darin bestand, die Vorstellung der Produktion als Kreislauf zu hinterfragen, der sich lediglich zwischen Unternehmen und Haushalten abspielt. Dieser Strang der Diskussion, der prototypisch auf den Club of Rome zurückgeführt werden kann, wo auf die Endlichkeit der Ressourcen Bezug genommen wurde, erzeugte die Gegenreaktion, die darauf hinwies, daß durch Recyclingprozesse dieser linearen Entwicklung durchaus etwas entgegengesetzt werden könne. Schließlich wurden dagegen auch thermodynamische Argumente ins Feld geführt, auch und insbesondere aufgrund der Tatsache, daß ‚peak oil‘ eigentlich vor 30 Jahren hätte gewesen sein sollen. Nun ja, das ‚panta rhei‘ steht zwar nicht in Frage, nur – ob kreisförmig oder nicht bleibt die spannende Auseinandersetzung.

Die Schwierigkeiten die entstehen, wenn man Güterproduktion nicht mehr als Kreislauf zwischen zwei Polen verstehen will, potenzieren sich dann, wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit es den berühmten „Geldkreislauf“ gibt, welcher gewissermaßen als „Gegenstrom“ diesem „Input/ Output-Strom“ entgegenfließt. Die Plausibilität dieser Vorstellung wird auch noch dadurch unterstrichen, daß solche allgemeinen Vorstellungen wie „Tauschmittel“ und „Wertspeicher“ existieren, die eher auf der Ebene eines Dagobert Duck anzusiedeln sind, als in der schnöden ökonomischen Realität. (Natürlich muß man sich fragen, warum in Entenhausen keine Rezession herrscht, obwohl Dagoberts Geldspeicher gewissermaßen das „schwarze Loch“ des Geldumlaufs ist und von daher die wirtschaftliche Aktivität zum Erliegen gekommen sein müßte.) Und die rührenden Geschichten, die angeboten werden, wenn es um die historische Herleitung des Geldes geht, unterstellen schlichtweg, daß es eine Herleitung aus der Geschichte geben müsse, daß quasi die „Entwicklungslinien der Geldgenese“ eine logische Folge zwingender historischer Prozesse wären. Das ist jedoch keineswegs der Fall sobald man anzuerkennen gewillt ist, daß sich Geschichte auch in Sprüngen entwickelt, was darauf hinweist, daß die Entstehung sozialer Koalitionen mit einer Umweltabgrenzung und Etablierung eigener Kommunikationsweisen einhergeht – was auch die Möglichkeit eröffnet, Geld als kommunikative Institution zu interpretieren, die anderen Kriterien folgt, als es die Schulweisheit der maximierenden Individuen erkennen kann. (Das systemtheoretische Faß mache ich aber erst an einer anderen Stelle auf!)

Sobald man die Existenz von Geld nicht für einen Zufall (oder Nicht-Zufall) der Geschichte hält, lassen sich die Grundprinzipien des Geldsystems quasi zwangsläufig entwickeln, ohne daß damit eine Aussage über die tatsächlichen historischen Entwicklungslinien präjudiziert wäre. Das Grundproblem geldwirtschaftlicher Organisation liegt nach den hier entwickelten Kriterien über das Erkenntnisobjekt Ökonomie weniger in der Abwicklung von Tauschvorgängen, sondern in der Unsicherheit über die zukünftigen Ergebnisse sozialer Unternehmen. (Jesse James Post) Denn die Teilnahme an einer sozialen Unternehmung erzeugt das Problem, welchen Anteil! das einzelne Individuum an dem Ergebnis der gemeinschaftlichen Anstrengung erhält. In Anbetracht der Unsicherheit über das gemeinschaftliche Produktionsergebnis (für das sich niemand individuell! verbürgen kann – das ist die Aufgabe von Banken als soziale Institution zur Abfederung der Unsicherheit der Zukunft!) wird es praktikabel, über die Zuteilung eines Anteils den individuellen Beitrag am Produktionsergebnis zu messen.

In Analogie zu der direkten Verhandlung über prozentuale Anteile findet in der produktiven Unternehmung das Instrument der Geldlohnzahlung Anwendung. Dabei wird die Angleichung der monetären Einkommen in Relation zum Produktionsergebnis mit Hilfe der Buchhaltung Abteilung Preiskalkulation erzeugt, indem die Summe der (periodenzugerechneten) Kosten in Relation zur Menge des Produktionsergebnisses gesetzt wird. Der Verkauf der Produktion auf dem Markt erzeugt reale Verteilungsquoten nach Maßgabe der individuellen Lohnzahlung bzw. Nachfrage, während der Verkaufserlös die (hoffentlich) erfolgreiche reale Kompensation der Teilnehmer der Unternehmung anzeigt.

Ohne an dieser Stelle die Erzeugung von Profit und Zins darstellen zu können, läßt sich das Grundschema des monetär organisierten Produktionsvorganges folgendermaßen illustrieren:

GeldschleifeDie blauen und grünen Pfeile lassen sich unschwer als der o.a. „Güterkreislauf“ identifizieren, der allerdings aufgrund der in der Darstellung verwendeten zeitlichen Ablaufstruktur als fortschreitender Prozeß erscheint. Der Geldkreislauf, dessen Existenz üblicherweise noch weniger in Frage gestellt wird, läßt sich dann inhaltlich motivieren, wenn von den Prozessen, die einer Investition vorgelagert bzw. ihr nachgelagert sind, abtrahiert wird – man könnte auch ignoriert sagen. (Geldemission bzw. Geldreversion) Letztere Ignoranz wird durch den gestrichelten roten Pfeil markiert, der es verhindert, die geldwirtschaftliche Grundstruktur sozialer Produktionsprozesse als Diskussionsgegenstand überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wenn man so will markiert der blaue Kreis den Teilausschnitt dessen, was vom ‚mainstream‘ für ökonomisch relevant gehalten wird – das Wort „Froschperspektive“ drängelt sich hier geradezu auf!

Es erweist sich an dieser Stelle, daß man Geld nicht im Sinne des Dagobert´schen Sammelobjektes interpretieren muß, sondern zu einer Sichtweise gelangen kann, welche Geld als eine verbindende soziale Klammer interpretiert, deren Aufgabe es ist, die Ergebnisse eines gemeinsamen Projektes auf die daran Beteiligten aufzuteilen. Dies war ja auch die Lehre aus dem „Jesse James“ Post, wo sich zeigte, daß Gold die Ware ist, Geld aber durch die persönliche Verpflichtungsrelation etabliert wird, wo die „Rückgabe“ des (nicht verschriftlichen) Forderungsanteils die Rolle der Geldzahlung repräsentiert – und eben nicht das Gold. Geld korrespondiert somit stets mit sozialen Verpflichtungsrelationen und verschwindet dann, wenn diese durch die Beendigung des realen Projekts wieder aufgelöst werden. (Wer wissen will, warum Geld als Fetisch begreifbar ist: hier ist der Grund dafür!)

Diese Grundkonstruktion belegt bereits, daß Geld jenseits der phänomenologischen Betrachtungsweise als Tauschmittel eine originäre Funktion besitzt, die vom Grundansatz darin besteht, daß es vor allem ein Hilfsmittel zur Verteilung eines sozialen Produktionsergebnisses darstellt. Denn die Verfügung über Einkommen enthebt den allgemeinen (Vermarktungs-) Verteilungsprozeß von der Unmittelbarkeit, Verteilungsansprüche in natura (Tauschhandel) umsetzen zu müssen. Der individuelle Verteilungsanteil wird durch die Einkommenshöhe bemessen und überläßt die Wahlfreiheit der Inanspruchnahme dem einzelnen Individuum. Einkommenszahlungen haben für die Verteilung des Sozialprodukts diejenige genuine Informationsfunktion, die es den Individuen ermöglicht, nach Maßgabe seiner eigenen Verteilungsposition das Güterangebot durch seine Nachfrage zu honorieren. Die Ratio des Gebrauchs eines abstrakten Geldes ist daher in seiner Funktion als Distributionsmechanismus zu orten und nicht in einer seit 200 Jahren insinuierten Funktion als „Schmiermittel“ des Tausches vorgegebener Bestände!

Nun ist es nicht so, daß derartige Erkenntnisse brandneu wären, denn die Grundmuster dessen, was die gegenwärtige Wirtschaft prägt, sind bereits vor über 100 Jahren erkenntnisreif gewesen:

“Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Größen des einen die relativen Größen des anderen, ohne daß irgendeine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Tatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien.“
Simmel (1907)

Angesichts derartiger Einsichten ist es vergleichsweise erschütternd, daß sich die Vorstellung von „Geld als Wert“ bis heute in der wirtschaftspolitischen Diskussion hält. Immerhin: „Geld als Gold“-Theoretiker werden in der ökonomischen Wissenschaft inzwischen nur noch milde belächelt, auch wenn der korrekte Grund dafür alles andere als ‚mainstream‘ ist. Etwas zeitnäher gibt es die Anregung Geld als „relatives Maß der Produktion“ zu interpretieren, wo bereits angelegt ist, daß diese Relativität sich auf den Dualismus von Kosten und Erlösen bezieht und nicht auf das eventuelle Vorhandensein von Schatztruhen, deren Inhalt dann nichts besseres zu tun hat, als „auf Märkten zu zirkulieren“.

32 Kommentare

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32 Antworten zu “Geldschleife – nicht Geldkreislauf!

  1. Das Münzwesen und die ersten Geldwechsel waren historisch naheliegend, wenn die Kaufleute nicht als Marketender unterwegs sein wollten. Es war so möglich auch in weit entfernten Regionen Geschäfte zu machen und Waren einzukaufen, ohne dass man zuerst sich erkundigen musste, welche Waren dort zum Tausch gebraucht würden. Der Transport von Waren, Tieren, Rohstoffen und Sklaven barg wahrscheinlich sogar größere Risiken in sich, denn Geld oder Gold konnte zwar geraubt werden, verdarb aber nicht, wurde weniger leicht durch unwirtliche Umstände während der Reise beschädigt oder starb. Meines Wissens nach war der Byzantiner ein ziemlich weit verbreitetes Zahlungsmittel: http://de.wikipedia.org/wiki/Solidus
    Im Mittelalter wurde das Wirtschaftssystem weiterentwickelt, siehe:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Mark_%28Gewicht%29#K.C3.B6lner_Mark
    http://de.wikipedia.org/wiki/Hanse
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bank#Geschichte
    http://de.wikipedia.org/wiki/Fugger

    Aber das ist dem Autor sicher alles viel besser bekannt als mir.

