Man wundert sich gelegentlich über den Enthusiasmus, mit dem von Vertretern einer ’new view‘ oder „modernen“ Version von Geld ein Fundamentaltheorem verfochten wird, welches angeblich die gesamte Sicht über das Geldwesen verändern soll. Es geht hier um die Geschichte, daß verkürzt gesagt durch die Vergabe von Krediten dazu korrespondierend Einlagen geschaffen werden und diese dann als Geld interpretiert werden. Dazu kommen dann so herzige „Geldmengendefinitionen“ in denen ein Teil der Bankschulden zur Geldmenge gerechnet werden, weil sie ja in den Bilanzen der Haushalte als Aktiva auftauchen. Nun kann man ja seine Sicht der Welt auch mit nicht gerechtfertigtem Enthusiasmus verfechten, jedoch wird die Sache dann ärgerlich, wenn dann die Vertreter dieser Lehre meinen mit einem derart zweifelhaften Konstrukt eine etablierte Theorie schachmatt setzen zu können wobei dann auch noch elementare Sachverhalte durcheinanderwürfelt werden.
Ein schönes Beispiel ist dafür P. Mehrling in seinem Post:
http://www.perrymehrling.com/2015/06/why-is-money-difficult/
Sucht man die Antwort auf die dort aufgeworfene Frage müßte man antworten, daß nicht das Geld schwierig zu erklären ist, sondern seine Behandlung dieser Materie nicht verständlich ist und es deswegen nicht schwierig sondern unmöglich ist ein vergleichsweise einfaches Konstrukt zu verstehen. Denn wenn man sich den Artikel ansieht stellt man fest, daß M. einfachste Sachverhalte in unzulässiger Weise vermischt. So schreibt er ziemlich zu Anfang:
„Banks make loans by creating deposits, expanding their balance sheets on both sides simultaneously. This process apparently offends common sense understanding of what it means to make a loan—I can only lend you a bicycle if I already possess a bicycle.“
Der erste Satz ist ja noch in Ordnung und die simultane Entstehung von Forderungen und Verbindlichkeiten entspricht ja auch dem Grundmuster eines jeden Vertrages, welcher rechtsgültig zustandekommt, sobald zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen und diese von beiden Seiten angenommen worden sind (Angebot und Annahme). Aber schon im zweiten Satz beginnt die Konfusion, weil Mehrling offenbar davon ausgeht, daß ein Vertrag unwirksam oder unmöglich sei, wenn die Partei, die ein Fahrrad zu verleihen verspricht (noch) kein Fahrrad besitzt, welches sie verleihen könnte. Hier werden von M. unzulässigerweise zwei Dinge vermischt, die strikt auseinandergehalten werden müssen: das eine ist die Verpflichtung etwas zu tun oder zu liefern, das andere ist die Erfüllung dessen, wozu sich die Vertragsparteien verpflichtet haben. Denn ein Vertrag ist (im Prinzip) auch dann gültig, wenn eine oder beide Parteien die Verpflichtungen, die sie eingegangen sind, nicht erfüllen wollen oder können.
