„Man lebt ja von der Successfee des Vertragsabschlusses und nicht von der Erfüllung des Vertrages.“
Eine herrliche Formulierung, die mich dazu bringt laut darüber nachzudenken, warum es in der heutigen Bankenlandschaft offenbar keine Möglichkeit gibt Banken dazu zu bringen auf eine nachhaltige Art und Weise zu operieren. Dabei ist erst mal das Kriterium fraglich, was Nachhaltigkeit in der Führung eines Bankbetriebes ausmachen soll.
Daß Nachhaltigkeit hier natürlich nicht bedeutet, daß es um ökologische Fragen geht, soll ausdrücklich von vornherein betont werden, weil ein Ausufern der Diskussion auf ‚peak‘-xyz sofort von dem eigentlichen Problemkern ablenken würde – mal abgesehen davon gibt es für dieses Thema genügend Spielwiesen, wo man sich in diesem Sinne austoben kann. Demgegenüber ist Nachhaltigkeit im Sinne einer Dauerhaftigkeit von Finanzbeziehungen eine Angelegenheit, die ältere Bankiers noch kennen werden, eine Sache, die den heutigen Bankern als unwesentlicher Schnee von gestern vorkommen wird.
Fragt man sich also an welcher Stelle die Bankiers zu Bankern mutierten, so kann man vermuten, daß es mit dem Aufkommen der Technik der Verbriefung mit der früher gepflegten Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehungen zu Ende gegangen ist. Denn Verbriefung ist letzten Endes ein Begriff dafür, daß eine Kreditbeziehung zwischen zwei Vertragsparteien einseitig durch den Kreditgeber aufgelöst werden kann, in dem Sinne, daß der ursprüngliche Kreditgeber aus seiner Verantwortung für die Krediterteilung entlassen wird und dafür der (ABS/Wertpapier-) Kreditkäufer sowohl Risiko als auch die möglichen Erträge aus der ursprünglichen Kreditbeziehung übernimmt.
An dieser Stelle kommt das eingangs angeführte Zitat zum Tragen. Denn solange Kredite an Kreditübernehmer abgegeben werden können, ist es mit der Motivation, eine Geschäftsbeziehung auch bis zu ihrem (hoffentlich) erfolgreichen Ende zu führen, auf einmal vorbei. Der Hänger an der Sache ist, daß Banken genau aus diesem Grund ihre Risikorückstellungen nach ihrem eigenen Gutdünken gestalten und aus naheliegenden Gründen keine Lust haben über eine minimale Vorsorge hinaus eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben.
Woran liegt das?
Im Grunde genommen ist das Kreditieren von Geld eine Angelegenheit, die zusehen muß, daß dabei kein Vermögensschaden entsteht, der dazu führt, daß Zinseinnahmen mit Verlusten aus Kreditabschreibungen aufgerechnet werden müssen. Sobald man das einmal realisiert hat ist es nur noch ein kurzer Schritt festzustellen, daß Banken die Risikoanteile aus den Zinseinnahmen als Rückstellungen solange passivieren müßten, bis diese (zusammen mit den Tilgungszahlungen) die Höhe des ausstehenden Betrages erreicht haben. Erst an diesem Punkt sollte es erlaubt sein die dann folgenden Zins- und Tilgungszahlungen gewinnwirksam buchen zu können. (Ja, auch Tilgungszahlungen würden dann teilweise gewinnerhöhend sein. Warum? Weil das Geschäft erst dann effektiv Gewinne abwirft! Das kann bei 30-jährigen Immobilienkrediten dann schon mal 15 Jahre dauern!)