    Soweit ich weiß, gab es in der Anitke keine Zins, man schuldete, was man schuldete. Allerdings gab es im römischen Recht das Haftungsprinzip. Tötete ein Diskuswerfer versehentlich einen Slaven, so war das Sachbeschädigung und der Schaden musste ersetzt werden. Konnte der Diskuswerfer die Summe nicht aufbringen, dann musste er seinen Diskus verkaufen oder sich von Reichen Geld leihen oder wurde im worst case selbst als Sklave verkauft.

    Im Mittelalter gab es dafür (wieder) den Zins und auch säumige Schuldner wurden nicht mehr zwangsversklavt, sondern in den http://de.wikipedia.org/wiki/Schuldturm gesperrt.

    • Heinrich Elsigan ich ärgere dich ein wenig und verlinke auf eines deiner sehr frühen Kommentare, als du dich gerade erst mit Ökonomie zu beschäftigen begannst:
      http://chaosrev.wordpress.com/2012/07/27/die-geldschopfung/#li-comment-17

      „… für diesen Dollar Schein ist ein entsprechender Betrag im Fort-Knox hinterlegt sondern federal reserve note …“

    • Sie haben anscheinend die Passage über die „Entwicklungslinien der Geldwirtschaft“ überlesen, denn es ist keineswegs gesagt, daß das gegenwärtige Geldsystem (die Begründung dafür, daß Geld überhaupt ein System definiert, steht noch aus) eine Folge früherer Geldwesen sein muß. Man findet gelegentlich schon die Vermutung, daß es einen Bruch gegeben hat, der die Wertunterlegung überflüssig macht. Die These, die ich auch vertrete ist ja, daß die Emission von Geld als Schuldbeziehung es überflüssig macht, den „Geldwert“ noch durch eine zusätzliche Restriktion – wie eine „Bindung“ an z.B. Gold – überzudefinieren! (Ich hatte letztens irgendwo eine Bemerkung über überbestimmte Gleichungssysteme gemacht – das sind Überlegungen zu Unmöglichkeiten bzw. Widersprüchlichkeiten!)

      Daß das eine gängige Forderung ist liegt daran, daß der Geldbegriff, der sich an die allgemeine Gleichgewichtstheorie anhängt davon geprägt ist, daß Geld sich in die Normen der Tauschwirtschaft, d.h. der Theorie der relativen Preise einfügen muß. Das definiert allerdings nur ein Warengeld und hat nichts mit der Theorie zu tun, die Geld als ein soziales Beziehungsverhältnis ansieht. Ich bin mir nicht sicher, ob das, was man aus dem Jesse James Post ersehen kann, auch gesehen wird. Denn dort war eben Geld nicht! Gold, sondern die Verpflichtung des Organisators, seine versprochene „Anteilsschuld“ durch die Übergabe von Gold wieder „rechtsgültig“ zu löschen!

      Geld löscht Schulden, ist aber selbst keine Schuld! Daß das mit der hierarchischen Struktur des Geldsystems zu tun hat, macht ja gerade die Verständnisprobleme aus, welche die (eindimensionale) offizielle Geldtheorie weder sehen und damit auch nicht lösen kann. (s.o. 1-2-3 stufige Geldsysteme!)

      • Die sozialen Verpflichtungen und Erwartungen kann es aber auch bereits in einer reinen Warentauschwirtschaft geben. In der Ethnologie gibt es diverse Thesen über „Tabu und Gabe“. Unter „Gabe“ wird das „Geben/Schenken“ von Waren subsumiert, die nicht unter ein ökonomisches Tauschgeschäft fallen. Hier können sakrale Gaben gemeint sein, aber auch das Schenken von Waren unter verschiedenen Stämmen, die eine soziale Erwartungshaltung implizieren. (Gastgeschenke, wir geben und dafür erwarten wir weiter gute Handelsbeziehungen, keinen Krieg, etc.)
        Hier wohl das außergewöhnlicheste Beispiel hierfür: http://de.wikipedia.org/wiki/Kula_%28Ritual%29

      • Claartje

        „daß die Emission von Geld als Schuldbeziehung es überflüssig macht,
        den “Geldwert” noch durch eine zusätzliche Restriktion – wie eine “Bindung” an z.B. Gold – überzudefinieren!“

        Hierzu beschäftigt mich seit längerem eine Frage: In aller Regel wird auch unser (Schuldbeziehungs-)Geld nicht gegenleistungslos emittiert, sondern im Austausch (nicht eng als Tausch verstanden; es kann auch ein Kauf, ein Pensionsgeschäft etc. sein) gegen „Werte“. Letztere stehen in Anführungszeichen, weil genau hier meine Unsicherheit herrührt. Oft repräsentieren diese „Gegenwerte“ ebenfalls reine Schuldbeziehungen (z.B. Staatsanleihen), also Ergebnisse zukünftiger (und entsprechend noch ungewisser) sozialer Unternehmen. Jesse James teilt hier wie von Ihnen beschrieben die Beutequoten gegen Ressourcenversprechen zu (künftiges Tätigwerden für James). James nimmt insofern eine Konversionsfunktion wahr: Er wandelt ein kaum umlauffähiges Leistungsversprechen in ein fungibles, allgemeiner akzeptiertes um. Nur: Wie stellt er sicher, dass die Ressourcenversprechen tatsächlich eingehalten werden, am Raubzug also nicht nur Greise, Lahme, Faule und Verräter teilnehmen und die zu verteilende Beute alsbald gegen Null tendiert? (Darauf beruht ja die Akzeptanz gegenüber seinen Beutequoten – auf dem Vertrauen, dass er die Ressourcenversprechen selektioniert und nur die werthaltigen konvertiert.) Um wieder in unsere Welt zurückzukehren: Wie stellen Zentralbanken sicher, dass die von ihnen erworbenen „Werte“ auch werthaltig sind (von dieser Form der Bindung kann sich selbst unser Geldsystem nicht dauerhaft lossagen)? Im mehrstufigen Geldsystem delegieren sie diese Bonitätskontrolle an die Geschäftsbanken, aber wie wissen Zentralbanken, dass diese Kontrolle tatsächlich funktioniert? Und wie können die Geldverwender es überprüfen?

        • „Werte“
          Ich habe darüber gelegentlich eine vermeintlich flapsige Bemerkung gemacht die da lautet: „Geld hat für eine Zentralbank keinen Wert!“ So kurios das klingt, so wesentlich ist dies für das Verständnis davon, was Zentralbanken eigentlich tun. Denn indem Zentralbanken Schuldversprechen monetisieren sind damit keine Ertragsinteressen adressiert, sondern Liquiditätserfordernisse, die Banken zur Abwicklung ihres Geschäftsbetriebes benötigen. Diese „Werte“ sind ja im Wesentlichen Zahlungsverprechen verschiedener Emittenten (hauptsächlich Staatsanleihen) die von ihrem Nennwert nur solange eine Bilanzverängerung bei der Zentralbank bewirken, wie sie nicht liquidiert worden sind. Der Unterschied zu einer Nichtzentralbankbilanz ist der, daß eine Bank, Unternehmen etc. bei der Einlösung eines Zahlungsverprechens einen Kasseneingang bzw. Kontostandszuwachs bucht, (also einen Aktivtausch „Forderung xy“ gegen Kassen-/ Kontozugang vornimmt) während bei der Zentralbank dies zu einer Reduktion der Position Zentralbankgeldumlauf führt und mithin eine Bilanzverkürzung bewirkt. Das läßt sich sehr schön daran ersehen, daß eine Zentralbankbilanz keine Position „Kasse“ ausweist! Eine Gewinnerzielungsabsicht ist dabei ebenfalls von sekundärer Ordnung, denn erhaltene Zinszahlungen auf z.B. Staatsschuldtitel werden ja postwendend nach Abzug der Betriebskosten wieder dem Staat rücküberwiesen.

          „Bonitätskontrolle“
          Die kurze Antwort darauf lautet, daß eine Zentralbank sich die Tatsache zunutze machen kann, daß Banken stets und ständig ein Liquiditätsproblem haben, welches jede Bank dazu zwingt ihre Bonität so zu „pflegen“, daß sie auf dem Interbankenmarkt jederzeit zu den üblichen Konditionen Liquidität erhalten kann. Eine Bank, deren Bonität unter dem allgemeinen Niveau liegt, wird höhere Refinanzierungskosten aufweisen, als es allgemein üblich ist. Diese schlagen sich auch in den Geboten bei den Auktionstendern nieder, so daß eine Zentralbank durchaus Möglichkeiten hat, potentielle Krisenkandidaten frühzeitig zu identifizieren. Wenn man so will erzeugt gerade das sog. ‚fractional reserve banking‘ genau die Möglichkeit, diejenigen Banken herauszufiltern, bei denen die Qualität ihres Portfolio fragwürdig geworden ist. Allerdings macht die EZB seit einiger Zeit diesen Kontrollmechanismus mit ihrer Vollzuteilungspolitik und den 3 Jahres Tendern gründlich zunichte.

  2. Frankie Bernankie

    Interessanter Beitrag, und vor allem eine notwendige Ergänzung zum unvergessenen Grossmeister wgnx, der seinerzeit in seinem blog-Kompendium „Wir basteln uns ein Wirtschaftsmodell“ die Finanzintermediäre konsequent ignoriert hatte. Der hat sich damals auch auf den „blauen Kreis“ beschränkt, und entsprechend unvollständig wars wohl, sein Wirtschaftsmodell. Um Ökonomie zu erklären , muss man die Finazintermediäre mit einbeziehen, denn sie sind die „Agenten“ des ökonomischen „Willens“, der zu ganz grossen Teil darauf gerichtet ist, die stets unsichere Zukunft zumindest ein bisschen sicherer zu machen. Sicherer bezüglich der Zukunft fühlt man sich aber nicht auf der Basis des real Getauschten , sondern nur bei der relativen Sicherheit, dass Tausch auch morgen noch möglich ist. Dieses Bedürfnis sollten die Agenten, die Intermediäre befriedigen ( übrigens: auch Sozialversicherungen sind Finanzintermediäre ).

