Archiv der Kategorie: Ordnungspolitik

Der Krönchen-Wechsel

Es gibt derzeit gerade das Problem, daß vertraglich vereinbarte Zahlungen zu leisten sind, die aufgrund der Freiheitsbeschränkungen durch die Politik nicht mehr leistbar sind. (Die Beispiele findet jeder selbst.) Nun beruht aber dieses Wirtschaftssystem auf Zahlungen (und nicht, wie es manche Romantiker haben wollen, auf kapitalistischen Wertvorstellungen), so daß eine Aufrechterhaltung der Zahlungsströme darüber entscheidet, ob dieser ökonomische Schock auf eine angemessene Art verarbeitet wird, oder nicht.

Es geht salopp gesagt um die Frage, wie man Zahlungsströme aufrecht erhalten kann, ohne daß sofort die Liquidität, die normalerweise einen Zahlungsstrom begleitet, benötigt wird. Die Blaupause, die man dazu braucht, ist das Wechselgesetz. Denn die Verbriefung einer Zahlung durch einen Wechsel ermöglicht es dem aktuellen Wechselgläubiger, die im Wechsel verbriefte Liquidität indirekt nutzbar zu machen, indem der Wechsel an Zahlung statt weitergegeben werden kann. Sollte tatsächlich Liquidität benötigt werden, kann ein Wechsel auch bei einer Bank diskontiert werden, so daß die Annahme eines Wechsels nicht dazu führt, daß eine Verfügung über Liquidität bis zur Fälligkeit ausgeschlossen ist.

Die Anwendung dieses Konzepts ist ziemlich straightforward: nehmen wir mal an, der Geschäftsinhaber eines Restaurants darf sein Geschäft für 8 Wochen nicht öffnen, so daß während dieses Zeitraums ein Umsatzausfall von 100% eintritt. Die variablen Kosten mögen zwar viel geringer sein, aber es gibt Dinge, an denen geht nichts vorbei – Miete, Nebenkosten und sogar das eigene Leben, you name it. Nun gibt es zwar ein Programm, welches dazu gedacht ist, die Umsatzausfälle gerade dieser Selbständigen zu kompensieren, aber man braucht nicht viel Phantasie um sich vorstellen zu können, daß die Verwaltung, die ja auch durch krankheitsbedingten Mitarbeitermangel geplagt ist, in der Kürze der Zeit nicht die Kapazität besitzt, um die entsprechenden Anträge bearbeiten zu können – ob sie es bürokratisch oder unbürokratisch nicht bearbeiten, ist vergleichsweise unerheblich.

Es braucht also ein Instrument, welches es ermöglicht, Zahlungen in die Zukunft verschieben zu können, wobei der Empfänger der „Nicht-Liquidität-Zahlung“ die Möglichkeit hat, dieses Instrument seinerseits als Mittel „an Zahlung statt“ weitergeben zu können. Wenn man also ein derartiges Instrument hätte – nennen wir es mal den Krönchen-Wechsel – würde einerseits der Schuldner seiner Verpflichtung zur Zahlung (zunächst mal) nachkommen können, der Gläubiger könnte über ein Wertpapier verfügen, welches entweder transferiert oder diskontiert wird, wobei die Deklarierung als Krönchen-Wechsel dieses Wertpapier als „eligible“ für eine spätere Erstattung durch öffentliche Ausgleichszahlungen definiert.

Die Vorteile durch eine derartige Konstruktion sind vielfältig: durch einen Krönchen-Wechsel bleibt der Schuldner verpflichtet, auch wenn durch die Deklaration als Krönchen-Wechsel vor einer Fälligkeit dieses Wechsels eine Prüfung zu erfolgen hat, ob dieser Wechsel für eine Erstattung durch die öffentliche Hand in Frage kommt. Es ist also eine Änderung erforderlich, nämlich in Abwandlung der Klausel „ohne Einrede der Vorausklage“ (ist bei einem Wechsel ohnehin selbstverständlich) müßte eine „Einrede der Krönchen-Prüfung“ hinzutreten, welche bewirkt, daß die Fälligstellung eines Wechsels von der Prüfung über dessen Erstattungsfähigkeit blockiert wird. Um das zu gewährleisten, kann man eine automatische Wechselprolongation vorsehen, die den Zweck hat, den Prüfungsaufwand für den Einzelfall nicht unter Zeitdruck leisten zu müssen. Für diesen Fall kann man den Wechselzins über das erste Fälligkeitsdatum hinaus verlängern, womit die Banken angeregt werden, den Wechsel im eigenen Portefeuille zu halten und nicht bei der Bundesbank zum Rediskont einzureichen.

Die Deklaration als Krönchen-Wechsel hat also die Funktion, fällige Zahlungen, die aufgrund des Geschäftsausfalls nicht geleistet werden können, liquide zu halten. Der Wechselschuldner wird auch nur dann, wenn die berechtigte Aussicht darauf besteht, daß eine Erstattung durch das Krönchen-Programm der öffentlichen Hand zu erwarten ist, einen derartigen Wechsel ausstellen, denn die Kosten des Wechsels sind hochgerechnet keine „quantité négligeable“, so daß eine mißbräuchliche Verwendung nicht wirklich attraktiv erscheint. Dagegen stehen schon die Konditionen, die das konventionelle Wechselgesetz vorsieht.

Fazit:
Der Krönchen-Wechsel

a) erlaubt die Erfüllung von Verpflichtungen, ohne daß es aktuell zu einer Belastung des Liquiditätstatus kommt

b) hält den Gläubiger liquide, indem er das Wertpapier weitergeben oder diskontieren kann

c) erlaubt der öffentlichen Verwaltung, eine sorgfältige und angemessene Prüfung der Anspruchsgrundlagen

d) erspart ganz nebenbei den Zentralbanken eine vergleichsweise undifferenzierte Strategie des wahllosen Aufkaufs von Schuldpapieren (auch wenn die Verwaltung der eingereichten Wechsel einen ziemlichen Arbeitsaufwand darstellen), weil durch den Krönchen-Wechsel die tatsächlichen (und nicht die vermuteten) Problemfälle sich als Wertpapier im Laufe der Zeit automatisch bei der Zentralbank sammeln und von dort an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden können.

Werbung

2 Kommentare

Eingeordnet unter Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

Schweizer Spezialitäten

SchneeversuchImmerhin hat ja pünktlich zu Heiligabend die Schweizerische Bundeskanzlei verkünden dürfen, daß das Quorum für die Abhaltung eines Referendums über die Forderungen der Vollgeld-Initiative zustande gekommen ist.
https://www.bk.admin.ch/aktuell/media/03238/index.html?lang=de&msg-id=60143
Damit ist wohl für dieses Jahr noch mit der Abhaltung des Referendums zu rechnen.

Im Vorfeld hatte bei Einreichung der Unterschriften die schweizerische Bankiersvereinigung eine Stellungnahme abgegeben, in der sie erwartungsgemäß ablehnend auf die Vollgeld-Initiative reagiert. Dieses Dokument einer Nichtbeschäftigung mit dem Vollgeld-Konzept ist hier zu finden:

http://www.swissbanking.org/de/medien/statements-und-medienmitteilungen/statement-der-schweizerischen-bankiervereinigung-sbvg-zur-vollgeld-initiative-1

Daß man von Bankern, deren Sozialisation durch die Intermediärtheorie der Banken nachhaltig geprägt worden ist kaum profunde Erkenntnisse in Sachen Geldtheorie erwarten kann ist ja noch verständlich, so daß die in diesem Dokument aufgeführten Behauptungen sich im wesentlichen darauf beschränken den Teufel an die Wand zu malen, sollte dem nunmehr abzuhaltenden Referendum Erfolg beschieden sein. Der dicke Hund dieser Routinestellungnahme liegt denn auch etwas weiter unten begraben, denn dort wird geschrieben:

„Die Schweiz hat eines der strengsten Too-Big-To-Fail-Regimes der Welt. Es braucht kein Vollgeld, um das Schweizer Finanzsystem sicher zu machen.

Hierbei ist nicht entscheidend, ob die Behauptung stimmt, daß die Schweiz das TBTF-Thema im Griff hat oder nicht, sondern die Tatsache, daß behauptet wird, daß dazu die Einführung von Vollgeld nicht erforderlich sei. Denn hier wird indirekt zugestanden, daß das Konstrukt „Vollgeld“ tatsächlich etwas sei, was eingeführt werden könnte, „um das Schweizer Finanzsystem sicher zu machen.“ Wenn man so will hat hier die schweizerische Bankiersvereinigung dem „Vollgeld“ einen Ritterschlag erteilt, indem sie es als mögliche denkbare Alternative akzeptiert. Warum aber ausgerechnet dasjenige, was bekämpft werden soll im gleichen Atemzug als seriöse Alternative geadelt wird läßt sich nur damit erklären, daß auch den Schweizer Banken nicht so ganz klar ist, warum das Vollgeld-Konzept einen fatalen Denkfehler darstellt.

In meinem Blog schreibe ich ja schon etliche Zeit darüber, daß man im Zusammenhang mit Geld Schuldgeschäfte und Erfüllungsgeschäfte strikt auseinanderhalten muß. Diese Selbstverständlichkeit wird von der volkswirtschaftlichen Forschung insofern ignoriert, als diese auf der Suche nach einer „Geldnachfragefunktion“ nur die Perspektive der Haushalte einnimmt und dort unbekümmert Bargeld und Sichtforderungen (und weitere Forderungen) in ein Aggregat Mxyz subsumiert. Das ist für ökonometrische Forschungen noch einigermaßen legitim, da es dabei um die Frage geht, welche Wirkungen die Struktur des privaten Geldvermögens auf Ausgabeentscheidungen der Haushalte hat. Nicht vergessen sollte man dabei, daß der theoretische Hintergrund der allgemeinen Gleichgewichtstheorie quasi dazu zwingt Geld ausschließlich als ‚asset‘ der Haushalte zu betrachten, da die Steuerung dieser Ökonomie durch Präferenzen und Technologie erfolgt – und mit Geld – und übrigens auch mit dieser Welt – nichts zu tun hat.

Diese Verfahrensweise Forderungen und Zentralbankgeld unbekümmert zu einer Geldmenge zusammenzurühren wird jedoch dann grundfalsch, wenn es um die Frage geht, was die Funktion von Banken in einer Geldwirtschaft ist. Zu diese Frage wird ja üblicherweise die Version vorgetragen, daß Banken die „echten“ Ersparnisse von Haushalten an investitionswillige Unternehmer verleihen. In einem logischen Salto Mortale wird dann insinuiert, Banken würden durch die Vergabe von Krediten darüber hinaus Geld erzeugen, was sie eigentlich nach Maßgabe dieses „gesicherten Grundwissens“ eigentlich garnicht dürften und was durch die Vollgeld-Initiative nunmehr verhindert werden soll.

Die traurige Wahrheit ist dabei: es handelt sich hier um einen Schildbürgerstreich ersten Ranges, denn das was den Banken unterstellt wird – Geldschöpfung zu betreiben – tun sie überhaupt nicht. Denn wenn eine Bank einen Kredit vergibt passiert nichts weiter als daß beide Seiten darüber übereinkommen in einem bestimmten zeitlichen Rahmen Zahlungen zu leisten. Der Kredit selbst ist im Grunde nichts weiter als eine Absichtserklärung, die es erst noch zu erfüllen gilt. In diesem Stadium existieren noch keine Verfügungen über Zentralbankgeld, der einzige institutionell bedingte Effekt besteht darin, daß die Bank aufgrund des Anstiegs ihrer potentiellen Zahlungsverpflichtungen (das aus dem Kredit entstandene Kontoguthaben des Kreditnehmers) einen 1%-Anteil der zusätzlichen Verpflichtung als Mindestreserveverpflichtung hinzurechnen muß. Insofern vermindert sich zwar nicht der Liquiditätsstatus der Bank (das Geld ist ja immer noch da), sondern es ändert (verringert) sich der Auszahlungssperrbetrag der Bank ein wenig. Wichtiger an dieser Stelle ist jedoch an dieser Stelle daran zu erinnern, daß ein Kredit auf der Grundlage des Schuldrechts entsteht und daher durch eine zweiseitige übereinstimmende Willenserklärung erzeugt wird, nicht mehr und nicht weniger.

Sobald der Kreditnehmer über den Kreditbetrag verfügt verläßt man den Boden des Schuldrechts und betritt den Boden des Sachenrechts, auf welchem durch Übergabe der geschuldeten Sache die korrespondierende Schuld erlischt. Überweist der Kreditnehmer den ihm zustehenden Betrag an einen Verkäufer ist die Bank qua Kreditvertrag dazu verpflichtet dem Verkäufer die Verfügungsmacht über diesen Betrag zukommen zu lassen, sie geht also vom Kreditnehmer auf den Verkäufer über. Soweit der Verkäufer sein Konto ebenfalls bei dieser Bank hat bleibt der Liquiditätsstatus der Bank konstant, besitzt der Verkäufer sein Konto bei einer anderen Bank, verliert die Bank in Höhe des Überweisungsbetrages Zentralbankgeld, womit sich ihr Liquiditätsstatus um die Höhe des Überweisungsbetrages verringert. Das Ergebnis letzterer Transaktion ist also, daß die Bank 100% des Kreditbetrages in Zentralbankgeld an eine andere Bank transferieren muß, wobei nach erfolgter Zahlung die 1% des Kreditbetrages aufgrund der Mindestreserve nicht mehr vorgehalten werden muß – mithin sind also statt 1% an Mindestreserve-Liquiditätszuwachs nunmehr 100% des Überweisungsbetrages als Abgang an Liquidität zu verbuchen.