Wenn man also fest davon überzeugt ist, daß eine Verpflichtung bereits seine Erfüllung beinhaltet kann man auf einmal nicht mehr auf die simple und angemessene Aussage kommen, daß Geld die Sache zur Erfüllung einer Geldschuld ist – nicht mehr und nicht weniger. Denn eigentlich ist das ‚deposit‘ nichts anderes als die Erklärung der Bank auf Anforderung des Kreditkunden einen Transfer von Zentralbankgeld durchzuführen was schlichtweg bedeutet, daß die Bank erst dann das Zentralbankgeld zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeit haben muß, wenn der Kreditkunde darüber verfügen will. Sobald man das einmal geblickt hat versteht man überhaupt nicht mehr, was M. mit der ‚alchemy of banking‘ meinen könnte, denn die Tatsache, daß ein Vertrag aus gegenseitig eingegangenen Verpflichtungen besteht ist weder besonders unverständlich noch für esoterische Mystifikationen geeignet. Und ein ‚common sense‘ wird nur dort gestört, wo ein fehlerhaftes Verständnis der Struktur von Verträgen vorliegt – soll es ja geben. An sich ist die Sache ja noch schlimmer: der Vorwurf von M., daß ein falsches Verständnis von Geld besteht (die ‚barrier‘ des korrekten Verständnisses) wird mit einem fadenscheinigen Argument begründet, indem dem arglosen Leser suggeriert wird, daß die Essenz des Bankwesens ‚a swap of IOUs‘ wäre. Was für ein dünnes Brett: das gegenseitige Eingehen einer Schuld ist eine Grundfigur des Rechtswesens und nennt sich: Vertrag. Daß im Bankwesen Verträge geschlossen werden deren einziger Unterschied zum Kauf eines Gegenstandes darin besteht, daß nicht erst die Gegenleistung (Kaufpreis) eine Geldzahlung sein soll sondern bereits die Leistung, soll jetzt ernsthaft DAS Spezifikum von ‚banking‘ sein? Wer soll damit veralbert werden?
Wenn man nun glaubt, das wäre nicht schon genug Konfusion wird kurz danach eines besseren belehrt wo es sich zeigt, daß der eingangs gemachte Fehler, das Versprechen schon für die Erfüllung zu halten, sich fröhlich fortpflanzt. Weiter heißt es bei M.:
„Money is part private (bank deposits) and part public (central bank currency), though in normal times we hardly notice because the two kinds of money trade at par.“
Sobald zwei Dinge (‚two kinds of money‘) sich im Verhältnis 1:1 austauschen könnte man denken, es würde sich hier um zwei sachlich gleiche Dinge handeln, die weil sie ‚getraded‘ werden jeweils als Erfüllung einer Schuld zu übergeben sind. Vermutlich meint M. aber, daß eine Barein-/ auszahlung auf einem Konto zu einer ebensolchen Veränderung des Kontostandes führt, was ja auch dem üblichen Procedere entspricht. Was nicht stimmt ist, daß sich hierbei gleiche Dinge austauschen, denn die einzige Sache, die im Rahmen dieser Transaktion übergeben wird ist das Bargeld, während die Erhöhung/ Verminderung des Kontostandes diese Übergabe als Veränderung der Schuld-/ Forderungsposition registriert. Daß dies überhaupt möglich ist liegt an einem dem Konto zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrag, der es den Bankkunden ohne Einzelvereinbarung ermöglicht die Bank zu verschulden, indem er ihr das Schuldentilgungsmittel Geld übergibt (et vice versa). Die Übergabe von Bargeld zur Einzahlung auf ein Konto hat seitens der Bank damit nicht etwa zur Folge, daß sie etwas gleichwertiges übergibt wie es offenbar M. vorschwebt, sondern erzeugt lediglich einen Buchungseintrag dahingehend, daß der dem Kunden zur Verfügung stehende Betrag sich um ein gewisses Quantum erhöht hat.
Es gehört schon einiges dazu die Erhöhung einer Schuldposition als die Übergabe einer dem Bargeld äquivalenten Sache zu interpretieren. Nun weiß man ja inzwischen, daß es genügend Verfechter einer „modernen Geldtheorie“ gibt, die allen Ernstes behaupten, daß diese Schulden (auch genannt Depositen oder „Einlagen“) „zirkulieren“ würden, womit sich auch die Vorstellung rechtfertigen ließe, daß es einen Tausch Bargeld gegen Depositen geben würde. Diesem Glauben liegt die Vorstellung zugrunde, daß ein Depositum eine Sache sei, bei der man von den Parteien, die das Depositum ausmachen abstrahieren könne. Dem ist aber nicht so, denn das Schuldverhältnis einer Bank A zu ihrem Kunden A ist grundsätzlich etwas anderes als das Schuldverhältnis einer Bank B zu ihrem Kunden B – selbst dann, wenn es sich um den gleichen Betrag handelt und auch dann, wenn bei einer Überweisung von A zugunsten von B die Auflösung des Schuldverhältnisses A zu der Begründung des Schuldverhältnisses B führt und somit das Entstehen von B kausal mit der Auflösung von A zusammenhängt. Richtig ist dagegen: Schuldverhältnis A wird gelöscht, Schuldverhältnis B wird neu begründet – wie man darauf kommt, daß hier ein „Depositum zirkulieren“ würde ist nicht mit normalen sondern nur mit schlampigen Denkweisen zu erklären.
