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Von großen Krediten und kleinen Einlagen…

Von Wolfgang Stützel kann man lernen, daß immer dann, wenn einzelwirtschaftliche Konzepte auf eine gesamtwirtschaftliche Ebene übertragen werden, höchste Vorsicht geboten ist. Denn gerade in der Wirtschaftswissenschaft kann genau dann der unbesehene Analogschluß auf eine falsche Fährte führen, weil im wirtschaftlichen Gesamtgefüge sachlogische Zusammenhänge gelten, die in der einzelwirtschaftlichen Betrachtung nicht beachtet werden müssen. Das populärste Beispiel für diese sogenannte ‚fallacy of composition‘ ist das Kinobeispiel, wo eine einzelne Person durch Aufstehen vom Sitz eine bessere Sicht auf die Leinwand hat. Sobald das aber alle tun um den gleichen Effekt zu realisieren ist das Ergebnis durchaus desaströs: im Duchschnitt hat sich die Sicht nicht verbessert und der ärgerliche Effekt ist der, daß nun alle stehen anstatt auf hoffentlich gut gepolsterten Sesseln zu sitzen.

Ähnlich liegt der Fall dann, wenn man aus der Betrachtung der Operationsweise einer einzelnen Bank darauf schließen möchte, wie das Bankensystem insgesamt operiert. So steht in den meisten Lehrbüchern über Bankbetriebslehre etwas von Transformationen namentlich Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation. Der zunächst durchaus valide Gedanke dahinter ist, daß Banken in ihrer Eigenschaft als Krediterzeuger erst viel „kleines“ Geld zusammensammeln müssen, um dann dieses Geld für die Vergabe eines neuen „großen“ Kredites einzusetzen. Diese Sichtweise wird dadurch bestärkt, daß die aktienrechtliche Grundlage des Bankgeschäfts zunächst eine Kapitalisierung durch die Aktionäre voraussetzt, mit der dann das kreditäre Bankgeschäft aufgenommen werden kann. Wenn man so will wird durch die Konstruktion von Banken als grundkapitalfinanzierte Einrichtung die Vorstellung genährt, es müsse erst das Geld durch „Einlagen“ – in diesem Fall die Einzahlungen der Aktionäre – eingesammelt werden, damit dann die Kreditvergabe erfolgen kann.

Diese Konzeptionalisierung des Bankgeschäfts wird auch noch theoriegeschichtlich bestärkt, weil in der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts – dem Basismodell der Neoklassik – die Haushalte eine genuin originäre Entscheidung zu treffen haben, nämlich diejenige über Konsum oder Nicht-Konsum. Dem liegt die nicht so ganz abwegige Vorstellung zugrunde, daß die Haushalte über alle Ressourcen der Volkswirtschaft verfügen und diese entweder konsumieren oder eben als Nicht-Konsum den Unternehmen für produktive Zwecke überlassen. Dieser Nicht-Konsum von Ressourcen ist dann das, was in der Neoklassik immer als „Sparen“ bezeichnet wird. So ist es auch nicht verwunderlich, daß durch einen kühnen Analogschluß diese Vorstellung auf Banken angewendet wird, welche ihre „Ressource“ Geld erst von den Haushalten zur Verfügung gestellt bekommen müssen, damit sie dann dieses für die Kreditvergabe einsetzen. Dazu gehört auch die Vorstellung Geld als nutzenstiftendes Gut zu begreifen, so daß das Grundkonzept auf dem der neoklassische Begründungszusammenhang beruht nicht ins Wanken gerät. Damit wird auch erklärlich, warum vom ‚mainstream‘ die Frage wie Geld entsteht gemieden wird wie das Weihwasser vom Teufel. Für die Neoklassik ist Geld einfach da und wenn es zuwenig davon gibt regnet es halt vom Himmel – die Metapher von Friedman ist deswegen so aufschlußreich, weil sie die Behandlung von Geld durch die Neoklassik verdeutlicht. Daß diese rein methodische Finte inzwischen als Rettung eines angeblich maroden Geldsystems propagiert wird steht auf einem anderen Blatt.

Diese hier kursorisch angeführten Theorien sind Grund für die vorherrschende Sichtweise, daß Banken von ihrem Wesen her zunächst an Geld kommen müssen, damit sie ihr Geschäft betreiben können. So läßt sich die Vorstellung von der Fristentransformation recht zwanglos darauf zurückführen, daß Banken ohne Geld nicht arbeiten können, welches sie jenseits des Grundkapitals über eine Attrahierung von Geld, welches ihnen gegen die Gewährung von Sichtverbindlichkeiten oder längerfristig festgelegten Verbindlichkeiten zugeht, für ihre Zwecke nutzen können. Das Konzept „Fristentransformation“ postuliert gewissermaßen, daß die Liquiditätsbedürfnisse der „kleinen“ Verbindlichkeiten einer gewissen Wahrscheinlichkeitsverteilung unterliegen, die so geartet ist, daß daraus „große“ Kredite liquiditätstechnisch bewältigt werden können. Aus der Perspektive einer einzelnen Bank muß selbstverständlich der Liquiditätsstatus mit allen Mitteln gesichert werden, wobei die Frage virulent wird, wie sich die Eingänge und die Ausgänge von Liquidität im Zeitablauf darstellen. In ähnlicher Weise kann auch der Losgrößenaspekt gesehen werden, denn wie angesprochen steht einer Vielzahl von „kleinen“ Passivpositionen eine geringe Zahl von Aktivpositionen gegenüber, wobei aus der sogenannten „Bodensatzbildung“ – der Umstand, daß bei einer Vielzahl „kleinerer“ Verbindlichkeiten stets ein gewisser Bestand an eben diesen Verbindlichkeiten dauerhaft bestehen bleibt – eine Rechtfertigung für die Vergabe langfristiger Kreditengagements abgeleitet werden kann.

Sobald man sich dagegen mit den Frage auseinandersetzt woher nun die Vielzahl der „kleinen“ Bankverbindlichkeiten herkommt wird die vorstehende „einzelbankliche“ Sichtweise auf einmal falsch, weil die „kleinen Passivpositionen“ ja nicht irgendwo vom Himmel gefallen sein können ( – außer für Neoklassiker natürlich…). Denn typischerweise sind Giro- oder Terminverbindlichkeiten der Banken gegenüber den (kleinen) Nichtbanken aus nicht für Konsumzwecke ausgegebenen Einkommensteilen gespeist, deren Herkunft ja nicht einfach vorausgesetzt werden kann. Denn in einem Kreditgeldsystem wird idealtypisch die Generierung von Einkommen dadurch erzeugt, daß ein Unternehmen eine Ausgabe bzw. Auszahlung vornimmt, die ihrerseits wiederum erst durch eine Kreditlinie eines Bankinstituts möglich geworden ist. Mit einer Kreditvergabe schafft die Bank also gewissermaßen eine „große Aktivposition“ (die Forderung der Bank) und eine „große Passivposition“ (das verfügbare Investitionspotential des Unternehmens), wobei aus letzterer durch Ausgaben des Unternehmens für eine Vielzahl von Zwecken lauter „kleine Passivpositionen“ entstehen, die dann ihren Niederschlag in lauter „kleinen Einlagen“ finden und von dort aus auch zu „kleinen Spareinlagen“ mutieren können.

Diese Kausalitätsrichtung resultiert letzten Endes aus dem Umstand, daß in einem Kreditgeldsystem Verbindlichkeiten (aka „Einlagen“ oder etwas korrekter: Sichtforderungen) hauptsächlich als Ergebnis eines Kreditkontraktes entstehen und somit sich der methodologische Ansatz der Neoklassik, die (bei den Haushalten befindlichen) Bestände, die dann der Allokation unterliegen, einfach vorauszusetzen als unangemessen erweist. Denn gerade in puncto Kreditgeldsystem wird ja die Frage virulent, aus welchem Grunde die Schaffung von Kredit vorgenommen wird. Die Antwort darauf ist so einfach wie simpel: das durch einen Kredit zur Verfügung gestellte Geld wird für unternehmerische Zwecke dann ausgegeben, wenn die mehr oder weniger begründete Erwartung besteht, daß der Rückfluß von Geld aus der damit finanzierten Produktion höher ist, als der dafür aufgewendete Abfluß von Geld. Dieser Abfluß von Geld erzeugt jedoch gerade diejenigen Einkommen, deren nichtverwendete Teile dann zu der Erteilung eines Kredites erst führen sollen. Und genau an dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz.

Denn was für die Bankbetriebslehre noch legitim ist, nämlich die Existenz von Geld vorauszusetzen soweit es die Ingangsetzung bzw. die Operationsweise einer Bank betrifft, wird dann falsch, wenn es zu einer Betrachtung darüber kommt, wie ein Bankensystem an das Geld kommt, welches es für seine Geschäftszwecke benötigt. Nun könnte man die methodologische Prämisse, daß die Haushalte alle verfügbaren Bestände besitzen dadurch retten, daß man von einem System der Goldwährung ausgeht, wo natürlicherweise alles existierende Gold irgendjemand besitzen muß. Wenn man auch als Neoklassiker akzeptiert, daß über die Geschichte mit der Goldwährung inzwischen der gnädige Mantel des Vergessens ausgebreitet wurde kann man dennoch das Haushaltskonzept versuchen dadurch zu retten, daß man behauptet, Geld würde den Haushalten „leistungslos“ zufallen – womit man wieder beim Geld abwerfenden Hubschrauber von Friedman wäre. (Eine Spielart davon ist das „zinsfrei“ geschöpfte Geld, welches den Haushalten immerhin gegen irgendeine Leistung zufließen soll. So kann man auch die Neoklassik konservieren! Aber das nur nebenbei.) Die pseudomoderne Fassung der Integration von Geld in die Ökonomie liest sich als ’seigniorage‘, wo die Erträge der Erzeugung von Geld dem Erzeuger – dem Staat – zufließen sollen und somit wiederum der Vorstellung Vorschub geleistet wird, es seien die Haushalte, deren „Ersparnis“ den Banken die Kreditvergabe ermöglichen würden. Man ist versucht zu sagen: Kritik am ‚mainstream‘ sieht anders aus…

Demgegenüber läßt sich mit der Terminologie von Stützel der Sachverhalt, daß zwar einzelwirtschaftlich die Vorstellung, daß erst die „Einlagen“ da sein müssen, um „große“ Kredite vergeben zu können legitim ist, jedoch demgegenüber gesamtwirtschaftlich die „kleinen“ Einlagen erst durch den Abschluß von „großen“ Krediten überhaupt entstehen, in etwa so fassen:
1. Jede Einzelbank kann durch die Einwerbung von „Spareinlagen“ den ihr zur Verfügung stehenden Bestand an Zentralbankgeld erhöhen und damit durch Pooling der „Einlagen“ die Vergabe von „größeren“ Krediten möglich machen.
2. Jede Teilmenge von Banken kann ihren Bestand an Zentralbankgeld durch Einwerbung von „Spareinlagen“ nur dann und in dem Maße erhöhen, als die Komplementärmenge der Banken eine Verringerung ihres Zentralbankgeldbestandes hinnimmt oder erleidet.
3. Die Gesamtmenge aller Banken kann durch die Einwerbung von „Spareinlagen“ den ihr zur Verfügung stehenden Bestand an Zentralbankgeld weder erhöhen noch senken. Falls irgendwelche Theorien über die „Transformation von Zentralbankgeldbeständen“ oder über die  „Geldschöpfung der Banken“ zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen, sind sie falsch.

Akzeptiert man den jahrzehntelangen Umstand, daß diese Welt in einem Kreditgeldsystem lebt bleibt nicht anderes übrig, als die traditionelle Funktionsvorstellung des Bankensystems umzukehren. Es heißt dann nicht:

erst viele kleine (Spar-)Einlagen -> dann eine große Kreditvergabe

sondern:

erst eine große Kreditvergabe -> daraus werden viele kleine (Spar-)Einlagen

Daß eine einzelne Bank letztere Wirkungsrichtung nicht sehen kann und auch nicht sehen muß liegt daran, daß üblicherweise eine „große Kreditvergabe“ mit einem erheblichen Abfluß von Liquidität einhergeht und das bankenindividuelle Problem darin besteht zur Wahrung des Liquiditätstatus zuzusehen, wie man den Liquiditätsabfluß wieder kompensieren kann. Genau dieses Problem wird ja bei „richtig großen“ Kreditlinien wie z.B. große Infrastrukturprojekte wie ein Flughafen o.Ä. erst recht virulent, weil sich aus Risikogründen keine einzelne Bank den durch die Länge der Amortisationszeit einstellenden Liquiditätsverlust leisten kann. (Als Konsequenz daraus hat man die Konsortien erfunden, deren Aufgabe darin besteht abzuschätzen wohin die Liquiditätsströme wandern werden. Sobald man darüber eine Abschätzung gefunden hat ist klar, welche Bank welchen Anteil an der „großen“ Projektsumme übernehmen kann weil sie dann damit rechnen kann, daß dieser Liquiditätsabfluß durch die eingehenden Liquiditätsströme weitgehend wieder kompensiert wird.)

Sobald man also gewillt ist zu akzeptieren, daß ein wirtschaftliches Gesamtgefüge Restriktionen unterliegt, die zwar für einzelnes Element nicht bindend sein müssen, jedoch in der Betrachtung der Gesamtheit nicht ignoriert werden dürften (daß man das ungestraft machen kann ist leider nur zu evident) wird klar, daß die einzelwirtschaftliche Theorie von der Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation zumindest hinsichtlich der ersten beiden Aspekte für einen systemischen Zusammenhang nicht anwendbar sind. Denn in einem Kreditgeldsystem werden aus wenigen „großen“ langfristigen Verbindlichkeiten viele „kleine“ kurzfristige Verbindlichkeiten, woraus wie von selbst das für die Bankbetriebslehre konstitutive Liquiditätsmanagementproblem entsteht, weil das Entstehen der „langfristigen“ Verbindlichkeiten durch das Eingehen von langfristigen Forderungen „erkauft“ wurde.

Und das ist der Clou: das Liquiditäts- und Fristenproblem der Bankbetriebslehre ist eine Folge der Kreditvergabe – und nicht dessen konstitutive Ursache! Denn: engagiert man sich langfristig mit der Maßgabe, daß man auch kurzfristig liquide bleiben muß hat man als Bank ein Problem, welches sich nur als Bankensystem lösen läßt. Von daher kann man den Liquiditätsausgleich zwischen Banken – auch bekannt als Interbankenmarkt – dahingehend interpretieren, daß dort die unvorhersehbaren Liquiditätsdifferenzen aus den Verfügungen infolge eingegangener Kreditlinien auf geräuschlose Art und Weise ausgeglichen werden – solange jeder der beteiligten Banken über eine ausreichende Bonität verfügt. Denn woher sollen Banken wissen, wohin das von ihnen im Kreditvertrag versprochene Geld wandert?

Wenn man so will läßt sich das Konstrukt „Interbankenmarkt“ als eine soziale Veranstaltung der Banken untereinander interpretieren, auf der gewissermaßen Banken sich gegenseitig über die Engpässe in der Liquidität hinweghelfen, da jede Bank im Zeitablauf mal einen Liquiditätsüberschuß und mal ein Liquiditätsdefizit realisiert. Das Kuriose dabei ist, daß das Bankensystem insgesamt nicht über zuwenig Liquidität verfügt, sondern sich lediglich die Verteilung der Liquidität von Zeit zu Zeit ändert. Zwar kann man versuchen durch ein ausgebautes Filialnetz die Wahrscheinlichkeit des Liquiditätsabflusses zu vermindern, in letzter Konsequenz bleibt es dabei, daß der gegenseitige Liquiditätsbeistand gewährleistet sein muß, wobei die Etablierung eines akzeptierten Mindeststandard hinsichtlich der Bonitätsanforderungen als essentielle Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Liquiditätsausgleichsmechanismus angesehen werden muß. Dieser Umstand macht auch völlig zwanglos deutlich, daß dann, wenn das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Geschäftspartnerbanken schwindet, die Bereitschaft gegenseitig Liquiditätshilfe zu gewähren schlagartig verschwindet und somit die Zentralbank gefordert ist die notwendige Liquidität bereitzustellen (man erinnere sich an die LTRO-Fazilitäten) um die Banken zahlungsfähig zu erhalten – obwohl sie in ihrer Gesamtheit nicht über „zuwenig“ Liquidität verfügen würden.