Die Empfängerbank „profitiert“ lediglich insofern, als ihr als kontoführendes Institut des Verkäufers 100% des ursprünglichen Kreditbetrages als Zentralbankgeld zugeht, sich damit zwar der Liquiditätsbestand um 100% erhöht, aufgrund der Mindestreserve der Rahmen der Zahlungsfähigkeit jedoch nur um 99%. Man sollte sich allerdings darüber klar sein, daß diese 1% Regel nicht ganz stichhaltig ist, denn bei einer Weiterüberweisung kann die Bank auch diese „1%“ an Liquidität nutzen, weil ja durch die Überweisung auch die Mindestreserveverpflichtung sinkt. Insofern hat die Mindestreserve heutzutage keine praktische Bedeutung mehr und ist in geldtheoretischen Betrachtungen eigentlich nur unnötiger Ballast. Denn die Mindestreserve bedeutet ja nicht mehr als quasi einen Auszahlungssperrvermerk, wodurch die Gesamtliquidität in keiner Weise ihre Höhe ändert.

Immerhin liefert das deutsche Recht einen deutlichen Hinweis darauf, daß das was die Geldnachfrageforschung und Vollgeldler oder ‚positive money‘-Jünger unter den Begriff Geld subsumieren dann doch nicht das ist, was zur Abwicklung von Zahlungen bzw. für eine rechtsgültige Schuldbefreiung übertragen werden muß. Denn wenn man ein bißchen recherchiert stößt man auf den §675t BGB, dessen erster Satz genau das formuliert, was im Überweisungsverkehr normalerweise vor sich geht:

(1) Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers ist verpflichtet, dem Zahlungsempfänger den Zahlungsbetrag unverzüglich verfügbar zu machen, nachdem er auf dem Konto des Zahlungsdienstleisters eingegangen ist.

Im Grunde steht da klipp und klar, daß nicht der Passivübertrag von Bank zu Bank den Zahlungsvorgang darstellt, sondern wie es auch richtig ist der Aktivübertrag von Zentralbankgeld via Zentralbank von der Bank des Zahlenden zu der Bank des Zahlungsempfängers. Die Zahler-Bank hat einen Abgang des Aktivum Zentralbankgeld, die Bank des Zahlungsempfängers einen Zugang beim Aktivum Zentralbankgeld – was letzten Endes die nicht erfolgte Übergabe von Zentralbankgeld vom Käufer zum Zeitpunkt des Kaufes an den Verkäufer ersetzt. Denn das, was auf dem Konto des Empfänger-Zahlungsdienstleisters eingehen muß ist Zentralbankgeld und zwar deswegen, weil keine Bank eine Zahlungsverpflichtung übernimmt, ohne im Gegenzug einen Anspruch auf das nunmehr zusätzlich geschuldete Zentralbankgeld zu erhalten. Im Unterschied zu dem Eingang auf einem Zentralbankkonto ist ein Eingang auf einem Geschäftsbankkonto demgegenüber kein Zentralbankgeld, weil die Erfüllung dieser Forderung durch die Zahlungsfähigkeit der Bank in – Zentralbankgeld – bedingt ist . Wie man spätestens seit der Kaupthing-Geschichte weiß ist die Zahlungsfähigkeit von Geschäftsbanken keine absolute, sondern eine relative Größe, weil Geschäftsbanken in einem Standard zahlen müssen, den sie selbst nicht schaffen können. Banken wissen sehr genau warum sie ein Liquiditätsmanagement betreiben müssen, welches dafür sorgt, daß sie ihren Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen können. Vollgeldler bilden sich ein, daß dies durch die Gutschrift auf einem Verbindlichkeitskonto schon erledigt wäre.

Und damit platzt die ganze Vollgeld-Geschichte und die Einbildung von der Geldschöpfung der Banken in 1000m Höhe. Insbesondere wird damit auch mal klargestellt, daß Geld nur das ist, was von der Zentralbank emittiert wird, bzw. von ihr als Forderung der Banken ausgewiesen wird – was die Effizienz des Zahlungsverkehrs im Interbankenmarkt erheblich erleichtert. Und dann werden solche Artikel http://www.fuw.ch/article/vollgeld/ vielleicht auch seltener, deren ökonomische Qualität mehr als zum Schmunzeln Anlaß gibt.

Nun ist die Sache ja nicht so, daß schon allein deswegen, weil das Vollgeld-Konzept als haltlos nachweisbar ist, dieses Referendum nicht doch von Erfolg gekrönt sein könnte. In einem solchen Fall wäre natürlich zu fragen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben könnten. Die Vorstellung der Vollgeldler, die Banken würden Zahlungskonten außerhalb ihrer Bilanz führen können, die von der Zentralbank mit einer unbedingten Liquiditätsgarantie ausgestattet wären, darf man kurzerhand als juristische Unmöglichkeit verstehen. Denn in diesem Fall hätten die Zahlungskonten eine hoheitliche Sicherheit, die sich nicht wirklich mit dem privatwirtschaftlichem Charakter von Geschäftsbanken verträgt. Soweit es sich erweisen sollte, daß diese Konstruktion nicht machbar ist kommt auf einmal eine andere Möglichkeit zum Vorschein, nämlich die allgemeine Option des Publikums bei einer Filiale der Zentralbank ein Zahlungskonto zu eröffnen, dessen Eigenschaft ein Passivum der Zentralbank zu sein eine unbeschränkte Einlösung in Banknoten garantiert. Während also das eigentliche Vollgeld-Konzept den Banken keine Kopfschmerzen zu machen braucht weil es ohnehin nicht praktikabel ist, bekommt die darin auch angelegte Ausgliederung der Zahlungskonten hin zur Zentralbank auf einmal einen monströsen Charakter, weil dieses Arrangement das Potential hat den Banken einen Großteil der Liquidität wegzunehmen, mit der sie heutzutage arbeiten. Wenn man so will läßt sich hier eine ‚hidden agenda‘ vermuten – ein Arrangement – ähnlich wie das Glass-Steagall Gesetz – durch die Hintertür durchzusetzen, mit der Konsequenz, daß dabei den Privatbanken ein guter Teil des Zahlungsverkehrsgeschäfts verloren gehen würde. Im Gegensatz zu den anderen Pseudo-Argumenten der Vollgeldler wäre die Umsetzung dieser Option für die Banken tatsächlich eine Bedrohung. Aus dieser Perspektive bekommt die „Führung der Zahlungskonten außerhalb der Bankbilanz“ eine völlig neue Bedeutung.

Man könnte sich nun darauf verlassen, daß die Schweizer in puncto Finanzsystem eine vergleichsweise konservative Haltung einnehmen und dieses Referendum mit Pauken und Trompeten durchfallen lassen. Wie es tatsächlich ausgeht, weiß man allerdings erst hinterher. Von daher wäre es weise sich schon vorher mit einer angemessenen Diskussion diesem Ansinnen entgegen zu stellen und sich nicht nur damit zu begnügen ein Sammelsurium von Behauptungen aufzustellen, ohne dabei in eine ernsthafte Diskussion einzutreten.

Daß man sich dabei mal über die Grundlagen des eigenen Bank-Geschäfts klar werden würde, wäre ein durchaus begrüßenswerter Nebeneffekt!

27 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftstheorie

OMT – das Scheinproblem

Siegel00Es ist ja zu verstehen, wenn die Kläger vor dem BverG eine gewisse Genugtuung empfinden, da die Überweisung an den EuGH ihnen vordergründig Recht gibt. Und in gewisser Weise ist diese Überweisung deswegen gerechtfertigt, weil die gesetzliche Grundlage auch zu derartigen Mißverständnissen Vorschub leistet. Es ist kaum möglich aus den europäischen Verträgen herauszulesen, was nun tatsächlich Geldpolitik und was Finanzpolitik ist. Insofern ist es nur zu berechtigt von dem dafür zuständigen Gericht eine Klärung zu erwarten, was diese Sachfrage angeht.

Der tiefere Grund für diesen Schlamassel ist darin zu suchen, daß die Konzeption des ESZB-Systems nach dem Vorbild der Bundesbank formuliert wurde und dabei etliche Dinge unterschlagen wurden, die auch schon die Realität der Bundesbank geprägt haben. So ist es für die Bundesbank durchaus selbstverstandlich gewesen auch Staatsanleihen zu erwerben, sobald eine Auktion drohte zu höheren Zinssätzen zu tendieren. Das hat seinerzeit auch niemanden aufgeregt und es ist auch niemand auf die unsinnige Idee gekommen diese Aktionen als nicht vereinbar mit dem Mandat der Bundesbank vor Gericht zu zerren.

Immerhin wird mittlerweile klar, daß es den Klägern vor dem BverfG nicht darum geht die tatsächlich vorhandenen Konstruktionsmängel des EURO zu beseitigen, sondern den EURO selbst in seinen Fundamenten zu zerstören. Denn anders kann man die Häme nicht erklären, die in dem Satz liegt: „Das EURO – Abenteuer geht seinem Ende entgegen.“

Einer der größten Fehler bei der Konstruktion des EURO bestand darin der EZB ein ausschließliches Mandat hinsichtlich der Wahrung der Geldwertstabilität aufzuerlegen. Denn dazu ist eine Zentralbank erst in zweiter oder dritter Linie zuständig. Die vordringlichste Aufgabe einer Zentralbank besteht daraus dafür zu sorgen, daß die an sie angeschlossenen Banken zu einem einheitlichen Bonitätsniveau finden, welches es ermöglicht, daß jede Bank mit jeder anderen Bank kreditäre Geschäftsbeziehungen unterhalten kann (und will) und damit der Liquiditätsausgleich zwischen den Banken reibungslos vonstatten gehen kann. Dies scheint der EZB auch bewußt zu sein, denn die Verlautbarungen der EZB hinsichtlich der „europäischen Geldspaltung“ deuten unmittelbar darauf hin. Es weist auf eine sehr einseitige Fixierung der Wissenschaft wie auch der Presse hin, daß das Argument der Stabilität des Geldwertes einen derartig prominenten Stellenwert einnimmt und die wesentlich wichtigeren Sachverhalte dagegen weit in den Hintergrund treten.

Was diese Geschichte angeht muß man sogar Hans-Werner Sinn uneingeschränkt Recht geben wenn er betont, daß bei unterschiedlichen Bonitätsniveaus es zu einer „Ausspreizung“ des Zinsfächers kommen muß. Das ist dahingehend zu interpretieren, daß einer Bank, die ein „schlechtes“ Kreditportfolio aufweist auch höhere Refinanzierungszinsen in Rechnung gestellt werden müssen, damit diese zu einer allgemein akzeptierten Kreditvergabepolitik zurückkehrt. Die dafür verantwortliche Institution ist ihre nationale Zentralbank, die darauf dringen müßte, daß „ihre“ Banken eine vergleichbare Kreditpolitik hinsichtlich der Qualität der Kreditkonditionen betreiben, wie die „besten“ Banken – seien es deutsche, finnische oder die Banken Österreichs oder der Niederlande. (Es geht hier um ‚besser als‘, nicht um ‚uneingeschränkt gut‘!) Dieses Ergebnis einer erfolgreichen Zentralbankpolitik läßt sich jedoch nicht dadurch herstellen, daß per Ordre de Mufti „festgelegt“ wird, daß die Politik der EZB „einheitlich“ zu sein hat. Das hat auch etwas damit zu tun, daß in der Vorstellung der EURO-Konstrukteure das eigentliche Ziel zum Mittel erklärt wurde, indem das Ziel eines einheitlichen Währungsraumes – gleichartige Kreditkonditionen – in die Verfahrensrichtlinien des ESZB-Systems ‚a priori‘ hineingeschrieben wurde. Dieses Wunschdenken wurde dadurch motiviert, daß die Befreiung von dem Zinsdiktat der Bundesbank zur Leitlinie bei der Formulierung der „einheitlichen“ EZB-Politik wurde und damit genau die Probleme hervorgerufen wurden, welche derzeit die mangelhafte Funktionsweise des ESZB -Systems begründen.

Insofern ist auch das OMT -Programm der EZB auch nur eine Ausrede dafür, daß sie wegen der „Einheitlichkeit“ der EZB-Politik sich nicht auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren kann. Denn wenn das erklärte Ziel der EZB-Politik ist, die Zinssätze für Staatsanleihen eng beieinander zu halten ohne daß die dazu notwendigen bonitätsmäßigen Voraussetzungen gegeben wären, gibt es kaum eine andere Möglichkeit als durch Marktintervention die gesetzlich erwartete Gleichheit der Anleihenzinssätze mit der Brechstange herbeizuführen. Im Gegensatz zu den lustigen Konzepten wie der „makroprudentiellen“ Steuerung ist diese Politik die so ziemlich primitivste Art und Weise Zentralbankpolitik zu gestalten. Dafür kann die EZB natürlich nichts, denn ihr bleibt nach Maßgabe der einschlägigen europäischen Verträge auch nichts anderes übrig.

Man kann natürlich versuchen die „Politik der Einheitlichkeit“ bis zu dem Punkt zu führen, wo die erzwungene „Gleichheit“ zu einem erzwungenen Liquiditätsausgleich führen muß, weil eine fühlbare Bonitätsdifferenz sofort zu einem Ausschluß vom Interbankenmarkt führt, was man anhand diverser „Rettungsprogramme“ durchaus live und in Farbe beobachten kann. Es geht aber kein Weg daran vorbei die verschiedenen nationalen Vorstellungen hinsichtlich der zu fordernden Qualität von Kreditkonditionen in einem einheitlichen Währungsraum aneinander anzupassen. Der Primitivansatz „einheitliche Geldpolitik“ funktioniert nicht und wird auch nie funktionieren – es sei denn, man verfährt so wie die FED, die kaum noch etwas anderes tun kann, als konkursreife Schuldverhältnisse bis zum Sankt Nimmerleinstag weiter durchzufinanzieren!