Genau das wird aber einem untergejubelt wenn es heißt:
„You and I use bank money to settle our promises to pay, but banks use central bank money…“
obwohl M. ja eigentlich selbst sagt, daß Banken überhaupt nie und noch nicht einmal im Traum daran denken irgendwelche „Depositen“ als Zahlung zu akzeptieren, sondern Bank B solange mit der Gutschrift für Kunden B wartet, bis sie die Verfügungsmöglichkeit über den fraglichen Betrag auch erhalten hat – entweder direkt als Zentralbankgeld in bar (unüblich aber möglich) oder als Forderung gegen die Zentralbank oder auch als Forderung auf Zentralbankgeld gegen die überweisende Bank A. Auf jeden Fall wird die Empfängerbank B auf den Zugang eines Aktivums bestehen wenn sie sich gegenüber ihrem Kunden B verschulden soll – sonst wird es mit der Deposite nichts.
Sobald man also die ganze Geschichte mal nüchtern betrachtet gibt es überhaupt keine Veranlassung aus der Formel ‚loans make deposits‘ irgendwas anderes herauszulesen als den schnöden Umstand, daß ein Kredit aus sich gegenseitig entsprechenden zeitlich versetzten Zahlungsversprechen besteht. Von diesen Zahlungsversprechen ist der eine Teil das ‚deposit‘, während der andere Teil das ‚asset‘ ist, die beide zusammen den ‚loan‘ ausmachen. Daraus folgt aber in keiner Weise, daß damit ein übergabefähiges Aktivum entstanden ist welches zur Tilgung von Geldschulden verwendbar wäre auch wenn die Bank nun verpflichtet ist auf Anforderung ihres Kunden dasjenige Schuldendeckungsmittel zu transferieren, zu dem sie sich verpflichtet hat: Zentralbankgeld – ein Aktivum. Denn ein Vertrag ist eine Absichtserklärung ist eine Absichtserklärung ist eine Absichtserklärung und eine Vertragserfüllung erfolgt mit einem Aktivum einem Aktivum einem Aktivum.
Von daher ist zu fragen, was diese Formel ‚loans make deposits‘ inhaltlich aussagen soll. Rein phänomenologisch gesehen wirkt dieser Satz gewissermaßen als Aussage dahingehend, daß ein ‚loan‘ ein ‚deposit‘ impliziert, d.h. aus dem Vorliegen eines Kredites kann auf die Existenz einer Einlage geschlossen werden in dem Sinne: WENN ein Kredit erteilt wird DANN wird auch eine Einlage erzeugt. In der Aussagenlogik wird die Relation K(redit) → E(inlage) sprachlich ausgedrückt als K ist hinreichend für E. was eben heißt, daß wenn K gegeben ist auch E gegeben ist, was im Zusammenhang mit einem Kredit bedeuten könnte, daß dem Kredit der Bank auch eine Summe „Geld auf dem Konto“ gegenübersteht (auch wenn auf einem Konto NIE Geld sein kann). Das ist auch nicht komplett falsch weil üblicherweise eine Kreditvergabe auch zu einer Erhöhung des Kontostandes führt. Von daher müßte man aus der Gewährung eines Kredites auf die Existenz eines korrespondierenden Depositums schließen können.