Und genau an dieser Stelle wird dann die Differenz zwischen einer einzelwirtschaftlichen und einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung klar: mal abgesehen von den Bargeldverlusten, die ja einen Abgang von kurzfristigen Verbindlichkeiten bedeuten, kann ein Bankensystem überhaupt nicht zuwenig „Verbindlichkeiten“ haben, die man versuchen müßte „einzuwerben“. Bisher war ja die Theorie davon geprägt, daß eine Bank erst viele „kleine“ Verbindlichkeiten anhäufen muß, damit sie zu einer „großen“ Forderung kommt. Der Gesamtzusammenhang aller Banken kann aber überhaupt nicht über „zuwenig“ Verbindlichkeiten verfügen, weil diese ja – da sie selbst erzeugt wurden – irgendwo sein müssen, genauso wie die dazugehörigen Forderungen. Und da hilft auch keine „Transformationstheorie“ weiter, denn diese Transformation gilt lediglich für eine einzelne Bank, niemals jedoch für die Banken als Gesamtheit. Doch auch wenn es dieses „Transformationsproblem“ nur als einzelwirtschaftliches Problem gibt, gibt es demgegenüber das Liquiditätsausgleichsproblem auf Gesamt-Bankenebene. Denn dadurch wird das einzelbankliche Problem zu einer interbanklichen Veranstaltung, wobei auf diesem Interbankenmarkt einer Nachfrage für „Verbindlichkeiten“ ein Angebot an „Forderungen“ gegenübersteht, dessen Funktion darin besteht, die Folgen des Liquiditätsabflusses aufgrund gewährter Kredite zu neutralisieren. Das einzelwirtschaftliche Transformationsproblem transformiert sich so gesehen auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene zu einem Liquiditätsausgleichsproblem, wo nicht die Frage im Raum steht, wo die „kleinen“ Verbindlichkeiten herkommen sollen (die sind ja sowieso irgendwo da) sondern an welcher Stelle sie und damit wo die Liquidität sich befindet.

Und auf einmal versteht man auch, warum Finanzkrisen dadurch geprägt sind, daß auf einmal „kein Geld mehr da ist“, obwohl kurz zuvor damit noch herumgeworfen wurde. Denn solange es kein Problem damit gibt anderen Kredit zu geben, existiert in puncto Liquidität das Regime der „heißen Kartoffel“, die so schnell wie möglich weitergegeben werden muß. Sobald man sich aber darauf besinnt, daß das eigene Überleben an der Fähigkeit hängt, über diese „Kartoffelscheibchen“ jederzeit in ausreichendem Maße verfügen zu können, macht die Freigiebigkeit einer ängstlichen Speicherpolitik á la Onkel Dagobert Platz, wo das an sich normale Ansinnen Kredit bekommen zu wollen bereits als Beweis dafür gilt, daß der Kreditnachfrager an der Grenze zur Insolvenz angesiedelt ist…

Theoriegeschichtlicher Disclaimer:

Der eigentliche Grund dafür, daß die Losgrößen- und Fristentransformatonstheorie von den meisten Ökonomen so propagiert wird liegt halt daran, daß das Zentralmodell der Neoklassik eine sog. Erstausstattungsökonomie formuliert, wo erst die Entscheidung der Haushalte einen Teil ihres Eigentums den Unternehmen zur Produktion (Investition) zu überlassen den Produktionsvorgang überhaupt erst in Gang setzt. Dieser Nichtverbrauch von Ressourcen wird dort als Ersparnis angesehen, womit überhaupt erst die Idee in die Welt gekommen ist, die Ersparnis sei Voraussetzung von Investition. In einem simplen Analogschluß wurde dann in Bezug auf die Bankbetriebslehre die Version von den vielen kleinen Spareinlagen geboren, die erst mal da sein müßten, damit eine große Investition damit getätigt werden könne.

Dieser Analogschluß geht natürlich voll in die Hose, weil Geld sowie in Geld denominierte Schuldverhältnisse keine bestehenden oder produzierten Ressourcen darstellen, sondern aus einer Übereinkunft bestehen sich gegenseitig (zeitlich strukturiert) Zahlungsversprechen zu geben, wobei der Zahlungsmittelstandard von der Zentralbank definiert wird. Dieser Umstand sorgt bis heute deswegen für viel Verwirrung, weil bislang für 99% aller Ökonomen an eine Aufgabe des neoklassischen Paradigmas nicht zu denken ist. Doch gerade die Plausibilität, Geld genauso zu behandeln wie eine Ressource verstellt dafür den Blick, daß gerade die Geldtheorie das Potential hat der Neoklassik ein Paradigma entgegenzusetzen, welches sich nicht mit irgendeiner albernen Annahmenkritik aufhält, sondern der Tauschheuristik der Neoklassik die Kooperationsheuristik entgegensetzt. Mit einer Kooperationsheuristik entsteht jedoch praktisch wie von selbst eine Verpflichtungsökonomie, die durch das Eingehen und die Auflösung von Schuldverhältnissen geprägt ist. Diese Schuldverhältnisse entstehen bei der Aufnahme von kooperativen (und hoffentlich produktiven) Unternehmungen/ Projekten und erzeugen in ihrer Vielzahl dann auf einmal einen sich verselbständigenden Finanzsektor. Diese Verselbständigung geht jedoch mit einer „Entfremdung“ von dem eigentlichen Objekt der Wirtschaftstheorie – den Ressourcen und Gütern – einher und ist gewissermaßen der Verstoß aus dem Garten Eden, in dem Güter und Ressource noch einen „Wert“ besitzen, während die schnöde Welt des Geldes nur noch einen Preis kennt. Sobald aber einmal die Erkenntnis über die Strukturierung ökonomischer Beziehungen nach monetären Kriterien einmal in der Welt ist, ist der Weg zurück zum Garten Eden, wo der „Wert“ noch einen Wert hatte ein für allemal vorbei. Das mag man bedauern, aber echter Fortschritt kümmert sich nicht um die Zurückbleibenden.

Diese theoriegeschichtliche Begründung vom Primat der Einlage über den Kredit trifft sich mit der einzelwirtschaftlich orientierten Bankbetriebslehre in ihrer liquiditätsbedingten Fokussierung auf die Einlagen, obwohl diese ja erst durch eine vorangegangene Kreditgewährung entstanden sein können. Dieser Aspekt bleibt jedoch deswegen im Nebulösen, weil die Neoklassik weder zugeben kann, daß Geld keine Ressource ist noch darüber nachdenken will, daß es Bereiche gibt, in denen das Knappheitsprinzip nicht durch eine vorgegebene Menge beschränkt wird und damit nicht mehr anwendbar ist. Die Kritiker der Neoklassik riechen gewissermaßen diese Schwachstelle (und versammeln sich hinter dem Schlachtruf „Die Banken schaffen das Geld durch Kredite!), obwohl sie damit ausgerechnet der Scheinkontroverse zwischen „endogenem“ und „exogenem“ Geld (die sagenumwobene ‚currency-banking‘ Kontroverse) unbehelligt von jeglicher Sachkenntnis auf den Leim gehen.

Worin besteht also die Restriktion des Bankensystems als Gesamtheit? Sie besteht daraus, daß – wie der legendäre Artikel von Tobin über den „Krug der Witwe“ darlegt – die Banken weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit dasjenige erzeugen können, womit sie ihre Schulden bezahlen: Geld!

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Schatten ist nur dann, wenn Sonne ist

SirmioneSeit einigen Jahren geistert ein Begriff durch die Finanzwelt, der sich bis heute einer zutreffenden Charakterisierung entzieht. Man findet zu dem Begriff „Schattenbank“ lediglich eine Vielzahl von Beschreibungen, deren gemeinsamer Nenner darin besteht zu konstatieren, daß eine Schattenbank von einer normalen Geschäftsbank dadurch zu unterscheiden wäre, daß die eine einer staatlichen Regulierung unterliegen würde und die andere eben nicht. Die regulierten Banken hätten daher das Privileg des Zugangs zur Zentralbank, während den anderen der Zugang zur Zentralbank verweigert bleibt. Interessanterweise wird dabei meist darauf Bezug genommen, daß die Einlagen, die von den Schattenbanken angenommen werden sich keiner staatlichen Besicherung erfreuen und somit irgendwie die Unsicherheit der Einlagen die Bezeichnung als im „Schatten“ liegend nahelegt, was wohl irgendwie bedeuten soll, daß die staatliche Sicherung von Einlagen denen einen „Platz an der Sonne“ garantiert.

Dabei wird üblicherweise keine grundsätzliche funktionale Differenzierung beider Banktypen vorgenommen, denn in beiden Fällen wird das zentrale Geschäftsfeld darin gesehen Kreditintermediation zu betreiben. Es wird dann versucht diese fehlende Differenz wird dann durch viele Einzelaspekte zu motivieren, indem die Art der Bankgeschäfte zum zentralen Kriterium wird, obwohl es keineswegs naheliegt, diese Unterscheidung für maßgeblich zu halten. Es sieht eher so aus als würde das Kriterium Nicht-Regulierung dazu benutzt zu begründen, daß in diesem Sektor Geschäfte abgewickelt würden, die mit einem „normalen“ Bankbetrieb nicht vereinbar seien. Man hat das unbestimmte Gefühl in einer Einführungsvorlesung für Geldtheorie zu sein, wo nach der Deklaration der vermeintlich wesentlichen Eigenschaften von Geld ohne weitere Diskussion zu den diversen Geldmengenaggregaten übergegangen wird, obwohl man sich durchaus mal fragen könnte, was es denn ist, was da so alles „aggregiert“ werden soll. Auch hier wird der eigentliche Erklärungsnotstand durch eine künstliche Verkomplizierung (oder behauptete Verkomplexierung) überspielt und durch phänomenologische Detaildiskussion der Eindruck erzeugt, man wisse ja durchaus, womit man es dabei zu tun hätte.

Dabei liegt eigentlich eine Differenzierung nahe, die sich auf das Kriterium „Zugang zur Zentralbank“ orientiert, selbst wenn vordergründig die Regulierung durch die Zentralbank das vermeintliche Kriterium zur Unterscheidung liefert. Der essentielle Unterschied liegt nämlich darin, daß normale Banken mit einer Kreditvergabe gleichzeitig in gewissem Umfang einen Zuwachs an Zentralbankgeld generieren, mit dem sie den gewährten Zahlungsvolumina durch Zahlung in Zentralbankgeld nachkommen können – und müssen.

Dies müssen die Banken im „Schatten“ natürlich auch, der Unterschied besteht eben darin, daß diese ihre Zahlungsverpflichtungen aus vorgegebenen Beständen begleichen müssen, die ihnen von privaten Anlegern zufließen und insofern hier genau das stattfindet, was die Bankbetriebslehre nicht müde wird als Funktion des Bankgewerbes zu postulieren. Denn die traditionelle Liste der Bankfunktionen ist es ja gerade „Einlagen“ (die man sonst in den Schuhen hat) zu Krediten zu transformieren, sei es als Fristen-, Losgrößen- oder Risikotransformation.

Es sieht demnach eher so aus als hätte sich die Bankbetriebslehre ausschließlich der Funktion der Schattenbanken gewidmet und den wesentlichen Aspekt des Bankensystems, nämlich tatsächlich Geldschöpfung generieren zu können, komplett übersehen. Das wird vermutlich damit zusammenhängen, daß die Differenz von dem was als „Bankgeld“ bezeichnet wird und dem, was Zentralbankgeld wirklich ist weitgehend ignoriert wird. Es ist ja heutzutage chic geworden zu behaupten Banken könnten „Geld“ schaffen was auch schon dazu führt zu fordern den Banken das Privileg der Geldschöpfung zu entziehen. Jeder Kommentar dazu erübrigt sich – eigentlich. Doch in einer Publikation der Bundesbank zu diesem Thema versteigen sich die Verfasser zu der sachlich unhaltbaren Aussage:

„Im Vergleich zu Geschäftsbanken weisen Schattenbanken einige grundsätzliche Unterschiede auf. So können sie im Gegensatz zu Geschäftsbanken keine Giralgeldschöpfung betreiben…“ (Seite 3 PDF; Seite 17 Seitenzählung)

Offenbar unterliegen auch Bundesbank-Ökonomen der Falschvorstellung, daß Bank-Forderungen etwas anderes sind als „normale“ Forderungen, nämlich Geld. Das wird daran liegen, daß die ständig verwendete fehleranfällige Bezeichnung von Bankschulden als „Giralgeld“ auch dort geeignet ist das analytische Verständnis des grundsätzlich vorhandenen Unterschieds von Forderung und Forderungserfüllung zu vernebeln. Denn da die Einräumung eines Kredites gleichbedeutend mit einer Bilanzverlängerung ist, wobei dann die Bankschulden entstehen, die dann irgendwie „Geld“ bedeuten sollen, ist nicht zu sehen, was der kategoriale Unterschied sein soll, ob eine Bank an der Sonne oder eine Bank im Schatten eine Schuldzusage macht. Denn soweit diese Schuld beglichen werden muß (nennt sich Überweisung oder Auszahlung) sind Schattenbank und Sonnenbank gleichermaßen dazu gezwungen ihre Zahlungsverpflichtung in einem Standard zu leisten, den sie eben nicht selbst schaffen können – nämlich in Zentralbankgeld.

Viel spannender als diese Fehlleistung ist an dieser Stelle jedoch der Umstand, daß schon vor bald 100 Jahren diese Differenz zwischen Banken, welche die Möglichkeit zur passiven Generierung von Zentralbankgeld besitzen und Banken, die auf vorhandene Geldvolumina zurückgreifen müssen in klar differenzierender Weise funktional aufgegriffen wurde. Dies ist umso interessanter, als hier die übliche oberflächliche Betrachtungsweise anhand der „Eigenschaften“ von „Schattenbanken“ durch eine Sichtweise ersetzt wird, die das strukturell entscheidende Merkmal eines hierarchisch aufgebauten zweistufigen Bankensystems nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch als valides Strukturmerkmal erkennt:

„Rein deduktiv, aus dem Wesen der Krediteinräumung in der modernen Wirtschaft, ergibt sich sonach, daß es zweierlei Arten von Banken geben muß: Solche Banken, die man als Primärbanken oder als Kreditschöpfungsbanken bezeichnen kann und solche Banken, die man am besten Sekundärbanken oder auch Krediterscheinungsbanken nennen wird.“ Denn es ist immer möglich, daß es „doch eine gewisse Anzahl von Fällen gibt, in denen die Sekundärbanken direkt mit dem kreditsuchenden Publikum in Berührung kommen und in denen sie zweifellos krediteinräumend auftreten. … Die Hypothekenbanken, Sparkassen … schöpfen nämlich keine neuen Forderungsrechte zum Zwecke der Krediteinräumung, sondern benutzen hierzu die ihnen zufließenden bereits bestehenden. Da nun dieser Zufluß wiederum abhängig davon ist, daß in der Volkswirtschaft etwelche Subjekte ihnen gehörige Überweisungsguthaben nicht mehr für den eigenen Bedarf verwenden, sondern darauf verzichten, d.h. also sparen, so bedeutet dies, daß die krediteinräumend auftretenden Sekundärbanken insoweit von dem – von der herrschenden Meinung mit Unrecht bei allen Krediteinräumungen für maßgeblich gehaltenen – Vorhandensein von Ersparnissen abhängen.“ (Hahn, A. 1920)

Damit man nun nicht meint, das sei eine Einzelmeinung eines abgedrehten Bankiers hier die analoge Formulierung eines Lautenbach, dessen Diktion ähnlich wie bei Hahn nahezulegen scheint die stets als unschuldig und solide auftretenden Sparkassen als gerade diejenigen zu charakterisieren, die heutzutage quasi die unsittliche Art der Bankgeschäftsführung als Geschäftsmodell für sich erfunden hätten:

„Wir haben nun in unserem Kreditsystem eine Funktionsteilung, nämlich Geschäftsbanken … auf der einen Seite und Sparkassen auf der anderen Seite. Für die Sparkasse gelten dabei etwas andere Spielregeln, andere Liquiditätsgrundsätze; für eine Sparkasse ist die Zunahme des Einlagenbestandes immer erwünscht und Zeichen ihrer Kraft und Gesundheit; allerdings wird sie bei wechselndem Einlagenbestand auch entsprechend mehr Liquiditätsvorsorge treffen, immer eine gewisse Quote der zufließenden Mittel liquide anlegen. … Die Art, wie eine reine Sparbank ihr Geschäft betreibt, führt in der Tat dazu, daß der Zufluß von Einlagen bei ihr den Grad ihrer Anlagetätigkeit bestimmt. Bei ihr gehen also wirklich die Einlagen den Anlagen voraus. Es sieht mithin so aus, als wenn hier das Sparen tatsächlich die Investition nach sich zieht.“ (Lautenbach, W. 1952)

Dabei sollte an dieser Stelle nochmal darauf hingewiesen werden, daß diese Unterscheidung in einem funktionalen Sinne zu verstehen ist, denn natürlich können auch „Kreditbanken“ Sparvolumina annehmen und diese für eine Kreditvergabe verwenden. Entscheidend ist jedoch der Umstand, ob eine Kreditvergabe zu einer Schöpfung von Zentralbankgeld führen kann oder nicht. Und an genau dieser Stelle befindet sich der blinde Fleck der traditionellen Bankbetriebslehre die stets davon ausgeht, daß das Geld für die Kredite über die „Einlagen“ schon immer da ist. Denn anders kann man die ganze „Transformationstheorie“ von Banken seitens der Bankbetriebslehre nicht interpretieren, so daß von vornherein eine Erkenntnis genau des funktionalen Kriteriums, welches eine Differenzierung von Sonnen- und Schattenbank möglich machen würde letzten Endes durch den Glauben an eine Quantitätstheorie, welche die Existenz von Geld als exogene Komponente setzt, vollends verhindert wird.