Von daher ist auch das BverfG nicht um seine Aufgabe zu beneiden. Denn der voraussichtliche Spruch gegen das OMT-Programm kann nur gegen die Auswirkungen einer falschen Politik angehen, jedoch nicht die falsche Gesetzgebung der EU-Verträge korrigieren. Dazu müßte die „verantwortliche“ Politik aber wissen, warum es zu diesen desaströsen Ergebnissen aufgrund der aktuellen Regelungen gekommen ist. Von den aktuell herumpfuschenden „Beratern“ wird sie es nie erfahren können.

32 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

Aus der Not geboren: FDES die Zweite!

Rotes RathausManchmal kann man sich schon wundern, was so alles aus der Not heraus geboren wird. Denn aus einer kleinen Notiz, die bei der „Welt“ erschienen ist, läßt sich herauslesen, daß die französische Regierung plant einen seit 1948 bestehenden Fonds (FDES, so etwas ähnliches wie die KfW) mit Staatsmitteln wieder aufleben zu lassen. Der Zweck dieses Vorhabens ist es die französischen Unternehmen, die bei den Banken offenbar keinen Kredit mehr bekommen, mit Hilfe dieser Einrichtung denjenigen Kredit zukommen zu lassen, der von den „normalen“ Banken verweigert wird.

Nun kann man sich lang und breit darüber unterhalten, daß dies doch (von der Wettbewerbsmafia verbotene) Staatsfinanzierung sei – nur diesmal anders herum. Da das Grummeln darüber aber die Spezialität einschlägig bekannter Gazetten ist, kann hier aus hygienischen Gründen darauf verzichtet werden. Nur soviel zur Erinnerung:

„Als Goldman Sachs in der Krise in eine Geschäftsbank umgewandelt wurde, hat man das Management gefragt, ob es auch ins Bankgeschäft einsteigen und Kredite vergeben möchte. Die Antwort von Bankchef Lloyd Blankfein lautete: „Too risky.“ Das schnelle Geld geht damit nicht.“
http://derstandard.at/1363711444890/Da-muss-irgendwann-eine-Blase-platzen

Dagegen ist ein anderer Aspekt interessant: wenn man sich die Klagen der EZB vor Augen führt, daß der Transmissionsmechanismus gestört ist, läßt sich diese Aktion dahingehend interpretieren, daß die französische Regierung den Versuch unternimmt dieses (Markt-) Versagen der französischen Banken mit der Brechstange zu korrigieren. Angesichts der Klagen über die Ansprüche, welche Banken stellen, wenn es um die Finanzierung von Unternehmen geht, ist eine derartige Idee noch nicht einmal so ganz verkehrt. Denn eine Grundregel der Bankwirtschaft geht dahin, daß die Verluste aus einer notwendig werdenden Abschreibung einer Kreditforderung durch die eingenommenen Zinszahlungen zu kompensieren sind. Dieser noblen Funktion können oder wollen sich die Banken derzeit nicht stellen.

Die Gründe dafür sind zweierlei: zum einen stecken die Banken in einer Bilanzrezession, wo sie vermeiden wollen neue Risiken einzugehen, auf der anderen Seite ist der Markt für Verbriefungen nicht groß genug, um die in den Bankbilanzen schlummernden Risiken effektiv aufzunehmen. Nimmt man noch dazu, daß durch die LTRO Aktionen der EZB die Liquiditätslage der Banken künstlich gestützt werden muß ist es unmittelbar einsichtig, daß die Banken keine besondere Lust haben sich auf vergleichsweise aufwendige Kreditvergaben einzulassen, von denen sie noch nicht einmal einen wesentlichen Konsolidierungsbeitrag hinsichtlich ihrer angeschlagenen Bilanzen erwarten können.

Diese Einsichten in die Motivationslage der (nicht nur) französischen Banken macht den Blick dafür frei, daß sich die Normen des Bankgeschäfts darauf verlagert haben vergleichsweise risikolose Engagements (Provisionen, Gebühren) auf ihre Bücher zu nehmen und alles was Arbeit und „Gottseibeiuns“ Risiko bedeutet, schlichtweg als unrentabel einzustufen. Das liegt im wesentlichen daran, daß den Bankleuten in ihrer „Ausbildung“ immer wieder eingebleut wurde, daß eine Bank die „Gelder“ der „Sparer“ aufnimmt und dann in möglichst wenig risikobehaftete Anlagen transformiert. Aus dieser Perspektive kann man als so verbildeter (um NICHT zu sagen: verblödeter) „Banker“ sogar noch einen moralischen Anspruch aus dieser Verweigerungshaltung ziehen.

Wenn man aber mal die unsinnigen standardökonomischen Sprüche, was das Wesen des Bankgeschäfts ausmacht, mal beiseite läßt (notabene: die Sparer => Investor Vorstellung, die vielleicht für Versicherungen und Sparkassen, aber nicht für Banken Sinn macht), kann man sich mal mit dem Umstand vertraut machen, daß Banken als Quasi-Versicherungsinstitutionen ihre Aufgabe darin haben, die Risiken des Unternehmerdaseins auch tatsächlich zu übernehmen, indem sie allen Kreditnehmern eine Risikoprämie aka Zins berechnen, mit der sie die notwendigerweise entstehenden Fehleinschätzungen kompensieren können.

Und da schließt sich der Kreis zu dem FDES-Fonds: wenn die Banken ihre genuine Aufgabe der Risikoübernahme nicht mehr wahrnehmen wollen, ist es an der Zeit eine alternative Institution zu schaffen, welche genau diese Aufgabe übernimmt. Und insbesondere hat diese alternative Institutionalisierung der Kreditvergabe auch noch mit einem anderen Aspekt des Kreditgeldsystems zu tun, nämlich daß es keinen „Sparer“ braucht, damit eine Bank Kredite vergeben kann: erforderlich ist lediglich der Zugang zu dem Kredit der Zentralbank dann, wenn es zu einer positiven Nettokreditvergabe kommen soll, weil Investitionen stets mit einer Geldausgabe (Kruschwitz) beginnen. Das verweist auf den Umstand, daß eine Steigerung der Wirtschaftsaktivität stets und ständig mit einer Ausweitung der Basisgeldmenge verbunden ist, weil die Liquiditätserfordernisse bei einer Steigerung der wirtschaftlichen Aktivität ebenfalls steigen. Soweit man sich über die Gegebenheiten des Verhältnisses von Banken und Zentralbank im klaren ist wird unmittelbar ersichtlich, daß zusätzliche Wirtschaftsaktivität unmittelbar auch ein zusätzliches Basisgeldvolumen erfordert – nicht zuletzt findet sich dies in der „produktivitätspotentialorientierten Geldmengenregel“ des SVR wieder. Das ist ja auch nicht problematisch, wichtig ist nur, daß nicht mehr eintreibbare „Konsumkredite“ (egal wie toll die Hochglanzprospekte auch einstmals waren) wieder durch die allgemeine Versicherungsprämie „Zins“ aus der Gesamtheit der Kredidtnehmer eintreibbar bleiben.

Und darin besteht auch die Verteidigungslinie des FDES-Fonds! Wenn er seine Kreditkonditionen derart setzt, daß wie oben angemerkt, die erzielten Zinseinnahmen dafür ausreichen, die Kosten der Abschreibung von Krediten zu neutralisieren, gibt es keinen Grund ihm eine mangelnde Wirtschaftlichkeit zu unterstellen. Denn das ist der eigentliche ‚benchmark‘ für eine Bank: neben den eigenen Kosten die Risikoabdeckung der vergebenen Kredite zu übernehmen! Und bei einer Finanzierung durch die Zentralbank sind Dividendenzahlungen an Aktionäre duchaus entbehrlich, wobei diese in der Bankenbranche ohnehin nichts anderes tun, als die Versicherungsprämie „Zins“ in die Höhe zu drücken. Daß die Bankarbeiter auch was verdienen können steht sicherlich außer Frage, ob das allerdings mit Hilfen von prozentualen Anteilen, die sich dann in unsittlichen „Boni“ wiederspiegeln geschehen muß ist deswegen fraglich, weil alle noch so ausgearbeiteten Risikomodelle niemals eine Gewähr dafür bieten, daß die Welt sich auch danach richtet. Man muß es einfach so sehen: im Bankgeschäft weiß niemand, mit welchem Kredit sich der Griff ins Klo einstellt. Sicher ist nur, daß es dazu unvermeidbarerweise immer wieder kommt. Ob man dafür Millionen zahlen muß?

Wenn man also Banken nicht anders dazu bekommt ihre eigentliche Aufgabe wieder zu übernehmen muß man genau das machen: eine Konkurrenz etablieren, die einerseits genau diese Aufgabe übernimmt und an der andererseits die piekfeinen Kugelschreiberschubser nicht mehr vorbeikommen. Vielleicht hat man in Frankreich auch die Schnauze voll davon, sämtliche Appelle, die Banken mögen doch ihrer Aufgabe der Finanzierung der Realwirtschaft wieder nachkommen, im digitalen oder analogen Nirvana verschwinden zu sehen. Zeit wird es.

Die Wettbewerbskrakeeler darf man dann auch ruhig in den Skat drücken!

54 Kommentare

Eingeordnet unter Finanzmarkt, Geldtheorie, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

Breuer über „Großvaters Wirtschaftssystem“

RoseneckWenn ein ehemaliger Vorstandschef der Deutschen Bank darüber sinniert, ob die Entscheidung das Investment-Geschäft auszubauen richtig war, darf man durchaus aufmerksam werden. Das kann man nun auf mehrere Arten interpretieren. Einmal könnte es sein, daß damit die Einsicht verknüpft ist, daß das Engagement in das Investment-Banking zu einer nicht mehr überschaubaren Risikoposition geführt hat, deren Folgen hinsichtlich der nachhaltigen Existenz der Bank nicht abschätzbar und damit geeignet sind die Stellung der Deutschen Bank langfristig zu gefährden. Es könnte auch sein, daß damit ein Aufruf verbunden ist das Hauptgeschäft der Deutschen Bank erneut auf eine reale Grundlage zu stellen, indem die Geschäftsfelder wieder in eher konventionellen Branchen gesucht werden sollen, die auch schon vorher zu ordentlichen Gewinnen geführt haben.

Der Hinweis, daß die Ausrichtung der Bank auf die Interessen der Aktionäre bei dieser Entwicklung eine eher unheilvolle Rolle gespielt habe, läßt sich durchaus aus den Aussagen von Breuer herauslesen. Und die Folgen, die dieser Herdentrieb verursacht hat, sind anhand der gegenwärtigen Diskussion um die Stabilisierung des Bankensystems unschwer feststellbar.

Nun muß man Breuer nicht unterstellen, daß er einer grundlegenden Änderung des Bankgeschäftes das Wort redet, dennoch sind seine Ausführungen in gewisser Weise richtungweisend. Denn der Hinweis auf die desaströse Rolle, welche die Erwartungshaltung der Aktionäre verursacht hat, bietet durchaus einen Fingerzeig, wo eine angemessene Stellung von Banken im Wirtschaftsgeflecht zu verorten wäre.

Man könnte nämlich den Hinweis auf die kontraproduktive Rolle von Aktionären auch dahingehend interpretieren, daß das Bankgeschäft durch zwei gekoppelte Vorstellungen in eine falsche Richtung gedrängt wird. Dabei handelt es sich einmal um die Vorstellung, daß Banken privatwirtschaftlich organisiert sein müßten und damit privaten Geldanlageinteressen zu dienen hätten. Jeder Bankier der früheren Generation weiß, daß Banken eine gesellschaftliche Funktion besitzen, die sich nicht auf die Interessen von Aktionären bzw. Geldbesitzern reduzieren lassen.

Zum Anderen kann daraus auch die Erkenntnis herausgelesen werden, daß in gleicher Weise die Vorstellung, daß Banken die Geldvermögen von Sparern zu pflegen hätten, einer Revision bedarf. Denn man kann sich nur schlecht vorstellen, daß ein Vorstandsvorsitzender einer weltweit operierenden Bank sich davon abhängig macht, ob irgendwelche Einleger gerade gewillt sind ihre Kröten etwas langfristiger anzulegen als sonst üblich.

Das weist aber den interessanten Aspekt auf, der darauf hinweist, daß Geld nicht aus einer Spartätigkeit entsteht, sondern aus Geschäften einer Bank mit der jeweiligen Zentralbank. Denn dieses „Material“ wird dann durch die Geschäfte einer Bank ökonomisiert, indem es für Kreditvergabe verwendet wird und so (hoffentlich) zu einem positiven Ertrag führt. Man kann die Einlassungen von Breuer durchaus dahingehend interpretieren, daß damit einer Emanzipation das Wort geredet wird, die darauf abzielt das Bankgeschäft von der Rücksicht auf Aktionäre und Sparerinteressen zu befreien.

Nun muß man diese Stoßrichtung nicht als selbstlosen Zweck begreifen. Dennoch sind in einer derartigen Position Erkenntnisse zu entdecken, die für eine veränderte Ausrichtung des Bankgeschäftes sinnvoll nutzbar sind. Denn kein Mensch kann begründen, warum die Verfügung über Geld, welches nicht aus einem Produktionsprozeß sondern durch Emission entsteht, an das Wohl und Wehe der Befindlichkeiten von Geldbesitzern gekoppelt sein muß. (Auch Gewinne entstehen nicht deswegen, weil jemand effektiv produziert ein weitverbreiteter Irrtum.)