Auf diese Weise würde auch der Vermögensschaden aus einer notwendigen Kreditabschreibung erheblich gemindert, weil in diesem Fall der Risikoanteil der Zinsen tatsächlich! zu dem Zweck verwendet werden würde, für den er eigentlich vorgesehen ist, nämlich als Kompensation für eingetretene Verluste. Worüber man sich natürlich noch Gedanken machen könnte und müßte ist die Frage, wie der (virtuelle) Schaden aus dem entgangenen Ertrag zwischen der Bank und dem Schuldner aufgeteilt werden soll – auf jeden Fall ist ein derartiges Arrangement sowohl für die Bank als auch für den Schuldner eine Verbesserung in mehrfacher Hinsicht:
Der Schuldner hat für den Ertragsausfall durchaus einzustehen – die Mitverantwortung der Bank für ihren Ertragsausfall läßt jedoch den ausstehenden Kredithauptbetrag deutlich schrumpfen und verhindert gelegentlich sogar, daß die außerordentliche Beendigung des Kreditvertrages zu einer langjährigen Angelegenheit wird.
Die Bank hat auf eine langfristige Funktionsfähigkeit des Kreditverhältnisses zu achten, was es ihr verbietet, den bloßen Abschluß eines Kreditgeschäftes bereits als erfolgswirksam zu behandeln. Um die Einhaltung dieses Prinzips zu gewährleisten müßte in Verbriefungsgeschäfte eine Restitutionsklausel eingefügt werden, die es dem Käufer eines z.B. ABS erlaubt dieses dem ursprünglichen „Aussteller“ dieser Kreditforderung wieder rückübertragen zu können. Wer dabei an die Funktionsbedingungen eines Wechsels denkt, denkt richtig!
Der Effekt einer derartigen Konstruktion ist auch der, daß automatisch aufgrund eines Kredites diejenige Eigenkapitalposition gebildet wird, die von vielen Seiten für das Banksystem immer wieder angemahnt wird. Wenn man so will wird damit ein risikobedingter (kreditbedingter) Eigenkapitalpuffer erzeugt, der es unnötig macht, die Grundkapitalgeber dazu zu verdonnern für einen angemessenen Risikopuffer zu sorgen. Der Grund dafür ist, daß die Risikorückstellungen sofort aus den laufenden Einzahlungen gebildet werden müssen und nicht gleich für Ausschüttungen und Boni verwendet werden können. Das ist deswegen sinnvoll, weil ein Risikopuffer aus Grundkapital lediglich einen Bestand darstellt, der aufgrund seiner Natur nur einen begrenzten Risikoschutz bieten kann. Denn ist der (begrenzte) Bestand aufgebraucht geht die Suche nach dem ‚bailout‘ immer in Richtung Staat, wo sie überhaupt nicht hingehört!
Daß damit das Bankgeschäft auf einmal eine langfristige Note bekommt ist nicht schädlich, sondern intentional gewollt und verweist eher darauf, daß es ziemlich schwachsinnig ist, sich alle drei Monate darum zu kümmern, wie es mit dem aktuellen Vermögensstatus einer Bank aussieht – Jahresberichte reichen allemal! (Man könnte durchaus auf die Idee kommen, daß Quartalsberichte nur dazu da sind, um Forderungen nach Boni frühzeitig motivieren zu können.) Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen, daß Banken, die mit vieljährigen Kontrakten hantieren sich alle drei Monate damit beschäftigen für ihre Geschäftssituation eine neue Legende zu erfinden. Sinnvoll ist was anderes!
Wenn man das regulierungsbedingte! (und steuerbedingte) Verschuldungsproblem irgendwann mal auf die Reihe bekommen will geht kein Weg daran vorbei Banken dazu zu zwingen den wahren (sic!) Risikoanteil an den erhobenen Zinsen als Rückstellung zu buchen, weil sie diese Risikoabsicherung in diesem Ausmaß niemals freiwillig, und wenn, dann nur nachträglich (gezwungenermaßen) umsetzen werden. Gesund wäre es allemal! Das was derzeit als Risikorückstellung von den Banken angesetzt wird ist mit der Bezeichnung „lächerlich“ noch viel zu zart ausgedrückt!
