Monatsarchiv: Januar 2018

Geld war noch nie ein Passivum!

Es gibt Irrtümer, die lassen sich anscheinend nicht ausrotten, weil sie entweder dem Anschein nach plausibel sind, oder für irgendwelchen windigen Polit-Aktivismus benötigt werden. Konkret geht es hier um die Frage, ob von der Zentralbank emittierte Banknoten nun für diese ein Aktivum sind oder nicht. Diese Frage ist deswegen so komplett mit Fallstricken gepflastert, weil das ‚corpus delicti‘, also die Banknoten oder Bargeld in der Jahresbilanz einer Zentralbank nicht auftaucht und damit das Feld der Spekulationen und Mutmaßungen aufs beste vorbereitet ist. Nun habe ich ja in dem Post

felix qui potuit rerum cognoscere causas

ausgeführt, daß Bargeld auch für die Zentralbank ein Aktivum ist, weil sie nur durch die Übergabe eines Aktivums die üblicherweise von den Geschäftsbanken gestellten Bargeldanforderungen begleichen kann. Daß Bargeld überhaupt in der Bilanzbuchhaltung auftauchen kann wird dadurch erreicht, indem von dem exklusiven Vorrecht einer Zentralbank Gebrauch gemacht wird, Banknoten emittieren bzw. in Umlauf bringen zu können. Daß dieser (zur Auslieferung bestimmte) Bargeldbestand es nicht bis in die Jahresabschlußbilanz schafft liegt schlichtweg daran, daß sobald die „Ausgangskasse“ gefüllt wird, postwendend irgendein Bargeldtransporter vorfährt und den Kassenbestand wieder auftragsgemäß leerräumt. Das ist (fast) so wie beim Geldautomaten: dem Abgang bei der Kasse steht ein Abgang bei den Verbindlichkeiten gegenüber, womit im Grunde genommen sämtliche Fragen hinsichtlich der Eigenschaft von Bargeld ein Aktivum zu sein als geklärt angesehen werden können.

Nun ist es ja nicht so, daß auch angesichts dieser Kenntnisse nicht der eine oder andere trotzdem wieder aus dem Mustopf kommen würde und die naiv-infantile Behauptung in die Welt setzte, daß das Bargeld ja doch ein Passivum der Zentralbank darstellen würde, weil – man sieht ja – der Bargeldumlauf in der Jahresbilanz auf der Passivseite aufgeführt sei. Zur Bekräftigung des „Arguments“ wird dann sogleich – natürlich nur zur „Vereinfachung“ – der wesentliche Bezeichnungsteil (also: -umlauf) elegant weggelassen, womit dann „bewiesen“ wäre, daß Bargeld ja doch eigentlich eine Schuld der Zentralbank darstellen würde. Es soll Leute geben, die sich durch derart windige „Beweisführungen“ hinter die Fichte führen lassen und fortan glauben, sie besäßen mit einer Banknote im Portemonnaie eine „Forderung“ an die Zentralbank. Nun ist auch dem letzten Verunsicherten klar, daß man damit bei der Zentralbank nichts fordern kann (obwohl es verbohrte Zeitgenossen gibt, die genau das glauben), so daß ersatzweise die „Forderung“, die bei der Zentralbank nicht einlösbar wird dann wenigstens doch eine Forderung auf das BIP (oder sonstige gesamtwirtschaftliche Güterhaufen) sei und somit letztlich doch eine „Schuld“ damit eintreibbar geworden sei. Die Charakterisierung als „naiv-infantil“ ist übrigens deswegen so, weil man als Kind auch erst mal lernen muß, daß man mit dem Lutschen an dem auf dem Display von Papis Smartphone dargestellten Eisbecher nicht wirklich die erwartete Befriedigung hinsichtlich eines sensationellen Geschmackserlebnisses erreichen kann. So auch hier: es wird Bargeld (ohne -umlauf) gelesen und sofort entsteht die Vorstellung eines monströsen Dagobert Duck Geldspeichers, was nichts anderes heißt, als daß die eigentliche Sache mit dem Verweis auf die Sache identifiziert wird. Bei Erwachsenen ist das allerdings dann eine Form der (kognitiven) Schizophrenie…

