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Irländische Lehren

Deutsche BankManchmal ereignen sich Umwälzungen, deren Tragweite sich nicht auf den ersten Blick erschließen. So oder ähnlich muß es dem wirtschaftspolitischen Beobachter erscheinen, der sich nur noch darüber wundern kann, mit welcher Gleichgültigkeit es hingenommen wird, daß das „heiligste“ Prinzip der europäischen Geldpolitik mit aller Seelenruhe ausgehebelt wird. Denn die irische Umschuldung ist der deutschen Presse kaum Aufmerksamkeit wert. Gerade so wie die EZB es formulierte wird dieses Ereignis „einstimmig zur Kenntnis genommen“. So als wäre nichts in den letzten Jahren hinsichtlich einer Konsolidierung von Staatsschulden passiert. Als ob es keinen Fiskalpakt mit Schuldenbremse gegeben hätte, genauso als würde es kein Verbot der Finanzierung von Staaten geben, welches stets und ständig als heiligstes Prinzip der Zentralbankpolitik gegolten hat. So zumindest die Position einer ökonomischen Orthodoxie, die ihr Credo eigentlich inzwischen nachhaltig mit Füßen getreten sehen müßte. Ein #Aufschrei scheint in diesem Fall nicht zu erfolgen.

Nun gibt es ja auch die andere Version der Behandlung nicht einbringlicher Schulden, die sich aus der Erkenntnis ergibt, daß auch vermeintlich unlösbare Probleme einer Lösung bedürfen. Auf nicht-staatlicher Ebene gibt es ja dafür seit langem die Institution der Insolvenz, ganz gleich ob in ihrer unternehmerischen oder der privaten Ausprägung. Nun ist zwar ein Staat kein privates Wirtschaftssubjekt, doch sind auch auf dieser Ebene Schuldenprobleme dann einer Lösung zuzuführen, wenn es sich erweist, daß die Behandlung eines Schuldproblems durch Maßnahmen, die auf eine Konsolidierung der fraglichen Schuldenstände mittels Austerität abzielen, nicht erzielt werden kann. Dieser Punkt war bei Irland erreicht. Die Lösung, die Irland für sich (witzigerweise) mit der Zustimmung der EZB gefunden hat, ist im Prinzip das Gleiche, was Japan, England und die USA auf eine etwas andere Weise ohnehin schon länger betreiben, nämlich die Finanzierung von Staatsschulden durch die Notenbank. Der Unterschied ist: dies findet erstmalig im EURO-Raum statt, was angesichts der bisherigen Dominanz deutscher Währungspolitik im EURO-Raum durchaus als Novum gesehen werden muß.

Was allerdings das eigentliche Novum ist, ist die Tatsache, daß damit ein Element der Vernunft in die europäische Geldpolitik eingekehrt ist, was der offiziellen Linie der EZB-Geldpolitik diametral widerspricht. Dennoch, es geht nun mal kein Weg daran vorbei: untragbare Staatsschulden können nicht durch eine noch so harte Politik der Austerität aufgefangen werden. Das ist so – sämtlichen mehr oder weniger einschlägigen Wirtschaftsgutachten und auch dem IWF zum Trotz (dieser Trotz ist jedoch erkenntnisgeleitet und nicht aus fundamentaloppositionellen Erwägungen motiviert). Das ist auch schon deswegen so, weil diese Schulden eine Konsequenz privater Fehlspekulation gewesen sind. Für diejenigen, die sich ein bißchen in der ökonomischen Diskussion hinsichtlich des Charakters von Staatsschulden auskennen: die gesamte Theorie der Staatsschulden hat sich nie damit beschäftigt, daß Staatsschulden aus Umschuldung privater Schulden entstehen. Und damit muß man auch nach den Entwicklungen der letzten Jahre nicht anfangen. Denn es gibt keinen Grund dafür, eine Argumentation zu entwickeln, daß private Schulden zu öffentlichen Schulden werden müssen. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß sich irgendwelche Trottel dieser Aufgabe widmen, was auch nur ein Ausdruck davon wäre, daß sich buchstäblich alles – bis hin zu der Ökonomie der Ehe – in irgendwelche scheinheiligen „ökonomischen“ Kriterien pressen ließe.