Es ist allerding fraglich, ob ein derartiger Schluß überhaupt einen Sinn macht, denn schon die Definition eines Kredites als übereinstimmende Willenserklärungen zu vereinbarten Terminen Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen bzw. zu zahlen bedeutet, daß für das Zustandekommen eines Kredites gegenläufige Zahlungsverpflichtungen konstituierend sind. Es ist ja so, daß ein Kredit aus 4 Bilanzänderungen besteht, nämlich zwei bei der Bank und zwei bei dem Kreditkunden. Insofern müßte man die Formel ‚loans make deposits‘ dahingehend präzisieren, daß dem ‚deposit‘ – also dem Paar Verbindlichkeit Bank und Forderung Kreditkunde – das Paar ‚loan‘ – also das Paar Bankforderung und Kreditverbindlichkeit – gegenübersteht. Das Herausgreifen eines Aspektes macht aber isoliert keinen Sinn, weil ein Kreditkontrakt alle 4 Positionen umfaßt und insofern die Aussage ‚loans make deposits‘ nicht viel mehr aussagt, als daß in dem Gesamtpaket ‚loan‘ auch ein ‚deposit‘ mit enthalten ist – genauso wie ein ‚asset‘ der Bank, nämlich die Forderung an den Kreditkunden bzw. dessen Verbindlichkeit. Man könnte also mit derselben Berechtigung formulieren: ‚loans make assets‘ – und würde auch damit nur einen Teil des Kreditverhältnisses adressieren!
Wenn man so will wird durch die Formulierung ‚loans make deposits‘ eigentlich nur ausgesagt, daß in der Gesamtheit ‚loan‘ auch die „Teilmenge“ ‚deposit‘ enthalten ist, was angesichts der Definition einer Kreditvereinbarung nicht wirklich als eine große Erkenntnis einzustufen ist. Die Frage ist eher inwieweit die „Teilmengen“ ‚deposit‘ und ‚asset‘ als eigenständige Entitäten aufgefaßt werden können. Und tatsächlich lassen sich für beide Aspekte ohne weiteres Transaktionen finden ohne daß dabei ein Kredit mit hineinspielen würde. So kann eine Bank ein ‚deposit‘ erstellen, wenn z.B. das Gehalt eines Bankangestellten fällig wird oder sie eine Goldmünze ankauft – ein ‚deposit‘ ohne ‚loan‘ ist also ohne weiteres möglich. (Letzteres bedeutet dann auch, daß ein ‚deposit‘ nicht hinreichend für einen ‚loan‘ ist, sondern lediglich notwendig – im aussagenlogischen Sinne! Heißt: aus einem ‚deposit‘ kann nicht zwingend auf einen ‚loan‘ geschlossen werden.) Allgemein gesagt können durch Leistungstransaktionen jederzeit ‚deposits‘ geschaffen werden wobei für die Bank kein ‚asset‘ mit anfällt. Etwas anders liegt der Fall der ‚assets‘ ohne ‚loan‘, denn das bedeutet den Zugang einer Forderung ohne Zugang einer (monetären) Verbindlichkeit, also wenn die Bank z.B. die Goldmünze wieder verkauft. Allgemein gesagt können ‚assets‘ und ‚deposits‘ aus Leistungstransaktionen entstehen, ohne daß dazu ein ‚loan‘ nötig wäre.
Aber auch wenn weder ‚deposit‘ noch ‚asset‘ alleine hinreichend für einen ‚loan‘ sind könnt man darüber nachdenken, ob aus der Kombination ‚deposit‘ UND ‚asset‘ geschlossen werden kann, daß nunmehr ein ‚loan‘ vorliegt…
deposit UND asset → loan ?
Denn der Unterschied zwischen Leistungs- und Finanztransaktionen liegt ja wie gesehen darin, daß bei ersteren wenigstens ein Schuldteil eine nicht monetäre Leistung ist, während bei letzteren beide Schuldteile aus monetären Transfers bestehen…