Man kann diesen ganzen Schlamassel so zusammenfassen: die Bankbetriebslehre hat mit ihrer Transformationstheorie das letzte halbe Jahrhundert über die Finanzierungsbedingungen des Schattenbankensystems diskutiert und tut heute so, als wäre die Existenz von Banken, die sich tatsächlich aus Einlagen von Sparern finanzieren müssen, eine Angelegenheit neueren Datums. Denn wenn irgendwo Risiko-, Fristen- und Losgrößentransformation betrieben wird, dann genau in diesem Schattensektor, weil die weitgehende Abwesenheit von Regulierung ihm überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet Risiko zu übernehmen, ohne deswegen bei eintretenden Verlusten mit dem Entzug einer Lizenz rechnen zu müssen. Von daher ist es auch nicht mehr schwer zu begreifen, warum für die Sonnenbanken umgekehrt das Instrument der Verbriefung so wichtig ist: es geht darum, daß diese Banken, die der geballten Regulierungswut staatlicher Stellen ausgeliefert sind, auf jeden Fall verhindern müssen in irgendeiner Weise größere Verluste aus Kreditengagements zu realisieren. Das heißt aber, daß hier überhaupt nur noch Risiken übernommen werden die entweder staatlich mit einer Bürgschaft abgesichert sind oder die notfalls geräuschlos an eine angegliederte Zweckgesellschaft verschoben werden können.

Und dann kommt frei nach der Morgensternschen Pseudologik der Regulierer um die Ecke, weil ja nicht sein kann, daß in einem Bereich, der ja auch und gerade zur Risikotransformation da ist, gelegentlich auch mal Verluste anfallen, deren Ausmaße dann die üblichen Schönwetter-Vorstellungen sprengen. Geht man nun aber an die „Regulierung“ des Sektors Schattenbanken mit der Begründung heran, die Anleger müßten vor unseriösen Angeboten geschützt werden, was regelmäßig darauf hinausläuft, daß es Regreßmöglichkeiten bei „nicht vollständiger Beratung“ oder ähnlichen Ausreden gibt sobald ein Kreditengagement Verluste einfährt, wird damit genau der Puffer zerstört, der es den Sonnenbanken erlaubt in puncto Verluste eine weiße Weste zu behalten. Man kann es auch anders sehen: irgendwo müssen die Verluste ja anfallen und das Ansinnen per Regulierung das Verlustrisiko einzudämmen gleicht dem Versuch die ausgedrückte Zahnpaste wieder in die Tube zu bekommen.

Und genau hier liegt der Grund dafür, daß die Diskussion um das System der Schattenbanken so verquer gestaltet ist, da man durch die „Regulierung“ die Sonnenbanken der Möglichkeit beraubt hat ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen zu können, nämlich über die Einnahme von Versicherungsprämien – wozu primär die Zinsen (auch) da sind – die aus der allgemeinen Zukunftsunsicherheit resultierenden Verluste aus Kreditabschreibungen tatsächlich neutralisieren zu können. Doch auch wenn es inzwischen anders strukturiert ist: an der „Schatten“-Instanz, die es vermag Verlustabschreibungen auch abfedern zu können, geht kein Weg vorbei. Regulierung hin oder her!

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Aus der Not geboren: FDES die Zweite!

Rotes RathausManchmal kann man sich schon wundern, was so alles aus der Not heraus geboren wird. Denn aus einer kleinen Notiz, die bei der „Welt“ erschienen ist, läßt sich herauslesen, daß die französische Regierung plant einen seit 1948 bestehenden Fonds (FDES, so etwas ähnliches wie die KfW) mit Staatsmitteln wieder aufleben zu lassen. Der Zweck dieses Vorhabens ist es die französischen Unternehmen, die bei den Banken offenbar keinen Kredit mehr bekommen, mit Hilfe dieser Einrichtung denjenigen Kredit zukommen zu lassen, der von den „normalen“ Banken verweigert wird.

Nun kann man sich lang und breit darüber unterhalten, daß dies doch (von der Wettbewerbsmafia verbotene) Staatsfinanzierung sei – nur diesmal anders herum. Da das Grummeln darüber aber die Spezialität einschlägig bekannter Gazetten ist, kann hier aus hygienischen Gründen darauf verzichtet werden. Nur soviel zur Erinnerung:

„Als Goldman Sachs in der Krise in eine Geschäftsbank umgewandelt wurde, hat man das Management gefragt, ob es auch ins Bankgeschäft einsteigen und Kredite vergeben möchte. Die Antwort von Bankchef Lloyd Blankfein lautete: „Too risky.“ Das schnelle Geld geht damit nicht.“
http://derstandard.at/1363711444890/Da-muss-irgendwann-eine-Blase-platzen

Dagegen ist ein anderer Aspekt interessant: wenn man sich die Klagen der EZB vor Augen führt, daß der Transmissionsmechanismus gestört ist, läßt sich diese Aktion dahingehend interpretieren, daß die französische Regierung den Versuch unternimmt dieses (Markt-) Versagen der französischen Banken mit der Brechstange zu korrigieren. Angesichts der Klagen über die Ansprüche, welche Banken stellen, wenn es um die Finanzierung von Unternehmen geht, ist eine derartige Idee noch nicht einmal so ganz verkehrt. Denn eine Grundregel der Bankwirtschaft geht dahin, daß die Verluste aus einer notwendig werdenden Abschreibung einer Kreditforderung durch die eingenommenen Zinszahlungen zu kompensieren sind. Dieser noblen Funktion können oder wollen sich die Banken derzeit nicht stellen.

Die Gründe dafür sind zweierlei: zum einen stecken die Banken in einer Bilanzrezession, wo sie vermeiden wollen neue Risiken einzugehen, auf der anderen Seite ist der Markt für Verbriefungen nicht groß genug, um die in den Bankbilanzen schlummernden Risiken effektiv aufzunehmen. Nimmt man noch dazu, daß durch die LTRO Aktionen der EZB die Liquiditätslage der Banken künstlich gestützt werden muß ist es unmittelbar einsichtig, daß die Banken keine besondere Lust haben sich auf vergleichsweise aufwendige Kreditvergaben einzulassen, von denen sie noch nicht einmal einen wesentlichen Konsolidierungsbeitrag hinsichtlich ihrer angeschlagenen Bilanzen erwarten können.

Diese Einsichten in die Motivationslage der (nicht nur) französischen Banken macht den Blick dafür frei, daß sich die Normen des Bankgeschäfts darauf verlagert haben vergleichsweise risikolose Engagements (Provisionen, Gebühren) auf ihre Bücher zu nehmen und alles was Arbeit und „Gottseibeiuns“ Risiko bedeutet, schlichtweg als unrentabel einzustufen. Das liegt im wesentlichen daran, daß den Bankleuten in ihrer „Ausbildung“ immer wieder eingebleut wurde, daß eine Bank die „Gelder“ der „Sparer“ aufnimmt und dann in möglichst wenig risikobehaftete Anlagen transformiert. Aus dieser Perspektive kann man als so verbildeter (um NICHT zu sagen: verblödeter) „Banker“ sogar noch einen moralischen Anspruch aus dieser Verweigerungshaltung ziehen.

Wenn man aber mal die unsinnigen standardökonomischen Sprüche, was das Wesen des Bankgeschäfts ausmacht, mal beiseite läßt (notabene: die Sparer => Investor Vorstellung, die vielleicht für Versicherungen und Sparkassen, aber nicht für Banken Sinn macht), kann man sich mal mit dem Umstand vertraut machen, daß Banken als Quasi-Versicherungsinstitutionen ihre Aufgabe darin haben, die Risiken des Unternehmerdaseins auch tatsächlich zu übernehmen, indem sie allen Kreditnehmern eine Risikoprämie aka Zins berechnen, mit der sie die notwendigerweise entstehenden Fehleinschätzungen kompensieren können.

Und da schließt sich der Kreis zu dem FDES-Fonds: wenn die Banken ihre genuine Aufgabe der Risikoübernahme nicht mehr wahrnehmen wollen, ist es an der Zeit eine alternative Institution zu schaffen, welche genau diese Aufgabe übernimmt. Und insbesondere hat diese alternative Institutionalisierung der Kreditvergabe auch noch mit einem anderen Aspekt des Kreditgeldsystems zu tun, nämlich daß es keinen „Sparer“ braucht, damit eine Bank Kredite vergeben kann: erforderlich ist lediglich der Zugang zu dem Kredit der Zentralbank dann, wenn es zu einer positiven Nettokreditvergabe kommen soll, weil Investitionen stets mit einer Geldausgabe (Kruschwitz) beginnen. Das verweist auf den Umstand, daß eine Steigerung der Wirtschaftsaktivität stets und ständig mit einer Ausweitung der Basisgeldmenge verbunden ist, weil die Liquiditätserfordernisse bei einer Steigerung der wirtschaftlichen Aktivität ebenfalls steigen. Soweit man sich über die Gegebenheiten des Verhältnisses von Banken und Zentralbank im klaren ist wird unmittelbar ersichtlich, daß zusätzliche Wirtschaftsaktivität unmittelbar auch ein zusätzliches Basisgeldvolumen erfordert – nicht zuletzt findet sich dies in der „produktivitätspotentialorientierten Geldmengenregel“ des SVR wieder. Das ist ja auch nicht problematisch, wichtig ist nur, daß nicht mehr eintreibbare „Konsumkredite“ (egal wie toll die Hochglanzprospekte auch einstmals waren) wieder durch die allgemeine Versicherungsprämie „Zins“ aus der Gesamtheit der Kredidtnehmer eintreibbar bleiben.

Und darin besteht auch die Verteidigungslinie des FDES-Fonds! Wenn er seine Kreditkonditionen derart setzt, daß wie oben angemerkt, die erzielten Zinseinnahmen dafür ausreichen, die Kosten der Abschreibung von Krediten zu neutralisieren, gibt es keinen Grund ihm eine mangelnde Wirtschaftlichkeit zu unterstellen. Denn das ist der eigentliche ‚benchmark‘ für eine Bank: neben den eigenen Kosten die Risikoabdeckung der vergebenen Kredite zu übernehmen! Und bei einer Finanzierung durch die Zentralbank sind Dividendenzahlungen an Aktionäre duchaus entbehrlich, wobei diese in der Bankenbranche ohnehin nichts anderes tun, als die Versicherungsprämie „Zins“ in die Höhe zu drücken. Daß die Bankarbeiter auch was verdienen können steht sicherlich außer Frage, ob das allerdings mit Hilfen von prozentualen Anteilen, die sich dann in unsittlichen „Boni“ wiederspiegeln geschehen muß ist deswegen fraglich, weil alle noch so ausgearbeiteten Risikomodelle niemals eine Gewähr dafür bieten, daß die Welt sich auch danach richtet. Man muß es einfach so sehen: im Bankgeschäft weiß niemand, mit welchem Kredit sich der Griff ins Klo einstellt. Sicher ist nur, daß es dazu unvermeidbarerweise immer wieder kommt. Ob man dafür Millionen zahlen muß?

Wenn man also Banken nicht anders dazu bekommt ihre eigentliche Aufgabe wieder zu übernehmen muß man genau das machen: eine Konkurrenz etablieren, die einerseits genau diese Aufgabe übernimmt und an der andererseits die piekfeinen Kugelschreiberschubser nicht mehr vorbeikommen. Vielleicht hat man in Frankreich auch die Schnauze voll davon, sämtliche Appelle, die Banken mögen doch ihrer Aufgabe der Finanzierung der Realwirtschaft wieder nachkommen, im digitalen oder analogen Nirvana verschwinden zu sehen. Zeit wird es.

Die Wettbewerbskrakeeler darf man dann auch ruhig in den Skat drücken!

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Risikorückstellungen – eine ungeliebte Notwendigkeit

succsessfeeMan lebt ja von der Successfee des Vertragsabschlusses und nicht von der Erfüllung des Vertrages.

Eine herrliche Formulierung, die mich dazu bringt laut darüber nachzudenken, warum es in der heutigen Bankenlandschaft offenbar keine Möglichkeit gibt Banken dazu zu bringen auf eine nachhaltige Art und Weise zu operieren. Dabei ist erst mal das Kriterium fraglich, was Nachhaltigkeit in der Führung eines Bankbetriebes ausmachen soll.

Daß Nachhaltigkeit hier natürlich nicht bedeutet, daß es um ökologische Fragen geht, soll ausdrücklich von vornherein betont werden, weil ein Ausufern der Diskussion auf ‚peak‘-xyz sofort von dem eigentlichen Problemkern ablenken würde – mal abgesehen davon gibt es für dieses Thema genügend Spielwiesen, wo man sich in diesem Sinne austoben kann. Demgegenüber ist Nachhaltigkeit im Sinne einer Dauerhaftigkeit von Finanzbeziehungen eine Angelegenheit, die ältere Bankiers noch kennen werden, eine Sache, die den heutigen Bankern als unwesentlicher Schnee von gestern vorkommen wird.

Fragt man sich also an welcher Stelle die Bankiers zu Bankern mutierten, so kann man vermuten, daß es mit dem Aufkommen der Technik der Verbriefung mit der früher gepflegten Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehungen zu Ende gegangen ist. Denn Verbriefung ist letzten Endes ein Begriff dafür, daß eine Kreditbeziehung zwischen zwei Vertragsparteien einseitig durch den Kreditgeber aufgelöst werden kann, in dem Sinne, daß der ursprüngliche Kreditgeber aus seiner Verantwortung für die Krediterteilung entlassen wird und dafür der (ABS/Wertpapier-) Kreditkäufer sowohl Risiko als auch die möglichen Erträge aus der ursprünglichen Kreditbeziehung übernimmt.

An dieser Stelle kommt das eingangs angeführte Zitat zum Tragen. Denn solange Kredite an Kreditübernehmer abgegeben werden können, ist es mit der Motivation, eine Geschäftsbeziehung auch bis zu ihrem (hoffentlich) erfolgreichen Ende zu führen, auf einmal vorbei. Der Hänger an der Sache ist, daß Banken genau aus diesem Grund ihre Risikorückstellungen nach ihrem eigenen Gutdünken gestalten und aus naheliegenden Gründen keine Lust haben über eine minimale Vorsorge hinaus eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben.

Woran liegt das?

Im Grunde genommen ist das Kreditieren von Geld eine Angelegenheit, die zusehen muß, daß dabei kein Vermögensschaden entsteht, der dazu führt, daß Zinseinnahmen mit Verlusten aus Kreditabschreibungen aufgerechnet werden müssen. Sobald man das einmal realisiert hat ist es nur noch ein kurzer Schritt festzustellen, daß Banken die Risikoanteile aus den Zinseinnahmen als Rückstellungen solange passivieren müßten, bis diese (zusammen mit den Tilgungszahlungen) die Höhe des ausstehenden Betrages erreicht haben. Erst an diesem Punkt sollte es erlaubt sein die dann folgenden Zins- und Tilgungszahlungen gewinnwirksam buchen zu können. (Ja, auch Tilgungszahlungen würden dann teilweise gewinnerhöhend sein. Warum? Weil das Geschäft erst dann effektiv Gewinne abwirft! Das kann bei 30-jährigen Immobilienkrediten dann schon mal 15 Jahre dauern!)

Auf diese Weise würde auch der Vermögensschaden aus einer notwendigen Kreditabschreibung erheblich gemindert, weil in diesem Fall der Risikoanteil der Zinsen tatsächlich! zu dem Zweck verwendet werden würde, für den er eigentlich vorgesehen ist, nämlich als Kompensation für eingetretene Verluste. Worüber man sich natürlich noch Gedanken machen könnte und müßte ist die Frage, wie der (virtuelle) Schaden aus dem entgangenen Ertrag zwischen der Bank und dem Schuldner aufgeteilt werden soll – auf jeden Fall ist ein derartiges Arrangement sowohl für die Bank als auch für den Schuldner eine Verbesserung in mehrfacher Hinsicht:

Der Schuldner hat für den Ertragsausfall durchaus einzustehen – die Mitverantwortung der Bank für ihren Ertragsausfall läßt jedoch den ausstehenden Kredithauptbetrag deutlich schrumpfen und verhindert gelegentlich sogar, daß die außerordentliche Beendigung des Kreditvertrages zu einer langjährigen Angelegenheit wird.

Die Bank hat auf eine langfristige Funktionsfähigkeit des Kreditverhältnisses zu achten, was es ihr verbietet, den bloßen Abschluß eines Kreditgeschäftes bereits als erfolgswirksam zu behandeln. Um die Einhaltung dieses Prinzips zu gewährleisten müßte in Verbriefungsgeschäfte eine Restitutionsklausel eingefügt werden, die es dem Käufer eines z.B. ABS erlaubt dieses dem ursprünglichen „Aussteller“ dieser Kreditforderung wieder rückübertragen zu können. Wer dabei an die Funktionsbedingungen eines Wechsels denkt, denkt richtig!