Die letzte Konsequenz aus der irischen Strategie nicht tragbare Staatsschulden zu behandeln ist darin zu sehen, daß es weder einen nachhaltigen ökonomischen noch einen politischen Erfolg versprechen kann, durch Austeritätsmaßnahmen zu Ergebnissen zu kommen, die eine nachhaltige Reduzierung des untragbaren Schuldenstandes gewährleisten würden. Wenn man so will, ist die irische Lösung eine Variante dessen, was üblicherweise unter dem Label „Schuldenschnitt“ propagiert wird. Denn durch die irische Lösung werden öffentliche Schulden, deren Bedienung politisch nicht tragbar erscheinen, in einen permanent zu prolongierenden Buchungsposten umgewandelt, dessen Existenz niemanden zu bekümmern braucht. Nicht mal die darauf zu zahlenden Zinsen sind einer Erwähnung wert, werden sie doch nach Zahlung an die Zentralbank als Zentralbankgewinn postwendend wieder an den staatlichen Zahler zurücküberwiesen. Was die Inflationsheulsusen angeht: hat sich irgend jemand mal darüber beschwert, daß Staatspapiere stets und ständig bei der Zentralbank zu Geld gemacht werden können? Nein? Dann scheint das „Argument“ auch nicht so wirklich stichhaltig zu sein – der Beweis dafür steht jedenfalls noch aus.

Was man inzwischen von Irland zwangsweise lernen muß ist, daß monetäre Probleme auch einer monetären Lösung bedürfen – und nicht eine vermeintliche „reale“ Lösung á la Austerität das Mittel der ersten Wahl ist, welche immer darauf abzielt vermeintlich „reale Gelder“ – Einkommen – für eine Tilgungsstrategie einzusetzen, die aus logischen Gründen ein monetäres Problem nicht lösen können. Das ist auch eine Einsicht in die Spielregeln von Globalisierung: die Einkommen aus Spekulationen, die Quasi-Renten aus (Bau-)Boomphasen sowie die Gewinne aus Scheinkosten bei öffentlichen – getürkten – Auftragsvergaben sind immer dann, wenn es zu einem ‚showdown’ der Abschreibungen kommt, stets schon auf den Cayman Islands, den Bermudas oder meinetwegen auf den Seychellen. Wozu also noch diejenigen behelligen, die – aus welchen Gründen auch immer – noch im Lande sind? Das Geld ist längst weg!

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Fiskalpakt und Geldvermögen: eine unheilige Ehe

Die meisten Menschen kennen den Witz von dem Betrunkenen, der nachts an eine Laterne gelehnt auf den Boden starrt. Von einem Passanten angesprochen erklärt er, daß er seinen Schlüssel suche. Auf die Nachfrage, wo er ihn verloren habe, antwortet er, daß er seinen Schlüssel irgendwo im Dunklen verloren habe, aber er nur hier an der Laterne suchen könne, weil es hier heller sei. Man lächelt darüber, weil so unmittelbar einsichtig ist, daß die Lösung an einer falschen Stelle gesucht wird und mit diesem Ansatz endlos fortgesetzt werden kann.

Man sollte sich allerdings darüber klarwerden, daß derartige Absurditäten keinesfalls nur derartige Karikaturen betreffen. Wie man weiß, schreibt das Leben intensivere und realistischere Geschichten, als Geschichtenerzähler jemals erfinden können. Eine der schönsten Beispiele für derartige Verirrungen findet sich immer dann, wenn wieder mal der Versuchunternommen wird, auf die Existenzialfrage des Kapitalismus – die Nachhaltigkeit von Schuldbeziehungen – dahingehend eine Antwort zu formulieren, die Lösung in politischen Korrekturen bzw. in höheren politischen „Strukturen“ zu suchen. So läßt sich durchaus vermuten, daß die politische Lösung Fiskalpakt und ESM allenfalls Lösungen für ein politisches Problem sind und die Verbrämung mit ökonomischer Terminologie nicht das ökonomische Problem der EURO-Zone adressiert.

So vorbereitet hat man instinktiv das Gefühl, daß diese Lösung auch keine Lösung darstellt. Denn die Vergrößerung von Aufsichts- und Kontrollproblemen kann nur dann erfolgreich sein, wenn das was kontrolliert und beaufsichtigt werden soll, auch kontrolliert und beaufsichtigt werden kann. Dies darf man nach allem, was im Verlauf der kurzen Geschichte des EURO vorgefallen ist massiv bezweifeln. Und vor dem Hintergrund, daß souveräne Staaten immer alternative Entscheidungsmöglichkeiten haben ist fraglich, ob die Durchsetzungsfähigkeit von Regeln überhaupt wirksam gestaltbar ist. „In einer Union aus Demokratien ist es unmöglich, souveräne Länder zur Einhaltung von Regeln zu zwingen, wenn diese von Bürgern dieser Länder nicht mehr akzeptiert werden.“ Daniel Gros

Die unsubstantiierte Erwartung, daß die Hypertrophierung von Kontroll- und Aufsichtsinstitutionen das ökonomische Problem lösen, wie das Geflecht interdependenter Schuldbeziehungen auf ein nachhaltiges Maß zurückgeführt werden kann, ist mehr als naiv. Und das ausgerechnet vor dem Hintergrund, daß die Diagnose der ökonomischen Krise je nach Gusto wahlweise in einer „Ansteckungstheorie“ (Lehman), in einer zu „billigen Geldschöpfungstheorie“ (fiat-money), in einer falsch berechneten „Risikodiversifizierungstheorie“ (Bankenkrise) oder in einer „Sozialausgabentheorie“ (Staatsschulden) gesehen wird. Denn von einer Lösung müßte man erwarten können, daß sie alle Einzelaspekte, wenn schon nicht umfassend, so doch von der Tendenz her zu lösen geeignet ist.