    • Ja, die Geschichte „Wir basteln uns ein Wirtschaftsmodell“ hatte bei mir sehr den Eindruck erweckt, als hätten da etliche ‚copy‘ Passagen verschiedener Lehrbücher Pate gestanden. Das ist aber nicht so wichtig, denn soweit ich weiß, ist daraus nie eine wesentliche Diskussion entstanden.

      Viel interessanter war ja, als wgx mit seinem Buch ankam, welches mit dem Titel „Ohne Schulden läuft nichts“ gerade auf diesen vernachlässigten Bereich abgestellt hat. Ich habe das Buch zwar nie gelesen, denke aber, daß über es über die Blogposts, die verfügbar waren, nicht hinausgegangen ist. Ich denke mal, daß darin auch die heikle Frage, welche Funktion Banken ausüben, nicht in dem Sinne diskutiert wurde, wie ich es letztens bei dem Post über Zinsen konstruiert habe. Die Vorstellung, daß Banken die „Einlagen“ der Sparer für Kreditvergaben nutzen würden, hat zwar eine längliche (und übrigends auch konstruierte) Lehrbuchtradition, beißt sich realiter allerdings schon wegen der schnöden Tatsache, daß das Bargeld einer Bareinlage nach der Einzahlung in das Eigentum der Bank übergeht. Heißt: Banken können! überhaupt nicht das Geld der Sparer verleihen, sondern nur dasjenige, welches sich tatsächlich in ihrem Eigentum befindet! Das ist zwar ein recht ausgefinkeltes Argument, was aber darauf hinweist, daß „Einlagen“ nichts anderes sind als Forderungen – und eben kein Zentralbankgeld, was jeder „Einleger“ der Kaupthing Bank live und in Farbe erlernen durfte.

      Daß Banken „die Welt sicherer machen“ ist dann gegeben, wenn sie ihre eigentliche Aufgabe, die Pannen aus fehlerhaften Kreditentscheidungen durch die Zinserträge zu neutralisieren, auch tatsächlich übernehmen würden. Denn dazu sind Zinsen da! Daß Banken sich lieber ‚muppets‘ suchen, kann man ihnen noch nicht mal verdenken und solange die ‚muppets‘ sich melken lassen, wird diese Funktion des Finanzsystems ja auch erfüllt. Mal sehen wie lange noch…

  3. Pingback: Kleine Presseschau vom 24. Mai 2013 | Die Börsenblogger

  4. Ich finde es sehr angebracht den Begriff Geldkreislauf in Frage zu stellen, denn in einem geschlossenen Kreislauf gibt es keine stetig wachsenden/sinkenden Bestaende, d.h. im zeitlichen Mittel ist an jedem Ort der Zufluss gleich dem Abfluss.
    Wenn dem nicht so ist, kommt es zur Entstehung von Bestaenden in irgendwelchen (lokalen) Reservoires.
    Die VWL kennt das Konzept der Zahlungsbilanz, das dies sehr schoen verdeutlicht.

    Klicke, um auf zahlungsbilanz.pdf zuzugreifen

    Klicke, um auf t26.pdf zuzugreifen

    Da braucht man keine „Schleifchen“, um die aktuellen Probleme zu verstehen. Eine unausgeglichene Leistungsbilanz hat immer eine unausgeglichene Kapitalbilanz zur Folge. Da in der Zahlungsbilanz Stromgroessen betrachtet werden, entstehen zwangslaeufig Bestaende, die dem zeitlichen Integral dieser Stroeme entsprechen. Wenn diese im zeitlichen Mittel nicht Null sind, wachsen bzw. sinken diese entsprechend. Das gilt auf der Ebene der Volkswirtschaften genauso, wie auf den Ebenen der Firmen und Individuen.

    Bei diesen Dingen, wenn man sie klar bekommen will, lohnt es sich immer, bei Adam und Eva anzufangen.

    Wenn Eva einen Apfel pflueckt, zum Preis von 1$ anbietet und Adam Interesse zeigt, in dem er das Angebot annimmt, dann wird Eva den Apfel uebergeben und eine Rechnung an Adam schreiben. Ihre Bilanz verlaengert sich um den einen Dollar, denn sie wird auf Seiten der Aktiva die Position offene Rechnungen um 1$ erhoehen und als lebenserfahrene, konservative Frau auf Seiten der Passiva eine Rueckstellung von 1$ bilden, die mit dem Vermerk Risikovorsorge fuer uneinbringliche Forderungen gekennzeichnet ist.
    Wenn Adam nun keinen Dollar hat, geht er zur Bank und bittet um Kredit. Die Bank gewaehrt den Kredit und schreibt Adam 1$ auf seinem Girokonto gut und eine entgegengerichtete Forderung in Hoehe von 1$ auf seinem Schuldkonto. Wenn Adam nun den 1$ an Eva ueberweisst, dann wird Eva in ihrer Bilanz auf Seiten der Aktiva die Position offene Rechnungen um 1$ senken und die Position Kassenbestand um 1$ erhoehen. Auf Seiten der Passiva wird sie die Rueckstellung aufloesen und den Dollar (ueber die GuV) ihrem Eigenkapital zuschreiben.
    Die Situation an dieser Stelle ist nun.
    Adam hat einen Apfel. Die Bank haelt eine Forderung gegen Adam in Hoehe von 1$ und Eva haelt eine Forderung gegen die Bank in Hoehe von 1$. Wenn sich dieser Vorgang staendig wiederholt und sonst nichts passiert, dann erhoehen sich die jeweiligen Bestaende / Konten in den jeweiligen Bilanzen entsprechend.
    Man sieht sehr schoen, bei Zahlung durch Adam findet bei Eva nur ein Aktivtausch statt. Offene Rechnung gegen Geld=Forderung gegen die Bank. Nun kann Adam zu Eva gehen und sie bitten, ihr den 1$ zu leihen, damit er seine Schuld bei der Bank tilgen kann. Wenn Eva darauf eingeht, dann erhaehlt Adam den Dollar und Eva einen (triple A rated?) Schuldschein mit nominal Wert 1$, den sie in ihrer Bilanz auf Seiten der Aktiva unter der Position langfristige Forderungen eintraegt. Also wieder ein Aktivtausch. Wenn Adam tatsaechlich zur Bank geht und seine Schuld tilgt, dann verkuerzt sich die Bankbilanz um 1$. Wenn Adam aber einen weiteren Dollar Schulden aufnimmt, um dann mit 2$ bei naechster Gelegnheit bei Eva 2 weitere Aepfel zu kaufen, waechst seine Schuld bei der Bank auf 2$ und nach dem Kauf Evas Forderungen gegen die Bank auf 2$. Solange Adam nicht den Ruecken krumm macht und ein paar Kartofeln aus seinem Acker ausgraebt, die er an Eva verkaufen kann, nuetzen die ganzen Finanztransaktionen nichts.
    Ob sie nun wie in diesem Beispiel in einem einstufigen Vollgeldsystem, oder im ueblichen zweistufigen System erfolgen. Wenn immer nur eine Seite real leistet und die andere Seite mit Hilfe der Banken Scheine=Forderungen produziert, dann tuermen sich ueber diese Leistungsbilanzdefizite entsprechende Bestaende an Kapital = Schulden / Forderungen auf.

    Viele Gruesse
    Georg Trappe

    • Ihnen als technischem Kenner wird vermutlich bereits dämmern, worauf dieser Gegensatz von Schleife vs. Kreislauf letztlich abzielt: es geht selbstverständlich um die Effekte, die sich einstellen, wenn sich eine Vielzahl von Prozessen überlagern und dadurch eine Erscheinung hervorrufen, die nicht mehr an die zugrundeliegenden Elemente erinnert. Wenn man so will kann man dieses Herunterbrechen auf einen einzelnen „Geldverwendungsvorgang“ als Basis einer „Fraktaltheorie des Geldes“ ansehen, wo die globalen Erscheinungen des Finanzsystems aus der Kombination bzw. Iteration einfacher Grundelemente entstehen.

      Insofern ist Ihre Bemerkung über die Quellen bzw. Senken in geschlossenen Systemen dazu angetan zu illustrieren, warum die ökonomische Wissenschaft genau die Probleme hat, welche sie offenbar nicht in den Griff bekommt. Die Vorstellung von Geld als Bestand ruft ja quasi automatisch die Vorstellung ins Leben, daß Preise etwas mit dieser „Quantität“ zu tun haben müßten – im Gegensatz zu den deflationären Tendenzen, die sich inzwischen etablieren und die sich um irgendwelche expansiven „Mengenänderungen“ in irgendwelchen monetären Aggregaten in keiner Weise scheren.

      Ich vergleiche das alles ganz gerne mit der hypothetischen Situation, wo ein Alien einen Computer (als ‚black box‘) zu den Menschen bringt. Ich möchte mir nicht vorstellen, wieviele abstruse Theorien darüber entstehen würden, warum dieser Computer nun so funktioniert und nicht anders. Mit Sicherheit würde es (selbstverständlich überzeugende) Theoretiker geben, die versuchen würden den Leuten weiszumachen, daß der Computer durch bestimmte „Triebe“ dazu veranlaßt würde, so zu reagieren, wie er es gerade tut. Daß jemand auf die Idee kommen würde, daß sich alles aus einer bestimmten Kombination von Hard- und Software ergibt, wobei letztere sich als eine Abfolge von 0 und 1 darstellen läßt – diese Hoffnung würde ich mal als extrem unwahrscheinlich einstufen.