Damit einher geht auch eine Abkehr von der Vorstellung, daß monetäre Ersparnisse die Grundlage für eine erfolgreiche Konjunktursteuerung seien, eine Vorstellung, die nachdrücklich von der herrschenden Wirtschaftstheorie nahegelegt wird – ein folgenschwerer Irrtum, dessen Auswirkung sich insbesondere in der planlosen Behandlung der gegenwärtigen Finanzkrise zeigt. Denn die Vorstellung, daß Ersparnisse Kredit erzeugen könnten ignoriert, daß Ersparnisse gerade erst durch Kredit erzeugt werden, womit von vornherein das Pferd von hinten aufgezäumt wird.

Falls also Breuer tatsächlich von einer Emanzipation der Banken von den Geldanlegern gesprochen hat ist ihm anscheinend eine Einsicht in die Funktionsbedingungen des Kreditgeldkapitalismus gelungen, deren Bedeutung nicht überschätzt werden kann.

Und damit Breuer nicht im Regen stehenbleibt, kann man ja auch noch mal Herrhausen (1982/83) zitieren:

„Ich wähle deshalb eine rein theoretische, nicht eine ideologische Ausgangsposition für die Betrachtung wirtschaftspolitischer Strategien. Solche Strategien müssen sich ableiten von dem, was man als die Aufgabe der Wirtschaft versteht. Und ich denke, daß jede Wirtschaft, gleichgültig ob sie in einer kapitalistischen, sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaftsordnung angesiedelt ist, drei Hauptaufgaben zu erfüllen hat und daß ihre Effizienz daran gemessen werden kann, wie gut sie das tut.

Diese drei Hauptaufgaben sind: Allokation, Produktion, Distribution oder, um die Fachsprache ins Alltagsdeutsche zu übersetzen: Aufbau und Anordnung von industriellen und gewerblichen Kapazitäten, Einsatz und Beschäftigung dieser Kapazitäten, Verteilung der Beschäftigungsergebnisse.

Es geht in jeglicher Volkswirtschaft darum, möglichst solide Grundlagen zu schaffen, auf denen Güter und Dienste erzeugt werden, und diese Güter und Dienste dann denjenigen, die an dieser Wirtschaft als Verbraucher und/oder Erzeuger teilnehmen, zukommen zu lassen.“

4 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftstheorie

Risikorückstellungen – eine ungeliebte Notwendigkeit

succsessfeeMan lebt ja von der Successfee des Vertragsabschlusses und nicht von der Erfüllung des Vertrages.

Eine herrliche Formulierung, die mich dazu bringt laut darüber nachzudenken, warum es in der heutigen Bankenlandschaft offenbar keine Möglichkeit gibt Banken dazu zu bringen auf eine nachhaltige Art und Weise zu operieren. Dabei ist erst mal das Kriterium fraglich, was Nachhaltigkeit in der Führung eines Bankbetriebes ausmachen soll.

Daß Nachhaltigkeit hier natürlich nicht bedeutet, daß es um ökologische Fragen geht, soll ausdrücklich von vornherein betont werden, weil ein Ausufern der Diskussion auf ‚peak‘-xyz sofort von dem eigentlichen Problemkern ablenken würde – mal abgesehen davon gibt es für dieses Thema genügend Spielwiesen, wo man sich in diesem Sinne austoben kann. Demgegenüber ist Nachhaltigkeit im Sinne einer Dauerhaftigkeit von Finanzbeziehungen eine Angelegenheit, die ältere Bankiers noch kennen werden, eine Sache, die den heutigen Bankern als unwesentlicher Schnee von gestern vorkommen wird.

Fragt man sich also an welcher Stelle die Bankiers zu Bankern mutierten, so kann man vermuten, daß es mit dem Aufkommen der Technik der Verbriefung mit der früher gepflegten Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehungen zu Ende gegangen ist. Denn Verbriefung ist letzten Endes ein Begriff dafür, daß eine Kreditbeziehung zwischen zwei Vertragsparteien einseitig durch den Kreditgeber aufgelöst werden kann, in dem Sinne, daß der ursprüngliche Kreditgeber aus seiner Verantwortung für die Krediterteilung entlassen wird und dafür der (ABS/Wertpapier-) Kreditkäufer sowohl Risiko als auch die möglichen Erträge aus der ursprünglichen Kreditbeziehung übernimmt.

An dieser Stelle kommt das eingangs angeführte Zitat zum Tragen. Denn solange Kredite an Kreditübernehmer abgegeben werden können, ist es mit der Motivation, eine Geschäftsbeziehung auch bis zu ihrem (hoffentlich) erfolgreichen Ende zu führen, auf einmal vorbei. Der Hänger an der Sache ist, daß Banken genau aus diesem Grund ihre Risikorückstellungen nach ihrem eigenen Gutdünken gestalten und aus naheliegenden Gründen keine Lust haben über eine minimale Vorsorge hinaus eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben.

Woran liegt das?

Im Grunde genommen ist das Kreditieren von Geld eine Angelegenheit, die zusehen muß, daß dabei kein Vermögensschaden entsteht, der dazu führt, daß Zinseinnahmen mit Verlusten aus Kreditabschreibungen aufgerechnet werden müssen. Sobald man das einmal realisiert hat ist es nur noch ein kurzer Schritt festzustellen, daß Banken die Risikoanteile aus den Zinseinnahmen als Rückstellungen solange passivieren müßten, bis diese (zusammen mit den Tilgungszahlungen) die Höhe des ausstehenden Betrages erreicht haben. Erst an diesem Punkt sollte es erlaubt sein die dann folgenden Zins- und Tilgungszahlungen gewinnwirksam buchen zu können. (Ja, auch Tilgungszahlungen würden dann teilweise gewinnerhöhend sein. Warum? Weil das Geschäft erst dann effektiv Gewinne abwirft! Das kann bei 30-jährigen Immobilienkrediten dann schon mal 15 Jahre dauern!)

Auf diese Weise würde auch der Vermögensschaden aus einer notwendigen Kreditabschreibung erheblich gemindert, weil in diesem Fall der Risikoanteil der Zinsen tatsächlich! zu dem Zweck verwendet werden würde, für den er eigentlich vorgesehen ist, nämlich als Kompensation für eingetretene Verluste. Worüber man sich natürlich noch Gedanken machen könnte und müßte ist die Frage, wie der (virtuelle) Schaden aus dem entgangenen Ertrag zwischen der Bank und dem Schuldner aufgeteilt werden soll – auf jeden Fall ist ein derartiges Arrangement sowohl für die Bank als auch für den Schuldner eine Verbesserung in mehrfacher Hinsicht:

Der Schuldner hat für den Ertragsausfall durchaus einzustehen – die Mitverantwortung der Bank für ihren Ertragsausfall läßt jedoch den ausstehenden Kredithauptbetrag deutlich schrumpfen und verhindert gelegentlich sogar, daß die außerordentliche Beendigung des Kreditvertrages zu einer langjährigen Angelegenheit wird.

Die Bank hat auf eine langfristige Funktionsfähigkeit des Kreditverhältnisses zu achten, was es ihr verbietet, den bloßen Abschluß eines Kreditgeschäftes bereits als erfolgswirksam zu behandeln. Um die Einhaltung dieses Prinzips zu gewährleisten müßte in Verbriefungsgeschäfte eine Restitutionsklausel eingefügt werden, die es dem Käufer eines z.B. ABS erlaubt dieses dem ursprünglichen „Aussteller“ dieser Kreditforderung wieder rückübertragen zu können. Wer dabei an die Funktionsbedingungen eines Wechsels denkt, denkt richtig!

Der Effekt einer derartigen Konstruktion ist auch der, daß automatisch aufgrund eines Kredites diejenige Eigenkapitalposition gebildet wird, die von vielen Seiten für das Banksystem immer wieder angemahnt wird. Wenn man so will wird damit ein risikobedingter (kreditbedingter) Eigenkapitalpuffer erzeugt, der es unnötig macht, die Grundkapitalgeber dazu zu verdonnern für einen angemessenen Risikopuffer zu sorgen. Der Grund dafür ist, daß die Risikorückstellungen sofort aus den laufenden Einzahlungen gebildet werden müssen und nicht gleich für Ausschüttungen und Boni verwendet werden können. Das ist deswegen sinnvoll, weil ein Risikopuffer aus Grundkapital lediglich einen Bestand darstellt, der aufgrund seiner Natur nur einen begrenzten Risikoschutz bieten kann. Denn ist der (begrenzte) Bestand aufgebraucht geht die Suche nach dem ‚bailout‘ immer in Richtung Staat, wo sie überhaupt nicht hingehört!

Daß damit das Bankgeschäft auf einmal eine langfristige Note bekommt ist nicht schädlich, sondern intentional gewollt und verweist eher darauf, daß es ziemlich schwachsinnig ist, sich alle drei Monate darum zu kümmern, wie es mit dem aktuellen Vermögensstatus einer Bank aussieht – Jahresberichte reichen allemal! (Man könnte durchaus auf die Idee kommen, daß Quartalsberichte nur dazu da sind, um Forderungen nach Boni frühzeitig motivieren zu können.) Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen, daß Banken, die mit vieljährigen Kontrakten hantieren sich alle drei Monate damit beschäftigen für ihre Geschäftssituation eine neue Legende zu erfinden. Sinnvoll ist was anderes!

Wenn man das regulierungsbedingte! (und steuerbedingte) Verschuldungsproblem irgendwann mal auf die Reihe bekommen will geht kein Weg daran vorbei Banken dazu zu zwingen den wahren (sic!)  Risikoanteil an den erhobenen Zinsen als Rückstellung zu buchen, weil sie diese Risikoabsicherung in diesem Ausmaß niemals freiwillig, und wenn, dann nur nachträglich (gezwungenermaßen)  umsetzen werden. Gesund wäre es allemal! Das was derzeit als Risikorückstellung von den Banken angesetzt wird ist mit der Bezeichnung „lächerlich“ noch viel zu zart ausgedrückt!

5 Kommentare

Eingeordnet unter Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

EZB und BVG: Romanze mit Hindernissen

BastionWenn Ökonomie auf Jura trifft geht es meistens um Auslegungsfragen, die sich daraus ergeben, daß Wirtschaft sich zwar in einem juristischen Korsett befindet, die ökonomischen Lebenslagen jedoch vielfältiger sind, als es sich die juristischen Regeln gemeinhin vorstellen können. Vorbildlich in dieser Hinsicht ist das BGB, welches ökonomische Sachverhalte in abstrakter Weise regeln konnte, ohne mit wirtschaftlichen Realitäten in Konflikt zu geraten. (Daß die ökonomische Kommentatorenwelt den Unterschied zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in Zusammenhang mit Geld und Kredit immer noch nicht auf die Reihe bekommt, wird wahrscheinlich daran liegen, daß die Grundkurse „Bürgerliches Recht“ und „Buchhaltung“ den meisten als vernachlässigbare Esoterik-Themen erscheinen.)

Anscheinend ist diese noble Tradition in Verruf gekommen, was sich seit geraumer Zeit in dem Konflikt zwischen der EZB und dem BVG zeigt. Dabei zeichnet das Gesetz über die EZB verantwortlich, weil das eindimensionale Mandat zwar den Konflikt der FED vermeidet,  auch noch für einen hohen Beschäftigungsstand sorgen zu müssen, jedoch keinen mandativen Spielraum für krisenähnliche Aktionen bietet, die es erlauben würden, auf das Phänomen zu reagieren, was hier schon mal unter dem Label „europäische Geldspaltung“ diskutiert wurde. Dieses besteht essentiell daraus, daß es zwar eine einheitliche europäische Geldpolitik geben soll, diese jedoch auf der anderen Seite mit divergierenden Philosophien zu tun hat, was die Frage der Qualität der Behandlung von notleidenden Kreditforderungen zu tun hat. (Konsolidierung vs. Weiterfinanzierung!) Dazu müßte sie eigentlich ein Mandat haben, für unterschiedliche nationale Zentralbanken auch unterschiedliche Zinssätze einzufordern – eine Option, die gerade der ursprünglichen Intention bei der Errichtung der EZB widersprechen würde, schließlich wollte man damit dem „Zinsdiktat der Bundesbank“ entkommen.

Dabei gibt es zwei Szenarien: das eine, welches vermeintlich von 2000 bis 2007 bestand, wo die Refinanzierungsbedingungen EURO-weit einheitlich waren, obwohl es (für Bankiers, nicht für Banker) vergleichsweise bekannt ist, daß ein durch Immobilien oder Infrastruktur induzierter „Wirtschaftsaufschwung“ stets zu folgeschweren Konsequenzen führen kann – und meistens ist das so. Zum anderen ist dann, wenn es wie gegenwärtig um die Bewältigung „leichtfertiger“ Kreditvergabe geht – was mit dem Begriff „Bilanzrezession“ umfassend beschrieben ist – die Handlungsweise der EZB davon geprägt, daß sie dringend Ersatzmaßnahmen dafür erfinden muß, weil sie um die Restriktion „einheitliche Geldpolitik“ herumkommen muß! Dabei ist die vieldiskutierte Maßnahme, die Zinsen in der EURO Zone zu senken, vergleichsweise wirkungslos, weil Konsolidierungsbemühungen sich durch sinkende Zinsen noch nie haben beeindrucken lassen, während auf der anderen Seite die sinkenden Zinsen in keiner Weise – insbesondere bei den „Sparernationen“ – als Segen empfunden werden.

Vor diesem Hintergrund ist die Kontroverse zwischen der EZB und dem BVG von einer unnachahmlichen Kuriosität geprägt.  Denn aus juristischer Perspektive entscheiden zu wollen, ob die EZB im Rahmen ihres Mandats handelt, ist letztlich keine richterlich zu entscheidende Frage, sondern eine Frage der Gültigkeit sozialer Relationen, die auch unter den Label Kreditvertrag bekannt sind. Nun sollen juristische Normen soziale Fragen regeln, das können sie allerdings nur dann, wenn sie abstrakt genug formuliert wurden, um genügend Flexibilität aufzuweisen, um unterschiedliche Sachverhalte auch entsprechend adressieren zu können. Das ist bei der Gesetzgebung hinsichtlich der EZB nie der Fall gewesen. Wen wundert das, die Handschrift der Bundesbank hinsichtlich der ungeliebten EZB ist ja mehr als deutlich!