„Fragt man sich also an welcher Stelle die Bankiers zu Bankern mutierten, so kann man vermuten, daß es mit dem Aufkommen der Technik der Verbriefung mit der früher gepflegten Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehungen zu Ende gegangen ist.“ Ich denke, dieser Satz trifft die Problematik ziemlich genau. Vor 20 oder 30 Jahren war z.B. das Geschäft mit Hypotheken vor allem ein lokales Geschäft. Es unterlag stringenten Bonitätsprüfungen. Die Banken verstanden, dass diese Prüfung am besten gelingt, wenn man die lokalen Verhältnisse kennt. Nur so kennt man nicht nur die nackten Zahlen sondern eben auch die weichen Fakten um die Antragsteller herum. Die einzelnen Bankniederlassungen trugen die Verantwortung für die Vertragserfüllung und somit für die Bonitätsprüfung. Bei der Verbriefung will man ja das Risiko durch Diversifikation reduzieren. Je grösser der Topf aller Hypotheken, umso geringer das Risiko, dass mein Hypothekenportfolio durch einzelne Ausfälle beeinträchtigt wird. Das hat aber zwei Effekte: Erstens, das Geschäft muss ein größeres Volumen annehmen, sonst gelingt die Diversifikation nicht. Dieses Volumen lässt sich lokal nicht erreichen, also muss das Geschäft auf eine regionale oder globale Stufe gestellt werden. Man entfernt sich also vom Kunden und verliert wesentliche Informationen über die Antragsteller. Zweitens, mit der Verbriefung überträgt die ausstellende Bank das Risiko und verliert den Anreiz einer rigorosen Bonitätsprüfung. Schlimmer noch, sie hat den Anreiz möglichst viel Volumen zu machen unabhängig von der Qualität der Vertragsabschlüsse. Die Verantwortung für die Vertragsabschlüsse trägt man ja nicht selber. Sobald man aber keine Verantwortung für die Bonitätsprüfung mehr trägt, verliert man eine wesentliche Funktion, die einen Bankier ausmacht: die risikogerechte Allokation finanzieller Ressourcen. Jetzt ist man kein Bankier mehr sondern Banker.
Vielen Dank für Ihren – wie immer – guten Beitrag. Die Problematik der Haftungsfreistellung hatte ich schon mal Anfang des Jahres an anderer Stelle thematisiert und bin dort zu sehr ähnlichen Schlüssen gekommen wie Sie. Sie hatten mir dort seinerzeit mehrere wichtige Hinweise gegeben (vielen Dank nochmals dafür), sich dann aber aus der Diskussion ausgeklinkt. Falls Sie meine Erkenntnisse zum ‚Systemfehler‘ damals nicht mehr mitverfolgt hatten, hier der Link dazu: http://blog.zeit.de/herdentrieb/2013/01/09/zu-unrecht-vergessen-wolfgang-stutzel-und-seine-saldenmechanik_5632/comment-page-30#comments
Sehr geehrte Herr Menendez,
Ihre Feinmechanik in Ehren, sei mir doch ein Keulenschlag erlaubt. Das Grundproblem des Kreditgeldes heisst: Schuldner ist der Unternehmenssektor, Gläubiger der Haushaltssektor, während der Bankensektor bloss eine Verrechnungsdrehscheibe ist, der die Schuldpapiere der Unternehmen in Zahlungsmittel der Haushalte übersetzt. Werden die Schulden der Unternehmen wertlos, dann auch die Zahlungsmittel der Haushalte, sobald das Eigenkapital der Banken erschöpft ist. Was wollen wir nun vom Bankensystem verlangen? Dass sie mehr wissen als der Markt wissen kann und den Erfolg einer Investition auf Jahre hinaus abschätzen? Natürlich ist das unmöglich und der Bankensektor deshalb auch nicht in die Pflicht zu nehmen. Das Eigenkapital der Banken aufpäppeln wie Sie es auf zugegeben originelle Weise vorschlagen? Was hiesse das denn anderes als die Verschuldung des Unternehmenssektors auszudehnen? Wer bezahlt denn die Rechnung, wenn nicht die Unternehmen über ihre Zinszahlungen? Wir lösen ein Problem und schaffen ein anderes, das uns noch viel schmerzlicher treffen wird.
