Eines der größten Mißverständnisse in der geldtheoretischen Diskussion betrifft den Fragenkreis rund um das sogenannte „elektronische Geld“. Denn es hat sich eingebürgert den (positiven) Kontoauszug dahingehend zu interpretieren, daß dieser bereits Geld darstelle. Weiter wird häufig argumentiert, daß ja der Umstand, daß die Forderungen gegen die Zentralbank auch – wie auch das vermeintliche „Bankengeld“ – lediglich in bits und bytes existieren, es sich hierbei um gleichartige Dinge handeln würde, so daß der populäre Fehlschluß, es handele sich bei den Forderungen gegen eine Geschäftsbank ebenfalls um Geld, neue Nahrung erhält. Dies ist umso bedenklicher, weil durch die alberne Propaganda von Gruppen wie ‚positive money‘ dieser intellektuelle Kurzschluß zu einer viralen Seuche wird.
Der Grundirrtum bei dieser Geschichte beginnt bei den meisten im Kindesalter, wenn am Weltspartag das Sparschwein geschlachtet wird und der durchgezählte Inhalt dann auf der Bank auf einem Sparbuch eingezahlt wird, wobei ja damit immer das Versprechen einhergeht, daß ein Jahr später noch mehr Geld auf dem Sparbuch ist, welches dann zusätzlich verwendet werden kann. Aus dieser Erfahrung wird dann später geschlossen, daß das Geld auf dem Sparbuch und noch später auf dem Konto das „eigene Geld“ vorhanden sei, welches sich dort auf wundersame Weise vermehrt. Mal abgesehen davon, daß die Geschichte mit der „Geldvermehrung“ auch ein weit verbreiteter Trugschluß ist, wird hierbei der Eindruck erzeugt, es handele sich bei dem Sparbuch oder dem Kontoguthaben um ein Eigentumsrecht. Denn schließlich hat man ja als Kind selbst Geld auf die Bank getragen (oder tragen müssen) und somit sein Eigentum am Bankschalter abgegeben. Was man im Gegenzug jedoch bei dieser Transaktion erhält ist lediglich ein Anspruch auf die Herausgabe von Geld und zusätzlich einen nach Zeitablauf – bedingt durch den anfallenden Zinsertrag – zusätzlichen Geldbetrag. (Hinweis: man kann sich keinen Ertrag auszahlen lassen, sondern nur Geld!) Dabei fangen an dieser Stelle die Fehlinterpretationen schon an, denn mit der Übergabe von Geld an einem Bankschalter wird das Eigentum an diesem Geld aufgegeben, so daß durch diese Übergabe das Eigentum an diesem Geld auf die Bank übergeht, d.h. daß dadurch das Eigentum(srecht) an diesem (im naiven/ infantilen Glauben: eigenen) Geld nicht mehr existiert. (Sonst könnte ja eine Bank damit auch nicht „arbeiten“ – was auch immer das bedeuten soll!)
In analoger Weise wird dann die Vorstellung gepflegt, daß das, was auf dem Kontoauszug als Guthaben erscheint auch schon „Geld“ sei, weil man ja z.B. mit der Bankkarte bargeldlos bezahlen könne. Das ist nur insofern richtig, als der Zahlungsprozeß für den bargeldlos Zahlenden damit zu Ende ist und lediglich noch kontrolliert werden muß, ob die Abbuchung von dem Konto die korrekte Höhe hat. Die Vorgänge, welche sich danach auf der Banken- bzw. Zentralbankebene abspielen, müssen den zahlenden Käufer i.d.R. auch nicht interessieren. Dabei fängt die Geschichte damit jedoch erst an, weil ja nun die Bank einen Auftrag zu erfüllen hat, der darin besteht, daß sie zu Lasten des Zahlenden und zugunsten des Zahlungsempfängers einen Transfer durchzuführen hat, der essentiell aus einem Transfer von Zentralbankgeld besteht. Denn die Vorstellung, eine andere Bank würde ihrem Kunden eine Gutschrift erteilen, wenn sie in dieser Höhe keinen Zentralbankgeldeingang zu verzeichnen hat, ist schlichtweg gegenstandslos, weil sie damit eine zusätzliche Verpflichtung übernimmt, ihrem Kunden die Verfügung über Zentralbankgeld zu gestatten. Die Banken sind nicht bekannt dafür Verpflichtungen zu übernehmen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten oder fordern zu können.