Damit wird aber auch das Problem der EZB mit der Verhandlung des BVG hinsichtlich der Bewertung der Staatsanleihenkäufe der EZB in Bezug auf das deutsche Grundgesetz deutlich, denn Art. 88 GG ist eindeutig ausformuliert:

„Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.“

So gesehen müßte die EZB eigentlich für nichts mehr sorgen, denn ihr Ziel der „2%-Stabilität“ ist mit Hilfe merkwürdiger statistischer Verfahren zumindest offiziell eingehalten. Nun kommt ihr aber das Phänomen der „europäischen Geldspaltung“ in die Quere. Denn wenn EURO-weit die Vermögenssicherungsqualität der „Nord“-Banken als höher eingeschätzt wird, als die der „Süd“-Banken, wird automatisch die Finanzierungsfähigkeit der „Süd“-Banken in einer Weise beschränkt, die an sich nur die „normale“ Folge der mangelhaften Kreditqualität der  „Süd“-Banken widerspiegelt, womit(!) das „Konkurrenzfähigkeitsproblem“ der „Süd“-Länder manifestiert wird, was es sonst nicht geben würde – der Kapitalverkehrsfreiheit sei Dank(!?). Sichtbar wird dies bei den TARGET-Salden, die im wesentlichen lediglich die „Verteilung des Zentralbankgeldes“ in der EURO-Zone widerspiegeln, womit angezeigt wird, daß die Einkommen, die in den „Süd“-Ländern während des „Süd“-Booms erzielt worden sind, keine Lust darauf haben, wegen irgendwelcher Bankenpleiten in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Das Zypern-Beispiel ist dabei nur die Bestätigung der schon lange gehegten Befürchtungen, daß Geldvermögen in den „Süd“-Ländern vor einem Zugriff der staatlichen Behörden nicht so wirklich sicher ist.

Richtig witzig wird die Geschichte aber dann, wenn die EZB sich anschickt, die „Verteilung des Zentralbankgeldes“ alias die „TARGET-Salden“ als Begründung dafür heranzuziehen, daß ihre Handlungsweise hinsichtlich der bisher nur angekündigten OMT-Käufe geldtheoretisch geboten ist. Denn obwohl die „Verteilung des Zentralbankgeldes“ lediglich eine Vermögensbestandshalteentscheidung privater Akteure ist, wird damit für die EZB eine geldpolitische Zwangslage erzeugt, die sie aufgrund der eigentlich prizipiell gleichen Geldpolitik für die gesamte EURO-Zone an sich nicht durchhalten kann. Natürlich muß sich die EZB um die Zinsunterschiede im EURO-Raum kümmern, allein durch die eindimensionale juristische Aufgabenstellung hat sie dazu eigentlich kein Mandat.

Was macht sie also? Richtig! Da die in Deutschland vorherrschende Meinung über die TARGET-Salden dahin geht, diese als Forderung an die „Süd“-Länder zu interpretieren, rechtfertigt sie ihre Handlungsweise damit, daß sie ja dafür sorgen würde, daß es den befürchteten Austritt eines EURO-Landes aus der EURO-Zone damit nicht gibt, der ja dem allgemeinen Dafürhalten nach zu einer Abschreibung der TARGET-Salden führen müßte. Das läßt sich leicht aus folgendem herauslesen:

„Entscheidend ist, daß die TARGET2-Salden für ein sehr geringes Risiko stehen. Die TARGET2-Salden sind Buchpositionen, die weder fällig werden noch einer Neubewertung unterliegen. Das Ansteigen der TARGET2-Salden hat daher keine Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken. Eine Neubewertung der TARGET2-Salden wäre allenfalls dann erforderlich, wenn ein Mitgliedstaat aus dem EURO-Währungsraum ausschiede.“ (S. 50 EZB-Gutachten)

Wenn die TARGET-Salden aber Ausdruck der grenzüberschreitenden Verteilung von Zentralbankgeld sind, können sie auch dann kein Risiko darstellen, wenn ein Mitgliedstaat ausscheidet. Daher wird auch die Formulierung „…für ein sehr geringes Risiko stehen…“ und nicht, wie es eigentlich richtig wäre, „…kein  Risiko sind“ verständlich! Das geringe Risiko bezieht sich hier auf das Ausscheiden eines Landes, nicht auf eine etwaige Umbewertung der TARGET-Salden! Denn die müssen nicht umbewertet werden, da ja ein TARGET-Saldo anzeigt, daß eine Zentralbank das fragliche Zentralbankgeld ja tatsächlich erhalten hat, was am besten dadurch erkannt werden kann, daß sie die entsprechenden Verbindlichkeiten gegenüber den anspruchsberechtigten Privaten ja vollumfänglich akzeptiert! Denn z.B. die Bundesbank würde eine Forderung gegen die EZB niemals als Zahlung akzeptieren, wenn die EZB keine Zentralbank wäre. Da muß man sich schon entscheiden: ist die EZB nun eine Zentralbank oder nicht?

Es ist schon lustig: ein Nicht-Problem wird zu einer zentralen Verteidigungslinie der EZB, weil sie sonst nicht weiß, wie sie ihre Aktionen, die niemals durch ihr Mandat gerechtfertigt wären, überhaupt begründen sollte. Warum muß sie so handeln? Weil die „Einheitlichkeit der Geldpolitik“ im EURO-Raum ihr die Einwirkungsmöglichkeiten versagt, die eigentlich angebracht wären – eine differenzierende Zinspolitik, die auf die regionalen Besonderheiten der jeweiligen Länder abgestimmt wäre – diese Möglichkeit ist durch juristische Verklausulierungen gründlich vernichtet worden. Mal sehen, ob diese Bauernschläue vor dem BVG Bestand hat. Wahrscheinlich hat sie! Schließlich sitzen da ja bloß Juristen…

9 Kommentare

Eingeordnet unter Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

Flassonomics

AmselIrgendwie hat es sich in Deutschland als „chic“ etabliert zu einem ’self bashing‘ überzugehen, indem der Lohndrückungsorgie „Agenda 2010“ Wirkungen zugeschrieben werden, die keineswegs als selbstverständlich begründet werden können. Maßgeblich dafür verantwortlich zeichnet H. Flassbeck, dessen zentraler Vorwurf an die deutsche Lohnpolitik dahingehend lautet, daß wegen der deutschen Niedriglohnpolitik die Schere der Lohnstückkosten in EURO Land auseinander gedriftet ist und somit Deutschland dadurch einen nicht mit einer Währungsunion kompatiblen Wettbewerbsvorteil erreicht hätte, welcher zu Außenhandelsungleichgewichten führen würde, welche die Währungsunion sprengen könnten. Dieser Befund scheint vordergründig den statistischen Fakten zu entsprechen und gibt vermeintlich eine Grundlage für die Kritik an der deutschen EURO-Politik ab.

Zweifel an einer derartigen Diagnose des EURO Problems ergeben sich allerdings auf mehreren Ebenen. Diese lassen sich wie folgt adressieren:
a) Diese Analyse baut auf der Gültigkeit des einfachen Marktmodells von Angebot und Nachfrage auf
sowie
b) auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß Deutschland mit Niedriglohnsektoren auf dem Weltmarkt als Anbieter auftritt,
c) auf der Annahme, daß vermögenstheoretische Aspekte nichts mit Außenhandelssalden zu tun hätten
und darauf,
d) daß Außenhandelssalden in keiner Weise mit Finanzierungsbedingungen in Verbindung zu bringen wären.

Daß Flassbeck letztere vollkommen ausblendet läßt sich sehr schön daran erkennen, daß er stets auf Preisdifferenzen abstellt und nie ein Wort über die zentrale Restriktion verliert, die erst die Ableitung einer Nachfragefunktion möglich macht ~ die Budgetbeschränkung! Flassbeck argumentiert so wie es der Sohn des Aga Khan tun kann, der Keynes mal gefragt haben soll: „Meister, wie funktioniert das ohne Budgetrestriktion?“ Wenn Flassbeck also die Frage der Finanzierungsbedingungen ausklammert macht er sich eine „Vereinfachung“ zunutze, die zwar für seinen aktuellen Kontext zwingend notwendig, für „normale“ Wirtschaftssubjekte aber alles andere als selbstverständlich ist.

Diese bewußte Ignoranz der Vermögensebene gegenüber liegt daran, daß Flassbecks Argument nur dann gültig ist, wenn das Preisargument valide bleibt, so daß sein persönlicher Ärger über die „Agenda 2010“ Eingang in seine Kritik finden kann. Dabei ist das Lohnargument vergleichsweise schwach, denn gerade die Unternehmen, die auf den Weltmärkten Erfolge feiern können, zeichnen sich eben nicht dadurch aus, Dumpinglöhne zu zahlen. Daß einige Teilbereiche dieser Unternehmen auf niedrig entlohnten Dienstleistungen aufbauen, widerspricht diesem Befund nicht wirklich. Diese Tatsache kann man auch durch Ignoranz nicht negieren, denn das Bestreiten mit Nichtwissen steht nur Winkeladvokaten zur Verfügung.

Das größte Defizit dieser Argumentation besteht eben daraus, daß die finanzwirtschaftlichen Zwänge des Außenhandels in keiner Weise adressiert werden. Denn Außenhandelssalden entstehen nicht daraus, daß irgendein Land einen „Bedarf“ an einem Außenhandelsdefizit anmeldet, sondern es entsteht dann und nur dann, wenn das fragliche Defizit auch irgendwie finanziert wird ~ sonst kann kein Defizit entstehen, mag der „Bedarf“ auch noch so groß sein! Und bezüglich des Außenhandelssaldos ist es vergleichsweise unerheblich, welches Land – egal wie hoch das Lohnniveau genau ist – das fragliche Angebot gemacht hat – wenn im Empfängerland keine vermarktungsfähige Exportstruktur vorhanden ist, sind die aktuellen Finanzierungsbedingungen wichtiger als alles andere.

Komischerweise finden derartige Überlegungen keinen Eingang in die „Lohndrückungskritik an Deutschland“ ~ und zwar deswegen nicht, weil die Finanzierungsrestriktion das preisfundierte Angebots-/ Nachfrage-Argument sofort kippen würde. Denn zu unterstellen, Banken würden blindlings alles finanzieren, was nur schnell genug „Hier ich brauche Geld!“ ruft, ist ein grobes Zerrbild dessen, was sich auf den Finanzierungsmärkten tatsächlich abspielt. Das kann man vielleicht damit motivieren, daß in der EURO-Anfangsphase die „Nord“-Banken, geblendet von durchaus vorhandenen Wachstumsraten in den „Südländern“ zu fast jeder schwachsinnigen Finanzierung bereit waren, eine Eselei sondergleichen, wie im Nachgang ärgerlicherweise festzustellen war. Ein Argument für die Fehlkonstruktion bzw. ein „Fehlmanagement“ der EURO-Zone, wie es Flassbeck postuliert, läßt sich daraus allerdings nicht konstruieren – allenfalls ein Argument gegen die Theorie des Schuldenzyklus, wie es aus der Entwicklungstheorie bekannt ist, was Flassbeck eigentlich bekannt sein müßte!

Daß es diese Fehlkonstruktion gab, braucht man nicht zu bestreiten, diese liegt jedoch aber auf einer anderen Ebene. Die ist darin zu verorten, daß die Grundanlage des EURO davon geprägt war, von dem „Zinsdiktat der Bundesbank“ loszukommen, was folgerichtig dazu geführt hat, einen Gleichheitsgrundsatz als Leitlinie der EURO-Geldpolitik zu installieren, der für alle europäischen nationalen Zentralbanken (Ja, die gibt es, 17 Stück plus eine kleine Verwaltungseinheit – die EZB!) die gleichen Zinsen festgeschrieben hat. Man muß sich daher nicht darüber wundern, daß bei derartigen Finanzierungsbedingungen ausgerechnet in denjenigen Ländern, die sich ohnehin niemals durch die Qualität „Geld-Vermögenssicherung“ ausgezeichnet haben, ein Kreditboom entstanden ist, der von sich aus geeignet war, den Eindruck eines nachhaltigen Wachstums zu erzeugen.

Das Mißverständnis von Flassbeck besteht daraus, die konjunkturellen Wirkungen freizügiger – und angesichts der Erfahrungen der Vor-EURO-Zeit letztlich als ziemlich durchgeknallt zu beurteilender – Kreditvergabe bonussüchtiger Banker mit den Wirkungen von Preiskonkurrenz zu verwechseln, ob man da nun über Lohnstückkosten argumentiert oder nicht ist völlig unerheblich. Man mag sich darüber streiten, ob er es nicht sehen will oder sehen kann, das Ergebnis ist gleichermaßen desaströs. Das wichtigste Indiz gegen die Wirksamkeit des Preisarguments ist, daß sich die Außenhandelsdefizite in den Südländern inzwischen massiv zurückbilden – und zwar deswegen, weil die Kreditkonditionen sich normalisiert haben und nicht deswegen, weil sich irgendeine Wettbewerbsfähigkeit verbessert hätte – die ist nach wie vor zugunsten derjenigen Länder gestrickt, welche konkurrenzfähige Produkte anzubieten haben – Preis hin oder her. (Es gibt tatsächlich Ökonomen, die behaupten, daß die „Wettbewerbsfähigkeit“ der „Südländer“ sich verbessert hätte, ein theoretischer Kopfschuß sondergleichen!) Wenn man so will besitzt Deutschland (und ein paar andere Länder auch) in bestimmter technologischer Hinsicht eine Quasi-Monopolstellung, da kann man mit einer kleinteiligen selbst preisfundierten Angebot/ Nachfrage-Argumentation nicht ankommen. Mal abgesehen davon, glaubt tatsächlich jemand, daß es für diejenigen Entscheidungsträger, die eine komplett finanzierte Investition genehmigen können, darauf ankommt, ob diese 527 Mio. € oder 548 Mio. € kostet? (Wer an Rüstung denkt, denkt richtig!)