Der Effekt einer derartigen Konstruktion ist auch der, daß automatisch aufgrund eines Kredites diejenige Eigenkapitalposition gebildet wird, die von vielen Seiten für das Banksystem immer wieder angemahnt wird. Wenn man so will wird damit ein risikobedingter (kreditbedingter) Eigenkapitalpuffer erzeugt, der es unnötig macht, die Grundkapitalgeber dazu zu verdonnern für einen angemessenen Risikopuffer zu sorgen. Der Grund dafür ist, daß die Risikorückstellungen sofort aus den laufenden Einzahlungen gebildet werden müssen und nicht gleich für Ausschüttungen und Boni verwendet werden können. Das ist deswegen sinnvoll, weil ein Risikopuffer aus Grundkapital lediglich einen Bestand darstellt, der aufgrund seiner Natur nur einen begrenzten Risikoschutz bieten kann. Denn ist der (begrenzte) Bestand aufgebraucht geht die Suche nach dem ‚bailout‘ immer in Richtung Staat, wo sie überhaupt nicht hingehört!

Daß damit das Bankgeschäft auf einmal eine langfristige Note bekommt ist nicht schädlich, sondern intentional gewollt und verweist eher darauf, daß es ziemlich schwachsinnig ist, sich alle drei Monate darum zu kümmern, wie es mit dem aktuellen Vermögensstatus einer Bank aussieht – Jahresberichte reichen allemal! (Man könnte durchaus auf die Idee kommen, daß Quartalsberichte nur dazu da sind, um Forderungen nach Boni frühzeitig motivieren zu können.) Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen, daß Banken, die mit vieljährigen Kontrakten hantieren sich alle drei Monate damit beschäftigen für ihre Geschäftssituation eine neue Legende zu erfinden. Sinnvoll ist was anderes!

Wenn man das regulierungsbedingte! (und steuerbedingte) Verschuldungsproblem irgendwann mal auf die Reihe bekommen will geht kein Weg daran vorbei Banken dazu zu zwingen den wahren (sic!)  Risikoanteil an den erhobenen Zinsen als Rückstellung zu buchen, weil sie diese Risikoabsicherung in diesem Ausmaß niemals freiwillig, und wenn, dann nur nachträglich (gezwungenermaßen)  umsetzen werden. Gesund wäre es allemal! Das was derzeit als Risikorückstellung von den Banken angesetzt wird ist mit der Bezeichnung „lächerlich“ noch viel zu zart ausgedrückt!

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Die Geldkreisläufe von Privaten und Banken

Desenzano 2013Manchmal gibt es solche Perlen des Internet-Kommentariats, bei denen man sich fragt, wo die anderen sind, die ebensolche Kenntnisse aufweisen, die damit die Diskussionen fruchtbarer machen können, als viele gelehrte Abhandlungen über Dinge, die nicht mal die ‚bits‘ wert sind, die sie als Speicherplatz beanspruchen. Es geht hier um einen Kommentar aus dem Herdentrieb, wo es um die Frage ging, ob und inwieweit „Zombie“-Banken durch geldpolitische Maßnahmen gerettet werden dürfen oder nicht.

http://blog.zeit.de/herdentrieb/2013/05/17/europaische-zombiebanken-verhindern-aufschwung_6074/comment-page-3#comments  (Kommentar Nr. 20)

„Ich habe während meines Studiums gelernt, dass es einen Geldkreislauf mit Zentralbankgeld hauptsächlich zum Saldenausgleich des Interbankenverkehrs gibt und einen zweiten, vollkommen davon getrennten Geldkreislauf zwischen den Geschäftsbanken und dem Publikum (Privatpersonen, Firmen, Institutionen, Staat) mit Giral- und Bargeld gibt. Interbanken-Geldkreislauf und Publikums-Geldkreislauf können sich nicht vermengen.“

Die Bedeutung dieser Passage liegt darin, daß dort eine Zweiteilung der Funktionen des Geldes nahegelegt wird, die bis dato sich in kaum einer Veröffentlichung findet, auch wenn sich gelegentlich jemand dazu verirrt, mal das aufzuschreiben, was tatsächlich richtig ist:

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/geldpolitik-wofuer-die-banken-liquiditaet-brauchen-1118220.html

Darin steht kurz gesagt, daß Banken Zentralbankgeld für 3 verschiedene Bereiche benötigen:

1. Um den Bargeldbedarf des Nichtbanken-Publikums zu befriedigen,
2. um ihre Mindestreserveverpflichtungen zu erfüllen und
3. um die Überweisungen, welche sie als Zahlungsdienstleister ausführen, auch tatsächlich abwickeln zu können, da sie gewissermaßen stellvertretend für den Auftraggeber (Zahler) den Zentralbankgeldverkehr übernehmen.

Auch wenn Punkt 2. üblicherweise eine gewisse Prominenz genießt, die sich aus der fehlkonstruierten „Theorie der multiplen Geldschöpfung“ speist, kann man diesen Beweggrund ruhig als vernachlässigbar behandeln, so daß für die aktuelle Betrachtung Punkt 1. und 3. vornehmlich von Interesse sind. Dabei ist der erste Punkt, der sich üblicherweise mit dem Begriff „Transaktionskasse“ beschreiben läßt im wesentlichen der Bargeldbedarf der Nichtbanken, welcher sozusagen den Geldkreislauf 2 darstellt. (Abbildung unten!) Dieser Geldkreislauf ist dadurch gekennzeichnet, daß dort Zahlungen mit Hilfe desjenigen Teils des Zentralbankgeldes getätigt werden, welches als Bargeld bekannt ist. Hierbei wird bei einem Kauf der Kaufpreis direkt durch Übergabe von Bargeld (einem Teil des gesetzlichen Zahlungsmittels Zentralbankgeld) abgewickelt und die eingegangene Geldschuld sofort – Zug um Zug – beglichen. (Immer dran denken: Geld kann man nur verwenden, wenn eine Geldschuld vorliegt!)

Anders ist es im Geldkreislauf 1, dessen Hauptfunktion darin besteht, anstelle des eigentlich Zahlungsverpflichteten (der Käufer) den Zentralbankgeldtransfer durchzuführen – was auch die Bezeichnung Zahlungsverkehrsdienstleister unmittelbar nahelegt. Denn statt der direkten Übergabe des Bargeldes wird im Geldkreislauf 1 der unbare Teil des Zentralbankgeldes verwendet, indem der Zentralbankgeldtransfer von Bank K(äufer) zu Bank V(erkäufer) mit Hilfe von Umbuchungen auf den jeweiligen Zentralbankkonten der beteiligten Banken erfolgt.

Damit ergibt sich schlußendlich, daß sowohl der Geldkreislauf 2, welcher auf Barzahlungsgeschäften beruht, sowie der Geldkreislauf 1, welcher auf Geschäften beruht, welche mit Hilfe einer Überweisung (an Zahlung Statt) abgewickelt werden, eine einheitliche Grundlage besitzen, obwohl das Zentralbankgeld „Bargeld“ und das Zentralbankgeld „Forderungen gegen die Zentralbank“ scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Und doch haben sie die entscheidende Gemeinsamkeit, daß beide „Geldmengen“, die unter der einheitlichen Bezeichnung „Basisgeld“, „Reserven“ oder eben Zentralbankgeld firmieren, exklusiv dasjenige ausmachen, was den gesetzlichen Vorschriften über eine schuldbefreiende Zahlung genügt.

Nun scheint es so zu sein, daß ja die Buchungseinträge der Nichtbanken, die ja unter der schönen Bezeichnung „Giralgeld“ firmieren dasselbe seien wie die Buchungseinträge, welche die Zentralbank für die ihr angeschlossenen Geschäftsbanken führt. Dem ist natürlich nicht so. „Quod licet Iovi, non licet Bovi!“ Denn daß eine Forderung gegen eine Geschäftsbank zwar in der Regel so gut ist wie Zentralbankgeld sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß es genügend Beispiele dafür gibt, daß eine Forderung gegen eine Geschäftsbank eben doch nur eine Forderung ist und kein Zentralbankgeld, was eine Forderung gegen eine Zentralbank demgegenüber ohne wenn und aber ist!

Das hat für eine einzelne Überweisung weitreichende Folgen: denn anstelle der direkten Übertragung des baren Zentralbankgeldes erfolgt die Übertragung des Zentralbankgeldes nun mittels einer zweistufigen Konstruktion, die einmal daraus besteht, daß zwischen den Banken des Käufers und des Verkäufers ein Forderungsübergang erfolgt, der die Konten der beiden Beteiligten verringert (Käufer) bzw. vergrößert (Verkäufer). Damit ist die Sache aber noch nicht zu Ende, denn die Bank des Verkäufers wird den zusätzlichen Herausgabeanspruch ihres Kunden nur dann genehmigen, wenn sie auch das entsprechende Zentralbankgeld dafür erhält. Dieses wird üblicherweise dadurch erledigt, daß bei der Zentralbank der entsprechende unbare Zentralbankgeldübertrag durchgeführt wird, indem die Zentralbank die entsprechenden Zentralbankkonten belastet (Bank des Käufers) bzw. eine dementsprechende Gutschrift erteilt (Bank des Verkäufers).

Zahlungskreislauf

Warum ist die Sache so wesentlich? Es geht darum, daß die landläufige Bezeichnung von der „bargeldlosen Zahlung“ zwar insofern richtig ist, als der Zentralbankgeldübertrag von Bank K(äufer) an Bank V(erkäufer) auf elektronischem Wege und nicht mit Hilfe von Bargeld erfolgt, was wiederum jedoch nicht bedeutet, daß eine bargeldlose Zahlung auch schon eine zentralbankgeldlose Zahlung bedeuten würde. Dennn die Tatsache, daß der größte Teil des Zentralbankgeldausgleichs auf elektronischem Wege erfolgt darf nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß in diesem Fall kein Zentralbankgeld involviert wäre – das ist es wohl, nur nicht nach den Üblichkeiten, welche im Geldkreislauf 2 vorherrschen. Denn der Zentralbankgeldausgleich erfolgt auf den Konten der Zentralbank – und da und nur da ist eine Forderung auf Geld dasselbe wie Zentralbankgeld.

Zum anderen geht es um ein großflächig kolportiertes Mißverständnis, daß es die Banken seien, die zu einer unverhältnismäßigen „Geldschöpfung“ beitragen würden. (Dazu gehört auch der Blödsinn: „Banken schaffen Geld aus Luft!“) Man kann es nicht eindringlich genug betonen: Banken schaffen Schuldverhältnisse, die Privaten die Möglichkeit geben über Zentralbankgeld verfügen zu können, wobei gleichzeitig das Schuldversprechen der Banken dahingehend lautet, daß sie dafür Sorge tragen, daß diese „Guthaben“ – die für sie Verbindlichkeiten sind – auch auf Anforderung des Zahlenden durch sie selbst mit Hilfe von unbarem Zentralbankgeld auch transferiert werden können. Banken müssen – wie alle anderen auch – ihre Schulden, die sie durch Kreditvergabe eingegangen sind auch durch die Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit bedienen können. Nur: womit können Banken schuldbefreiend zahlen? Eben: nur mit der Übertragung von Zentralbankgeld, wobei man sich durchaus klarmachen könnte, daß es in früheren Zeiten auch gelegentlich mal einen Bargeldausgleich per Geldtransporter gegeben haben wird und zwar dann, wenn die Bonität der schuldenden Bank bei der fordernden Bank zu gering für eine Kreditierung des geschuldeten Betrages auf dem Interbankenmarkt ist.

Was lernt man daraus? Kreditschulden sind ein zweiseitiges Schuldverhältnis, was sowohl für den Kreditnehmer eine Verpflichtung zur Bedienung seiner Schulden vorsieht, als auch für den Kreditgeber (Bank) eine Schuld darstellt, die Verfügung über das (von der Bank) geschuldete Geld jederzeit gewährleisten zu können. Das „Liquiditätsmanagement“ der Banken ist also mitnichten ein Luxusproblem, welches sie pflegen können oder auch nicht, sondern eine Überlebensbedingung, wobei die Pannen, die sich in der Einschätzung der voraussichtlichen Liquiditätslage ergeben können, im Verlaufe der letzten Jahre mehr als deutlich sichtbar geworden sind.

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Flassonomics

AmselIrgendwie hat es sich in Deutschland als „chic“ etabliert zu einem ’self bashing‘ überzugehen, indem der Lohndrückungsorgie „Agenda 2010“ Wirkungen zugeschrieben werden, die keineswegs als selbstverständlich begründet werden können. Maßgeblich dafür verantwortlich zeichnet H. Flassbeck, dessen zentraler Vorwurf an die deutsche Lohnpolitik dahingehend lautet, daß wegen der deutschen Niedriglohnpolitik die Schere der Lohnstückkosten in EURO Land auseinander gedriftet ist und somit Deutschland dadurch einen nicht mit einer Währungsunion kompatiblen Wettbewerbsvorteil erreicht hätte, welcher zu Außenhandelsungleichgewichten führen würde, welche die Währungsunion sprengen könnten. Dieser Befund scheint vordergründig den statistischen Fakten zu entsprechen und gibt vermeintlich eine Grundlage für die Kritik an der deutschen EURO-Politik ab.

Zweifel an einer derartigen Diagnose des EURO Problems ergeben sich allerdings auf mehreren Ebenen. Diese lassen sich wie folgt adressieren:
a) Diese Analyse baut auf der Gültigkeit des einfachen Marktmodells von Angebot und Nachfrage auf
sowie
b) auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß Deutschland mit Niedriglohnsektoren auf dem Weltmarkt als Anbieter auftritt,
c) auf der Annahme, daß vermögenstheoretische Aspekte nichts mit Außenhandelssalden zu tun hätten
und darauf,
d) daß Außenhandelssalden in keiner Weise mit Finanzierungsbedingungen in Verbindung zu bringen wären.

Daß Flassbeck letztere vollkommen ausblendet läßt sich sehr schön daran erkennen, daß er stets auf Preisdifferenzen abstellt und nie ein Wort über die zentrale Restriktion verliert, die erst die Ableitung einer Nachfragefunktion möglich macht ~ die Budgetbeschränkung! Flassbeck argumentiert so wie es der Sohn des Aga Khan tun kann, der Keynes mal gefragt haben soll: „Meister, wie funktioniert das ohne Budgetrestriktion?“ Wenn Flassbeck also die Frage der Finanzierungsbedingungen ausklammert macht er sich eine „Vereinfachung“ zunutze, die zwar für seinen aktuellen Kontext zwingend notwendig, für „normale“ Wirtschaftssubjekte aber alles andere als selbstverständlich ist.

Diese bewußte Ignoranz der Vermögensebene gegenüber liegt daran, daß Flassbecks Argument nur dann gültig ist, wenn das Preisargument valide bleibt, so daß sein persönlicher Ärger über die „Agenda 2010“ Eingang in seine Kritik finden kann. Dabei ist das Lohnargument vergleichsweise schwach, denn gerade die Unternehmen, die auf den Weltmärkten Erfolge feiern können, zeichnen sich eben nicht dadurch aus, Dumpinglöhne zu zahlen. Daß einige Teilbereiche dieser Unternehmen auf niedrig entlohnten Dienstleistungen aufbauen, widerspricht diesem Befund nicht wirklich. Diese Tatsache kann man auch durch Ignoranz nicht negieren, denn das Bestreiten mit Nichtwissen steht nur Winkeladvokaten zur Verfügung.

Das größte Defizit dieser Argumentation besteht eben daraus, daß die finanzwirtschaftlichen Zwänge des Außenhandels in keiner Weise adressiert werden. Denn Außenhandelssalden entstehen nicht daraus, daß irgendein Land einen „Bedarf“ an einem Außenhandelsdefizit anmeldet, sondern es entsteht dann und nur dann, wenn das fragliche Defizit auch irgendwie finanziert wird ~ sonst kann kein Defizit entstehen, mag der „Bedarf“ auch noch so groß sein! Und bezüglich des Außenhandelssaldos ist es vergleichsweise unerheblich, welches Land – egal wie hoch das Lohnniveau genau ist – das fragliche Angebot gemacht hat – wenn im Empfängerland keine vermarktungsfähige Exportstruktur vorhanden ist, sind die aktuellen Finanzierungsbedingungen wichtiger als alles andere.

Komischerweise finden derartige Überlegungen keinen Eingang in die „Lohndrückungskritik an Deutschland“ ~ und zwar deswegen nicht, weil die Finanzierungsrestriktion das preisfundierte Angebots-/ Nachfrage-Argument sofort kippen würde. Denn zu unterstellen, Banken würden blindlings alles finanzieren, was nur schnell genug „Hier ich brauche Geld!“ ruft, ist ein grobes Zerrbild dessen, was sich auf den Finanzierungsmärkten tatsächlich abspielt. Das kann man vielleicht damit motivieren, daß in der EURO-Anfangsphase die „Nord“-Banken, geblendet von durchaus vorhandenen Wachstumsraten in den „Südländern“ zu fast jeder schwachsinnigen Finanzierung bereit waren, eine Eselei sondergleichen, wie im Nachgang ärgerlicherweise festzustellen war. Ein Argument für die Fehlkonstruktion bzw. ein „Fehlmanagement“ der EURO-Zone, wie es Flassbeck postuliert, läßt sich daraus allerdings nicht konstruieren – allenfalls ein Argument gegen die Theorie des Schuldenzyklus, wie es aus der Entwicklungstheorie bekannt ist, was Flassbeck eigentlich bekannt sein müßte!