Was ist der Fiskalpakt statt dessen? Die Geburtsurkunde eines verwaltungstechnischen Monstrums, über dessen Wirkungsweise und Effektivität so gut wie nichts bekannt ist. Bekannt ist nur eins: die Erwartungen, die er erfüllen soll, die sich dahingehend präzisieren lassen, daß die „Märkte“ wieder ihrer Aufgabe der Staatsfinanzierung nachkommen mögen. Im Wesentlichen werden also mit dieser Konstruktion lediglich politische Aspekte adressiert und die eigentliche Frage, wie mit den hinter den Ausprägungen der Krise noch existierenden Ursachen umgegangen werden soll, schlichtweg ignoriert. Dabei sollte man sich passenderweise vergegenwärtigen, daß in der politischen Diskussion im wesentlichen nur Krisenerscheinungen diskutiert werden und nicht die originären Aspekte, welche das transnationale Schuldengeflecht zu einem Problem machen.

Das ist das eigentliche Desaster: daß nämlich der Fiskalpakt lediglich ein politisches Problem löst, die Verantwortung für die Entwicklung der nationalen staatlichen Schuldenstände auf ein supranationales Gremium zu verschieben, so daß nationale “Fehlentwicklungen” nicht mehr der jeweiligen Administration zurechenbar sind. Wenn man so will wird damit eine Pseudolösung für ein Pseudoproblem formuliert, weil die Ursachenzurechnung der vermeintlichen EURO-Krise auf die überbordende Staatsverschuldung nur das Randproblem privatwirtschaftlicher Geldvermögensbildung betrifft. Denn wie soll sich denn privates Geldvermögen sonst “sicher” anlegen lassen, wenn die privatwirtschaftliche Verschuldungsbereitschaft aufgrund der sinkenden Gewinne inzwischen sehr zu wünschen übrigläßt. Denn hier liegt eine der wesentlichen Ursachen für die Aufblähung der gesellschaftlichen Verschuldungsstände, daß nämlich die private Nachfrage nach sicheren Geldvermögensforderungen durch die unternehmerische Verschuldung nicht mehr alimentiert werden kann und damit Staatsschulden nicht Ausdruck sozialpolitisch motivierter Verschwendungssucht sind, sondern die Tendenz reflektieren, Geldvermögen in sicheren zinstragenden Titeln anzulegen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Staatsschulden sind nichts anderes als der buchhalterische Gegenposten des privaten “Sparens”.

Wiewohl das nun wirklich keine neue Erkenntnis ist, wird der wirtschaftspolitische Diskurs immer noch mit dem Fokus der Schädlichkeit von Staatsschulden geführt, womit automatisch der zwangsläufig einhergehende Aspekt, nämlich die Akkumulation von Nettogeldvermögen des privaten Sektors, ausgeblendet wird. Und damit schließt sich der Kreis zu dem eingangs angeführten Betrunkenen, der die Lösung seines Problem dort sucht, wo er suchen will, die komplementäre Seite der Geschichte jedoch im Dunklen beläßt. Diese Unterlassung – die Existenz von positivem Nettogeldvermögen und dem dualen Gegenstück, dem negativen Nettogeldvermögen, gedanklich nicht als Einheit zu sehen – macht die Diskussion um die Schuldenkrise zu einem besonderen Beispiel diskursiver Skurrilität.

Das Mantra: “Sparen gut, Schulden böse” hat sich anscheinend zu einem politikleitenden Popanz entwickelt und ist inzwischen dabei die Erkenntnis zu verstellen, daß der Kreditgeldkapitalismus sein Lebenselixier daraus bezieht, daß Schuldrelationen im Vertrauen auf eine regelmäßige Bedienung (nicht Tilgung!) eingegangen werden. Dieses Prinzip – in Verbindung mit der Abschreibung fehlgeschlagener Investments – macht jedoch den Erfolg des Kreditgeldkapitalismus aus.

Man kann mit “Schuldenbremsen” natürlich versuchen diese Kraftquelle zu verstopfen. Die “Märkte” wird man bei den dann eintretenden Folgen jedenfalls in keiner Weise beeindrucken können!

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