Nun gibt es ja noch die historisch argumentierenden Zeitgenossen, welche keine Gelegenheit auslassen zu erklären, daß „füher“ eine Banknote ja schließlich eine Forderung an/ Verbindlichkeit der Zentralbank gewesen sei, weil ja auf jeder Banknote vermerkt war, zu welchem Umtauschsatz sie bei der Zentralbank in eine (mikroskopische) Quantität an Gold oder ähnlichen Klumperklitzchen eingelöst werden konnte. Nun weiß man ja, daß derartige Zusagen nur solange Bestand haben, wie nicht „zu viele“ derjenigen, die solche Forderungspapiere in Händen halten, auf die kolossal geniale Idee kommen, ihr Einlösungsrecht gleichzeitig wahrnehmen zu wollen. Tritt dieser Fall ein, heißt es logischerweise „April, April“ und fortan wird das von der Einlösbarkeit befreite Papiergeld zu genau dem ultimativen Geldschuld-Erfüllungsstandard, welches es bis heute ist.

Was man bei dieser Metamorphose allerdings nicht mit in Verbindung bringen sollte ist die Vorstellung, daß „früher“ die Banknoten, die ja tatsächlich eine Schuld der Zentralbank darstellten, schon deswegen, weil sie für dessen Besitzer eine Forderung auf Gold o.ä. darstellten, auf der Passivseite der Zentralbankbilanz zu finden wären. Das liegt nämlich daran, daß „früher“ die Banknoten den Charakter eines (Inhaber-)Schuldscheins hatten. Dazu sollte man sich vergegenwärtigen, daß ein Inhaberschuldschein was damit zu tun hat, daß in ihm eine Forderung enthalten ist, wobei die Urkunde selbst die Legitimation darstellt, diese Forderung auch fällig stellen zu können. Letzteres führt dazu, daß „frühere“ Banknoten sog. Inhaberpapiere darstellten, wobei ein Inhaberpapier dadurch gekennzeichnet ist, daß schon der Besitz dieses Wertpapieres den jeweiligen Inhaber dazu berechtigt, die in dem Papier enthaltene Forderung geltend machen zu können. (Heutzutage äußert sich diese Eigenschaft von Inhaberpapieren u.a. darin, daß auch der nichtberechtigte Besitzer über dieses Papier rechtmäßig verfügen kann, sprich: auch mit geklautem Geld kann rechtswirksam bezahlt werden. Allerdings sind heutige Banknoten den Inhaberpapieren „nur“ gleichgestellt, heißt: sie sind keine Inhaberpapiere mehr!)

Schaut man sich diese Geschichte jetzt genauer an wird klar, daß eine (Zentral-)Bank, die eine Forderung auf sich verbrieft, mit der Erstellung dieses Papiers ein Aktivum erzeugt, welches zunächst erst mal eine Forderung auf sie selbst darstellt. Eine Forderung (auch diejenige, die auf einen selbst ausgestellt ist) ist aber auf jeden Fall ein Aktivum, welche aufgrund der doppelten Buchhaltungsregeln auf der Passivseite ebenfalls verbucht werden muß, so daß buchhalterisch gesehen eine (interne) Buchung vorgenommen wird, bei der quasi eine Forderung auf sich selbst einer Verbindlichkeit auf sich selbst gegenübersteht. Der Unterschied zwischen den Buchungen ist, daß sich die Passivbuchung auf das Existieren eines Wertpapiers (jetzt – noch – auf der Aktivseite) bezieht, während die Aktivbuchung das tatsächliche(!) Vorhandensein dieses Wertpapieres in der (Dokumenten-)Kasse anzeigt. Wird nun von der (Zentral-)Bank diese „Eigenforderung“ dazu verwendet ein Aktivum (z.B. Gold) zu erwerben, dann vollzieht die Bank damit einen „Aktivtausch“, indem es zu einer gegenseitigen Übergabe von Inhaberschuldschein(en) gegen z.B. die vereinbarte Goldmenge kommt. Diese verbrieften „Forderungen“ des bzw. nun gegen den Emittenten sind in der Hand des Erwerbers aber auf einmal zu „Geld“ geworden, welches von nun an fröhlich durch die Welt zirkulieren kann und seine segenspendende Wirkung zur „Erleichterung des Tauschverkehrs“ spielen kann. (Wo ist der Ironie-Tag…?)