Daß es diese Fehlkonstruktion gab, braucht man nicht zu bestreiten, diese liegt jedoch aber auf einer anderen Ebene. Die ist darin zu verorten, daß die Grundanlage des EURO davon geprägt war, von dem „Zinsdiktat der Bundesbank“ loszukommen, was folgerichtig dazu geführt hat, einen Gleichheitsgrundsatz als Leitlinie der EURO-Geldpolitik zu installieren, der für alle europäischen nationalen Zentralbanken (Ja, die gibt es, 17 Stück plus eine kleine Verwaltungseinheit – die EZB!) die gleichen Zinsen festgeschrieben hat. Man muß sich daher nicht darüber wundern, daß bei derartigen Finanzierungsbedingungen ausgerechnet in denjenigen Ländern, die sich ohnehin niemals durch die Qualität „Geld-Vermögenssicherung“ ausgezeichnet haben, ein Kreditboom entstanden ist, der von sich aus geeignet war, den Eindruck eines nachhaltigen Wachstums zu erzeugen.

Das Mißverständnis von Flassbeck besteht daraus, die konjunkturellen Wirkungen freizügiger – und angesichts der Erfahrungen der Vor-EURO-Zeit letztlich als ziemlich durchgeknallt zu beurteilender – Kreditvergabe bonussüchtiger Banker mit den Wirkungen von Preiskonkurrenz zu verwechseln, ob man da nun über Lohnstückkosten argumentiert oder nicht ist völlig unerheblich. Man mag sich darüber streiten, ob er es nicht sehen will oder sehen kann, das Ergebnis ist gleichermaßen desaströs. Das wichtigste Indiz gegen die Wirksamkeit des Preisarguments ist, daß sich die Außenhandelsdefizite in den Südländern inzwischen massiv zurückbilden – und zwar deswegen, weil die Kreditkonditionen sich normalisiert haben und nicht deswegen, weil sich irgendeine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hätte – die ist nach wie vor zugunsten derjenigen Länder gestrickt, welche konkurrenzfähige Produkte anzubieten haben – Preis hin oder her. (Es gibt tatsächlich Ökonomen, die behaupten, daß die „Wettbewerbsfähigkeit“ der „Südländer“ sich verbessert hätte, ein theoretischer Kopfschuß sondergleichen!) Wenn man so will besitzt Deutschland (und ein paar andere Länder auch) in bestimmter technologischer Hinsicht eine Quasi-Monopolstellung, da kann man mit einer kleinteiligen selbst preisfundierten Angebot/ Nachfrage-Argumentation nicht ankommen. Mal abgesehen davon, glaubt tatsächlich jemand, daß es für diejenigen Entscheidungsträger, die eine komplett finanzierte Investition genehmigen können, darauf ankommt, ob diese 527 Mio. € oder 548 Mio. € kostet? (Wer an Rüstung denkt, denkt richtig!)

Daß es bei der Konsolidierung der Schuldenexzesse derzeit zu Übertreibungen kommt, was auch daran liegt, daß von wissenschaftlicher Seite keine Ideen kommen, wie man sinnvoll mit einer Bilanzrezession umgeht, läßt sich nicht mit dem Konzept einer verordneten Politik der Angleichung der Lohnstückkosten beantworten, denn dieser Eingriff in die Tarifautonomie hebelte die letzten Reste der marktwirtschaftlichen Ordnung zugunsten intransparenter EU-Verordnungen völlig aus. Man mag ja die Lohndrückerei, die sich – natürlich völlig überraschend – im Nachgang der „Agenda 2010“ eingestellt hat, durchaus kritisieren, das ist jedoch kein Grund dafür, sämtliche (restlichen) tarifpolitischen Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft über den Haufen zu werfen. Nicht mal dann, wenn man im Blick hat, die Lohnstruktur Deutschlands, insbesondere in den Bereichen der Lebensvorsorge, vor dem sich voraussichtlich einstellenden Armutsniveau zu bewahren. Diesem Problem muß man sich selbstverständlich stellen, aber nicht auf eine Art und Weise, die mehr an diktatorische Bevormundung erinnert, als an ein gleichberechtigtes Zusammenwirken souveräner Akteure.

Wären Sie doch Riese-Schüler geblieben! Dann hätte sich eventuell eine Argumentationsstruktur herausgestellt, welche die Fragenkreise rund um die Problemfelder Vermögensbestands- und Vermögensertragsicherheit adressiert hätte. Damit wäre es möglich gewesen zu kritisieren, daß sich die Banken einer unzulässigen Vereinfachung schuldig gemacht haben, indem sie einfach auf aktuelle Trends aufgesprungen sind, anstatt sich den Fragen nach der Nachhaltigkeit ihrer Kreditengagements zu stellen ~ irgendwo war der Bonus wohl wichtiger! Und man hätte erkennen können, daß die vermeintlich „erfolgreiche“ EURO-Phase von 2000 bis 2007 der „klassische“ Ausdruck eines Marktversagens war – und keine Erfolgsstory!

Und falls sich noch jemand fragt, was die Konsequenz daraus ist: eine Währungsunion erfordert die Durchsetzung einheitlicher Bonitätsnormen, die bewirken, daß die Portfolios der Banken EURO-weit abtretbar (shiftable) sind! (Wer dieses Problem in den Veröffentlichungen der EZB finden will, braucht nur nach „europäischer Geldspaltung“ oder ‚monetary disintegration‘ zu googeln.) „Shiftable“ bleibt aber ein Portfolio nur dann, wenn das damit geschaffene Geldvermögen auch dort verbleibt bzw. dort auch verdient werden kann, wo es geschaffen wurde. Das wirft ein fahles Licht darauf, daß die Freiheit des Kapitalverkehrs genau diese Sicherheit verunmöglicht. Denn es ist doch ganz einfach: wenn das Geld nicht dort ausgegeben wird, wo es investiert wurde, internationaler Handel hin oder her, bleiben nur unbedienbare Schulden zurück. Dieses Faß sprengt allerdings die Kapazität dieses Posts!

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EURO-Bonds einmal anders…

bugDie Geschichte aus dem letzten Post kulminierte in dem Punkt, die Risikoprämien, die ja immer in den Zinsen enthalten sein sollen, dahingehend ernstzunehmen, daß damit praktisch ein Versicherungsbeitrag von allen Kreditnehmern zu entrichten ist, der es erlaubt, die Verluste aus der Abschreibung einzelner Kredite zu kompensieren. Damit entsteht ganz nebenbei auch eine monetäre Zinstheorie, die nicht aus der Introspektion aktueller persönlicher Befindlichkeitslagen heraus resultiert, sondern eine monetäre Größe – das Kreditabschreibungsvolumen – mit einer weiteren monetären Größe – dem zinsbedingten, eigenkapitalerhöhenden (Brutto-) Gewinn aus der G+V – zueinander in Beziehung setzt. Wenn man so will ist mit der Formulierung der quantitativen Beziehung einer monetären (Risikoprämie: Bruttozinsvolumen) zu einer anderen monetären Größe (Zukunftsunsicherheit: Abschreibungsverlust) das simpelste Grundprinzip eingehalten, daß begriffliche Entitäten, die eine Beziehung aufweisen sollen auch eine Bezugsebene besitzen, anhand derer sie auch vergleichbar sind. Leider hat das unbekümmerte Zusammenrühren inkommensurabler Sachverhalte in der ökonomischen Theorie eine unrühmliche Geschichte, indem beispielsweise die Zusammenstellung der Dinge, die in der sogenannten Quantitätstheorie bzw. -gleichung miteinander in Beziehung gebracht werden, ein mehr als abschreckendes Beispiel liefert.

Aber da die Ökonomen ja mehrheitlich glauben, sie hätten tatsächlich etwas, was die Bezeichnung „Zinstheorie“ rechtfertigen würde, lasse ich das an dieser Stelle mal so stehen und möchte eher auf eine kleine Geschichte eingehen, die sich im Nachgang zu dem vorausgegangenen Post wie ein Elfmeter eigentlich für jeden von selbst angeboten hätte. Ausgangspunkt der ganzen Angelegenheit war ja, daß Banken nicht nur als „Transformatoren“ von Risiko gesehen werden, sondern als Neutralisierungsinstanz von Risiken, die deswegen eine Risikoprämie bekommen, damit sie auch die finanziellen Schäden ausgleichen – daß die Banken inzwischen dazu übergegangen sind die ‚muppets‘ für die Risiken haften zu lassen, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend dabei ist, daß die Banken als Verleiher von „Kredit“, d.h. Zahlungsfähigkeit, ein Arrangement dafür vorhalten, welches gewährleistet, daß ihre unvermeidlichen(!) Fehleinschätzungen der Gesellschaft insofern nicht zur Last fallen, als durch die „übermäßige“ Vergabe von Kredit der Inhalt der Vorstellungen von Geldforderungen nicht (inflationär) beeinträchtigt werden (wobei Letztere auf einer irgendwie gegebenen phänomenologischen(!) Vorstellung von der „Kaufkraft des Geldes“ beruhen). Typischerweise ist das Zahlenverhältnis von Bank und Kunden dergestalt, daß einer einzelnen Bank eine Vielzahl von Kunden gegenübersteht, woraus sich – wie halt bei einer Versicherung üblich – ergibt, daß das ‚pooling‘ der Risiken durch eine zentrale Instanz bewerkstelligt werden kann. So weit, so gut.

Bei der ganzen Geschichte muß man sich an dieser Stelle mal merken, daß es der Gläubiger ist, welcher den eingetretenen Vermögensschaden durch eine Foerderungsabschreibung zu tragen hat und nicht der Schuldner. Dieser haftet ja auch „nur“ nach Maßgabe der vertraglichen Bedingungen und ist gegebenenfalls nach Leistung der vereinbarten Haftungsmasse von einer weiteren Leistung (Schuldturm) freigestellt – zumindest in Staaten, die über ein modernes Insolvenzrecht verfügen. Man könnte diese Modernität der Behandlung der Übernahme von Residualrisiken auf eine Einsicht in die gegenwärtige Struktur des Geldsystems interpretieren, allein mir fehlt der Glaube in diese Version, da die versammelte Bankwirtschaftslehre immer noch die Legende von den Ersparnissen pflegt, die dann zu Investitionen führen sollen.

Bezieht man nun diese Aufgabenverteilung auf das Verhältnis von (Privat-) Gläubigern und Staatsschuldnern erhält die Haftungsfrage auf einmal eine neue Bedeutung, auch und gerade wenn man dies auf das umstrittene Thema Eurobonds anwendet. Auch wenn in diesem Fall einer Vielzahl von Gläubigern eine vergleichsweise kleine Anzahl von Schuldnern gegenübersteht, könnte man sich ein Arrangement vorstellen, daß für den Fall, daß ein Staat die vorgesehenen Zahlungen nicht leisten kann, lediglich ein Teilausgleich der ausfallenden Forderung von den mitbürgenden Staaten erfolgt, während der komplementäre Abschreibungsanteil als Abschlag auf die Nominalforderung ALLEN Eurobond-Gläubigern angerechnet wird. Das heißt, daß sobald ein Schuldnerstaat – was im Eurobond-Verbund vorab intern geregelt sein muß – mit seinen Zahlungen auf die Staatsschuld in Verzug gerät, wird die Anpassungslast nach einem vorab definierten Schlüssel auf die Garantiestaatengemeinschaft, aber auch und insbesondere auf die Gläubigerhaftungsgemeinschaft aufgeteilt. Das muß nicht fifty-fifty sein (eine Egalitätsvorstellung ist in ökonomischen Sachfragen ohnehin keine Leitlinie der Problembehandlung), sondern es kann auch auf einer Basis von z.B. 20% Staatshaftung und 80% Privathaftung sein, der Beschäftigung mit den möglichen Auswirkungen sind da keine Grenzen gesetzt.

Durch ein derartiges Arrangement kann die Haftungsfrage im Vorhinein geklärt werden, ohne daß es zu einer 100%igen Haftungsübernahme kommen muß, wie es derzeit im Fall der EURO-Krise gang und gäbe ist. Der Vorteil dabei ist, daß eine Rettungsaktion zu 100% für die EURO-Staaten nicht mehr attraktiv ist und selbst das Risiko für die „systemrelevanten“ Banken kann dadurch auf ein handhabbares Maß reduziert werden, mal vorausgesetzt die Engagements bewegen sich auf einem „vernünftigen“ Niveau. (Sobald aber wieder ein ‚run‘ auf die vermeintlich risikolosen EURO-‚bonds‘-mbH  einsetzt, ist der Effekt der Risikodiversifizierung natürlich gleich wieder für die Katz! Sorry Katzi!)

Im Gegensatz zu der üblichen Behandlungsweise von Eurobonds, wo der Fokus der Diskussion darauf liegt, eine komplette Absicherung der Gläubiger zu gewährleisten, was zu Recht auf einhellige Ablehnung seitens derjenigen Staaten stößt, welche die voraussichtlich eintretenden Lasten zu tragen hätten, gilt nun eine vorab definierte Lastenverteilung, welche niemanden aus seiner Verantwortung entläßt – weder Gläubiger noch Schuldner. Eigentlich ist es einerseits nicht zu verstehen, daß eine derartige Konstruktion überhaupt noch nicht in die Diskussion gekommen ist, denn die Möglichkeit einer Privatinsolvenz ist genau die Blaupause die man braucht, um sich ein derartiges Arrangement als Grundlage von europäischen Schuldverschreibungen vorstellen zu können. Zum Anderen würde dadurch endlich mal die Vorstellung (teilweise) aus der Welt geschafft, es gäbe so etwas wie risikolose Geldanlagen, die Vorschriften über mündelsichere Anlageformen hin oder her. Eurobonds wären dann für die prospektiven Bürgen dann nur noch ein Engagement mit begrenzter Haftung – was will man mehr? Das Schönste dabei ist: das firmiert alles unter dem gütigen Siegel der europäischen Solidarität!

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Pitticoin die Lieben – und Platsch

rouletteNun muß man sich ja nicht als kompletter Laie outen, indem man in Bezug auf das Phänomen Bitcoin von einer Währung spricht. Es ist eher angemessen von einem künstlichen Tauschmittel oder künstlichem „Wertgegenstand“ oder meinetwegen von einer „virtuellen Sache“ zu reden, welche es zu einer gewissen Prominenz gebracht hat. Genau dasselbe ist auch schon bei Kunstwerken, Tulpenzwiebeln und einer Unzahl anderer Modeobjekte passiert, ohne daß die Kommentatorenwelt sich entblödet hätte, dabei von einer Währung zu faseln.

Das liegt daran, daß sich kaum jemand darum Gedanken macht, was eine Währung tatsächlich auszeichnet. Eine Währung des modernen Typs ist dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht das Tauschverhältnis von Hirsch und Biber, sondern das Stecknadelbeispiel von Adam Smith adressiert. (Dazu gibt es demnächst einen weiteren Post!) Es ist nicht der Tausch, der die Grundlage für das Denken über Ökonomie legen sollte, sondern die Arbeitsteilung, welche auch das Rezept für das Reüssieren moderner Gesellschaften liefert. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß die operative ökonomische Elite instinktiv den Fokus der Bedeutung nicht auf die sogenannten flows, sondern auf die Qualität der stocks legt! Das heißt zwar auch, daß es gelegentlich auch zu Pannen kommt wo Bestände entwertet werden müssen, was dann unproblematisch ist, wenn diese auch einer entsprechenden Abschreibung unterzogen werden (können). Das jüngste Beispiel ist nicht von ungefähr die ‚dotcom‘-Blase, die deswegen so glimpflich verlaufen ist, weil die durchgeknallten „Investitionen“ vorwiegend mit Eigenkapital (IPOs) finanziert wurden und sich niemand darum schert, ob eine Abschreibung von Aktieninvestments erforderlich ist oder nicht.

Letzteres hat natürlich mit Bitcoins nichts zu tun. Denn Bitcoins sind ja nichts anderes als eine Phantasie, deren Bedeutung sich aus einer Vorstellung speist, die sich daraus ergibt, daß ein Glaube existiert, daß sie deswegen, weil sie aus einem „realen“ Prozeß entstanden sind auch einen „Wert“ haben müßten. Das kann man ja glauben, nur: das hat nichts mit irgendeiner Realität zu tun! (Ich habe ja eher den Verdacht, daß dieser Hype eine Marketingmaßnahme von Hardwareherstellern war.)

Das Lustige dabei ist, daß sich die Vertreter des Bitcoin dazu versteigen dessen Existenz als Alternative zu einer Währung zu stilisieren, obwohl dahinter nichts weiter ist, als daß ein Schaumprodukt zu einem Popanz hochdefiniert wird, was letztlich nichts anderes bedeutet, als daß eine lustige Truppe von Nerds sich einen Spaß daraus macht die versammelte Elite der Geldtheorie vorzuführen! Denn wenn irgendwer „Tauschmittel“ ruft, stürzen sich orthodox indoktrinierte Ökonomen sofort auf diese vermeintliche Bestätigung ihrer Vorstellungswelt. Wer dabei an Schande denkt, liegt richtig!