Daß es bei der Konsolidierung der Schuldenexzesse derzeit zu Übertreibungen kommt, was auch daran liegt, daß von wissenschaftlicher Seite keine Ideen kommen, wie man sinnvoll mit einer Bilanzrezession umgeht, läßt sich nicht mit dem Konzept einer verordneten Politik der Angleichung der Lohnstückkosten beantworten, denn dieser Eingriff in die Tarifautonomie hebelte die letzten Reste der marktwirtschaftlichen Ordnung zugunsten intransparenter EU-Verordnungen völlig aus. Man mag ja die Lohndrückerei, die sich – natürlich völlig überraschend – im Nachgang der „Agenda 2010“ eingestellt hat, durchaus kritisieren, das ist jedoch kein Grund dafür, sämtliche (restlichen) tarifpolitischen Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft über den Haufen zu werfen. Nicht mal dann, wenn man im Blick hat, die Lohnstruktur Deutschlands, insbesondere in den Bereichen der Lebensvorsorge, vor dem sich voraussichtlich einstellenden Armutsniveau zu bewahren. Diesem Problem muß man sich selbstverständlich stellen, aber nicht auf eine Art und Weise, die mehr an diktatorische Bevormundung erinnert, als an ein gleichberechtigtes Zusammenwirken souveräner Akteure.

Wären Sie doch Riese-Schüler geblieben! Dann hätte sich eventuell eine Argumentationsstruktur herausgestellt, welche die Fragenkreise rund um die Problemfelder Vermögensbestands- und Vermögensertragsicherheit adressiert hätte. Damit wäre es möglich gewesen zu kritisieren, daß sich die Banken einer unzulässigen Vereinfachung schuldig gemacht haben, indem sie einfach auf aktuelle Trends aufgesprungen sind, anstatt sich den Fragen nach der Nachhaltigkeit ihrer Kreditengagements zu stellen ~ irgendwo war der Bonus wohl wichtiger! Und man hätte erkennen können, daß die vermeintlich „erfolgreiche“ EURO-Phase von 2000 bis 2007 der „klassische“ Ausdruck eines Marktversagens war – und keine Erfolgsstory!

Und falls sich noch jemand fragt, was die Konsequenz daraus ist: eine Währungsunion erfordert die Durchsetzung einheitlicher Bonitätsnormen, die bewirken, daß die Portfolios der Banken EURO-weit abtretbar (shiftable) sind! (Wer dieses Problem in den Veröffentlichungen der EZB finden will, braucht nur nach „europäischer Geldspaltung“ oder ‚monetary disintegration‘ zu googeln.) „Shiftable“ bleibt aber ein Portfolio nur dann, wenn das damit geschaffene Geldvermögen auch dort verbleibt bzw. dort auch verdient werden kann, wo es geschaffen wurde. Das wirft ein fahles Licht darauf, daß die Freiheit des Kapitalverkehrs genau diese Sicherheit verunmöglicht. Denn es ist doch ganz einfach: wenn das Geld nicht dort ausgegeben wird, wo es investiert wurde, internationaler Handel hin oder her, bleiben nur unbedienbare Schulden zurück. Dieses Faß sprengt allerdings die Kapazität dieses Posts!

32 Kommentare

Eingeordnet unter Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

EURO-Bonds einmal anders…

bugDie Geschichte aus dem letzten Post kulminierte in dem Punkt, die Risikoprämien, die ja immer in den Zinsen enthalten sein sollen, dahingehend ernstzunehmen, daß damit praktisch ein Versicherungsbeitrag von allen Kreditnehmern zu entrichten ist, der es erlaubt, die Verluste aus der Abschreibung einzelner Kredite zu kompensieren. Damit entsteht ganz nebenbei auch eine monetäre Zinstheorie, die nicht aus der Introspektion aktueller persönlicher Befindlichkeitslagen heraus resultiert, sondern eine monetäre Größe – das Kreditabschreibungsvolumen – mit einer weiteren monetären Größe – dem zinsbedingten, eigenkapitalerhöhenden (Brutto-) Gewinn aus der G+V – zueinander in Beziehung setzt. Wenn man so will ist mit der Formulierung der quantitativen Beziehung einer monetären (Risikoprämie: Bruttozinsvolumen) zu einer anderen monetären Größe (Zukunftsunsicherheit: Abschreibungsverlust) das simpelste Grundprinzip eingehalten, daß begriffliche Entitäten, die eine Beziehung aufweisen sollen auch eine Bezugsebene besitzen, anhand derer sie auch vergleichbar sind. Leider hat das unbekümmerte Zusammenrühren inkommensurabler Sachverhalte in der ökonomischen Theorie eine unrühmliche Geschichte, indem beispielsweise die Zusammenstellung der Dinge, die in der sogenannten Quantitätstheorie bzw. -gleichung miteinander in Beziehung gebracht werden, ein mehr als abschreckendes Beispiel liefert.

Aber da die Ökonomen ja mehrheitlich glauben, sie hätten tatsächlich etwas, was die Bezeichnung „Zinstheorie“ rechtfertigen würde, lasse ich das an dieser Stelle mal so stehen und möchte eher auf eine kleine Geschichte eingehen, die sich im Nachgang zu dem vorausgegangenen Post wie ein Elfmeter eigentlich für jeden von selbst angeboten hätte. Ausgangspunkt der ganzen Angelegenheit war ja, daß Banken nicht nur als „Transformatoren“ von Risiko gesehen werden, sondern als Neutralisierungsinstanz von Risiken, die deswegen eine Risikoprämie bekommen, damit sie auch die finanziellen Schäden ausgleichen – daß die Banken inzwischen dazu übergegangen sind die ‚muppets‘ für die Risiken haften zu lassen, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend dabei ist, daß die Banken als Verleiher von „Kredit“, d.h. Zahlungsfähigkeit, ein Arrangement dafür vorhalten, welches gewährleistet, daß ihre unvermeidlichen(!) Fehleinschätzungen der Gesellschaft insofern nicht zur Last fallen, als durch die „übermäßige“ Vergabe von Kredit der Inhalt der Vorstellungen von Geldforderungen nicht (inflationär) beeinträchtigt werden (wobei Letztere auf einer irgendwie gegebenen phänomenologischen(!) Vorstellung von der „Kaufkraft des Geldes“ beruhen). Typischerweise ist das Zahlenverhältnis von Bank und Kunden dergestalt, daß einer einzelnen Bank eine Vielzahl von Kunden gegenübersteht, woraus sich – wie halt bei einer Versicherung üblich – ergibt, daß das ‚pooling‘ der Risiken durch eine zentrale Instanz bewerkstelligt werden kann. So weit, so gut.

Bei der ganzen Geschichte muß man sich an dieser Stelle mal merken, daß es der Gläubiger ist, welcher den eingetretenen Vermögensschaden durch eine Foerderungsabschreibung zu tragen hat und nicht der Schuldner. Dieser haftet ja auch „nur“ nach Maßgabe der vertraglichen Bedingungen und ist gegebenenfalls nach Leistung der vereinbarten Haftungsmasse von einer weiteren Leistung (Schuldturm) freigestellt – zumindest in Staaten, die über ein modernes Insolvenzrecht verfügen. Man könnte diese Modernität der Behandlung der Übernahme von Residualrisiken auf eine Einsicht in die gegenwärtige Struktur des Geldsystems interpretieren, allein mir fehlt der Glaube in diese Version, da die versammelte Bankwirtschaftslehre immer noch die Legende von den Ersparnissen pflegt, die dann zu Investitionen führen sollen.

Bezieht man nun diese Aufgabenverteilung auf das Verhältnis von (Privat-) Gläubigern und Staatsschuldnern erhält die Haftungsfrage auf einmal eine neue Bedeutung, auch und gerade wenn man dies auf das umstrittene Thema Eurobonds anwendet. Auch wenn in diesem Fall einer Vielzahl von Gläubigern eine vergleichsweise kleine Anzahl von Schuldnern gegenübersteht, könnte man sich ein Arrangement vorstellen, daß für den Fall, daß ein Staat die vorgesehenen Zahlungen nicht leisten kann, lediglich ein Teilausgleich der ausfallenden Forderung von den mitbürgenden Staaten erfolgt, während der komplementäre Abschreibungsanteil als Abschlag auf die Nominalforderung ALLEN Eurobond-Gläubigern angerechnet wird. Das heißt, daß sobald ein Schuldnerstaat – was im Eurobond-Verbund vorab intern geregelt sein muß – mit seinen Zahlungen auf die Staatsschuld in Verzug gerät, wird die Anpassungslast nach einem vorab definierten Schlüssel auf die Garantiestaatengemeinschaft, aber auch und insbesondere auf die Gläubigerhaftungsgemeinschaft aufgeteilt. Das muß nicht fifty-fifty sein (eine Egalitätsvorstellung ist in ökonomischen Sachfragen ohnehin keine Leitlinie der Problembehandlung), sondern es kann auch auf einer Basis von z.B. 20% Staatshaftung und 80% Privathaftung sein, der Beschäftigung mit den möglichen Auswirkungen sind da keine Grenzen gesetzt.

Durch ein derartiges Arrangement kann die Haftungsfrage im Vorhinein geklärt werden, ohne daß es zu einer 100%igen Haftungsübernahme kommen muß, wie es derzeit im Fall der EURO-Krise gang und gäbe ist. Der Vorteil dabei ist, daß eine Rettungsaktion zu 100% für die EURO-Staaten nicht mehr attraktiv ist und selbst das Risiko für die „systemrelevanten“ Banken kann dadurch auf ein handhabbares Maß reduziert werden, mal vorausgesetzt die Engagements bewegen sich auf einem „vernünftigen“ Niveau. (Sobald aber wieder ein ‚run‘ auf die vermeintlich risikolosen EURO-‚bonds‘-mbH  einsetzt, ist der Effekt der Risikodiversifizierung natürlich gleich wieder für die Katz! Sorry Katzi!)

Im Gegensatz zu der üblichen Behandlungsweise von Eurobonds, wo der Fokus der Diskussion darauf liegt, eine komplette Absicherung der Gläubiger zu gewährleisten, was zu Recht auf einhellige Ablehnung seitens derjenigen Staaten stößt, welche die voraussichtlich eintretenden Lasten zu tragen hätten, gilt nun eine vorab definierte Lastenverteilung, welche niemanden aus seiner Verantwortung entläßt – weder Gläubiger noch Schuldner. Eigentlich ist es einerseits nicht zu verstehen, daß eine derartige Konstruktion überhaupt noch nicht in die Diskussion gekommen ist, denn die Möglichkeit einer Privatinsolvenz ist genau die Blaupause die man braucht, um sich ein derartiges Arrangement als Grundlage von europäischen Schuldverschreibungen vorstellen zu können. Zum Anderen würde dadurch endlich mal die Vorstellung (teilweise) aus der Welt geschafft, es gäbe so etwas wie risikolose Geldanlagen, die Vorschriften über mündelsichere Anlageformen hin oder her. Eurobonds wären dann für die prospektiven Bürgen dann nur noch ein Engagement mit begrenzter Haftung – was will man mehr? Das Schönste dabei ist: das firmiert alles unter dem gütigen Siegel der europäischen Solidarität!

4 Kommentare

Eingeordnet unter Finanzmarkt, Geldtheorie, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftstheorie, wonkish

Vom Schlachten heiliger Kühe

sharkMan darf sich durchaus an der Stelle, wo innerhalb der EURO-Zone das erste Mal Beschränkungen des Kapitalverkehrs eingerichtet werden daran erinnern, daß es mal hieß: „Scheitert der EURO, scheitert Europa.“ Wenn es ein Anzeichen des Scheiterns gibt, dann dieses! Man kann sich zwar Gedanken darüber machen, warum diese Entwicklung hinsichtlich der Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Bezug auf zyprische Geldvermögen maßgeblich von den deutschen Verhandlungsführern so gepusht wurde. Das ist leider zwecklos! Man darf aber dahingehend durchaus einsehen, daß derartige Verlautbarungen nicht viel mehr sind als hilflose Sprechblasen, deren Nutzwert noch nicht einmal dazu dienen können, die Orientierungslosigkeit der leistungstragenden Entscheidungsfinder zu kaschieren. Das Schlachten einer heiligen Kuh fällt jedoch immer auf die (angeblich) prinzipientreuen Inauguratoren zurück!

Das Problem ist: eine Beschränkung des Kapitalverkehrs bedeutet essentiell, daß eine Forderung gegen eine Bank in Zypern nicht dasselbe bedeutet wie eine Forderung gegen eine Bank des anderen EURO-Gebietes. Salopp gesagt heißt das, daß zyprisches Geld nicht mehr dasselbe Geld ist wie „normales“ Geld. Das wirft postwendend auch die eklige Frage auf, ob damit auch eine zyprische Banknote noch dasselbe ist, wie eine EURO-Note der anderen EURO-Länder. Heißt: kann eine z.B. griechische Bank eine „größere“ Einzahlung von Banknoten der Zentralbank Zyperns annehmen? Das ist deswegen virulent, weil durch einen kleinen Törn übers Mittelmeer eine Verbringung von Banknoten von interessierten Kreisen vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen ist. Angesichts dieser Möglichkeit könnte es leicht passieren, daß es in Kürze zu gesetzlichen Beschränkungen des europäischen Bargeldverkehrs kommen könnte, deren Bedeutung es ist, das zyprische Bargeld zu diskriminieren wenn nicht sogar zu kriminalisieren.