Was man sich bei der ganzen Geschichte auf jeden Fall klar machen sollte ist die Tatsache, daß selbst in den Zeiten, als „Geld“ aus der Perspektive des Publikums noch eine Forderung gegen die (bzw. eine Schuld der) Zentralbank war, aufgrund der Tatsache, daß diese Forderung in verbriefter Form vorlag, es sich dabei um ein Aktivum gehandelt hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob sich dieses Aktivum noch in der Hand des Emittenten befindet oder in der Hand eines Erwerbers. Vielleicht kennt der eine oder andere noch das Konstrukt des sog. Solawechsels, welches dem Inhalt nach letztlich ein verbrieftes Zahlungsversprechen des Ausstellers darstellt. Sobald ein solches Wertpapier erstellt ist, muß dessen (aktive) Existenz bereits als Passivum verbucht werden, selbst wenn noch keine Verfügung darüber getätigt wurde. Wenn man so will dokumentiert die Passivposition die Existenz des sich auf der Aktivseite befindlichen Wertpapiers, die auch solange als Passivposition erhalten bleibt, wie dieses Wertpapier existiert bzw. sich „in Umlauf“ befindet. Die Ausbuchung dieser Position erfolgt mithin auch nicht schon dann, wenn dieses Wertpapier zur Zahlung vorgelegt und der Betrag beglichen wurde, denn das verbriefte abstrakte Zahlungsversprechen existiert ja nach wie vor. Eine Löschung erfolgt erst dann, wenn das bezeichnete (da ist sie, die Referenz) Wertpapier vernichtet wird, womit die Berechtigung der Existenz der betreffenden Passivposition unmittelbar hinfällig wird.

Der wesenserhebliche Unterschied zur heutigen Banknote liegt lediglich darin, daß der Forderungsinhalt weggefallen ist, so daß seitens des Gesetzgebers es wohl für nötig gehalten wurde die damals neuen Banknoten mit einem Annahmezwang auszustatten. Man kann durchaus vermuten, daß diese Vorschrift für eine Übergangszeit sinnvoll war, wo Banknoten mit „Forderungsinhalt“ und „amputierte“ Banknoten gleichzeitig kursierten. Witzigerweise ist diese Vorschrift noch heute in Kraft und wird als wesentliche Eigenschaft des Geldes gehandelt, obwohl es eigentlich durch Zeitablauf und Währungsreform überflüssig geworden ist, dem Geld diese besondere Eigenschaft anzudichten. Denn sobald ein Gläubiger die vertraglich vereinbarte Leistung nicht annimmt, kommt er in Annahmeverzug, gleichgültig ob es sich dabei um das „gesetzliche Zahlungsmittel“ handelt oder nicht. Und ist die Gegenleistung nicht das gesetzliche Zahlungsmittel, so kann der Schuldner höchstens mit Hilfe juristischer Winkelzüge seine Leistung in Geld „ummünzen“. (Die Geschichte vom „Kaufmann von Venedig“ ist ein illustres Beispiel dafür.) Wie hier von mir schon mehrfach angemerkt wurde ist das Interesse der Unternehmen, reale Leistungen für ein stoffwertloses Geld verkaufen zu wollen darin begründet, daß – normalerweise – die Unternehmen Nettoschuldner sind und deswegen zur Leistung des Kapitaldienstes dazu gezwungen sind, die als Kosten ausgegebenen Geldscheinchen durch den Verkauf der Waren wieder zurückzuerhalten. Das legt den Finger auf die Frage, auf welche Weise Geld in das Wirtschaftsgeschehen integriert werden sollte, wobei sich m.E. gezeigt hat, daß eine auf Kreditbasis erfolgende Integration von Geld zu genau den Effekten führt, die in den entwickelten Ländern beobachtet werden können: Käufermärkte und eine an Paranoia grenzende Institutionalisierung hinsichtlich der Durchsetzung von Geldforderungen. Aber das nur nebenbei…

