Anscheinend muß man doch gelegentlich Dinge graphisch illustrieren, obwohl der betreffende Sachverhalt klar genug ausgedrückt worden ist. Es geht hierbei um die bereits mehrfach angesprochene Tatsache, daß der bei der Zentralbank ausgewiesene Banknotenumlauf nichts anderes ist, als ein Erinnerungsposten daran, daß die Zentralbank in dieser Höhe ihre Schulden getilgt hat. Das Vorrecht der Zentralbank Bargeld emittieren zu können, welches das einzige gesetzliche Zahlungsmittel (besser wäre die Bezeichnung Schuldentilgungsmittel) darstellt, macht die Zentralbank zur Quelle unbeschränkter Liquidität. Dies gilt auch und gerade dann, wenn es in der Bilanz der Zentralbank keine „Kasse“ gibt, die Bargeld enthalten würde, denn Bargeld welches bei der Zentralbank zur Gutschrift eingereicht wird ist dem Umlauf entzogen und wird folgerichtig gegen den Banknotenumlauf saldiert und ist wirtschaftlich gesehen nicht mehr existent, auch wenn es in den Tresoren der Zentralbank noch physisch da ist.
Der Ablauf wie Bargeld tatsächlich in den Umlauf kommt läßt sich mit Hilfe von ein paar T-Konten darstellen. Es beginnt damit, daß die Zentralbank sich verschuldet, weil sie in dieser Höhe einer Bank eine Forderung gegen sie genehmigt hat. Gleichzeitig erhält sie eine Forderung gegen eben diese Bank was deswegen nicht nur ein müßiges Spiel ist, weil der Inhalt der jeweiligen Forderungen/ Verbindlichkeiten eine zeitliche Differenz aufweist – Geld heute gegen Geld später. Für die Frage des Geldumlaufs ist die Frage nach den Zinsen nicht so wichtig, ebenso wie die Frage nach der Besicherung des Kredits hierbei vernachlässigt werden kann. An dieser Stelle mag der Hinweis darauf, daß eine Besicherung einen akzessorischen Charakter hat genügen.
Die Phase der Kreditvergabe ist eine reine schuldrechtliche Angelegenheit, weswegen an dieser Stelle das Schuldentilgungsmittel, welches ja Inhalt des Kreditvertrages ist noch nicht in Erscheinung tritt. Dies wird auch erst dann virulent, wenn nämlich die Forderung seitens der Bank geltend gemacht wird und die Zentralbank gehalten ist ihre Verbindlichkeit zu erfüllen. Normalerweise würde eine Bank auf einen Aktiva-Bestand an Bargeld zurückgreifen mit dem sie sich ihrer Schuld entledigt. Dies ist der Vorgang, der zigtausendfach am Geldautomat erfolgt, wo für die Bank eine Bilanzverkürzung eintritt, denn sie hat nach der Auszahlung weniger Bargeld und weniger Verbindlichkeiten. Im Fall der Zentralbank gibt es die Besonderheit, daß dort keine Kasse vorhanden ist, obwohl in den Tresoren der Zentralbank ausreichend Banknoten eingelagert sind, welche dort ihrer Verwendung harren. Um also die Emission von Banknoten darstellen zu können muß man an dieser Stelle eine fiktive Buchung einfügen, bei der so getan wird, daß für eine logische Sekunde in der Zentralbank eine Kasse existiert. Denn auch die Zentralbank bezahlt ihre Verbindlichkeiten mit der Übergabe der geforderten Sache, die wiederum ein Aktivum sein muß, so daß die vorzunehmende Bargeldlieferung auf einmal als temporärer Kassenbestand aufscheint, mit der Auslieferung jedoch unmittelbar wieder verschwindet. Dieser „Ausgangskorb“ auf der Aktivseite findet seine passive Entsprechung in einem „schwebenden Banknotenumlauf“, wo dann in dem Moment, wenn die Zentralbank das Bargeld übergibt und somit die korrespondierenden Verbindlichkeiten tilgt, dieser zu einem „erfolgten Banknotenumlauf“ wird, welcher dann auch in der Bilanz der Zentralbank seinen Niederschlag findet. Durch diese Übergabe des Schuldentilgungsmittels „Bargeld“ erfolgt wie bei einer Bank eine Bilanzverkürzung, welche die fiktive Bilanzverlängerung durch die fiktive Kasseposition wieder rückgängig macht. Die Bilanzverkürzung erfolgt dabei ganz traditionell, indem dem Kasseabgang ein Abgang an Verbindlichkeiten entspricht. Übrig bleibt der Posten „erfolgte Inumlaufbringung“, welcher sich dann in der Bilanz der Zentralbank als „Banknotenumlauf“ liest.
Nun ist man versucht zu sagen, die Zentralbank würde ja lediglich ihre Verbindlichkeiten mittels eines Passivtausches umwandeln, so daß sie ja nach wie vor Verbindlichkeiten hätte, die nur eben jetzt als Banknoten umlaufen würden. Eine derartige Sichtweise verkennt jedoch den Charakter einer Schuldtilgung, denn dabei geht es im Gegensatz zur Krediteinräumung darum, daß durch die sachenrechtliche Übertragung des geschuldeten Gegenstandes der Verpflichtete sich seiner Schuld entledigt, sowie der Gläubiger durch die Annahme der Sache seinen Anspruch verliert, mithin die Forderung durch die Übergabe von Bargeld und dessen Annahme untergeht. Wie der rote Doppelpfeil illustriert passiert bei der Zentralbank im Prinzip genau dasselbe wie bei einer Auszahlung am Geldautomaten.
Auf den Punkt gebracht: die Lieferung von Banknoten befreit eine Zentralbank in der Höhe des Nennwerts dieser Banknoten von einer Geldschuld! Das einzige Spezifikum, welches dazu Anlaß gibt darüber zu sinnieren, ob dabei alles mit rechten Dingen zugeht besteht darin, daß die Banknoten, die durch die Begleichung einer Schuld der Zentralbank in Umlauf kommen vorher nirgendwo als Aktivum in Erscheinung getreten sind. In gewisser Weise rechtfertigt sich damit auch die Vermutung, Geld würde aus dem Nichts entstammen, denn in dem Tresor der Zentralbank ist dasselbe Bargeld eben – Nichts. Man sollte diesen Effekt allerdings eher als Spezifikum der Geldwirtschaft ansehen, denn in ähnlicher Weise ist ein Stück Sachertorte in der Vitrine einer Wiener Bäckerei keine Sachertorte, sondern für den Verkäufer ein Hilfsmittel zur Attrahierung von Geld. Erst in den Händen des Käufers beim Verzehr wird ein Stück Sachertorte zu dem nutzenstiftenden Gegenstand, welcher geeignet ist sensationelle Geschmackseindrücke in dem Gaumen des Essers zu erzeugen…