      • Was die importierte Black Box der Aliens und den Umgang der Menschen mit solchen Erscheinungen betrifft, stimme ich Ihnen vollkommen zu. Wie heisst es so schoen:
        „Got to kick at the darkness till it bleeds daylight“.

        Wenn man mal fuer einen Moment annimmt, dass das Konzept Zahlungsbilanz eine zutreffende und vollstaendige Beschreibung der Schnittstellen zwischen oekonomisch taetigen Einheiten (Volkswirtschaften, Firmen, Individuen) beinhaltet, und jede solche Einheit ueber eine solche Schnittstelle verfuegt und ueber diese mit dem RdW (Rest der Welt) kommuniziert, dann kommt es meiner Meinung nach zu einer dieser erhellenden Blutungen, wie ich versucht habe mit dem Adama / Eva Beispiel zu verdeutlichen. Weder die (sukzessive) Erhoehung der Bestaende an Forderungen, seien es nun Rechnungen mit Saeumniszuschlag, Schuldkonten mit Zinsen oder verbriefte Forderungen der Bank = Wertpapiere = Schuldscheine aendern etwas am grundsaetzlichen Problem. Wenn Adam nicht etwas leisten will oder kann, was Evas Forderung befriedigt, nuetzt der ganze Zauber nichts, sondern fuehrt nur zu (nominal) wachsenden Bestaenden an Forderungen. Damit ist dann auch u.a. klar, das Zinsen keine Versicherungspraemie sind, sondern eben nur eine nominelle Erhoehung des Forderungsbestands. Wenn Eva bei ihrem Obsthandel nicht dafuer Sorge traegt, das Adam willens und faehig bleibt, reale Leistungen zu erbringen, die sie befriedigen, dann sind die ganzen Finanzkonstrukte, ob nun mit Banken und Geld oder ohne, ungeeignet dem urspruenglichen Ziel, naemlich mit Hilfe eines Ueberschusses an Aepfeln im Zuge eines Handels den Mangel an Kartoffeln auszugleichen, naeher zu kommen.

        Eine gesunde wirtschaftliche Beziehung erzeugt einen ueberschaubaren Bestand an Forderungen, der einen Bruchteil des Handelsvolumens ausmacht. Er dient zur Ueberbrueckung temporaerer Ungleichgewichte/Leistungsbilanzdefizite.
        Ein staendig wachsender Forderungsbestand, der ein Vielfaches des Handelsvolumens/BIPs ausmacht, ist Ausdruck dysfunktionaler Wirtschaftsbeziehung. Entweder schreibt Eva mehr Rechnungen als sie liefert oder Adam ist nicht willens oder in der Lage Leistungen zu Preisen zu erbringen, die Eva befriedigen oder eine dritte Partei, z.B. die Banken, erzeugen Forderungen, die keinen realen Hintergrund haben.

        Viele Gruesse
        Georg Trappe

        • Hallo Herr Trappe,

          das Konzept „Zahlungsbilanz“ ist ja quasi universell, denn die Unterscheidung zwischen Leistungs- und Zahlungstransaktionen gilt ja mehr oder weniger für jede Wirtschaftseinheit, sei es ein Staat oder auch eine Einzelperson.

          Bei der Betrachtung dieser wirtschaftlichen Grundkonstante gibt es grob gesagt zwei Fraktionen: einmal die realwirtschaftliche Sichtweise, die vereinfacht gesagt, mit der neoklassischen Theorie verknüpft ist, die ja nicht umsonst stets von realen Produktivitäten spricht und selbst sich nicht davor scheut Ersparnis nur dann für relevant zu halten, wenn man darunter eine „Realersparnis“, d.h. Güter, Maschinen und sonstige produzierbare Sachgüter versteht. Letzteres macht auch den Begriff „Investition“ sehr plastisch, indem darunter quasi eine „neue Produktionsanlage“ oder eine Kapazitätserweiterung (intensiv oder extensiv) versteht.

          Auf der anderen Seite steht die Theorie einer Geldwirtschaft, die mit der Definition von Kruschwitz charakterisiert werden kann: „Eine Investition ist eine Zahlungsreihe, die mit einer Auszahlung anfängt.“ Die Betrachtung finanzieller Gesamtgefüge ist dann das, was Stützel mit seiner „Saldenmechanik“ sehr schön systematisch aufbereitet hat.

          Die obigen Überlegungen sind mit Ihrer Argumentation insofern in Übereinstimmung zu bringen, als Sie ja auch darauf hinweisen, daß es einen Leistungsausgleich geben muß, wenn Wirtschaft nicht zu einer einseitigen Lieferveranstaltung verkommen soll (das ist das Exportüberschußproblem). Dabei übersehen Sie – was übrigends das generelle Problem bei allen „Robinsonaden“ ist – daß zwischen A und E aufgrund der Zahlung keine offenen Forderungen mehr existieren, die ausgeglichen werden müssen. Diese bestehen gegenüber Dritten, deren Aufgabe darin besteht, die Tragfähigkeit von Verbindlichkeiten zu evaluieren und bei Überschreiten einer „Bonitätsgrenze“ eine weitere Akkumulation des Schuldvolumens zu unterbinden. Das ist aber Ökonomie im Sinne der zweiten Auffassung, die abstrakten Verpflichtungsrelationen miteinander zu vereinbaren.

          Das kann zwei Folgen haben: zum einen kann die Bank dem A eine weitere Kreditgewährung verweigern und ihn zur Leistung auffordern bzw. nach Maßgabe eventueller Sicherheiten dazu zwingen. Soweit eine vollständige Deckung des geschuldeten Betrages nicht erreichbar ist, muß die Bank den entstehenden Verlust aus ihren (Zins-) Erträgen decken. Zum anderen kann dann, wenn die Verluste sich so sehr häufen, daß alle Schuldner keine ausreichenden (Zins-) Erträge mehr erzeugen, der Verlust der Bank nur noch über eine Entwertung ihrer eigenen Verbindlichkeiten, d.h. über eine Entwertung der Forderungen von E erfolgen (das Zypern-Beispiel). Entscheidend dabei ist, daß Banken sich nicht in das Geschäft der Lieferungen über Äpfel oder Kokosnüsse einmischt, sondern ihre genuine Aufgabe darin finden, die (abstrakten) Schuldverhältnisse innerhalb einer Gesellschaft zu verwalten. Von daher gibt Ihr Beispiel keine valide Grundlage dafür zu argumentieren, daß Zinsen nicht als Versicherungsprämie interpretiert werden können. Im Gegenteil: die Validität dieser Konstruktion ergibt sich ja daraus, daß sie ja gerade den Gleichlauf von Forderungen und Verbindlichkeiten valide hält, indem damit vermeintliche „Investitionen“, denen kein vermarktbares Güter- und Leistungsangebot folgt, a) nicht fortsetzt und b) den de facto zu konsumtiven Gebrauch erteilten Kredit über die (soziale) Vernichtung des nicht einbringlichen Kreditvolumens wieder aus dem gesellschaftlichen Finanzzusammenhang entfernt.

          Aus Ihrer Argumentation entnehme ich keinen Widerspruch zu der in Frage stehenden Theorie von Zinsen als Versicherungsprämie. Ich kann mir aber vorstellen, daß sich diese Theorie mit dem von Ihnen gewählten Ansatz beißt, anhand von zufällig verteilten Ertragsraten zu einer Ableitung der vorfindbaren Struktur der Vermögensverteilung zu kommen. Salopp gesagt: Sie brauchen den Zins als Faktor, der zu einer Erhöhung eines gegebenen Nettogeldvermögens führt. Das macht ja auch den Gegensatz aus: die Formulierung des Zinses als gesellschaftliche Risikoprämie macht aus Zinseinkommen die benötigten Risikoneutralisierungspuffer, so daß damit der vorherrschenden Sichtweise, daß Zinsen zu einer Vermögenskonzentration führen müssen, ein Konzept entgegengesetzt wird, welches im Grenzfall für eine Gesellschaft keine Möglichkeit mehr bereithält, das berühmte „leistungslose Einkommen“ zu erzielen. Und da das Geld von der Zentralbank und nicht von den „Sparern“ kommt, gibt es damit eine monetäre Zinstheorie, die nicht mehr individuelle persönliche Befindlichkeiten zur Bestimmungsgröße von Zinsen macht. Ich finde, das ist ein Fortschritt!

      • Hallo Herr Menendez,
        ich moechte Sie nochmal in Ihrem Ansatz bestaerken, der das Bild vom Geldkreislauf hinterfragt. Sie weisen weiter unten in Ihren Antworten auf die Symptome hin, die dies rechtfertigen. Im wesentlichen die globale Bestandsentwicklung, die anscheinend immer nur eine Richtung kennt. Und sollte sie tatsaechlich mal stagnieren oder gar ruecklaeufig sein, dann bricht, zumindest lokal, die Welt zusammen ;-).
        Das diese zusammenbrechenden Lokalitaeten tatsaechlich das Potential und die Tendenz haben, den globalen Zusammenbruch auszuloesen, liegt an der Struktur, der es an den entscheidenden Stellen offenbar zunehmend an Redundanz fehlt.

        BTW, ich bin in meiner Betrachtung nicht auf den Zins als Ausloeser fuer Konzentrationsprozesse angewiesen. Das ist ein Irrtum. Ausloeser fuer die Konzentrationsprozesse ist die Streuung der Renditen. Wenn alle die exakt gleiche Rendite, z.B. in Form eines Zinses, erzielen wuerden, dann gaebe es keine Konzentrationsprozesse in meinem Modell. Dann wuerden sich die Bestaende global und lokal mit dieser Einheitsrendite, die durchaus zeitlich fluktuieren duerfte, veraendern und die Welt waere gemessen am postulierten Ziel „stabiler Wachstumspfad“ in Ordnung.
        Was meiner Meinung nach nicht verstanden ist, ist der Effekt, der sich einstellt, wenn alle nach „Mehr“ streben und dabei unterschiedlich erfolgreich sind. Es kommt unweigerlich zu Klumpungen.
        Das betrifft dann auch die Geldbestaende, weil die lokalen Zu- und Abfluesse nicht mehr im Gleichgewicht sind. Man koennte auch sagen, es kommt zu einer Polarisierung bei den Zahlungsbilanzen.