Die eigentliche Kuriosität an dieser Betrachtung liegt aber an einer ganz anderen Stelle. Wenn man sich den Werdegang einer Banknote zu den Zeiten der Goldwährung ansieht, erkennt man auf einmal, daß das, was heutzutage vielfach die Gemüter erhitzt, bereits „zu Kaisers Zeiten“ längst gang und gäbe war: denn auch damals schon wurde das Medium, welches als Zahlungsmittel in der Wirtschaft zirkulierte AUS DEM NICHTS erzeugt. Denn ein Eigen- oder Solawechsel (als konkrete Ausformung eines auf einen selbst ausgestellten Schuldscheins) ist genau dann, wenn er sich noch im Besitz des Ausstellers befindet nichts weiter als eine verbriefte „Schuld“ an sich selbst, die deswegen, weil sie als (Forderungs-)Dokument vorliegt eine rechtlich eigenständige aktive Rolle einnimmt. Denn als rechtlich abstraktes Inhaberpapier erlangt dieses Dokument eine gekürte Selbständigkeit (ähnlich wie eine Kapitalgesellschaft zu einer rechtlich selbständigen – juristischen – Person wird), die es erforderlich macht sie als Aktivum zu bilanzieren, wobei das notwendigerweise existierende zugehörige Passivum lediglich die Existenz dieses (aktiven) Forderungspapiers dokumentiert. Sobald das Forderungspapier das Haus des Ausstellers verläßt, mutiert es für ihn zu einer Verbindlichkeit, ohne daß jedoch die Eigenschaft eine Forderung und damit ein Aktivum zu sein dem Papier verloren gehen würde. Mit einer solchen Konstruktion ist dann die Verfügung über diese Urkunde eine einfache Angelegenheit des Vertragsrechts, denn eine solcher – nunmehr – sog. fungibler Schuldschein kann gegen eine andere Sache getauscht/ verkauft werden und man kann sogar die zeitweilige Nutzung dieser Urkunden gewähren, was dann zur Erzielung eines Zinsgewinns führt. Und auf einmal ist man ohne große Winkelzüge machen zu müssen bei der Kreditvergabe eines aus dem Nichts entstandenen Inhaberschuldscheins angelangt – die Verbriefung macht es möglich.

Fazit: zirkulierendes Bargeld war noch NIE ein Passivum in der (Zentral-)Bankbilanz und wurde als eine vom Aussteller gegen sich selbst ausgestellte Forderung auch schon immer aus dem Nichts geschöpft. Wer sich heutzutage darüber echauffiert, daß die Geldschöpfung aus dem Nichts zu einer Pervertierung der „guten alten Zeit“ geführt habe, wo noch alles nicht nur Hand und Fuß sondern sogar noch eine „Deckung“ hatte, kann sich nun einfach sagen lassen, daß der einzige Unterschied zwischen dem „früheren“ und dem „heutigen“ Geld darin besteht, daß der Forderungsinhalt des ehemaligen Forderungspapiers verloren gegangen ist – und damit auch der Forderungscharakter des Bargeldes. Daß der Erfolg der Emission eines stoffwert- und forderungswertlosen Geldes durch eine Institutionalisierung möglich wurde, welche die Integration von Geld in die „Wirtschaft“ vorwiegend über eine Kreditvergabe organisiert, mußte auch erst in langen Phasen von Versuch und Irrtum herausgefunden werden. Das Ergebnis ist: es geht auch ganz gut ohne Gold, was allerdings vor anderen Übertreibungen seit der „Liberalisierung der Finanzmärkte“ nicht – mehr – schützt. Da müßte man sich mal was Intelligentes einfallen lassen…

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Und was ist nun auf dem Konto?