Wie es auch in der Presse vielfach kritisiert wird ist inzwischen der Fall eingetreten, daß die Sicherheit von Geldforderungen in Europa bei jeder „Rettungsaktion“ unter Vorbehalt steht und damit eine erhebliche Schramme in die Vermoegenssicherungsqualität von Geldforderungen hinsichtlich von EURO-Guthaben in EURO-Land geritzt wurde.  Es wird spannend sein zu sehen, ob die Rolle des EURO als Weltreservewährung durch diese Geschichte unter Druck gerät oder nicht. Die zukunftsleitende Frage ist dabei, wann es den „Deutschland-Moment“ gibt, an dem die Sicherheit von Geldforderungen auch in Deutschland in Zweifel steht. Es geht ja nicht darum ob er kommt – sondern wann! Warum ist das so? Weil die moralisch verbrämte Selbstbeschränkung in Form der „Schuldenbremse“ sich selbst der Instrumente beraubt, die in derartigen Situationen erforderlich wären. (Der Vorhang für dieses Kino braucht auch nicht mehr so lange.)

Aber ob oder ob nicht: die Frage, ob eine zyprische Banknote unter diesen Bedingungen noch dieselbe Schuldentilgungsfähigkeit bzw. Kontraktfähigkeit hat wie andere Banknoten aus EURO-Land wird die schlauen Entscheidungsträger noch länger beschäftigen, als es ihnen lieb sein kann. Denn obwohl gilt: ‚money is not earmarked’ könnte auf einmal die Tatsache eine Rolle spielen, daß EURO-Banknoten anhand ihrer Registriernummer als zyprische Banknoten identifizierbar sind. Die alte Regel, daß Banknoten aus Ländern, die ihre Währung einer Kapitalbeschränkung unterwerfen, außerhalb des betreffenden Währungsraumes eine ziemlich niedrige Wertschätzung aufweisen und deswegen nicht wirklich als vollgültiges Zahlungsmittel angesehen werden, sollte eigentlich zu denken geben. Die lächerlichen Devisenbestimmungen der DDR waren ja auch nicht gerade dazu nützlich, der „Mark der DDR“ eine anständige Zahlungsfähigkeit außerhalb des eng definierten Zwangsannahmeraumes zu verleihen.

Dabei wäre die Geschichte eigentlich am besten damit aufzulösen, indem den zyprischen Banken jede beliebige Liquidität zur Verfügung gestellt würde, allerdings zu einem erheblich erhöhten Zinssatz, ganz so wie es nach Bagehot zu erfolgen hätte. Das würde natürlich bedeuten, daß damit das heilige Prinzip der EZB durchbrochen würde, stets einen einheitlichen Zinssatz für alle Banken der EURO Zone anzuwenden.

Vielleicht dient diese Krise, welche ein heiliges Prinzip – oder auch Illusion – der EURO-Zone ausgemacht hat nun auch dazu, das falsche Prinzip der Einheitlichkeit des Zinssatzes aufzubrechen. Das wäre die nachträgliche Korrektur der politischen Illusion, Zinssätze per Verordnung festzusetzen und nicht als Marktergebnis interpretieren zu wollen. (Möglicherweise ist diesem Desaster dadurch Vorschub geleistet worden, daß sich Heerscharen von mikroökonomisch indoktrinierten „Ökonomistas“ dem Glauben verschrieben haben, daß Lohnerhöhungen eine verteilungspolitische Relevanz besäßen. Nichts könnte falscher sein, denn was ein Lohn wert ist entscheidet sich nicht in Lohnverhandlungen, sondern auf dem „Markt“, wenn sich aufgrund von lohnbedingten Kostensteigerungen die Preise verändern – also erhöhen. Bei Zinsen gilt zudem noch, daß sie von Bewertungsänderungen d.h. von Bestandsänderungsgrößen abhängig sind. Gesamtwirtschaftliches Denken ist offensichtlich nicht jedermanns Sache und daß man dieses im VWL-Studium lernt gehört auch zu einer gepflegten Legende, deren Auswirkung in vielerlei Hinsicht zu beobachten ist.)

Vielleicht ist das Zypern-Desaster der Schlüssel dazu von der Allmachtsvorstellung europäischer Politiker mal Abstand zu nehmen und einzusehen, daß monetäre Ertragsraten sich immer noch einer politischen Einflußnahme entziehen. Denn wie sich das Verhältnis von Ertrag und Risiko einpendelt ist nicht in das Belieben derjenigen gestellt, die immer wieder davon schwadronieren, daß eine einheitliche Währung auch einen einheitlichen Zinssatz bedingen würde. Das Gegenteil ist der Fall, getreu dem (auch wenn´s schwerfällt: juristischen) Prinzip, daß unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Eine europaweite Zinsnivellierung gehört jedenfalls nicht zu einer gesunden Geldpolitik! Daß die EZB mit ihren LTRO-Krediten genau dieses Prinzip ausgehebelt hat, macht denn auch ihr besonderes Versagen aus. Denn damit etabliert sie sich als Nicht-Zentralbank, weil damit die Emission von Liquidität in das Belieben von Privatbanken gestellt wurde. Anders gesagt: die europäische Geldspaltung, die sich jetzt sogar in der Etablierung von Kapitalverkehrskontrollen etabliert, ist eine Folge nicht der niedrigen Zinspolitik, sondern der gleichmacherischen Geldpolitik, der sie sich anscheinend verpflichtet fühlt.

Es geht einfach kein Weg daran vorbei: Liquidität muß zwischen den Banken europaweit in einem Auktionsverfahren emittiert werden, wodurch sich die Refinanzierungszwänge der jeweiligen Bieterbanken sofort widerspiegeln und nicht nach der Maßgabe irgendeiner Bedürftigkeit! Das hat seinen Grund darin, daß die Emission von Liquidität keinen demokratischen Prinzipien folgen darf. Die Bundesbank hat das noch gewußt – diese Geldpolitik hat stets funktioniert!

9 Kommentare

Eingeordnet unter Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

Homo Oeconomicus – Mißverständnisse der Erklärbären

2013-03-02 12.55.13Es gibt Dinge, die sind fast so alt wie das Menschengedenken und werden doch kaum hinterfragt, was wohl daran liegen muß, daß sie immer wieder abgeschrieben werden. Und das vor dem Hintergrund, daß diese mit diesen Fragen verbundenen Sachverhalte stets für die Erklärung substantieller Dinge herhalten müssen, wie z.B. für die Interpretation aktueller gesellschaftlicher Problemlagen. So ist denn auch die Diskussion um den ‚homo oeconomicus‘ davon geprägt, daß der damit assoziierten Handlungsweise eine Wirkung zugeschrieben wird, die sich aus der einschlägigen Theorie in keiner Weise herleiten läßt.

So kann man zwar den ‚homo oeconomicus‘ als ein theoretisches Konstrukt bezeichnen, welches zur Analyse eines spezifischen ökonomischen Problems herangezogen wird. So weit, so gut. Die Zuschreibung aller möglichen Motive ist soweit noch richtig, weil eine Präferenzordnung – wie es in der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts konzipiert wird – grundsätzlich lediglich Konsistenzerfordernisse beinhaltet. Diese Konsistenzerfordernisse sind das, was in dieser Theorie als „rational“ bezeichnet wird und nicht irgendwelche mystischen Eigenschaften, die bis hin zur „Gier“ diese Rationalität in irgendeiner Weise moralisch zu interpretieren versuchen. Dasselbe gilt auch für irgendeinen Egoismus, dessen moralische Inferiorität stets als Grundproblem einer offenen Gesellschaft, bzw. einer Marktökonomie interpretiert wird. Bei den „ethischen Gefühlen“ ist es jedoch auch nicht besser!

Sobald dann aber argumentiert wird, Menschen seien keine rationalen Wesen und deswegen seien auf Märkten auch (gelegentlich) irrationaleErgebnisse zu verzeichnen, gerät die Diskussion geradewegs auf Abwege. Denn auch wenn es modern geworden ist, eine im negativen Sinne moralisch verbrämte Handlungsweise als Problem von Marktgesellschaften hinzustellen steht eine solche Diagnose im diametralen Gegensatz zu ausgerechnet der Theorie, die dafür die Grundlage liefern soll.

Das liegt schlichtweg daran, daß die Zentralaussage des marktwirtschaftlichen Modells in gröblicher Weise mißinterpretiert wird. Denn der Erklärungsinhalt der Theorie der Marktwirtschaft ist nicht, wie sich Individuen gegenüber anderen Individuen besserstellen können, sondern ob es eine Gleichgewichtskonstellation gibt, welche die gegebenen Präferenzrelationen der Individuen zu einem konsistenten Ganzen verknüpft, in dem Sinne, daß sich niemand mehr bei dem gleichgewichtigen (relativen) Preissystem in seiner persönlichen Lage verbessern kann. Das Erklärungsproblem ist also nicht die Frage nach individuellen Handlungsoptionen, sondern nach der Lösung eines Koordinationsproblems, welches aus gegebenen Anfangsbedingungen abgeleitet wird. Wenn man so will ist das Individuum in dieser Theoriekonzeption lediglich eine passive Entität, die auf die Veränderungen des Preissystems mit einer Anpassung reagiert – das Stichwort „Mengenanpasser“ sollte zumindest jedem vertraut sein, der irgendwann mal in einer anständigen Vorlesung über Makroökonomie gesessen hat – falls nicht, dann eben jetzt.

Um es mal polemisch zuzuspitzen: die Vorstellung, daß Menschen handeln würden hat nichts mit dem Modell zu tun, welches als zentral für die Marktwirtschaft interpretiert wird. Denn dort handeln sie nicht, sondern fügen sich ergeben in die Vorgaben, die als Preissignale von einem anonymen „Markt“ auf sie einprasseln. Was man dabei jedoch berücksichtigen sollte ist der Umstand, daß es niemanden gibt, der diesen „Markt“ verkörpert, weil es niemanden gibt, der in dieser Welt die Preise gestalten kann. (Mengenanpasser eben!) Heißt: das markwirtschaftliche Modell garantiert nichts anderes, als daß es bei „rationalen“ (widerspruchsfreien) Präferenzen die Möglichkeit(!) gibt, daß es zu einem allgemeinen Gleichgewicht kommt – mehr nicht!

Alle anderen Zuschreibungen hinsichtlich der Effizienz der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsweise oder deren Eigenschaften entspringen im besten Fall der persönlichen Kenntnis über marktwirtschaftliche Funktionsbedingungen oder schlechtestenfalls aus phantasievollen Zuschreibungen und Allegorien – jedoch nicht aus einer theoretischen Grundlage, die sich in der allgemeinen Gleichgewichtstheorie manifestiert. Kenner der Materie werden wissen, daß F.Hahn als ein zentraler Protagonist dieser Theorie sich stets dagegen gewehrt hat als Prophet aller möglicher Zuschreibungen der „Marktwirtschaft“ in Anspruch genommen zu werden.

Anders formuliert: der ‚homo oeconomicus‘ kann nicht handeln, weil seine Funktion als Mengenanpasser ihn zu einer passiven Figur der sozialen Koordinationsveranstaltung „Marktwirtschaft“ degradiert. Deswegen sind auch alle Vorstellungen über ein „rationales Handeln“ reine Phantasieprodukte soweit sie sich auf die Theorie der Marktwirtschaft beziehen – es mag ja so etwas durchaus geben, was aber daraus folgt läßt sich in keiner Weise aus der zugrundeliegenden Theorie ableiten.

Es gab mal eine Zeit in der bekannt war, daß das Zentralmodell der Marktwirtschaft eigentlich eher die Probleme abbildet, die im Modell der Planwirtschaft mit den Optimierungsproblemen der „material-technischen Versorgung“ verknüpft sind. Denn dort wurde explizit versucht die Preisrelationen zu bestimmen, die zu einer konsistenten Zuliefererkette führen sollte – natürlich nach Maßgabe planwirtschaftlicher Outputvorgaben. Wie man weiß ist die Sache schiefgegangen und muß auch nicht noch einmal wiederholt werden. Warum sich jedoch die führenden Protagonisten der Marktwirtschaft auf ein Modell beziehen, welches lediglich eine konsistente Begründung für die Wettbewerbspolitik liefert (Mengenanpasser!), weiß der Fuchs – und vielleicht auch der noch nicht mal. Der ‚homo oeconomicus‘ kann es auch nicht wissen!

12 Kommentare

Eingeordnet unter Ordnungspolitik, Wirtschaftstheorie

Irländische Lehren

Deutsche BankManchmal ereignen sich Umwälzungen, deren Tragweite sich nicht auf den ersten Blick erschließen. So oder ähnlich muß es dem wirtschaftspolitischen Beobachter erscheinen, der sich nur noch darüber wundern kann, mit welcher Gleichgültigkeit es hingenommen wird, daß das „heiligste“ Prinzip der europäischen Geldpolitik mit aller Seelenruhe ausgehebelt wird. Denn die irische Umschuldung ist der deutschen Presse kaum Aufmerksamkeit wert. Gerade so wie die EZB es formulierte wird dieses Ereignis „einstimmig zur Kenntnis genommen“. So als wäre nichts in den letzten Jahren hinsichtlich einer Konsolidierung von Staatsschulden passiert. Als ob es keinen Fiskalpakt mit Schuldenbremse gegeben hätte, genauso als würde es kein Verbot der Finanzierung von Staaten geben, welches stets und ständig als heiligstes Prinzip der Zentralbankpolitik gegolten hat. So zumindest die Position einer ökonomischen Orthodoxie, die ihr Credo eigentlich inzwischen nachhaltig mit Füßen getreten sehen müßte. Ein #Aufschrei scheint in diesem Fall nicht zu erfolgen.