Es gibt im Prinzip zwei Optionen wie Banken Zentralbankgeld transferieren können: einmal durch den Transfer von Banknoten, was allerdings heutzutage aus Kostengründen nur noch selten passiert. Zum anderen wird ein Transfer von Zentralbankgeld zwischen Banken regelmäßig durch Kontobewegungen bei der Zentralbank abgewickelt. Dabei wird das Konto der zahlenden Bank belastet und dann der Betrag der empfangenden Bank gutgeschrieben. Durch diese Transaktion wird es möglich, daß zwischen den beteiligten Banken der Zentralbankgeldtransfer zum Zweck der Erfüllung einer Überweisung zwar ohne Bargeld aber nicht zentralbankgeldlos ausgeführt werden kann. Ein Zentralbankgeldtransfer einer Bank erfordert daher einen Datensatz, der von der zahlenden Bank an die empfangende Bank gesendet wird (Empfänger, Kontonummer, Betrag), einen Datensatz, der von der zahlenden Bank an die Zentralbank gesendet wird (empfangende Bank, Betrag), sowie einen Datensatz der Zentralbank an die empfangende Bank, dessen Inhalt die erfolgte Gutschrift auf dem Zentralbankkonto der empfangenden Bank ist. Erst wenn letzterer Datensatz bei der empfangenden Bank eingegangen ist, wird dem eigentlichen Zahlungsempfänger mit der Buchung des letzten Datensatzes der Überweisungsbetrag auch tatsächlich gutgeschrieben – sonst nicht.
Im wesentlichen besteht eine bargeldlose Überweisung aus zwei Ebenen, auf denen jeweils unterschiedliche Vorgänge ablaufen. Auf der Ebene der Banken wird eine Information gesendet, die sich auf die Ausführung des Überweisungsauftrages bezieht, während es sich auf der Zentralbankebene um die letztgültige Zahlung handelt, welche vom Käufer an der Kasse nicht vorgenommen wurde. Was dabei besonders hervorzuheben ist, ist der Umstand, daß erst die Umbuchung bei der Zentralbank die Buchungen auf den jeweiligen Bankkonten vollendet, die Sollstellung auf dem Konto des Zahlenden wie die Habenstellung auf dem Konto der Zahlungsempfängers. Die Quintessenz aus der Betrachtung dieser Informationsketten ist, daß es zwar einen bargeldlosen Überweisungsverkehr zwischen den Banken gibt, insofern als sie den Zentralbankgeldtransfer ohne Zuhilfenahme von Banknoten durchführen können, dieser jedoch durch die Umbuchung auf dem jeweiligen Zentralbankkonto ausgeführt wird, was schlichtweg bedeutet, daß die bargeldlose Zahlung dann doch keine zentralbankgeldlose Zahlung ist, obwohl der Übertrag des Zentralbankgeldes auch bargeldlos stattfindet.
Das fundamentale Mißverständnis, welches von vielen Gruppen wie ‚positive money‘ propagiert wird besteht daraus, daß die Theorie, Banken könnten untereinander autonom einen Transfer von Zentralbankgeld vornehmen, von dem infantilen Glauben getragen wird, daß das „Geld auf dem Konto“ eigenes Eigentum darstellt, welches die Banken benutzen können, um ihrerseits Zahlungen bzw. Überweisungen vorzunehmen. Denn schließlich wurde ja dieses Geld vorher auf der Bank zugunsten einer verzinslichen Forderung auf Geld abgegeben. An dieser Vorstellung ist nur eines richtig: daß die Banken prinzipiell tatsächlich einen Geldtransfer durch eine Übergabe von Banknoten durchführen können. Was dabei wesentlich schlimmer ist, ist die Ignoranz gegenüber dem Erfordernis, daß Geld ansonsten nur über den Weg per Zentralbank auf bargeldlosem Wege zur Bank des Empfängers gelangen kann. Damit einher geht die Unkenntnis der Tatsache gegenüber, daß der Datenaustausch zwischen den Banken lediglich eine Absichtserklärung beinhaltet, daß ein Transfer von Zentralbankgeld stattfinden soll. Hierbei wird weitläufig übersehen, daß der Austausch von bits und bytes zwischen den Banken etwas anderes ist, als der Austausch von bits und bytes auf den Konten der Zentralbank.