Jeder kennt doch den Spruch, wenn jemand sagt: „Ich habe noch Geld auf dem Konto!“ Mit einer derartigen Äußerung soll dargestellt werden, daß für einen bestimmten Betrag Zahlungsfähigkeit vorliegt. Normalerweise ist eine solche Aussage einigermaßen korrekt, wenn es sich bei dem kontoführenden Institut um ein zahlungsfähiges Unternehmen handelt. Aber vergleichen Sie mal dieselbe Aussage im Fall der Kaupthing-Bank, wo es auch eine Vielzahl von Kunden gab, die bei dieser Bank irgendwo „Geld auf dem Konto“ hatten. Da gab es nun diese blöde Situation, wo diesen Kunden aufgefallen ist, daß das Geld, was sie angeblich auf dem „Konto hatten“ weder für Auszahlungen noch für Überweisungszwecke verwendet werden konnte. Was könnte nun der Grund sein, daß das „Geld was auf dem Konto ist“ von der betreffenden Bank nicht einfach „überwiesen“ werden konnte?

Die Antwort ist so einfach wie simpel: auf einem Konto ist NIE Geld!

Der Grund dafür ist nicht wirklich schwer einzusehen: das liegt daran, daß eine Bank zwar Ihr Konto führt und im besten Fall bei Ihnen verschuldet ist (=Ihr Konto ist im ‚Haben‘, was bedeutet, daß die Bank in dieser Höhe bei Ihnen Verbindlichkeiten hat – und Sie das Geld gerade NICHT haben), aber das ‚Haben‘ auf dem Konto (was die Sicht der Bank markiert, denn die hat(te) das von Ihnen beanspruchte Geld) bedeutet ja gerade, daß auf Ihrer eigenen „Bilanz“ das Konto-Soll bedeutet: sollten (oder könnten) Sie haben im Sinne von besitzen, womit es sich in Ihrem Eigentum befinden würde. Auch wenn die vorstehende Version eine üble Verkalauerung der buchhalterischen Gegebenheiten darstellt, sollte jedem Kontoinhaber bei eingehender Betrachtung der Sachlage dann doch irgendwann dämmern, daß die Geschichte mit dem „Geld auf dem Konto“ nicht mehr ist, als ein Beruhigungs-Placebo, was die Banken in die angenehme Lage versetzt nicht erklären zu müssen, warum sie, wie eine landläufige Formulierung – Die Banken arbeiten mit dem Geld! – punktgenau ausdrückt, das durch Einzahlung oder Überweisung eingegangene Geld für irgendwelche anderen Zahlungsverpflichtungen verwenden. (Was sie jedenfalls nicht tun ist für den Zahlungseingang des Kunden eine kleine Schatulle anzulegen, in der sie das eingegangene Geld „einlegen“ um es dann beschriftet mit dem Namen des Kunden in den großen Geldspeicher zu tun.)

Diese Tatsache wird üblicherweise in der verklausulierten Weise zugegeben, daß das Zahlungskonto als sog. Verrechnungskonto geführt wird, auf dem die laufenden Zahlungsein- und -ausgänge miteinander verrechnet und als SALDO AUSGEWIESEN werden! Das heißt, daß die Mitteilung eines Kontostandes nicht etwa etwas mit einer Art Pegelstand zu tun hat, bei dem dasjenige, was gemessen wird, im Überfluß oder als Mangelvolumen tatsächlich (oder auch nicht) VORHANDEN ist – ein Pegelstand über einem historischen Höchststand hat was damit zu tun, daß das, was gemessen wird, in einem (üblicherweise unerwünschtem) Ausmaß tatsächlich vorhanden ist. Diese Vorstellung von „prall gefüllt“ ist jedoch im Falle eines Bankkontos zwar ganz angenehm, trifft aber in keiner Weise die tatsächlichen Verhältnisse, denn wie vielfach kolportiert wird, steht dem (monströsen) Volumen von Geldforderungen ein üblicherweise vergleichsweise geringer Zahlungsmittelbestand (Basisgeld) gegenüber. Alleine dieser Umstand, welcher unmittelbar an den sagenumwobenen Geldmultiplikator erinnert, sollte einem Bankkunden schon mal zu denken geben, denn der „Multiplikator“ heißt nicht deswegen so, weil er aus den eigenen paar Kröten ein (mikroskopisches) bißchen mehr macht, sondern weil – statistisch gesehen – gemessen an dem gesamten Verbindlichkeitsvolumen lediglich ein Bruchteil an Liquidität  für Auszahlungs- oder Überweisungszwecke der Kunden zur Verfügung steht. Statt also brav auf dem Konto zu hocken und darauf zu warten, daß der erlösende Gang zum Geldautomat der Langeweile ein Ende bereitet, jetten die Geldscheinchen (bzw. ihr virtuelles Pendant aka „Reserven“ – auch wenn das „nur“ eine Referenz auf Geldscheinchen ist) in 1000 anderen Missionen um die Welt – während der Kunde (fast) alleine zu Hause sitzt mit seinen – ja was eigentlich?