        Wenn man das Bankengeschaeft als einen der moeglichen Wege der Renditerezielung betrachtet, dann kann man natuerlich die Aufpolsterung des Eigenkapitals aus Gewinnen aus Zinsdifferenzgeschaeften als Risikovorsorge betrachten. Was dabei aber offenbar nicht gelingt und meiner Meinung nach nicht gelingen kann, wenn man den oben genannten Effekt nicht kennt oder ignoriert, ist die Anpassung dieser Risikovorsorge an die Veraenderung der Risikostruktur, die sich aus diesem Effekt ergibt. Denn wenn man mal den Bank Run und den Kreditausfall als die beiden fundamentalen Risiken einer Bank betrachtet, dann kann es fuer eine Bank nicht egal sein, ob ihre Passiva hoch konzentriert in den Haenden weniger versammelt sind oder eher gleichmaessig verteilt in den Haenden vieler Kunden. Denn die Wahrscheinlichkeit das 100 sehr wohlhabende Kunden gleichzeitig ihr Geld abziehen, duerfte ungleich hoeher sein, als die Wahrscheinlichkeit das zigtausende Kunden diesen Schritt gleichzeitig waehlen.
        Wenn dann noch zu vermuten ist und das erscheint mir noch wichtiger, das dieser Effekt, auch die vertragsgemaesse Erfuellung der Geldschleife zunehmend erschwert und so das Risiko des Kreditausfalls erhoeht, dann muesste das risikovorsorgende Eigenkapital nicht nur proportional zur Bilanzsumme erhoeht werden, sondern in einer Weise, die diese zunehmende Risikoklumpung / Verunmoeglichung der Schleife, angemessen reflektiert.

        Zum Stichwort Fraktale moechte ich gerne dieses beisteuern:

        Und fuer alle Gleichgewichtstheoretiker dieses:

        Viele Gruesse
        Georg Trappe

        • Hallo Herr Trappe,

          was ich mit den Konsolidierungserfordernissen der Banken meine ist ja gerade, daß sie Zinsen für die Neutralisierung von negativen Ertragsraten, sprich Kreditausfällen verwenden müssen, bevor sie sich darüber Gedanken machen können, wie sie das Betriebsergebnis verwenden. Das ist ja keine materielle Geschichte, sondern eine Angelegenheit, die durch Verrechnung erfolgt. Die Gegenrechnung von Zinserträgen gegen Verlustabschreibungen hat zur Folge, daß die „Zinszahlungen“ schlichtweg verschwinden. Die werden einfach wegsaldiert! Das ist simple Buchhaltung.

          Insofern ist ihr Ansatz, positive oder negative Ertragsraten einfach fortzuschreiben nicht wirklich kompatibel mit dem, was sich jedes Jahr in den Buchhaltungsabteilungen der Finanzunternehmen abspielt. Das ist ja die ganze Crux an der Zinsdiskussion, weil Zinsen als etwas Reales behandelt werden, obwohl sie letztlich – mal mehr, mal weniger – in der Abteilung Bilanzbuchhaltung auf die aktuellen Verhältnisse angerechnet werden (müssen). Ich weiß, daß das schwer zu begreifen ist, daß die meistens hart erzielten (nicht erarbeiteten!) Zinszahlungen bei den Banken einfach gegen (negative) Buchungsposten ins Nirwana verschwinden – aber so funktioniert ein Kreditgeldsystem!

          Ich glaube, daß Sie als Techniker von einem Erhaltungssatz ausgehen, der bei physikalischen Angelegenheiten wohl durchaus angesetzt werden kann. So argumentiert übrigends H. Genreith auch. Das Mißverständnis liegt m.E. daran, daß es die Geldmenge ist, die diese Erhaltungseigenschaft haben soll – das ist jedoch nicht der Erklärungsinhalt der Saldenmechanik. Denn diese geht von der Gleichheit von Forderungen und Verbindlichkeiten aus – nicht von einer Konstanz einer „Geldmenge“. Der Unterschied von Geld und Kredit ist für einen Kreditgeldkapitalismus essentiell – das heißt aber auch, daß die notwendige „Geldmenge“ eine Funktion der – wie es Stützel genannt hat – „Spreizwirkung“ ist, die den Grad der Abweichung von Kreditvergabe und Liquiditätsversorgung bezeichnet. Die LTROs sind aus genau diesem Grunde aufgelegt worden!

          Egal was das im einzelnen bedeutet: die Konstanz einer „Geldmenge“ kann in keiner Weise vorausgesetzt werden. Nur die Gleichheit von Forderungen und Verbindlichkeiten!

      • Ich bestreite ja nicht was Sie sagen. Im Gegenteil, ich bin mit Ihnen einer Meinung, wenn Sie schreiben: „…die Konstanz einer “Geldmenge” kann in keiner Weise vorausgesetzt werden. Nur die Gleichheit von Forderungen und Verbindlichkeiten!“
        Und wir sehen beide, was daraus entsteht und gehen der Frage nach, warum geschieht das so, wie wir es beobachten?
        Meine Antwort ist inzwischen sehr nahe bei dem was Rubycon an anderer Stelle sinngemaess mal so formuliert hat: „Aggregierte BWL und der Rest ist Politik.“ Wenn man in diesem praegnanten Satz noch „der Rest“ weglaesst und Politik durch „ausgeuebte Macht“ ersetzt, dann hat man es meiner Meinung nach auf den Punkt gebracht.
        Denn es geht ja inzwischen ganz offensichtlich nur noch darum wie und vor allem wem man den „Nichterhaltungssatz“ aka Abschreibungsbedarf klar macht, ohne das Jesse James in die ewigen Jagdgruende eingeliefert wird. Das Dumme dabei ist nur, Jesse James ist eine Minderheit und diejenigen, denen man bis vor Kurzem einen Erhaltungssatz gepredigt hat und die nicht ganz ohne Grund weiterhin daran glauben wollen, sind eine Mehrheit.

        • “Aggregierte BWL und der Rest ist Politik.”

          Man kann das auch anders formulieren: aggregierte BWL erzeugt die Mißverständnisse, welche von der Politik zur Katastrophe gemacht werden. Das ist ja gerade der Punkt: die Beeinflussung der Politik durch unternehmerische Lobbyhyänen ist ja gerade das Problem wo nicht unterschieden wird, was für ein Gemeinwesen und was für Partikularinteressen nützlich ist – Lobbyinteressen sind ‚per se‘ immer Partikularinteressen. Die Posts über die logische Typenlehre der Ökonomie sind ja aus der Überzeugung entstanden, daß die Fragen der wirtschaftspolitischen Steuerung nicht mit den primitiven ‚ceteris paribus‘ Konzepten der BWL – wozu übrigens auch die Vorstellung der Funktionsfähigkeit des Konzepts von „Angebot und Nachfrage“ gehört – behandelt werden können. Sie wissen doch als technisch Versierter ganz genau, daß die Approximation von lokalen Eigenschaften auf eine fundamental falsche Fährte führen kann, wenn man versucht rückgekoppelte Komplexe zu analysieren. Da kann man mit einer einfachen „Aggregation“ die fürchterlichsten Fehler produzieren.

      • Da haben Sie Recht. Es koennte also sein, dass wir uns besser verstehen als ich es zunaechst dachte. Denn dem, der nur Summen oder Durchschnitte bildet und betrachtet entgeht etwas. Insbesondere dann, wenn die Verteilung(sfunktion) der mikroskopischen Zustaende/Groessen nicht stationaer ist, sondern selber eine Funktion der Zeit ist. Das macht die Herstellung der Verbindung von Mikro zu Makro ausgesprochen schwierig, moeglicherweise sogar unmoeglich. Boltzmann und Gibbs hatten diesbezueglich bei der Entwicklung ihrere Theorien einfach nur Glueck. Und wie weit das Glueck reicht und wo es endet verdeutlicht sehr eindrucksvoll das Benard Experiment. Denn da kann man etwas beobachten, was jenseits der Vorhersagekraft boltzmannscher / gibbscher Thermodynamik / statistischer Mechanik liegt. Mein Wissensstand ist der, dass es bis heute kein Modell gibt, welches durchgaengig und widerspruchsfrei das im Benard Experiment beobachtbare Verhalten beschreibt. Interessant daran ist, dass es sich beim im Benard Experiment untersuchten System um ein offenes System handelt, das durch einen Energiestrom aus dem Gleichgewicht getrieben wird. Soetwas kommt in der Natur ueberall vor und ist ueblicherweise das, woran sich die ambitionierten Gelehrten unserer Tage die Zaehne ausbeissen. Was nicht heissen soll, dass es dort keine Fortschritte im Verstaendnis gibt, aber der Aufwand, der getrieben werden muss, um voran zu kommen steigt extrem stark an. Woran das liegt, wird erkennbar, wenn man sich eines der einfachsten Systeme vornimmt, das faehig ist „Chaos“ zu entwickeln. Daher mein Hinweis auf Sprott an anderer Stelle.
        In der Lobby, in der Politik und in der Finanzindustrie sind eine grosse Zahl von Menschen unterwegs, die das nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. Leider auch sehr viele Mathematiker und Physiker, die es eigentlich besser wissen sollten:

        Ein Lesetip in diesem Zusammenhang ist auch das Buch von Ilya Prigogine und Isabelle Stengers:
        Dialog mit der Natur. Schon etwas aelter aber leicht in jedem besseren Antiquariat zu finden. Ein schoenes Sommerwochenende wuenscht
        Georg Trappe

  5. Oliver

    Ihr Schema oben hinterlässt den Eindruck, dass es einem Kreditentscheid einer Geschäftsbank ein gleichartiger willentlicher Entscheid eines Zentralbankmitarbeiters vorangeht.