Nun gibt es ja auch die andere Version der Behandlung nicht einbringlicher Schulden, die sich aus der Erkenntnis ergibt, daß auch vermeintlich unlösbare Probleme einer Lösung bedürfen. Auf nicht-staatlicher Ebene gibt es ja dafür seit langem die Institution der Insolvenz, ganz gleich ob in ihrer unternehmerischen oder der privaten Ausprägung. Nun ist zwar ein Staat kein privates Wirtschaftssubjekt, doch sind auch auf dieser Ebene Schuldenprobleme dann einer Lösung zuzuführen, wenn es sich erweist, daß die Behandlung eines Schuldproblems durch Maßnahmen, die auf eine Konsolidierung der fraglichen Schuldenstände mittels Austerität abzielen, nicht erzielt werden kann. Dieser Punkt war bei Irland erreicht. Die Lösung, die Irland für sich (witzigerweise) mit der Zustimmung der EZB gefunden hat, ist im Prinzip das Gleiche, was Japan, England und die USA auf eine etwas andere Weise ohnehin schon länger betreiben, nämlich die Finanzierung von Staatsschulden durch die Notenbank. Der Unterschied ist: dies findet erstmalig im EURO-Raum statt, was angesichts der bisherigen Dominanz deutscher Währungspolitik im EURO-Raum durchaus als Novum gesehen werden muß.

Was allerdings das eigentliche Novum ist, ist die Tatsache, daß damit ein Element der Vernunft in die europäische Geldpolitik eingekehrt ist, was der offiziellen Linie der EZB-Geldpolitik diametral widerspricht. Dennoch, es geht nun mal kein Weg daran vorbei: untragbare Staatsschulden können nicht durch eine noch so harte Politik der Austerität aufgefangen werden. Das ist so – sämtlichen mehr oder weniger einschlägigen Wirtschaftsgutachten und auch dem IWF zum Trotz (dieser Trotz ist jedoch erkenntnisgeleitet und nicht aus fundamentaloppositionellen Erwägungen motiviert). Das ist auch schon deswegen so, weil diese Schulden eine Konsequenz privater Fehlspekulation gewesen sind. Für diejenigen, die sich ein bißchen in der ökonomischen Diskussion hinsichtlich des Charakters von Staatsschulden auskennen: die gesamte Theorie der Staatsschulden hat sich nie damit beschäftigt, daß Staatsschulden aus Umschuldung privater Schulden entstehen. Und damit muß man auch nach den Entwicklungen der letzten Jahre nicht anfangen. Denn es gibt keinen Grund dafür, eine Argumentation zu entwickeln, daß private Schulden zu öffentlichen Schulden werden müssen. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß sich irgendwelche Trottel dieser Aufgabe widmen, was auch nur ein Ausdruck davon wäre, daß sich buchstäblich alles – bis hin zu der Ökonomie der Ehe – in irgendwelche scheinheiligen „ökonomischen“ Kriterien pressen ließe.

Die letzte Konsequenz aus der irischen Strategie nicht tragbare Staatsschulden zu behandeln ist darin zu sehen, daß es weder einen nachhaltigen ökonomischen noch einen politischen Erfolg versprechen kann, durch Austeritätsmaßnahmen zu Ergebnissen zu kommen, die eine nachhaltige Reduzierung des untragbaren Schuldenstandes gewährleisten würden. Wenn man so will, ist die irische Lösung eine Variante dessen, was üblicherweise unter dem Label „Schuldenschnitt“ propagiert wird. Denn durch die irische Lösung werden öffentliche Schulden, deren Bedienung politisch nicht tragbar erscheinen, in einen permanent zu prolongierenden Buchungsposten umgewandelt, dessen Existenz niemanden zu bekümmern braucht. Nicht mal die darauf zu zahlenden Zinsen sind einer Erwähnung wert, werden sie doch nach Zahlung an die Zentralbank als Zentralbankgewinn postwendend wieder an den staatlichen Zahler zurücküberwiesen. Was die Inflationsheulsusen angeht: hat sich irgend jemand mal darüber beschwert, daß Staatspapiere stets und ständig bei der Zentralbank zu Geld gemacht werden können? Nein? Dann scheint das „Argument“ auch nicht so wirklich stichhaltig zu sein – der Beweis dafür steht jedenfalls noch aus.

Was man inzwischen von Irland zwangsweise lernen muß ist, daß monetäre Probleme auch einer monetären Lösung bedürfen – und nicht eine vermeintliche „reale“ Lösung á la Austerität das Mittel der ersten Wahl ist, welche immer darauf abzielt vermeintlich „reale Gelder“ – Einkommen – für eine Tilgungsstrategie einzusetzen, die aus logischen Gründen ein monetäres Problem nicht lösen können. Das ist auch eine Einsicht in die Spielregeln von Globalisierung: die Einkommen aus Spekulationen, die Quasi-Renten aus (Bau-)Boomphasen sowie die Gewinne aus Scheinkosten bei öffentlichen – getürkten – Auftragsvergaben sind immer dann, wenn es zu einem ‚showdown’ der Abschreibungen kommt, stets schon auf den Cayman Islands, den Bermudas oder meinetwegen auf den Seychellen. Wozu also noch diejenigen behelligen, die – aus welchen Gründen auch immer – noch im Lande sind? Das Geld ist längst weg!

6 Kommentare

Eingeordnet unter Finanzmarkt, Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik

4 Tage im Dezember

Mühle01Nun ist ja die Weltgeschichte nicht arm an bedeutungsvollen Daten, ob nun die Iden des März oder ‚the 5th of November‘, aber ob nun die ‚…four-day period in mid-December…‘  (von 2012) dieses Potential hat in die (ökonomische) Geschichtsschreibung einzugehen, muß zwar abgewartet, darf aber in der Zwischenzeit bezweifelt werden. Obwohl: es geht immerhin um nichts Geringeres als einen umgekehrten „Volker-Moment“, der in der Rückschau durchaus als Sieg der US-Notenbank gegen die Inflation gesehen werden muß.

Zur Erinnerung: 1979 wurde P. Volcker zum ‚chairman‘ der FED ernannt und wurde in der Folgezeit durch eine geldpolitische Strategie bekannt, die durch eine strikte Geldmengenverknappung geprägt war. Dies erfolgte vor dem Hintergrund steigender Inflationsraten in den 70er Jahren, deren Höchststände durch das deutliche Überschreiten der 10% Marke geprägt waren. Der Verlauf der ‚disinflation‘ war durch so schöne Dinge wie Rezession, steigende Arbeitslosigkeit und Unternehmenszusammenbrüche, ganz zu schweigen von den Insolvenzen etlicher 3.Welt-Staaten geprägt. Der „Lohn“ dieser Politik wird in den 20 Jahren ‚great moderation‘ gesehen, eine Phase, die mit Globalisierung, niedriger Inflation und steigender „Weltprosperität“ in Verbindung gebracht wird. So weit der Kinderkram!

Nun ist die Diskussion um den „Volcker-Moment“ schon etwas älter und betrifft eher die Diskussion um das sogenannte ‚NGDP-targeting‘, wo als inzwischen nicht mehr neuester Schrei der ökonomischen Hexenküche allen Ernstes vorgeschlagen wird, die Zentralbank möge doch eine Steuerung des nominalen Was-auch-immer-Sozialprodukts vornehmen. Dies deswegen, weil ja das ‚real GDP‘ sich durch monetäre Maßnahmen angeblich nicht verändern ließe, da ja nach Dafürhalten der Theorie der rationalen Erwartungen die Individuen durch Geldmengenveränderungen nicht getäuscht werden können, sie mithin frei von Geldillusion seien. Heiliger Bimbam – dagegen ist ja Bimbes was Reales!

Doch jenseits aller möglichen ökonomischen Phantasiewelten scheint sich inzwischen anzudeuten, daß Zentralbankpolitik zur letzten verbliebenen Politikoption geworden ist, was sich an dem Widerspruch zeigt, einerseits die Unabhängigkeit der Zentralbank aufs Innigste zu beteuern, während auf der anderen Seite die Zentralbanken zunehmend das Geschäft der Konjunkturpolitik zwar nicht de jure, aber immerhin de facto übernehmen, zu der die Politik aufgrund vielfältigster Selbstbindungen immer weniger in der Lage ist. Im Gegensatz zu der damaligen Volcker-Politik der Inflationsdämpfung hat die Geldpolitik heutzutage jedoch die ungleich undankbarere Aufgabe eine ökonomische Verhaltensänderung, und zwar hinsichtlich einer Steigerung der Investitionsneigung hervorzurufen, deren Ergebnis ein möglichst fühlbarer Wirtschaftsaufschwung sein möge.

Dabei werden zwei Dinge entweder übersehen oder als selbstverständlich gegeben betrachtet:

a) Zum einen kann eine Zentralbank, wenn sie expansiv wirken möchte, lediglich ein Angebot machen, um eine Steigerung des „Geldumlaufs“ zu bewirken, im Gegensatz zu einer Restriktionspolitik ist sie dabei jedoch stets auf die Mitwirkung ihrer ‚counterparts‘ angewiesen. Immerhin besitzt eine Strategie der Liquiditätsausweitung aufgrund der unbeschränkten Liquidität der Zentralbank eine vergleichsweise hohe Erfolgswahrscheinlichkeit.

und

b) Zum anderen ist die Vorstellung, daß die Senkung eines möglichst langfristigen Zinses eine wesentliche Voraussetzung für Investitionen sei, aus einer Theorie geboren, welche einmal voraussetzt, daß sich aufgrund von Preissenkungen für ein Wirtschaftsgut eine korrespondierende Steigerung der Nachfrage nach eben diesem Gut (quasi-per-definitionem) einstellt, sowie daß eine Zinssenkung – wenn schon keine hinreichende – so doch wenigstens eine notwendige Bedingung für die (mehr oder weniger marginale) Steigerung der Rentabilität von Investitionen sei. Daß es sich dabei um eine mikroökonomische Betrachtung handelt, die durch die allgemeinen Umsatzerwartungen der Unternehmer in keiner Weise gedeckt sein muß, läßt diesen Aspekt des hochwohlgelobten Transmissionsmechanismus als schwächstes Glied erscheinen.

Das Frappierende an der ganzen Angelegenheit ist jedoch, daß in diesen 4 Tagen, in denen die FED, die BOJ und die BoE zu einem Doppelmandat hinsichtlich des Ziels „Arbeitslosenrate“ eingestimmt wurden, die EZB in keiner Weise – zumindest offiziell – gewillt ist, eine multipolare Zielstellung – Geldwertstabilität plus Arbeitslosenrate, das Revival der „Phillips-Kurve“ – überhaupt auch nur anzudeuten.

Der Knaller ist also: die EZB ist die einzige (wenn man China mal ausnimmt) bedeutende Zentralbank, die immer noch ein monodimensionales Ziel verfolgt, da offenbar der Einfluß der Bundesbank immer noch groß genug ist, um in Europa das Primat der Politik der Strukturveränderungen durchsetzen zu können. Das erinnert an die Situation nach der Wende, als auch nicht klar war, wie sich die BRD hinsichtlich der „Kosten der Vereinigung“ positioniert. Das Ergebnis ist bekannt. Statt zwei Prozent Mehrwertsteuer (Wahlkampf CDU) wurden drei Prozent (Koalitionsbeschluß CDU-SPD) zusätzlich erhoben und damit die Staatsverschuldung auf ein erträgliches Maß begrenzt. Das gleiche Muster kündigt sich auch hier an. Die Schäuble-Nummer beruht auf dem gleichen Spiel – nur eine Nummer größer!

Man mag zwar sagen, daß die Politik der EZB auch nicht den Statuten, wie sie in Maastricht vereinbart wurden, entspricht, aber unter den Blinden ist die EZB genau dann einäugige Königin, wenn sie sich der Versuchung versagt, die Frage der Förderung einer nachhaltigen, industrielastigen Ökonomie mit einer Ausweitung des Liquiditätspotentials beantworten zu wollen. Die viel kolportierte Binsenweisheit, daß mit Zentralbank-Geld(-Politik) keine nachhaltige Konjunkturentwicklung  erzeugt werden kann ist ja insofern richtig, als es immer der Kooperation der Unternehmen (und nicht der Liquidität saugenden „Finanzmärkte“) bedarf, um „anständige“ Resultate hervorzubringen.

Das macht aber die 4-Tage-Geschichte auch so kurzläufig: der Irrglaube der FED etc. besteht darin, mit Hilfe der Zinsbeeinflussung aus der vermeintlichen(!) einzelwirtschaftlichen Steigerung der Rentabilität schlußfolgern zu wollen, daß damit auch eine gesamtwirtschaftliche Rentabilität erzeugt wird – und damit das seit Jahren virulente Krisenphänomen des Kapitalismus adressiert werden kann. Das ist aber nicht der Fall, denn die Erhöhung des Volumens der Zahlungsmittel – was anderes kann eine Zentralbank nicht – macht noch keine Konjunktur aus. (Wer an die Schwalbe und den Sommer denkt, denkt richtig!) Konjunktur ist dann, wenn die Leute kaufen wie blöde – sonst nicht, das hat aber mit Zentralbankpolitik nichts zu tun – Ricardo-Barro-Neutralitätstheorem hin oder her!

Wäre es so, dann würden die Unternehmen auch so reagieren, wie es die anglo-Ökonomie es vorsieht – allein so ist es nicht und wird es auch nicht mehr werden – allen treuherzigen Beteuerungen seitens der Wirtschaftsforschungsinstitute und der versammelten Presse und leider auch der GfK zum Trotz.

Verfluchte Makroökonomie!

29 Kommentare

Eingeordnet unter Ordnungspolitik, Wirtschaftspolitik