Dazu muß man sich nur mal ansehen, was man so mit einem im Haben befindlichen Kontostand inhaltlich verbinden kann, sprich: was kann man denn mit einem Guthaben auf dem Konto eigentlich anfangen? Die einfachste Sache ist zum Geldautomaten zu gehen, dort der Bank eine Forderung auf Bargeld mitzuteilen, um nach wenigen Sekunden die Forderung erfüllt zu bekommen. Nun kann man aber mit einem Kontoguthaben noch eine andere Sache anstellen, nämlich eine Weisung an die Bank erteilen, daß diese dafür sorgen möge, daß eine bestimmte Person eine Kontogutschrift erhält. Dieser Vorgang – Gutschriftsweisung wäre eigentlich angemessener als Überweisung – ist aber sachlich etwas anderes, als die Mitteilung über die Auszahlung von Bargeld, weil hier die Eigenschaft des Zahlungsdienstleisters erscheint, welcher das Ergebnis eines Zahlungsvorgangs bewirken soll, welchen der Weisungsgeber nicht selbst ausführen möchte oder kann. (Das vom Zahlungsdienstleister geschuldete Ergebnis ist, den Kunden von seiner Verbindlichkeit zu befreien!) Dann kann man auch noch seine Verfügungsrechte selber beschränken, indem man sich verpflichtet von seinen Verfügungsrechten für eine Weile keinen Gebrauch zu machen, was immerhin zu einem mikroskopischen Zinsgewinn von wenigen EURO führen kann – die Jahrespizza ist damit schon mal gesichert…

Wenn also der Bankkunde zu Hause auf seinen Haben-Kontostand schaut, dann schaut ein Kaleidoskop von Verfügungsrechten zurück, die ihm zurufen: „Nutze mich, Nutze mich!“. Der Verfügungsrechteinhaber muß sich nun entscheiden, ob er diesem Gequengel folgt oder nicht und wenn ja, welche der verschiedenen Optionen nun ausgeübt werden soll. Wie das bei der Ausübung von Optionen nun mal so ist, wird erst dann, sobald eine Entscheidung getroffen ist, das entsprechende Procedere in Gang gesetzt, was die Bank dazu veranlaßt ggf. Geld in Bewegung zu setzen, womit zumindest bei Aktivierung einer dieser Optionen dasjenige eintritt, was von einer Bank zu erwarten ist: daß sie (zu Lasten der Referenz auf Geld, sprich Kontoguthaben) eine Transaktion vornimmt, die tatsächlich etwas mit Geld zu tun hat. Das ist insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Verfügungsrechts „Weisung an die Bank zur Erzeugung einer Kontogutschrift zugunsten eines Verfügungsrechteempfängers“ interessant, weil immer noch die Vorstellung herumgeistert, daß es möglich wäre „von dem Konto eine Überweisung“ vorzunehmen, womit suggeriert wird, daß irgendeine virtuelle Geldfee das eigene Konto von einer virtuellen „Geldsache“ leerräumt und ein anderes Konto damit füllt. Die schnöde Wahrheit ist, daß die Bank in ihrer Eigenschaft als Zahlungsdienstleister die ihr zur Verfügung stehenden Verfügungsrechte (i.d.R. gegenüber der Zentralbank) nutzt, um das gewünschte Ergebnis zugunsten des Verfügungsrechteempfängers zu erzielen. Und soweit die Bank des Empfängers die ihr zufließenden Verfügungsrechte (aka „Reserven“) auch tatsächlich in Empfang nimmt (und nicht längst schon wieder anderweitig verdisponiert hat), geht mit dem „Reserve“-Eingang die Erteilung der Gutschrift einher.