    … the loan created the deposit, rather than being financed by the deposit or reserve balances. While the liquidity manager of the bank would be made aware of the potential withdrawal as the loan is being made and would secure additional funds for this purpose beyond pre-existing lines of credit with other banks if necessary, the decision to make the loan is unrelated aside from considerations regarding the interest rate on any such loan that the bank might not expect to eliminate later via the acquisition of more deposits. But this is a decision related to the profitability of the loan – and is made by
    a bank’s lending committee according to the bank’s strategy (which itself is set with regard to anticipated ranges of profitable growth in assets that is affected by anticipated ability to acquire deposits) or by loan officers authorized by executives to approve loans consistent with this strategy – not the quantity of deposits or reserve balances the bank has on hand prior to making the loan. Borrowings and reserve balances can always be had at some rate of interest; the question is whether or not this rate of interest is one at which the bank can make a profit that provides a sufficient return on equity.
    The examples above also demonstrate that the actual uses for reserve balances are to meet reserve requirements (where applicable) and settle payments. Again, in either case, banks can always ‘find’ reserve balances at some rate of interest when needed or desired. Indeed, reserve balances actually may not be needed in any of the examples. Reserve requirements are met on a delayed basis, and the decision to create a loan and the total deposits a bank will be holding related to its reserve requirement can change considerably from monthly, weekly, and even daily (note that in the US reserve requirements are calculated as a percentage of end-of-day deposits averaged over a 2-week period less vault cash held by the bank over the same 2-week period; in the European Monetary Union, reserve requirements are calculated as a percentage of end-of-day deposits held for a month). Beyond deposit flows into and out of a bank, a bank’s current customers might shift funds from deposits to savings, money market accounts, or time deposits (all of which are non-reservable). Further still, banks them- selves have been able to reclassify some of their customers’ deposits as money market accounts temporarily to avoid reserve requirements (Anderson and Rasche 2001)…

    • rubycon

      Habe mal meine Papierbestände zum EZB-Kompendium herausgekramt;
      hier aktuell online
      http://www.eu-info.de/euro-waehrungsunion/5011/5473/5477/

      Auszug ist von 2001 – wie sind die Entscheidungslinien praktisch heute in den Ausschüssen der Banken ?
      monthly,weekly, daily

      Bernanke erzählt im Protokoll FOMC auch nur nebulöses – siehe dortige Veröffentlichungen

    • Mir ging es hier weniger um die Frage, welche Motivationen Banken und Zentralbanken aufweisen, sondern darum zu zeigen, daß die übliche Vorstellung, daß es in der Wirtschaft einen „Geldkreislauf“ geben müsse, aus einer vordergründigen phänomenologischen Sichtweise entspringt (und andererseits natürlich auch das Problem der allgemeinen Gleichgewichtstheorie löst, die eben nur relative und keine absoluten Geldpreise ableiten kann).

      Die Sache ist ja nicht trivial insofern, als eine Kreislaufvorstellung andere Sachfragen aufwirft, als eine Schleifenvorstellung, wo Geld entsteht und verschwindet. Mit letzterer Vorstellung sind zum Beispiel die Probleme, welche mit der Frage der optimalen Geldmenge verbunden sind und welche die Ökonomie jahrzehntelang beschäftigt hatte, schlichtweg nicht existent. Und wenn Sie kein Bestandshalteproblem haben erübrigt sich auch die Frage nach den Opportunitätskosten dieser Bestandshalteentscheidung was letztlich darauf hinausläuft, daß die Frage nach der Funktion des Zinses anders beantwortet werden kann, als es die Einlagentheorie der Kredite tut, die Sie ja auch zu Recht kritisieren.

      Mit einer derartigen Konzeption ist auch die Frage nach dem Wachstum der Finanzmärkte anders zu beantworten, als es die herkömmliche Schulweisheit haben möchte, die ja stets von einer ’savings glut‘ spricht. Nur: die kann aus einer Privatverschuldung nicht in dieser Größenordnung resultieren, da ja Kredittilgungen gleichzeitig ja auch eine Vernichtung von Nettogeldvermögen implizieren. Es muß also eine andere Quelle dafür geben und das sind letztlich die Staatsschulden, die ja für den nichtstaatlichen Sektor ein (permanentes) Nettogeldvermögen darstellen, wo die Bestandshalteentscheidungen, die eigentlich nicht existieren dürften, auf einmal durch die Hintertür wieder hereingeholt werden.

      Sie sehen sicherlich, daß allein diese Perspektivänderung hinsichtlich der Konzipierung von Geld bereits Antworten bereithält, die mit dem herkömmlichen Instrumentarium nur mit Hilfe verbogener Argumentationsgänge erreichbar sind.

      • Oliver

        Sie sehen sicherlich, daß allein diese Perspektivänderung hinsichtlich der Konzipierung von Geld bereits Antworten bereithält, die mit dem herkömmlichen Instrumentarium nur mit Hilfe verbogener Argumentationsgänge erreichbar sind.

        Den Zweck Ihres Artikels hatte ich durchaus verstanden und bin mit dessen Wichtigkeit auch komplett einverstanden. Mit meiner Anmerkung wollte ich anhand eines spezifischen Beispiels eine eher generelle Aussage machen. Ich behaupte, die vordergründige Widersprüchlichkeit eines hierarchischen Geldsystems mit einer von einzelnen Akteuren ausgehenden, sprich endogen gelagerten Kausalität der monetären Bilanzerweiterung / -verkürzung, hält mindesten ebenso viel Stoff für Konfusionen bereit, wie das Schisma zwischen Einlagen- und Kredittheorie. Und ich bin mir immer noch nicht sicher, wie Sie zu diesem Thema stehen, bzw. werde den Verdacht nicht los, dass Sie aus der Hierarchie, zumindest für meinen Geschmack, zu viel top-down Kausalität, oder zumindest Potenzial dafür, ableiten. Daher der Nachdruck…

        • „Top-Down“
          Ich vermute mal, daß Ihr Eindruck daher rührt, daß ich häufig auf soziale Relationen eingehe und es so scheinen könnte, als wäre die Frage der Handlungsfreiheit von Individuen lediglich eine Nebensächlichkeit. Nun, die Handlungsfreiheit von Individuen ist sicherlich gegeben, allerdings ist dann, wenn das eigene Handeln von der Kooperation anderer abhängt auf einmal eine Beschränkung da, die sich für manche mit dem Freiheitsgedanken nicht verträgt. Ich nehme dabei in etwa die Perspektive ein, die sich anhand eines bekannten Goethe-Zitats charakterisieren läßt: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister!“

          Das bedeutet auf eine systemtheoretische Ebene übersetzt, daß erst die Einschränkung von Kontingenz es möglich macht, über das individuelle Fähigkeitsspektrum hinaus zu Leistungen zu gelangen, die einem Individuum von vornherein werwehrt sind zu erreichen. Das macht ja auch das Stecknadelbeispiel von Adam Smith deutlich, daß erst die Beschränkung und Spezialisierung des Einzelnen in der Gesamtheit eine Leistungssteigerung ermöglicht, was schließlich auch der Moderne ermöglicht hat, den garnicht immer so segensreichen Bedingungen von „Mutter Natur“ zu entkommen.

          Und in diesem Sinne sehe ich auch eher die Beschränkungen die sich einstellen, wenn es um die Frage von Schuldbeziehungen geht, denn gerade im finanziellen Bereich ist die Abhängigkeit des einzelnen Akteurs von der Kooperationsbereitschaft von anderen noch ausgeprägter, als man es vermuten würde. Von daher frage ich mich bei dem von Ihnen zitierten Textausschnitt, ob sich die Verfasser es sich bei der Frage der Refinanzierungsmöglichkeiten nicht doch ein bißchen zu einfach machen. Denn sie unterstellen schlichtweg, daß es immer einen Zinssatz gibt, zu dem sich eine Bank refinanzieren kann, ohne angemessen zu berücksichtigen, daß es a) durchaus Bonitätsunterschiede gibt, die zu unterschiedlichen Refinanzierungszinsen führen können, und b) daß es Situationen gibt, in denen diese vorgetragene Selbsverständlichkeit gerade nicht gilt. Die „Dicken Berthas“ oder die LTRO´s sind ja nicht aus Jux und Dollerei entstanden, sondern weil es einige Phasen gab, in denen ein höheres Zinsgebot geradewegs dazu geführt hätte, daß erst recht kein (Interbanken-) Kredit bewilligt worden wäre. Ökonomie, die nur für Schönwetterphasen Geltung beanspruchen kann, ist nicht wirklich dazu geeignet ein Verständnis davon zu erzeugen, was in welcher Parameterlage für eine angemessene Reaktion erforderlich ist.

          Wenn Sie so wollen lege ich den Fokus der Betrachtungen manchmal (zu) sehr auf die Rahmenbedingungen, unter denen wirtschaftliche Entscheidungen erfolgen (müssen). Oder anders: ich sehe mir erst mal die (globale) Budgetrestriktion an, um mir DANN Gedanken zu machen, welche Entscheidungen überhaupt möglich sind. Man könnte natürlich einwenden, daß dies ein Rückschritt hinter die simultane Bestimmung von Entscheidungsraum und Budgetrestriktion aus der allgemeinen Gleichgewichtstheorie sei. Das kann man so sehen, allerdings halte ich es für zweckmäßiger die Beschränkungen daraufhin zu analysieren, um daraus ableiten zu können, welche Handlungsoptionen Individuen unter den gegebenen Verhältnissen tatsächlich haben. (Mal ganz davon abgesehen, daß die simultane Kalkulation eines einzigen! Gleichgewichtspunktes die Kleinigkeit von ein paar Milliarden Jahren modernster Rechenleistung erfordern würde.) Ich habe ja keine Probleme damit zuzugeben, daß Wirtschaftssubjekte Entscheidungen fällen können, die für ihre Zielerreichung nützlich sind – allein diese Entscheidungen finden nie in einem „luftleeren“ Raum statt…

      • Oliver

        Ich erlaube mir, mangels Zeit, einen ganzen Abschnitt aus dem oben zitierten Paper (http://www.rokeonline.com/roke/post%20crisis%20monetary%20policy%20debate.pdf) hier wiederzugeben:

        3.2 The offsetting and accommodating nature of the central bank’s operations
        The necessity for the central bank’s operations to accommodate banks’ needs to settle pay- ments and meet reserve requirements while achieving the target rate exists because banks in the aggregate cannot alter the quantity of reserve balances. Recalling Mehrling’s quote above, individual banks can borrow and lend in money markets, but the banking system as a whole can only affect the distribution of total reserve balances, not the quantity. This is obvious – as a liability on the central bank’s balance sheet, the aggregate quantity of reserve balances can only change when something else besides reserve balances on its balance sheet changes. Table 6 illustrates this fact of double-entry accounting.
        Given that the operating target is necessarily an interest rate and that the quantity of reserve balances in the aggregate only changes when something else on the central bank’s balance sheet changes, the central bank’s operations necessarily accommodate the demand for reserve balances at the target rate (Fullwiler 2008; Lavoie 2010). The scope of possible shifts in banks’ desired holdings is a result in itself of the central bank’s method of setting the interest rate. The greater confidence banks have that they will not have to visit the central bank’s standing facilities to borrow at the penalty rate to clear an overdraft from payment outflows, the less they will hold in excess as a buffer against this possibility. In Canada, for instance, banks have complete certainty they will not end the day in overdraft; this coupled with no reserve requirements enables Canadian banks to hold 0 reserve balances in the aggregate overnight. Obviously, with reserve requirements added, assuming they are not trivial, banks will desire still more reserve balances at the target rate, though how many depends on several factors (Fullwiler 2008). In the US, for example, prior to the mid-1990s, reserve requirements were economically significant and banks held more than $30 billion in reserve balances. The proliferation of retail sweep accounts enabled banks to avoid reserve requirements to the degree that they became essentially volun- tary by the end of the 1990s, at which time banks held a bit more than $10 billion in reserve balances (which suggests this was near the quantity banks in the US would have held overnight as a buffer against overdrafts in the absence of reserve require- ments) (Anderson and Rasche 2001; Fullwiler 2003).
        While accommodating swings in banks’ demand for reserve balances (where applicable – in Canada the demand for overnight balances is always 0), central bank operations offset changes to their balance sheets that are not consistent with banks’ desired holdings of reserve balances at the targeted interest rate (Fullwiler 2008; Lavoie 2010). By far the most important of these changes is the growth in currency; as described above, banks purchase currency to hold as vault cash to meet customer withdrawals via reserve accounts. As currency grows, this drains reserve balances, which central banks then replenish via open market operations (permanent or repo) or loans to banks. Another important change arises from flows to/from the treasury’s account at the central bank, which is debited when the government spends via crediting of bank reserve accounts and credits to the deposit accounts of recipients. For the most part, central banks are spared from dealing with anything but some minor daily swings in the treasury’s account (though some treasuries – such as the US Treasury – attempt to offset these, too, via transfers and withdrawals to/from correspon- dent accounts at private banks) since most countries require their treasury rather than their central bank to issue bonds that drain reserve balances as an offset to the addition to reserve balances a deficit brings.
        The net effect of the accommodating and offsetting nature of the central bank’s operations is that there is no role for price discovery in the overnight market where a central bank sets a target rate. As Martin and McAndrews (2008) put it,
        The cost of reserves, both intraday and overnight, are policy variables. Consequently, a mar- ket for reserves does not play the traditional role of information aggregation and price dis- covery. In fact … many demand-management features determined by central bank policy are intended to dampen variability in the market for reserves. (p. 1)
        In other words, deviations from this target rate simply suggest that the central bank has for whatever reason chosen not to accommodate swings in the demand for reserve bal- ances or to offset fully changes to its balance sheet. This is not the private ‘market’ engaging in price discovery; it is instead the policymaker setting a rate and then deter- mining how precisely to achieve it. As above, leaving banks short of reserve balances to settle payments or meet reserve requirements will raise the rate to the penalty or lending rate, whereas leaving banks in an undesired excess position will lower the rate to the remuneration rate. Note further that the central bank could very precisely achieve its target rate simply by narrowing the corridor between its lending rate and the remuneration rate. For instance, setting the two at, say, five basis points above and below the target rate would effectively guarantee that the interbank rate would not move outside this range. Similarly, changing the target rate can simply be achieved by announcing changes to all three rates (lending, target, and penalty rates) in tandem; given the roughly vertical demand for reserve balances, banks cannot ‘do’ anything with more reserve balances and require at least enough of them to settle payments and meet reserve requirements for the target rate to be achieved. As such, it is not sur- prising that researchers have not found evidence of a liquidity effect associated with changes to the central bank’s target rate (see Friedman and Kuttner 2010 for recent empirical evidence and Fullwiler 2003 for the operational details that explain why there is no liquidity effect)…

        Von daher frage ich mich bei dem von Ihnen zitierten Textausschnitt, ob sich die Verfasser es sich bei der Frage der Refinanzierungsmöglichkeiten nicht doch ein bißchen zu einfach machen. Denn sie unterstellen schlichtweg, daß es immer einen Zinssatz gibt, zu dem sich eine Bank refinanzieren kann, ohne angemessen zu berücksichtigen, daß es a) durchaus Bonitätsunterschiede gibt, die zu unterschiedlichen Refinanzierungszinsen führen können, und b) daß es Situationen gibt, in denen diese vorgetragene Selbsverständlichkeit gerade nicht gilt. Die “Dicken Berthas” oder die LTRO´s sind ja nicht aus Jux und Dollerei entstanden, sondern weil es einige Phasen gab, in denen ein höheres Zinsgebot geradewegs dazu geführt hätte, daß erst recht kein (Interbanken-) Kredit bewilligt worden wäre.

        Mit anderen Worten: Ja, es gibt immer einen Zinssatz, zu dem sich ein solventes Institut finanzieren kann, Obergrenze ist der Diskontsatz. Und zu b): solche Einrichtungen sind nicht optional, sondern zwingend und daher auch als Teil des Systems und nicht als Zusätze zu betrachten. Oder anders ausgedrückt, ich teile Ihre Ansicht zur Knappheit des Zentralbankgeldes nicht. Zentralbanken handeln zwingend ‚offsetting‘ und ‚accomodative‘. Es ist keine Frage der Quantität, sondern nur des Preises.

        • Daß es keine Beschränkung des Zentralbankgeldvolumens gibt, habe ich an mehreren Stellen durchaus dokumentiert. Insofern kann es dabei keine Differenzen geben.

          Was Sie übersehen ist, daß – wie der langweilige von Ihnen zitierte Text leider völlig ignoriert – es gerade darum geht, die Nicht-Beschränkbarkeit von Zentralbankgeld in eine Budgetrestriktion umzuformen, die zum Ziel hat, die Bonitätsnormen des Bankensystems zu einem einheitlichen Standard zu zwingen, so daß die abschreibungsbedingten Konsolidierungsnotwendigkeiten nicht dazu führen, daß es zu einem Mißtrauen in die Bonität des Bankensystems kommt. Nur: sobald die Schönwetterphase, von denen dieser Abschnitt redet, vorbei ist, gelten auf einmal andere Bedingungen, die nichts mehr mit einer lustigen „target rate“ zu tun haben.

          Das Ganze mag auch damit zusammenhängen, daß dabei immer von den aktuellen Verhältnissen in Kanada und nicht von grundsätzlichen Funktionsbedingungen des Kreditgeldwesens die Rede ist – das ist mehr als schade. Aber auch Kanada ist keine Insel der Glückseligen, denn die beschriebenen Verhältnisse sind auch in absehbarer Zeit vorbei, wo danach die Frage, wer noch Kredit bekommt, zu einer virulenten Überlebensfrage werden wird.

          http://blog.markusgaertner.com/2013/06/11/wo-schlagt-die-nachste-finanz-bombe-ein-spanien-italien-japan-kan/

          Dann ist es auch dort mit der Glückseligkeit der „Zinssteuerung“ vorbei. Der Greenspan-Trottel mit seiner ‚great moderation‘ sollte Warnung genug sein!

          BTW: Auch ein solventes Kreditinstitut kann eine Betriebsuntersagungsverfügung bekommen: die Herstatt-Bank war gerade außerordentlich solvent, obwohl die Bankenaufsicht die – letztlich erfolgreichen – Auslandsengagements als Grund für – eine eigentlich vorläufige – Betriebsstillegung angeführt hatte. Diesen Vertrauenstorpedo hat sie „bloß“ nicht überstanden. Shit happens.

          Zwischen Himmel und Erde ist noch mehr, als die bloße Behauptung, eine Zentralbank würde immer die Liquiditätserfordernisse aller(!) Banken erfüllen! Schönwetterökonomie macht die Neoklassik auch!

      • Oliver

        …die Nicht-Beschränkbarkeit von Zentralbankgeld in eine Budgetrestriktion umzuformen…

        Schön wärs. Nur ist dies leider nicht möglich. Es wurde ein mal Anfang der 80er in GB und den USA probiert – ohne Erfolg. Es gab niemals und wird niemals eine Geldmengesteuerung dieser oder irgend einer anderen Art geben. Sie verfallen hier dem Wunschdenken der Monetaristen und begehen dabei den grössten faux pas der Ökonomie, nämlich die Realität einer abstrakten (und fehlerhaften) Theorie unterordnen zu wollen. Zeigen Sie mir auch nur eine Zentralbankcharta, in der die von Ihnen propagierte Budgetrestriktion beschrieben wird. Es gibt sie nicht. Der limitierende Faktor einer Bankenbilanz ist das Eigenkapital.