Der entscheidende Unterschied besteht daraus, daß ein Tauschmittel kein Zahlungsmittel ist!  Das eine ist ein fiktiver Wert, während das andere ein Medium ist, welches „nur“ dazu da ist, Schulden zu tilgen. An dieser Stelle wird nämlich klar, daß das hochgelobte „Vertrauen“ in eine Währung nämlich nur dann vonnöten ist, wenn es niemanden gibt, der darauf angewiesen ist, diese Währungseinheiten deswegen zu erwirtschaften, weil er in dieser Währung Schulden zu tilgen hat. Das viel gescholtene Schuldgeldsystem bezieht nämlich seine Funktionsfähigkeit daraus, daß Unternehmer einem Schuldendruck unterliegen und das der einzige Grund für ihre Bereitschaft ist, gegen (substanziell wertloses) Geld reale Leistungen (i.e. für den Konsumenten werthaltige Waren) zu verkaufen.

Im Gegensatz dazu ist ein Bitcoin als „schuldfrei“ (immer wieder lustig) geschöpfte „Währung“ auf Vertrauen angewiesen, weil es für niemanden eine wesentliche Motivation gibt, diese virtuellen Zahlenkolonnen durch ein Leistungsangebot erwirtschaften zu müssen. Die Pannen, die demgegenüber mit Währungen passieren können sind immer dann möglich, wenn es nicht gelingt für die fraglichen Währungseinheiten ein ausreichendes Interesse zu generieren. Im Kreditgeldsystem wird dieses „Interesse“ dadurch erzeugt, daß die Durchsetzung des Schuldendienstes(!) das „Verdienen“ dieser Scheinchen zur „conditio sine qua non“ des Wirtschaftslebens macht. Das ominöse „Vertrauensproblem“ existiert für ein Kreditgeld, wo Kredite effizient eingetrieben werden, schlichtweg nicht! (Das ist übigends der eigentliche Grund dafür, daß Deutschland vergleichsweise geringe Probleme mit der Finanzkrise hat, auch wenn die Bewältigung der ’subprime‘-„Investitionen“ eine deutliche Scharte in die Qualität deutscher Banken geschlagen hat. Von den USA lernen heißt heutzutage eben abschreiben zu können und nicht siegen zu lernen! So ändern sich die Zeiten! Das werden die Chinesen auch noch lernen – sorry folks!)

Der wesentliche Unterschied zwischen Bitcoins und einer Währung ist jedoch der, daß in der modernen Welt hauptsächlich die Referenz(!) auf das Zahlungsmittel zur Abwicklung von Zahlungen Verwendung findet und nicht das Zahlungsmittel selbst. Der ganze Überweisungsverkehr ist davon geprägt durch Anweisungen auf Zahlungsmitteltransfers die Verwendung des Zahlungsmittels in der Interaktion von Zahlendem und Zahlungsempfänger entbehrlich zu machen. Der Transfer des Zahlungsmittels nämlich wird durch die beteiligten Banken abgewickelt, woraus sich auch deren Bezeichnung als Zahlungsverkehrdienstleister herleitet. Im Gegensatz dazu werden Bitcoins selbst hoch wohl persönlich übertragen, so wie es sich für ein Tauschmittel gehört. Was die Eigenschaften eines Tauschmittels angeht: man kann sich sogar bei den Austrians davon überzeugen, daß die Bitcoins als „Konkurrenzwährung“ zu interpretieren sind – ein wirtschaftstheoretischer Kopfschuß sondergleichen!

Wenn Bitcoins zur Währung werden wollen müßten Kredite in Bitcoins ermöglicht werden, womit auch bei Bitcoins die üblichen Probleme entstehen wie sie bei konventionellen Banken existieren. Dann ist es auch mit der Dezentralisierung vorbei, denn dann besteht auch postwendend der Bedarf nach einer Bitcoin-Zentralbank. Dann ist es insbesondere mit der hochwohlgelobten währungspolitischen Anarchie endgültig vorbei, die sowieso nie existiert hat! Als süchtigmachendes „Investment“ und zur Entsorgung jeglicher ökonomischer Vernunft sind sie jedoch ein hervorragendes Spielzeug. Kommt gleich nach Gold!

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Von Pulverfässern und ungeplanten ökonomischen Einsichten

springDirk Elsner hat in seinem Post über die Konsequenzen aus der Zypern-Krise eine interessante Schlußfolgerung gezogen, die es wert ist noch ein wenig untersucht zu werden:

„Aber man kann Herrn Dijsselbloem und die ganze EU dafür kritisieren, dass sie auf dem Pulverfass sitzend mit dem Feuer spielt, den Sprengstoff herangeschafft hat Dijsselbloem jedenfalls nicht.“

A) Das ist richtig!
Es gilt aber auch:
B) Auch die EU hat den ganzen Sprengstoff nicht herangeschafft!

Und wo kommt der nun her?

Man muß sich dabei überhaupt erst mal klarmachen, woraus der Sprengstoff besteht. Üblicherweise wird eine „übermäßige“, „exzessive“ oder „überbordende“ Verschuldung dafür verantwortlich gemacht und dann so getan, als wäre der Grund für diese sicherlich nicht nachhaltige Verhaltensweise in einem moralischen Defekt der „Couponschneider“, in einer „Gier“ der „Anleger“ oder in einem genetischen Defekt des Finanzkapitalismus zu verorten. Mit einer derart moralisch aufgeplusterten Keule wird dann zum Feldzug gegen „die Bankster“, „die Spekulanten“ oder – damit es moralisch noch mehr trieft – „die Ausbeuter“ und „Bezieher leistungsloser Einkommen“ aufgerufen, womit der Empörung der Gerechten dann Genüge getan worden ist.

Nun, mit Verschuldung hat das Ganze schon was zu tun, es nützt aber nichts, wenn man über eine „zu hohe“ Exposition klagt, denn „zu hoch“ setzt ja bereits voraus, daß irgendetwas „zu viel“ ist, ohne daß ein Kriterium dafür existieren würde, an dem man das „zu viel“ messen könnte. Leider ist man in Bezug auf die Finanzmärkte immer erst hinterher schlauer, so daß es ohne weiteres passieren kann, daß ein „normales“ oder „solides“ Kreditengagement auf einmal zu einem „unkalkulierbaren Risiko“ wird. Die Gründe der Schieflage der zypriotischen Banken sprechen Bände.

Wenn man sich nun die nicht mehr so ganz taufrische Option ansieht, wie in Zukunft in Europa die Sanierung einer Bankbilanz ablaufen soll gewinnt man auch schon das erste Gefühl dafür was passieren müßte, wenn man den Fall der Fälle schon mal von vornherein verhindern wollte. Denn dieser ‚bail-in’ der unbesicherten Bankgläubiger, welcher im wesentlichen auf einer Umwandlung von nominal fixierten Forderungen in nominal variabel taxierte Eigentumsrechte beruht, hat ja offenbar seinen Grund darin, daß die Entscheidung zwischen nominal fixierten und nominal nicht fixierten Wertpapieren „normalerweise“ eindeutig zugunsten der nominal fixierten Kredite ausgeht.

Das hat natürlich seinen Grund der darin besteht, daß die nicht mehr so ganz moderne Hebelung von Finanzkapital es unattraktiv macht mit Eigenkapital zu wirtschaften und sich somit ganz zwanglos eine Schlagseite zugunsten wertfixierter Forderungen ergibt. Dazu kommt noch der Umstand, daß Fremdkapitalzinsen steuerlich als Kosten absetzbar sind und von daher der Einsatz von eigenem Geldvermögen sich noch weniger lohnt.

Nun mag man den Hang zur Bildung von Spareinlagen mit Hilfe von Erwägungen hinsichtlich deren vermeintlicher Sicherheit für „natürlich“ halten. Für diese Gegebenheiten stehen die inzwischen angekratzten Vorstellungen von der Sicherheit der Spareinlagen Pate, welche von der Finanzwirtschaft immer wieder in den höchsten Tönen beschworen wird. Das ist aber noch nicht alles: auch die Vorstellungen, die hinsichtlich der „normalen“ Finanzierung von Unternehmen existieren sind davon geprägt, daß Sparer über die Transformation der Banken die Investitionen der Unternehmen finanzieren und damit die moralische Rechtfertigung für die Bildung nomineller Forderungen alias Sparguthaben auch einen ökonomischen theoretischen Heiligenschein aufgesetzt bekommt. Dieser Heiligenschein resultiert letztlich aus der Quantitätstheorie, deren Sinn es ist die Bildung absoluter Geldpreise abzuleiten, ohne mit dem System relativer Preise, die sich aus einem allgemeinen Gleichgewicht ergeben, ins Gehege zu kommen. Getreu dem Erstausstattungskonzept ist in dieser theoretischen Sichtweise auch Geld eine Erstaustattung, die über Losgrößen- und Fristentransformation den Unternehmen zur Ökonomisierung zur Verfügung gestellt werden soll.

Woran liegt das?

Der theoretische Hintergrund ist dergestalt, daß im Grundmodell der Ökonomie – der allgemeinen Gleichgewichtstheorie – die Allokation der Ressourcen durch die Fiktion des Erstausstattungsprinzips ausgestaltet wird. Aus dieser Anlage der ökonomischen Orthodoxie hat eine ganze Forschungsrichtung den Schluß gezogen, daß auch in Bezug auf Geld dieses Prinzip als theoretische Grundforderung bei der Formulierung einer Geldtheorie Pate zu stehen habe. Das Ergebnis dieser methodologischen (!) Zwangslage ist die Quantitätstheorie, die seit 200 Jahren ihr Unwesen in der Ökonomie treibt. Denn dadurch wird Geld als ein Bestand definiert, der durch die Anwendung der üblichen Allokationsmechanismen seine Funktion zur Finanzierung von Investitionen erhält. (Sinnbildlich steht dafür Friedmans Bild von dem Abwurf von Geld aus einem Hubschrauber heraus!) Nun ist es natürlich nicht so, daß damit überhaupt kein ökonomischer Tatbestand eingefangen werden würde, denn die Relativität dessen, was den „Geldwert“ ausmacht ist durch dieses Konzept durchaus eingefangen. Was allerdings großflächig die Sinne vernebelt ist das damit verbundene ominöse Konzept der Umlaufgeschwindigkeit, welches lustige Vorstellungen von einer umherhetzenden „Geldmenge“ erzeugt, die nichts anderes zu tun hätte, als wie wild von einem Kauf zum anderen zu eilen. Wenn dann aus derart infantilen Vorstellungen heraus auch noch daraus geschlossen wird, daß man „nur“ die Umlaufgeschwindigkeit „erhöhen“ müsse, um Inflation oder die Konjunktur zu stimulieren, ist der intellektuelle Kopfschuß perfekt.

Das hat etwas damit zu tun wie man die Frage beantwortet was Geld ist. Ich drücke das immer so aus, daß Geld ein relatives Maß der Produktion ist, welches seine Funktion darin findet, daß es ein Verbindungsglied zwischen Kosten und Preisen darstellt. Anders gesagt: die kapitalismustypische Form der Arbeitsteilung erfordert eine Modalität der Abrechnung, die nicht das jeweilige Arbeitsergebnis zum Gegenstand hat, sondern eine abstrakte Form der Abrechung alias Entlohnung, die es ermöglicht, eine Vielzahl von produktiven Prozessen miteinander zu koordinieren. Wie man auf die blöde Idee kommen konnte das mit einer inkonsistenten Trivialgleichung einzufangen wird zukünftigen Generationen von Ökonomen ewig unerfindlich bleiben.

Schon von Marx stammt die Einsicht, daß Geld ein soziales Verhältnis ist. Und auch wenn Marx diskreditiert erscheint ist dennoch sein Hinweis auf den sozialen Charakter des Geldes immer noch als aktuelle theoretische Einsicht zu bewerten. Denn letztlich orientiert sich die gesamte Buchhaltung an diesem Konzept. An anderer stelle habe ich mal geschrieben: Kapitalismus ist eine Form geldwirtschaftlich organisierter Form der Arbeitsteilung. Diese Einsicht ist in der Ökonomie bisher noch nicht angekommen! Die Konsequenz daraus wäre Geld als Medium der Organisation produktiver Veranstaltungen zu interpretieren und nicht als „Schatz“, dessen Akkumulation für die Bewältigung menschlicher Versorgungsphasen immer weiter vorangetrieben werden muß. Diese Motivation mag ehrenwert sein, allein ist nominelles Geldvermögen dennoch stets von der Funktionsfähigkeit der gesellschaftlichen Produktionspotenz abhängig und wird es auch immer bleiben – irgendwelchen albernen politischen Garantien zum Trotz!

Man kann der Sichtweise von Geld als absolutem „Schatz“ einen gewissen Spaßfaktor sowie eine gewisse historische Bedeutung nicht absprechen, jedoch hat sie mit den Funktionsbedingungen einer modernen Geldwirtschaft nichts zu tun. (Warum das so ist, ist eine etwas längliche Geschichte.) Die Folgen einer derartigen Konzeptionalisierung von Geld durch die herrschende „Erstausstattungstheorie des Geldes“ sind jedoch anhand des EURO-Schlamassels ausgiebigst zu besichtigen.

Was läßt sich als Lehre aus der neuesten Entwicklung ziehen, wo doch gerade die Sicherheit von Spareinlagen zur Disposition gestellt wurde? Es geht darum, daß die Einsicht sich durchsetzt, daß Geldforderungen nicht aus einer Einzahlung von Bargeld am Bankschalter entstehen, sondern sich aus einer Akkumulation von Nettogeldvermögen heraus bilden, die ihre Begründung in einer Einkommensbildung findet, die sich aus Rentabilitätserwägungen von Unternehmen speist. Daß diese Rentabilitätserwägungen sich nicht dadurch ergeben, daß Einkommen großflächig gespart wird, kann zumindest einen Unternehmer nicht überraschen, denn die Wirtschaft lebt davon, daß Einkommen auch ausgegeben werden. Was sagte Norma Jean doch gleich: ‚money makes the world go round‘! Oder weiter östlich: der Rubel muß rollen!

Die Schlußfolgerung hinsichtlich der Akkumulation von Spareinlagen bzw. der Drohung, daß sie für die Sanierung von Bankbilanzen herangezogen werden, ist eigentlich ganz einfach: würden die Sparer schon von vornherein ihr Geld in Sachwerten – wozu in allererster Linie Aktien zählen – investieren, und nicht durch entgegengesetzte steuerliche Anreize und dem Moralappell des ökonomischen ‚mainstream‘ auf eine falsche Fährte geführt werden, würden sich derartig eklige Konsolidierungsprozesse, wie sie gerade in Zypern ablaufen, schon im Vorfeld vermeiden lassen. (Witzigerweise findet sich sogar im aktuellen Koalitionsvertrag eine Passage, welche das steuerliche Problem zwischen Eigen- und Fremdkapital adressiert!) An sich ist es ganz leicht es gleich richtig zu machen!

Was folgt aus alledem? Man muß Herrn Dijsselbloem attestieren irgendwie eine höhere Einsicht in geldtheoretische Funktionsbedingungen aus den aktuellen Sachzwängen gezogen zu haben, auch wenn es vermessen wäre ihm zu unterstellen, daß er diese aus einer theoretischen Einsicht heraus gezogen hätte. Darauf kommt es aber auch nicht an! Man kann auch ‚right for the wrong reasons‘ sein!

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Vom Schlachten heiliger Kühe

sharkMan darf sich durchaus an der Stelle, wo innerhalb der EURO-Zone das erste Mal Beschränkungen des Kapitalverkehrs eingerichtet werden daran erinnern, daß es mal hieß: „Scheitert der EURO, scheitert Europa.“ Wenn es ein Anzeichen des Scheiterns gibt, dann dieses! Man kann sich zwar Gedanken darüber machen, warum diese Entwicklung hinsichtlich der Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Bezug auf zyprische Geldvermögen maßgeblich von den deutschen Verhandlungsführern so gepusht wurde. Das ist leider zwecklos! Man darf aber dahingehend durchaus einsehen, daß derartige Verlautbarungen nicht viel mehr sind als hilflose Sprechblasen, deren Nutzwert noch nicht einmal dazu dienen können, die Orientierungslosigkeit der leistungstragenden Entscheidungsfinder zu kaschieren. Das Schlachten einer heiligen Kuh fällt jedoch immer auf die (angeblich) prinzipientreuen Inauguratoren zurück!

Das Problem ist: eine Beschränkung des Kapitalverkehrs bedeutet essentiell, daß eine Forderung gegen eine Bank in Zypern nicht dasselbe bedeutet wie eine Forderung gegen eine Bank des anderen EURO-Gebietes. Salopp gesagt heißt das, daß zyprisches Geld nicht mehr dasselbe Geld ist wie „normales“ Geld. Das wirft postwendend auch die eklige Frage auf, ob damit auch eine zyprische Banknote noch dasselbe ist, wie eine EURO-Note der anderen EURO-Länder. Heißt: kann eine z.B. griechische Bank eine „größere“ Einzahlung von Banknoten der Zentralbank Zyperns annehmen? Das ist deswegen virulent, weil durch einen kleinen Törn übers Mittelmeer eine Verbringung von Banknoten von interessierten Kreisen vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen ist. Angesichts dieser Möglichkeit könnte es leicht passieren, daß es in Kürze zu gesetzlichen Beschränkungen des europäischen Bargeldverkehrs kommen könnte, deren Bedeutung es ist, das zyprische Bargeld zu diskriminieren wenn nicht sogar zu kriminalisieren.