Der Unterschied besteht daraus, daß eine elektronische Umbuchung bei der Zentralbank einen Transfer von Zentralbankgeld darstellt, da Zentralbankforderungen gleichbedeutend mit Zentralbankgeld sind, was sich nicht mit dem Datensatz, den die Banken austauschen, als gleichwertig ansehen läßt. Denn die Übermittlung eines Datensatzes von Bank zu Bank bedeutet, daß damit ein Schuldverhältnis definiert wird, dessen Erfüllung sich nicht mit der bloßen Absichtserklärung, daß man zahlen wolle, erledigen läßt. Denn auch hier wie bei allen anderen Schuldverhältnissen auch, bedingt die Etablierung einer Schuld auch eine Erfüllung, die auf einer anderen Ebene erfolgen muß – nämlich auf einer Übertragung von Sachen (als juristischer Begriff). Die Anerkennung einer Schuld erfordert eine Leistung, die bei Banken aus dem Zentralbankgeldtransfer „Umbuchung auf den Konten der Zentralbank“ besteht. Und eine Umbuchung auf einem Zentralbankkonto ist tatsächlich Zentralbankgeld – und das selbst dann, wenn es „nur“ als elektronischer Buchungseintrag existiert!
Das bedeutet, daß es ein elektronisches Geld ausschließlich auf der Ebene einer Zentralbank gibt und geben kann. Aus diesem Grund ist auf der Interbankenebene die Bezeichnung „elektronisches Geld“ einer oberflächlichen Betrachtungsweise geschuldet, die sich langsam in die Köpfe frißt, insofern als das elektronische Geld als gleichbedeutend für tatsächliches Zentralbankgeld angesehen wird. Der tiefere Grund für diese Verwechslung besteht darin, daß es sich sowohl bei den Banken sowie bei der Zentralbank um abstrakte Referenzen (Forderungen) handelt. Dabei ist jedoch die Referenz in Bezug auf die Zentralbank tatsächlich Zentralbankgeld, weil diese über das Recht verfügt unbeschränkt Banknoten zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten emittieren zu können. Über dieses Recht verfügen die Banken aber nicht, so daß die Referenz (Forderung) gegen eine Bank lediglich ein (von der Bank zu erfüllendes) Verfügungsrecht darstellt. Dieses Verfügungsrecht bezieht sich einmal auf die Auszahlung von Banknoten sowie darauf die Bank veranlassen zu können, einen Transfer von Zentralbankgeld durchzuführen. Eigentumsrechtlich gesehen sind diese Forderungen kein gesichertes Geld – deswegen sind und bleiben es Forderungen!
Die Hierarchie des zweistufigen Geldsystems erzeugt damit eine Differenz zwischen den abstrakten Referenzen, die – vordergründig gleichartig – sowohl bei Banken als auch der Zentralbank bestehen. Der menschliche Intellekt ist jedoch fähig Differenzierungen vorzunehmen. Es ist daher schwer zu erklären, warum dies bei der Differenz von Zentralbankgeld und Forderungen auf Geld nur den wenigsten gelingt. Daß die Banken erklären, daß Forderungen, die gegen sie selbst gerichtet sind, als Geld anzusehen sind, kann man ja noch verstehen, weil sie diese Scheinheiligkeit als Geschäftsprämisse ansehen (vielleicht auch müssen). Warum eine Bundesbank sich auch auf diesen geldtheoretischen Blindflug begibt, insofern als sie sich nicht zu einer klaren Differenzierung zwischen Bankengeld und Zentralbankgeld bekennt, ist außerhalb jeglichen Begriffshorizontes.