        …Nur: sobald die Schönwetterphase, von denen dieser Abschnitt redet, vorbei ist, gelten auf einmal andere Bedingungen, die nichts mehr mit einer lustigen “target rate” zu tun haben. Das Ganze mag auch damit zusammenhängen, daß dabei immer von den aktuellen Verhältnissen in Kanada und nicht von grundsätzlichen Funktionsbedingungen des Kreditgeldwesens die Rede ist – das ist mehr als schade. Aber auch Kanada ist keine Insel der Glückseligen, denn die beschriebenen Verhältnisse sind auch in absehbarer Zeit vorbei, wo danach die Frage, wer noch Kredit bekommt, zu einer virulenten Überlebensfrage werden wird…Dann ist es auch dort mit der Glückseligkeit der “Zinssteuerung” vorbei. Der Greenspan-Trottel mit seiner ‘great moderation’ sollte Warnung genug sein!…

        Ich weiss nicht, warum Sie immer mit der Schönwetterphase kommen. Es wird nirgends behauptet, dass die Zinssteuerung ein genügendes Mittel ist, um eine Volkswirtschaft zu steuern. Ganz im Gegenteil, sie ist statistisch betrachtet sogar hochgradig ineffektiv. Die Feststellung ist lediglich, dass sie, mal abgesehen von ‚unconventional monetary policies‘ wie QE, das einzige Instrument ist, welches Zentralbanken zur Verfügung steht. Im Grunde genommen ist dies eine Bankrotterklärung an den Mythos der allmächtigen und ‚unabhängigen‘ Zentralbanken. Womit automatisch den qualitativen Playern in der Politik / Bankenaufsicht / Kreditvergabwesen, eine viel grössere Bedeutung beigemessen wird. Sprich, in der Deregulierung, Hybris und Korruption, nicht etwa in zu tiefen Zinsen, sind die wahren Gründe der Krise zu suchen.

        BTW: Auch ein solventes Kreditinstitut kann eine Betriebsuntersagungsverfügung bekommen: die Herstatt-Bank war gerade außerordentlich solvent, obwohl die Bankenaufsicht die – letztlich erfolgreichen – Auslandsengagements als Grund für – eine eigentlich vorläufige – Betriebsstillegung angeführt hatte. Diesen Vertrauenstorpedo hat sie “bloß” nicht überstanden. Shit happens.

        Eben, Bankenaufsicht.

        Zwischen Himmel und Erde ist noch mehr, als die bloße Behauptung, eine Zentralbank würde immer die Liquiditätserfordernisse aller(!) Banken erfüllen! Schönwetterökonomie macht die Neoklassik auch!

        Wurde so nie behauptet. Nur das Kriterium für die Einleitung von Strafmassnahmen gegen eine Bank liegt nicht in deren Nichteinhaltung einer nichtexistenten Budgetrestriktion der ZB.

        Ich denke, der Wurm ist in Ihrem Leitbild zu finden:

        Ich verfolge hier ein Weltbild, welches zumindest versucht, Ökonomie ohne Rekurs auf interessengeleitete Moral zu betrachten. Es kann sein, daß das manchmal mißlingt. Dennoch: Ökonomie hat was damit zu tun, daß abstrakte Regeln zwischenmenschliches Dasein koordinieren können.

        Wer macht den diese sogenannt abstrakten Regeln? Und wer setzt sie durch? Und wer muss sicht schlussendlich daran halten? Wieder mal ein Versuch eines Ökonomen sich der Soziologie zu entledigen mit dem schwammigen Verweis auf irgendwelche von einem ‚deus ex machina‘ Regeln.
        …die Nicht-Beschränkbarkeit von Zentralbankgeld in eine Budgetrestriktion umzuformen…

        Schön wärs. Nur ist dies leider nicht möglich. Es wurde ein mal Anfang der 80er in GB und den USA probiert – ohne Erfolg. Es gab niemals und wird niemals eine Geldmengesteuerung dieser oder irgend einer anderen Art geben. Sie verfallen hier dem Wunschdenken der Monetaristen und begehen dabei den grössten faux pas der Ökonomie, nämlich die Realität einer abstrakten (und fehlerhaften) Theorie unterordnen zu wollen. Zeigen Sie mir auch nur eine Zentralbankcharta, in der die von Ihnen propagierte Budgetrestriktion beschrieben wird. Es gibt sie nicht. Der limitierende Faktor einer Bankenbilanz ist das Eigenkapital.

        …Nur: sobald die Schönwetterphase, von denen dieser Abschnitt redet, vorbei ist, gelten auf einmal andere Bedingungen, die nichts mehr mit einer lustigen “target rate” zu tun haben. Das Ganze mag auch damit zusammenhängen, daß dabei immer von den aktuellen Verhältnissen in Kanada und nicht von grundsätzlichen Funktionsbedingungen des Kreditgeldwesens die Rede ist – das ist mehr als schade. Aber auch Kanada ist keine Insel der Glückseligen, denn die beschriebenen Verhältnisse sind auch in absehbarer Zeit vorbei, wo danach die Frage, wer noch Kredit bekommt, zu einer virulenten Überlebensfrage werden wird…Dann ist es auch dort mit der Glückseligkeit der “Zinssteuerung” vorbei. Der Greenspan-Trottel mit seiner ‘great moderation’ sollte Warnung genug sein!…

        Ich weiss nicht, warum Sie immer mit der Schönwetterphase kommen. Es wird nirgends behauptet, dass die Zinssteuerung ein genügendes Mittel ist, um eine Volkswirtschaft zu steuern. Ganz im Gegenteil, sie ist statistisch betrachtet sogar hochgradig ineffektiv. Die Feststellung ist lediglich, dass sie, mal abgesehen von ‚unconventional monetary policies‘ wie QE, das einzige Instrument ist, welches Zentralbanken zur Verfügung steht. Im Grunde genommen ist dies eine Bankrotterklärung an den Mythos der allmächtigen und ‚unabhängigen‘ Zentralbanken. Womit automatisch den qualitativen Playern in der Politik / Bankenaufsicht / Kreditvergabwesen, eine viel grössere Bedeutung beigemessen wird. Sprich, in der Deregulierung, Hybris und Korruption, nicht etwa in zu tiefen Zinsen, sind die wahren Gründe der Krise zu suchen.

        BTW: Auch ein solventes Kreditinstitut kann eine Betriebsuntersagungsverfügung bekommen: die Herstatt-Bank war gerade außerordentlich solvent, obwohl die Bankenaufsicht die – letztlich erfolgreichen – Auslandsengagements als Grund für – eine eigentlich vorläufige – Betriebsstillegung angeführt hatte. Diesen Vertrauenstorpedo hat sie “bloß” nicht überstanden. Shit happens.

        Eben, Bankenaufsicht.

        Zwischen Himmel und Erde ist noch mehr, als die bloße Behauptung, eine Zentralbank würde immer die Liquiditätserfordernisse aller(!) Banken erfüllen! Schönwetterökonomie macht die Neoklassik auch!

        Wurde so nie behauptet. Nur das Kriterium für die Einleitung von Strafmassnahmen gegen eine Bank liegt nicht in deren Nichteinhaltung einer nichtexistenten Budgetrestriktion der ZB.

        Ich denke, der Wurm ist in Ihrem Leitbild zu finden:

        Ich verfolge hier ein Weltbild, welches zumindest versucht, Ökonomie ohne Rekurs auf interessengeleitete Moral zu betrachten. Es kann sein, daß das manchmal mißlingt. Dennoch: Ökonomie hat was damit zu tun, daß abstrakte Regeln zwischenmenschliches Dasein koordinieren können.

        Wer macht den diese sogenannt abstrakten Regeln? Und wer setzt sie durch? Und wer muss sicht schlussendlich daran halten? Wieder mal ein Versuch eines Ökonomen sich der Soziologie zu entledigen mit dem schwammigen Verweis auf irgendwelche von einem ‚deus ex machina‘ Regeln.

  6. Die Geldschleife ist interessant visualisiert:
    http://www.dctp.tv/filme/simmel_philosophie-des-geldes/
    Geschichte ist nicht zwangsläufig sondern veränderbar ?

  7. @ Georg Trappe
    Was kommt nach der Gier, dem Streben nach mehr?
    Bewusstsein – das Handeln in jeder Situation mit dem Gefühl, zu verstehen und zu empfinden, was gerade „bewegt“ wird – durch mein eigenes oder das agieren von anderen.
    Und danach ?
    Vielleicht der Wunsch zu beeinflussen, zu lenken, zu steuern.
    Die Macht über den Rest, wie ich es nannte, zu kontrollieren?
    Oder frei zu sein von Beschränkungen ?

  8. @rubycon
    Sehr gute Fragen, die so leider viel zu selten gestellt werden. Ich kann hier nur kurz andeuten, in welche Richtung meine Gedanken gehen, wenn es um Antworten geht.

    Bewusstsein und der Wille zur Gestaltung / Einflussnahme sind in einem wechselwirksamen Prozess miteinander verbunden, den man mit Lernen im weitesten Sinne umschreiben koennte. Das Bewusstsein, die mentale Landkarte, veraendert und erweitert sich durch das Feedback auf gestaltende Eingriffe und Einflussnahmen. Da Lernen zunaechst ein akkumulierender Prozess ist, kommt es immer wieder zu zwangslaeufigen Bruechen, weil neue Erfahrungen nicht mehr widerspruchsfrei in die bestehende Landkarte zu integrieren sind. Gleichzeitig macht irgendwann die schiere Groesse der Landkarte eine durchgaengige Ueberpruefung der Landkarte auf Widerspruchsfreiheit mit der neuesten Erfahrung aus Gestaltungsmassnahmen nahezu unmoeglich, was zu einer Art Erstarrung fuehrt. Erstarrung ist aber etwas, was ueberlebenswillige Individuen sich in einer evolutionaer entwickelnden Welt nicht dauerhaft leisten koennen. Dadurch entsteht ein ausgesprochen interessantes Spannungsfeld mit einer Reihe von Verhaltensoptionen, die frueher oder spaeter schwierige Entscheidungen verlangen.

    Freiheit erlebe ich ausgesprochen intensiv in Momenten hoch konzentrierter geistiger Arbeit, in denen sich Raum und Zeit aufzuloesen scheinen. Es ist ein Zustand der als Flow bekannt ist. Ansonsten lebe ich in dem Bewusstsein ein Teil eines Ganzen zu sein, mit allem, was sich daraus ergibt. Gleichzeitig glaube ich, dass das gaengige, propagierte Freiheitsideal in seiner vulgaeren Form eine ausgsprochen destruktive Spitze hat, von der man sich fernhalten sollte. Insbesondere dann, wenn man sich als Teil eines Ganzen versteht.

    Viele Gruesse

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