Wie es auch in der Presse vielfach kritisiert wird ist inzwischen der Fall eingetreten, daß die Sicherheit von Geldforderungen in Europa bei jeder „Rettungsaktion“ unter Vorbehalt steht und damit eine erhebliche Schramme in die Vermoegenssicherungsqualität von Geldforderungen hinsichtlich von EURO-Guthaben in EURO-Land geritzt wurde.  Es wird spannend sein zu sehen, ob die Rolle des EURO als Weltreservewährung durch diese Geschichte unter Druck gerät oder nicht. Die zukunftsleitende Frage ist dabei, wann es den „Deutschland-Moment“ gibt, an dem die Sicherheit von Geldforderungen auch in Deutschland in Zweifel steht. Es geht ja nicht darum ob er kommt – sondern wann! Warum ist das so? Weil die moralisch verbrämte Selbstbeschränkung in Form der „Schuldenbremse“ sich selbst der Instrumente beraubt, die in derartigen Situationen erforderlich wären. (Der Vorhang für dieses Kino braucht auch nicht mehr so lange.)

Aber ob oder ob nicht: die Frage, ob eine zyprische Banknote unter diesen Bedingungen noch dieselbe Schuldentilgungsfähigkeit bzw. Kontraktfähigkeit hat wie andere Banknoten aus EURO-Land wird die schlauen Entscheidungsträger noch länger beschäftigen, als es ihnen lieb sein kann. Denn obwohl gilt: ‚money is not earmarked’ könnte auf einmal die Tatsache eine Rolle spielen, daß EURO-Banknoten anhand ihrer Registriernummer als zyprische Banknoten identifizierbar sind. Die alte Regel, daß Banknoten aus Ländern, die ihre Währung einer Kapitalbeschränkung unterwerfen, außerhalb des betreffenden Währungsraumes eine ziemlich niedrige Wertschätzung aufweisen und deswegen nicht wirklich als vollgültiges Zahlungsmittel angesehen werden, sollte eigentlich zu denken geben. Die lächerlichen Devisenbestimmungen der DDR waren ja auch nicht gerade dazu nützlich, der „Mark der DDR“ eine anständige Zahlungsfähigkeit außerhalb des eng definierten Zwangsannahmeraumes zu verleihen.

Dabei wäre die Geschichte eigentlich am besten damit aufzulösen, indem den zyprischen Banken jede beliebige Liquidität zur Verfügung gestellt würde, allerdings zu einem erheblich erhöhten Zinssatz, ganz so wie es nach Bagehot zu erfolgen hätte. Das würde natürlich bedeuten, daß damit das heilige Prinzip der EZB durchbrochen würde, stets einen einheitlichen Zinssatz für alle Banken der EURO Zone anzuwenden.

Vielleicht dient diese Krise, welche ein heiliges Prinzip – oder auch Illusion – der EURO-Zone ausgemacht hat nun auch dazu, das falsche Prinzip der Einheitlichkeit des Zinssatzes aufzubrechen. Das wäre die nachträgliche Korrektur der politischen Illusion, Zinssätze per Verordnung festzusetzen und nicht als Marktergebnis interpretieren zu wollen. (Möglicherweise ist diesem Desaster dadurch Vorschub geleistet worden, daß sich Heerscharen von mikroökonomisch indoktrinierten „Ökonomistas“ dem Glauben verschrieben haben, daß Lohnerhöhungen eine verteilungspolitische Relevanz besäßen. Nichts könnte falscher sein, denn was ein Lohn wert ist entscheidet sich nicht in Lohnverhandlungen, sondern auf dem „Markt“, wenn sich aufgrund von lohnbedingten Kostensteigerungen die Preise verändern – also erhöhen. Bei Zinsen gilt zudem noch, daß sie von Bewertungsänderungen d.h. von Bestandsänderungsgrößen abhängig sind. Gesamtwirtschaftliches Denken ist offensichtlich nicht jedermanns Sache und daß man dieses im VWL-Studium lernt gehört auch zu einer gepflegten Legende, deren Auswirkung in vielerlei Hinsicht zu beobachten ist.)

Vielleicht ist das Zypern-Desaster der Schlüssel dazu von der Allmachtsvorstellung europäischer Politiker mal Abstand zu nehmen und einzusehen, daß monetäre Ertragsraten sich immer noch einer politischen Einflußnahme entziehen. Denn wie sich das Verhältnis von Ertrag und Risiko einpendelt ist nicht in das Belieben derjenigen gestellt, die immer wieder davon schwadronieren, daß eine einheitliche Währung auch einen einheitlichen Zinssatz bedingen würde. Das Gegenteil ist der Fall, getreu dem (auch wenn´s schwerfällt: juristischen) Prinzip, daß unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Eine europaweite Zinsnivellierung gehört jedenfalls nicht zu einer gesunden Geldpolitik! Daß die EZB mit ihren LTRO-Krediten genau dieses Prinzip ausgehebelt hat, macht denn auch ihr besonderes Versagen aus. Denn damit etabliert sie sich als Nicht-Zentralbank, weil damit die Emission von Liquidität in das Belieben von Privatbanken gestellt wurde. Anders gesagt: die europäische Geldspaltung, die sich jetzt sogar in der Etablierung von Kapitalverkehrskontrollen etabliert, ist eine Folge nicht der niedrigen Zinspolitik, sondern der gleichmacherischen Geldpolitik, der sie sich anscheinend verpflichtet fühlt.

Es geht einfach kein Weg daran vorbei: Liquidität muß zwischen den Banken europaweit in einem Auktionsverfahren emittiert werden, wodurch sich die Refinanzierungszwänge der jeweiligen Bieterbanken sofort widerspiegeln und nicht nach der Maßgabe irgendeiner Bedürftigkeit! Das hat seinen Grund darin, daß die Emission von Liquidität keinen demokratischen Prinzipien folgen darf. Die Bundesbank hat das noch gewußt – diese Geldpolitik hat stets funktioniert!

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Schaumgeborene Kuriositäten

Soberano y CortadoDie Geschichte mit der „Bankenrettung“ in Zypern entbehrt nicht einer gewissen Komik, weil das Ansinnen, die Sparer (alias Gläubiger der Banken) an den Kosten dieser Finanztransaktion zu beteiligen an sich genau das bewirken würde, was für eine Sanierung einer Bankbilanz nötig ist: die Verringerung der Verbindlichkeiten, ohne daß sich dabei die Forderungen gleichermaßen vermindern würden. Natürlich wirkt eine derartige Operation lediglich auf die bilanziellen Bestandsgrößen und stellt auch nicht die Rentabilität des Bankgeschäftes wieder her. Insoweit das Bilanzproblem auf außerordentlichen Abschreibungen (wie die Verluste aus dem griechischen Schuldenschnitt) beruht, ist eine derartige Maßnahme durchaus zielführend und darf mit Fug und Recht als erfolgversprechend angesehen werden.

(Was an dieser Stelle an der offiziellen Berichterstattung gelegentlich erstaunt ist der Umstand, daß häufig davon gesprochen wird, daß diese Beträge – quasi als Vermögenssteuer – zur Finanzierung des Staates dienen sollen: in diesem Fall wäre für die Banken jedoch nichts gewonnen, weil sich dadurch lediglich der Gläubiger der in Frage stehenden 5,8 Mrd. € ändern würde, ein Effekt hinsichtlich der Wiederherstellung einer angemessenen Höhe des Eigenkapitals jedoch nicht eintreten würde.)

Auch wenn es weit hergeholt scheint: dasselbe Prinzip wurde bei der Finanzierung der deutschen Einheit angewendet. Denn dabei wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, daß die großflächige Zerstörung von Kapital einer Kompensation bedarf, die durch den (angeblich zeitlich begrenzten) Solidaritätszuschlag aufgefangen wurde. Ähnlich ist es auch in Zypern, wo (auch) durch wilde Spekulation ein vorhersehbarer Vermögensschaden entstanden ist, der nun aufgrund der geltenden Insolvenzregeln zu einem Ausgleich gebracht werden muß. Ein derartiger Ausgleich zielt aufgrund simpler Buchhaltungsregeln auf eine Reduktion von Verbindlichkeiten, damit der Saldo des Eigenkapitals sich auf ein tragbares Niveau einstellt. Wesentlich dabei ist, daß der Abschreibungsbedarf dadurch aufgefangen wird, daß Nettovermögensbesitzer auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Auch wenn es schwerfällt einzusehen: das ist die gesündeste Art einer Überschuldungskrise zu bewältigen. Aus diesem kühlen Grunde ist ja auch die Dotcom-Bubble so glimpflich verlaufen, weil dabei die Abschreibungen aufgrund des Aktiencrashs durch Nettovermögensbesitzer getragen werden mußten. Denn es konnte sich keiner beklagen – auch wenn es versucht wurde!

Auch wenn die Phalanx derjenigen, welche die Ungerechtigkeit der Bankenrettung in Zypern beklagen zu einem großen Chor angeschwollen ist, ist die Variante, den Abschreibungsbedarf – auch – auf die „Sparer“ (aka Gläubiger der Banken) abzuladen – in welcher Form auch immer – an sich die einzig richtige Version, um die Folgeprobleme, die sich mit einer bloßen Umschuldung auf den Staatshaushalt einstellen, zu vermeiden.

Was an der ganzen Geschichte nicht verständlich ist: daß ein Zugriff auf Vermögensbestände einen erheblichen Widerstand der Betroffenen hervorruft, darf niemanden wirklich überraschen. Denn die Unausweichlichkeit eines oktroyierten Vermögensverlustes bringt sogar die sanftmütigsten Menschen in Rage. Und das gilt auch dann, wenn selbst bei einem latenten Verständnis für die aktuellen finanzwirtschaftlichen Probleme – was in Zypern sogar schon mal vorausgesetzt werden konnte – die geplanten Maßnahmen dergestalt vorgestellt werden, daß man den Eindruck haben kann, daß es hier zu einem Vermögenseingriff nach (deutscher) Gutsherrenart kommen würde.

Ein verträgliches Arrangement hätte etwa so ausgesehen.

Bei dem relativ hohen Zinsniveau der zyprischen Banken von 4-5% p.a. entspricht der – notwendige – Vermögensverlust in etwa einem Verzicht auf etwa 18 Monate Zinsertrag. Würde man die vorhandenen Vermögen zu einem – sicherlich zwangsweise – zeitlich beschränkten zinslosen Darlehen umwidmen, wäre in einem übersichtlichen Zeitraum der erforderliche Betrag als nicht angefallener Aufwand erwirtschaftet. Dabei wäre es notwendig für diejenigen, die eine frühere Auszahlung benötigen, für den vorzeitig abgerufenen Betrag entsprechende Vorfälligkeitszinsen zu berechnen. Das läßt sich mit einem Taschenrechner erledigen! Diese Konstruktion besitzt den Vorteil, daß eine direkte Belastung des Vermögens von der Entscheidung des Verfügenden abhängt, ob er über sein Guthaben verfügen will oder nicht. Der Umstand, daß das nominelle Vermögen nicht zwangsweise angetastet wird und nur ein indirekter Verzicht auf einen Ertrag zu erleiden ist, der sich nach einer überschaubaren Zeit wieder einstellt, macht eine derartige Regelung zu einer verständlichen und damit konsensfähigen Angelegenheit. Denn einen Ertrag nicht zu erzielen ist etwas anderes, als einen effektiven Verlust zu erleiden.

(Wenn man sich überlegt, wieviele selbsternannte Ökonomen sich mit der Frage menschlichen Verhaltens beschäftigen ist es eine Schande, daß aus dieser Richtung kein gescheiter Vorschlag kommt, dieses Problem zu lösen.)

Wenn man so will wird damit dasjenige simuliert, was die EZB unter dem Stichwort LTRO seit einiger Zeit ohnehin europaweit praktiziert. Denn die LTRO sind im Endeffekt auch nichts anderes als eine Subvention für die europäischen Banken, um deren Ertragslage zu verbessern. Es gibt keinen Grund dafür dies den Banken von Zypern zu verweigern.

Und überhaupt: es ist nicht einsehbar, daß Zypern sich bisher an jeder Rettungsaktion beteiligt und ausgerechnet dann, wenn es selbst Hilfe benötigt mit Sonderbedingungen konfrontiert wird, die woanders nicht einmal angedacht werden. Zynisch gesagt: das Geld von Oligarchen ist zwar gut genug, um die albernen Flausen der EURO-Retter zu finanzieren, aber dann, wenn das betreffende EURO-Mitglied Unterstützung benötigt, werden aufgrund von billigen Ressentiments Strafaktionen gestartet, für die es aufgrund der europäischen Verträge überhaupt keine Grundlage gibt. Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang mal daran erinnern, daß die nationale Zentralbank von Zypern (ja, die gibt es!) im EZB-Rat dasselbe Stimmrecht hat, wie die Bundesbank. Von der dort angelegten formellen Gleichberechtigung (die ich aus geldtheoretischen Gründen übrigends nicht verstehe) ist unter solchen Auspizien nichts zu sehen.

Das Beruhigende an der ganzen Angelegenheit ist der Umstand, daß offensichtlich russische und britische „Sparer“ genauso bekloppt sind wie deutsche, weil alle davon ausgehen, daß irgendeine (zusammengeklaute) „Einlage“ – ja ich weiß, daß es auch noch Menschen gibt, die arbeiten – auch noch satte Zinsen zu tragen hätte. Man kann sich nur wünschen, daß es irgendwann mal dazu kommt, daß eine Einsicht dahingehend einkehrt, daß Geldforderungen stets und ständig der realen Gefahr unterliegen durch Nichteinhaltung der Kreditkonditionen entwertet zu werden. Letzteres ist übrigens der (phänomenologische – nicht materielle) Grund dafür, daß die Erwirtschaftung von Geld durch die Anlage von Geld ein Begehren ist, welches auf eine Unmöglichkeit gerichtet ist.

Aber Menschen brauchen Träume, auch wenn sie logisch nicht möglich sind.

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Irländische Lehren

Deutsche BankManchmal ereignen sich Umwälzungen, deren Tragweite sich nicht auf den ersten Blick erschließen. So oder ähnlich muß es dem wirtschaftspolitischen Beobachter erscheinen, der sich nur noch darüber wundern kann, mit welcher Gleichgültigkeit es hingenommen wird, daß das „heiligste“ Prinzip der europäischen Geldpolitik mit aller Seelenruhe ausgehebelt wird. Denn die irische Umschuldung ist der deutschen Presse kaum Aufmerksamkeit wert. Gerade so wie die EZB es formulierte wird dieses Ereignis „einstimmig zur Kenntnis genommen“. So als wäre nichts in den letzten Jahren hinsichtlich einer Konsolidierung von Staatsschulden passiert. Als ob es keinen Fiskalpakt mit Schuldenbremse gegeben hätte, genauso als würde es kein Verbot der Finanzierung von Staaten geben, welches stets und ständig als heiligstes Prinzip der Zentralbankpolitik gegolten hat. So zumindest die Position einer ökonomischen Orthodoxie, die ihr Credo eigentlich inzwischen nachhaltig mit Füßen getreten sehen müßte. Ein #Aufschrei scheint in diesem Fall nicht zu erfolgen.

Nun gibt es ja auch die andere Version der Behandlung nicht einbringlicher Schulden, die sich aus der Erkenntnis ergibt, daß auch vermeintlich unlösbare Probleme einer Lösung bedürfen. Auf nicht-staatlicher Ebene gibt es ja dafür seit langem die Institution der Insolvenz, ganz gleich ob in ihrer unternehmerischen oder der privaten Ausprägung. Nun ist zwar ein Staat kein privates Wirtschaftssubjekt, doch sind auch auf dieser Ebene Schuldenprobleme dann einer Lösung zuzuführen, wenn es sich erweist, daß die Behandlung eines Schuldproblems durch Maßnahmen, die auf eine Konsolidierung der fraglichen Schuldenstände mittels Austerität abzielen, nicht erzielt werden kann. Dieser Punkt war bei Irland erreicht. Die Lösung, die Irland für sich (witzigerweise) mit der Zustimmung der EZB gefunden hat, ist im Prinzip das Gleiche, was Japan, England und die USA auf eine etwas andere Weise ohnehin schon länger betreiben, nämlich die Finanzierung von Staatsschulden durch die Notenbank. Der Unterschied ist: dies findet erstmalig im EURO-Raum statt, was angesichts der bisherigen Dominanz deutscher Währungspolitik im EURO-Raum durchaus als Novum gesehen werden muß.