Schon diese kursorische Ventilierung der genannten möglichen Optionen ein Kontoguthaben zu verwenden macht klar, daß die übliche Charakterisierung eines Kontoguthabens als „Forderung auf Geld“ bei weitem zu kurz greift. Denn erst die Möglichkeit der Bank die Weisung (= einseitige empfangsbedürftige Erklärung) erteilen zu können einer bezeichneten Person ein bestimmtes Volumen an Verfügungsrechten zukommen zu lassen, macht ein Konto zum bequemen Instrument der „Zahlungsabwicklung“. Das Interessante dabei ist, daß diese Abwicklung ohne Geld funktioniert, welches sich im Eigentum des Auftraggebers befinden muß, denn die Bank verwendet das ihr zur Verfügung stehende (= sich in ihrem Eigentum befindliche) Dispositions-Volumen an Zentralbankgeld, um den Auftrag des Kunden zu erfüllen – und nicht das Geld des Kunden. Die Nutzung eines Zahlungsdienstleisters funktioniert also erst dann, wenn gerade KEIN Geld auf dem Konto ist, sondern ein Konto „nur“ eine Referenz auf (gelddenominierte) Verfügungsrechte darstellt. Klingt abstrakt, ist es auch, aber so funktioniert die Operationsweise von Banken: den Kunden stehen „lediglich“ die Verfügungsrechte als Referenz (bzw. Dispositionsrecht) über ein bestimmtes Geldvolumen zur Verfügung, die Banken nutzen die Referenz auf Bargeld (= „Reserven“), um die eigentlich zu übertragende Sache (Bargeld) nicht anfassen zu müssen, was nur deswegen geht, weil bei „Reserven“ kein „counterpart“-Risiko existiert, denn „Reserven“ können jederzeit vollumfänglich in Bargeld umgewandelt werden – weswegen diese sinnlose Übung auch (meist) unterbleibt.

Wem es bei den vielen „Referenzen auf“ etwas schwindlig geworden ist, hier noch mal schnell die Kurzversion: ein Kontoguthaben ist ein Verfügungsrechtebündel, welches bei Ausübung einer der verfügbaren Optionen zu Aktionen des Zahlungsdienstleisters führt. Eine Forderungsstellung führt zur Auszahlung des Geschuldeten, welches damit (wieder) in das Eigentum des Forderungsberechtigten gelangt. Bei einer Gutschriftweisung wird vom Zahlungsdienstleister das Ergebnis geschuldet, daß dem Empfänger ein bezeichnetes Verfügungsrechtevolumen gutgeschrieben wird. Möglich wird das Ganze dadurch, daß auf dem Konto sich gerade KEIN Geld befindet, sondern nur eine Referenz auf ein Volumen von Weisungsrechten…

Für die eingangs gestellte Frage gibt es damit auch eine – vielleicht nicht ganz so angenehme – Antwort. Denn im Grunde ist die Frage „Was ist AUF dem Konto?“ schlichtweg falsch gestellt, weil – das macht das Wesen der Passivseite aus – dort lediglich Verweise darauf existieren, woher etwas gekommen/ wohin etwas gegangen ist. Daß die Umgangssprache das so bezeichnet darf analytisch nicht dazu führen zu glauben, daß auf der Passivseite vorhandene Mengen zu verorten wären. Nochmal: dort stehen Referenzen/ Verweise – sonst nichts und erst recht kein Geld! Korrekt wird es dann, wenn gefragt wird: welche Rechtsfolgen kann ich mit den dort ausgewiesenen Verfügungsrechten bewirken? Das klingt zwar nicht so sexy wie die Vorstellung von einem bis zum platzen gefüllten Geldspeicher, aber vielleicht ist es ja auch mal an der Zeit, die Sozialisationsdefekte, die ganze Generationen mit Dagobert Duck eingesogen haben, durch ein wenig Sachlichkeit ein bißchen zu korrigieren. Über die „Sparschwein“-Theorie des Bankkontos könnte dann vielleicht doch irgendwann der gnädige Mantel des Vergessens ausgebreitet werden…

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