Letztendlich ist der Unternehmenssektor schon jetzt hoffnungslos überschuldet und genau er und seine Schulden sind es, von dem die Instabilität des Bankensektors ausgeht. Wenn ich ganz ehrlich bin: Halte ich nahezu alles, was nun in die Diskussion geworfen wird, für völlig unangebracht. Weder geht es darum den Bankensektor in sich zu stabilisieren (er ist es nämlich), noch darum an der Verteilungsschraube zu drehen (hier gibt`s nämlich nichts zu drehen), sondern alleine darum die Verschuldungsdynamik der Unternehmen zu hinterfragen: Welche Verschuldung dient der Investition und welche der einmaligen Ausschüttung respektive der Dividende? Hier und nirgends anders liegt der Hund begraben, sofern man das Ausland und den Staat mal aussen vor lässt: Die Dividendenausschüttung zu stoppen, die „investitionsfremde“ Verschuldung der Unternehmen zu reduzieren, würde zur Stabiliserung der Bankensektors eine Menge mehr leisten als die Ratschläge der Experten, die immer nur um bankinterne Prozesse kreisen.
Mit freundlichem Gruss
Alfred Felsberger
Hallo Herr Felsberger,
ich glaube, Sie haben bei ihrer Keule etwas wesentliches übersehen. So ist schon mal im Rahmen eines Kreditgeldsystems nicht der Haushaltssektor der eigentliche Gläubiger, sondern das Bankensystem, weil nur dort die Quelle des Geldes zu verorten ist, welches die Unternehmen für Investitionen verwenden können. Der logische Grund besteht daraus, daß die Existenz von Geld bei den Haushalten daran gebunden ist, daß vorher ein Kreditverhältnis vorgelegen haben muß, damit das fragliche Nettogeldvermögen bei den Haushalten überhaupt entstehen konnte. Insofern sind Banken nicht nur eine Verrechnungsdrehscheibe, sondern diejenige Instanz, die darüber entscheidet, ob es zu einer Einkommensbildung kommen kann oder nicht.
Dieser Wechsel der Perspektive betrifft auch diejenigen Kreditbeziehungen, welche die Haushalte mit den Unternehmen pflegen. Denn unabhängig davon, ob Haushalte ihr Nettogeldvermögen in Eigentumsrechten (Aktien) oder in Unternehmensobligationen investieren ist dennoch der eintretende Effekt der, daß durch die Kreditierung der Unternehmen durch die Haushalte die Unternehmen ihre Kreditverpflichtungen gegenüber den Banken in gleicher Weise reduzieren können. Dieser ‚turnaround‘ der Kreditbeziehungen von Unternehmen wurde 1920 bereits von L.A. Hahn als „Kreditkonsolidierung“ beschrieben und bedeutet schlichtweg, daß Haushalte durch ihre Ersparnis den Unternehmen ermöglichen, ihre Kreditverpflichtungen – soweit es die Finanzierung des Realkapitals angeht – bei den Banken abzulösen.
Insofern muß man vom Bankensystem überhaupt nichts verlangen, sondern eher darauf hinwirken, daß es wieder zu einer attraktiven Sache wird Eigenkapital in Unternehmen zu investieren. Soweit das erfolgt schrumpft die Exposition der Unternehmen bei den Banken sofort in sich zusammen, so daß der Ruf nach mehr Eigenkapital bei den Banken ungehört verhallen kann. (Ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die von einer erzwungenen Erhöhung des Bankeneigenkapitals sich irgendwelche höheren Sicherheitsstandards erwarten! Eine statische Bestandsgröße kann nie dauerhaft Risiken abdecken – das weiß jeder, der schon mal eine Bürgschaft abgegeben hat.)
Daß Sie die Dividendenausschüttungen verringern wollen ist ja grundsätzlich eine vernünftige Sache, die jedem ordentlichen Kaufmann alle Ehre machen würde. Was man sich dabei allerdings ernsthaft überlegen muß ist, wie man dann die ‚private equity‘-Geier daran hindern kann, derartig liquide Unternehmen nicht postwendend auszubeuten. Das dürfte eine nicht zu unterschätzende Gesetzgebungsaufgabe werden…
Beste Grüße
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