Was allerdings das eigentliche Novum ist, ist die Tatsache, daß damit ein Element der Vernunft in die europäische Geldpolitik eingekehrt ist, was der offiziellen Linie der EZB-Geldpolitik diametral widerspricht. Dennoch, es geht nun mal kein Weg daran vorbei: untragbare Staatsschulden können nicht durch eine noch so harte Politik der Austerität aufgefangen werden. Das ist so – sämtlichen mehr oder weniger einschlägigen Wirtschaftsgutachten und auch dem IWF zum Trotz (dieser Trotz ist jedoch erkenntnisgeleitet und nicht aus fundamentaloppositionellen Erwägungen motiviert). Das ist auch schon deswegen so, weil diese Schulden eine Konsequenz privater Fehlspekulation gewesen sind. Für diejenigen, die sich ein bißchen in der ökonomischen Diskussion hinsichtlich des Charakters von Staatsschulden auskennen: die gesamte Theorie der Staatsschulden hat sich nie damit beschäftigt, daß Staatsschulden aus Umschuldung privater Schulden entstehen. Und damit muß man auch nach den Entwicklungen der letzten Jahre nicht anfangen. Denn es gibt keinen Grund dafür, eine Argumentation zu entwickeln, daß private Schulden zu öffentlichen Schulden werden müssen. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß sich irgendwelche Trottel dieser Aufgabe widmen, was auch nur ein Ausdruck davon wäre, daß sich buchstäblich alles – bis hin zu der Ökonomie der Ehe – in irgendwelche scheinheiligen „ökonomischen“ Kriterien pressen ließe.

Die letzte Konsequenz aus der irischen Strategie nicht tragbare Staatsschulden zu behandeln ist darin zu sehen, daß es weder einen nachhaltigen ökonomischen noch einen politischen Erfolg versprechen kann, durch Austeritätsmaßnahmen zu Ergebnissen zu kommen, die eine nachhaltige Reduzierung des untragbaren Schuldenstandes gewährleisten würden. Wenn man so will, ist die irische Lösung eine Variante dessen, was üblicherweise unter dem Label „Schuldenschnitt“ propagiert wird. Denn durch die irische Lösung werden öffentliche Schulden, deren Bedienung politisch nicht tragbar erscheinen, in einen permanent zu prolongierenden Buchungsposten umgewandelt, dessen Existenz niemanden zu bekümmern braucht. Nicht mal die darauf zu zahlenden Zinsen sind einer Erwähnung wert, werden sie doch nach Zahlung an die Zentralbank als Zentralbankgewinn postwendend wieder an den staatlichen Zahler zurücküberwiesen. Was die Inflationsheulsusen angeht: hat sich irgend jemand mal darüber beschwert, daß Staatspapiere stets und ständig bei der Zentralbank zu Geld gemacht werden können? Nein? Dann scheint das „Argument“ auch nicht so wirklich stichhaltig zu sein – der Beweis dafür steht jedenfalls noch aus.

Was man inzwischen von Irland zwangsweise lernen muß ist, daß monetäre Probleme auch einer monetären Lösung bedürfen – und nicht eine vermeintliche „reale“ Lösung á la Austerität das Mittel der ersten Wahl ist, welche immer darauf abzielt vermeintlich „reale Gelder“ – Einkommen – für eine Tilgungsstrategie einzusetzen, die aus logischen Gründen ein monetäres Problem nicht lösen können. Das ist auch eine Einsicht in die Spielregeln von Globalisierung: die Einkommen aus Spekulationen, die Quasi-Renten aus (Bau-)Boomphasen sowie die Gewinne aus Scheinkosten bei öffentlichen – getürkten – Auftragsvergaben sind immer dann, wenn es zu einem ‚showdown’ der Abschreibungen kommt, stets schon auf den Cayman Islands, den Bermudas oder meinetwegen auf den Seychellen. Wozu also noch diejenigen behelligen, die – aus welchen Gründen auch immer – noch im Lande sind? Das Geld ist längst weg!

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Geld oder Kredit – who cares? Banken!

TrogDie Diskussion um die Frage, ob Sichtforderungen sinnvoll als „Geld“ interpretiert werden können ist auf der einen Seite eine formelle Diskussion um die Frage, ob das, was auf der Passivseite der Zentralbankbilanz steht – nämlich der Zentralbankgeldumlauf – nun eine Verbindlichkeit darstellt oder nicht. Denn soweit man die Eigenschaft des ZBG-Umlaufs eine Verbindlichkeit zu sein bejaht, läßt sich der Analogschluß zu den Sichtforderungen der Geschäftsbanken ziehen, womit ein eindeutiges Trennungskriterium nicht mehr existiert. Der einzige Unterschied wäre dann nur noch, daß eine Zentralbank niemals illiquide in ihrem selbst emittierten Geld werden kann, während das bei Geschäftsbanken schon mal schiefgeht – was dann die Zentralbank auf den Plan ruft, die dann als ‚lender of last resort‘ fungieren soll, womit sich das Liquiditätsproblem für die (größeren) Geschäftsbanken weitgehend erledigt.

Auf der anderen Seite ist es hier in keiner Weise ein Selbstzweck eine Diskussion wieder anzuzetteln, die bereits vielfältig ausdiskutiert zu sein scheint. Es geht also dabei nicht um einen Streit um „des Kaisers Bart“, sondern um die Frage, welche Funktionsbestimmungen in Bezug auf Geld man vertritt. Dabei ist die Funktionsbestimmung „Tauschmittel“ allgemein die geläufigste Zuschreibung bei der Frage: „Was ist Geld?“. Zweifel an dieser Zuschreibung sind deswegen angebracht, weil diese Antwort nicht Ergebnis einer geldtheoretischen Analyse ist, sondern sich aus der Notwendigkeit ergibt, die relativen Preise des ökonomischen ‚mainstream‘-Modells in absolute Preise zu transformieren, ohne die Kohärenz des zugrundeliegenden Modells zu beeinträchtigen. Daß damit ein Bauchgefühl á la „Man sieht ja, daß man Geld und Güter tauschen kann!“ und damit lediglich eine Erfahrungstatsache als Theorieersatz herangezogen wird, wird bei der Plausibilisierung einer derartigen Zuschreibung meistens stillschweigend unterschlagen. Nun soll hier nicht die alte epistemologische Frage aufgeworfen werden, ob Empirie ohne Theorie überhaupt sinnvoll machbar ist oder nicht. Aber wie man seit Galileo und Kepler weiß (und wahrscheinlich auch schon seit Aristoteles, denn bei Aristoteles steht ohnehin schon alles) lassen sich Erkenntnisse auch ohne direkte Anschauung gewinnen, resp. auch dann gewinnen, wenn die phänomenologische Betrachtung das Gegenteil dessen auszusagen scheint als das, was die Theorie aus anderen Erwägungsgründen ableitet. (Wer es etwas moderner haben will: das Higgs-Boson gab es vor der theoretischen Berechnung nicht und danach ein paar Jahrzehnte auch nicht. Jetzt schon – und manche sagen: immer noch nicht!)

Was könnte es also sinnvoll machen, den Unterschied von Zentralbankgeld und Sichtforderungen herauszuheben?
Der Versuch einer Skizze:

Das Eine (ZBG) ist ein Zahlungsmittel bzw. dasjenige Medium, in dem eine schuldbefreiende Zahlung möglich ist. Kennt man vom Bäcker: man schließt mit dem Verkäufer einen Vertrag, indem qua Angebot und Annahme eine zweiseitige übereinstimmende Willenserklärung zu einem gegenseitigen Schuldverhältnis führt. Was führt nun zum Ziel der ganzen Operation, welches darin besteht, daß der Kunde ein Gut übertragen bekommen möchte, während der Verkäufer eine Ware übertragen möchte und das mit einer möglichst schuldbefreienden Zahlung? Richtig, die Übertragung des Geschuldeten.

Das Andere ist die Referenz auf Geld. Referenz auf Geld bedeutet, daß es einen Verfügungsanspruch gibt, über einen bestimmten Geldbetrag disponieren zu können, indem einem Dritten (der Geschäftsbank) der Auftrag erteilt wird, die Übertragung des Herausgabeanspruchs an den Empfänger zu übernehmen. Was dabei offenbar eintritt ist die vieldiskutierte Tatsache, daß in einem Bankensystem – im Gegensatz zu der Barzahlung – die Notwendigkeit 100% Zentralbankgeld für die Abwicklung der Transaktionen vorhalten zu müssen offenbar in dieser Ausprägung nicht gegeben ist. Aus diesem Umstand folgert eine ganze Diskussionsrichtung, daß dort ein „fraktionelles Reservesystem“ vorliege, welches gewissermaßen auf Kosten der Bankkunden nur einen Teil der umgesetzten „Geldmenge“ zur Abwicklung aller Transaktionen verwende. Damit einher ergeht der Vorwurf an die Banken „das Geld der Einleger“ für ihre Zwecke zu verwenden, indem es (rechtswidrig) weiterverliehen werde. Soweit die eine Seite.

Welche Vorstellung ist zu entwickeln, wenn man einen anderen Zusammenhang sehen möchte? Dieser geht davon aus, daß Geld nicht irgendwie vom Himmel fällt oder auf den Feldern wächst oder aus nicht erklärbaren „Einlagen“ entstammt, deren Herkunft nicht nachvollziehbar sind, sondern sich aus der Zahlungsverpflichtung einer Zentralbank ergibt, was sich dann in der Forderung einer Geschäftsbank gegenüber der Zentralbank oder in einem Kassenbestand der Geschäftsbank widerspiegelt. Soweit eine Geschäftsbank mit Zahlungsmitteln ausgestattet ist, ist sie auch befähigt Kredite zu vergeben, deren Eigenschaft es ist, teilweise oder vollständig mit einem Zahlungsmittelabfluß verbunden zu sein. Die Einräumung eines Kredits begründet die Schaffung von Sichtforderungen, über die der Inhaber der Sichtforderungen nach Belieben verfügen kann. (BTW: Wenn diese Sichtforderungen des Kreditnehmers an z.B. seinen Angestellten übertragen werden, der sein Konto bei einer anderen Bank hat, sieht es tatsächlich so aus, als würde bei der Empfängerbank eine „Einlage“ entstehen. Nur: die ist ja nicht aus dem Nichts entsprungen, sondern bei der Krediteinräumung der überweisenden Bank entstanden! Es handelt sich also lediglich um eine Verlagerung der bei der Krediteinräumung geschaffenen Sichtforderungen!) Dabei kommt es mit der Ausdifferenzierung des Interbankenmarktes zu dem bekannten Effekt, daß die Einräumung eines Kredits nicht stets damit verbunden ist, daß die Bank zu 100% sich zusätzliches Zahlungsmittel beschaffen muß, sondern nur für den Teil, der von ihrem eigenen Hause  (temporär) wegüberwiesen wird, da sie – aus ihrer Perspektive – ihre Herausgabeverpflichtung hinsichtlich der Zahlungsmittel an eine andere Bank „weitergibt“. Dabei wird die Bank, die in den Auszahlungsanspruch nunmehr gegen sich eintritt auch darauf bestehen müssen, daß das Herauszugebende – das Zahlungsmittel – ihr auch tatsächlich übergeben wird – in bar oder moderner als Übertrag einer Forderung auf Zentralbankgeld bei der Zentralbank.

Wozu das alles? Nun, um zu motivieren, daß bei einer säkular sinkenden Bargeldquote das Liquiditätsmanagement einer Bank stetig größeres Gewicht erhält und eben dieser Umstand bewirkt, daß die Funktion von Zentralbankgeld als direktes Tauschmittel zunehmend in den Hintergrund, dagegen die Funktion von Zentralbankgeld als Mittel zur Steuerung des Bonitätsniveaus im Interbankenmarkt immer mehr in den Vordergrund tritt. Der entscheidende Hebel dafür sind die Kosten der Beschaffung von Zentralbankgeld, weil der Gewinn der Geschäftsbank um so höher ausfällt, je geringer die Liquiditätskosten sind, die bei einem sich einstellenden Liquiditätsbedarf entweder aus den Zinskosten am Interbankenmarkt, freien Geldmarkt oder den Zinskosten gegenüber der Zentralbank anfallen. Damit wird aber der Bonitätsstandard des Aktivportfolios zum entscheidenden Parameter (’shiftability‘) hinsichtlich der Beschaffungskosten, wobei ein hoher Bonitätsstandard durch relativ geringe Geldbeschaffungskosten geprägt ist, während Banken mit geringerem Bonitätsstandard höhere Geldbeschaffungskosten aufwenden müssen, um ihren Liquiditätsstatus hinsichtlich der Zentralbankgeldabflüsse ausreichend hoch zu halten.

Man muß wohl noch viel darüber schreiben, aber die säkulare Veränderung, die daraus besteht, daß Zentralbankgeld zunehmend als Steuerungsinstrument des Ausgleichs von Liquiditätsproblemen der Banken begriffen werden muß, kann man nicht mehr ignorieren. Insofern ist die Funktion des Geldes als Tauschmittel als Aspekt einer spezifischen (Tausch-)Theorie nicht ganz unberechtigt, aber hinsichtlich der Ausdifferenzierung des Finanzsystems hoffnungslos defizitär. Die Funktionsbestimmung von Geld innerhalb einer Kreditgeldtheorie fokussiert primär das Liquiditätsproblem und analysiert (statt der Erleichterung von Tauschprozessen) die Zahlungsmitteleigenschaft des Geldes hinsichtlich des Liquiditätsausgleichs bei Banken und schließlich dessen Funktion bei der Herausbildung eines allgemein akzeptierten Interbanken-Bonitätsstandards.

Pointiert ausgedrückt: Zentralbankgeld steuert die Geschäftspolitik von Banken. Kredit steuert die wirtschaftliche Aktivität der Privaten. Das Mißverständnis liegt darin, daß allgemein angenommen wird, daß eine Zentralbank das Volumen der Kredite direkt steuern würde, wofür die Theorie des Geld-Kredit-Multiplikators bzw. das ‚fractional banking‘ stehen. Dabei kann eine Zentralbank nur die Bonität der von den Banken vergebenen Kredite steuern, indem sie durch eine relative(!) Verknappung von Zentralbankgeld jede Einzelbank dazu zwingt zur Refinanzierung von Zentralbankgeldabflüssen auf dem Interbankenmarkt um Kredit nachsuchen zu müssen.

Die Entwicklung der Zahlungs- bzw. Liquiditätsausgleichstechnologie erzeugt Motivationsstrukturen bei den Geschäftsbanken, die sich durch die alleinige Zuschreibung an Geld, lediglich als Tauschmittel zu dienen, nicht erklären lassen. Denn das Liquiditätsmanagement der Geschäftsbanken ist nicht nur ein Motivationsfaktor um Refinanzierungskosten zu sparen, sondern erzeugt den Zwang für jede Geschäftsbank auf die Bonität der anderen Geschäftsbanken achten zu müssen. Das heißt aber, daß die Einschätzung über die Bonität der Korrespondenzbanken zu einer unabdingbaren Leitlinie der Geschäftsbankenpolitik wird. Die Geschäftsbesorgung Zahlungsmittelverkehr bzw. die daraus folgende zentrale Bankenfunktion „Sicherung des Liquiditätstatus“ wird damit zu einer sozialen, reziproken Interbanken-Überwachungsfunktion, was die Bonität des Aktivportfolios jeder Bank angeht. So wird auf einmal der Effizienzaspekt der Geschäftsbankenpolitik Refinanzierungskosten zu sparen auf einmal zu einem Steuerungsfaktor, den eine Zentralbank dazu verwenden kann, um einem Bankensystem einheitliche Bonitätsstandards anzuerziehen! Damit wird die Trennung von Geld und Anspruch auf Geld (Sichtforderungen) zu einem währungspolitischen Parameter, welcher sich nicht erschließt, wenn Schuldverhältnisse von Geschäftsbanken unbesehen auch zu „Geld“ gerechnet werden.

Der Umstand, daß Geld Schulden ausgleicht und somit Banken – als Schuldner der von ihnen selbst erzeugen Verbindlichkeiten – stets zu einer Liquiditätssicherung zwingt, zieht die Grenzlinie zwischen einer Tauschmitteltheorie des Publikums im Gegensatz zu einer Liquiditätssicherungstheorie der Banken durch die Funktion von Zentralbankgeld als Ausweis von Zahlungsfähigkeit. Dabei ist das Phänomen, daß Geld auch zu Zahlungen verwendet wird, so gesehen ein Anachronismus – Bestrebungen zur Abschaffung des Bargeldes sind mittlerweile vielfältig vorhanden. Jedoch ist nach vorstehenden Ausführungen selbst bei einer kompletten Abschaffung des Bargeldes die Existenz von Zentralbankgeld dennoch erforderlich, weil auch dann die Frage des Ausgleichs von Interbankenforderungen an den geltenden Zahlungsmittelstandard gebunden bleibt, mithin Zentralbankgeld als Ausweis von Zahlungsfähigkeit unmittelbar unabdingbar ist.

Die Tauschmittelaufgabe des Geldes mag zwar historisch primär zu der Metafunktion des Geldes, der Etablierung von Tendenzen zu einem einheitlichen Bonitätsstandard, sein. Dessen Akzeptanz bedeutet jedoch anzuerkennen, daß die Entwicklung der Zahlungstechnologie in Verbindung mit der Ökonomisierung des bestehenden Zahlungsmittelvolumens einen neuen Sachverhalt schafft, der im Gegensatz zu der Theorie des Tauschmittels als emergente Erscheinung der modernen Finanzwirtschaft gesehen werden muß. Und nun wird es schwierig…

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