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Die Fallen zwischen Strömen und Beständen

HeringsdorfEs ist immer wieder interessant, wie sich bestimmte Sprachspiele dazu verdichten können aus lauter Denkfaulheit zu einer meist unhinterfragten „Wahrheit“ zu werden. Eines der gängigsten Beispiele aus der öffentlichen Geldsystemdiskussion ist die vermeintliche Erkenntnis: „Der Zins wird bei der Schöpfung des Kredits nicht miterschaffen.“ Aus der sich dann meist nahtlos anschließenden „Beweisführung“, daß ein einzelner Schuldner einen Kredit vom Jahresanfang nicht inclusive Zinsen zurückzahlen kann wird dann geschlossen, daß das mit dem „Geldsystem“ so nicht funktionieren kann. Dabei funktioniert bei einer derartigen Argumentionsweise etwas anderes nicht.

Was dem Leser bei derartigen Ausführungen stillschweigend untergejubelt wird ist eine Gleichsetzung, die aus der Argumentationsführung zwar plausibel erscheint, bei näherer Sicht jedoch elementar unterschiedliche Sachverhalte der ökonomischen Analyse miteinander vermengt. In einer ersten Annäherung an dieses Mißverständnis kann man schon mal darauf hinweisen, daß Zinsen eine Stromgröße sind, während eine – wie auch immer definierte – Geldmenge eine Bestandsgröße darstellt. Wenn man also meint, daß durch Zinsen die Geldmenge vergrößert wird, verwechselt man Äpfel mit Birnen (was wenigstens noch Obstsalat ergibt) – ein typischer Anfängerfehler!

Am einfachsten ist es sich mit den Begriffen Stromgröße, Bestands- und Bestandsänderungsgröße mal genauer zu beschäftigen. Das ist so etwas wie das 1×1 in der Ökonomie. Da man ausgerechnet bei diesem Thema das Rad nicht neu erfinden muß an dieser Stelle gleich mal dazu ein Paper, welches diese Begrifflichkeiten sehr schön auf den Punkt bringt.

Klicke, um auf W%201TU%20Bestand.pdf zuzugreifen

Das größte Verständnisproblem gibt es naturgemäß bei den Stromgrößen, weil die mit etwas verbunden sind, was man aus den entfernten Erinnerungen eigentlich aus der Schule noch kennen sollte. Bei den Bestandsgrößen ist es einfacher, denn den Bestand an Geld im Portemonnaie zu überprüfen fällt nun nicht gerade schwer. Auch die Bestandsänderungsgröße im Portemonnaie nachzuvollziehen ist einfach, denn die besteht entweder aus dem Zugang am Geldautomat, oder aus dem Abgang an Geld für den Kauf eines Lehrbuchs über volkswirtschaftliche Gesamtrechnung – ist natürlich nur ein Beispiel!

Was also sind Stromgrößen? Wie eben schon angesprochen ist der Zins eine Stromgröße, ebenso wie ein Gehalt oder auch alle anderen Einkunftsarten eine Stromgröße sind. Denn alle diese Stromgrößen haben etwas mit der Veränderung des Geldvermögens zu tun. Im Gegensatz dazu haben auch alle „Ausgabearten“ etwas mit der Änderung des Geldvermögens zu tun, nur „leider“ in entgegengesetzter Richtung indem sie das Geldvermögen schrumpfen lassen. So weit, so gut.

Dabei muß man sich in ökonomischer Hinsicht klar machen, daß Stromgrößen aus zwei (!) oder mehr einzelwirtschaftlichen Bestandsveränderungen erzeugt werden, die sich gesamtwirtschaftlich – hinsichtlich der globalen Bestandsgrößen – gegenseitig neutralisieren. Das liegt daran, daß die Ausgaben des Einen die Einnahmen des Anderen sind, so daß es isolierte Bestandsvermögensveränderungen im geldtheoretischen Bereich nicht geben kann. Anders gesagt: wenn der Käufer dem Verkäufer eine Summe Geld zahlt ändert sich nicht das – wie auch immer definierte – gesamtwirtschaftliche Geldvolumenaggregat. Denn was der eine vorher hatte, hat nun der andere, nicht mehr und nicht weniger.

Das betrifft auch die immer ins Feld geführten Zinszahlungen, die aus diesem Grund lediglich eine veränderte Verteilung der bestehenden „Geldmenge“ zwischen Zinszahler und Zinsempfänger bewirken und die gesamtwirtschaftliche Geldmenge weder vergrößern noch verkleinern. An dieser Stelle zeigt sich nicht nur, daß Stromgrößen stets zu zwei Bestandsänderungsgrößen führen, die sich gesamtwirtschaftlich gegenseitig aufheben, sondern auch, daß Zinsforderungen, sobald sie beglichen sind, nur noch dazu da sind in der Steuererklärung aufzutauchen. (Gilt nicht für Hoenesses – oder sagt man Hoenesse? 🙂 )

Das weist auf ein Mißverständnis hin, welches in Diskussionen über Ökonomie regelmäßig aufkommt und inbrünstig gepflegt wird, weil die Begriffsabgrenzungen zwischen dem „gesunden Menschenverstand“ und der ökonomischen Fachsprache doch nicht so selbstverständlich sind, wie oft gedacht. So wird landläufig davon gesprochen, daß Einkommen ausgegeben wird oder daß der „Zins gespart“ wird und damit die effektive Nachfrage sinkt. Wenn man sich die gerade genannten Aspekte ansieht wird man ziemlich schnell feststellen, daß an derartigen Aussagen etwas nicht stimmen kann. Würde es stimmen, dann würde daraus folgen, daß man z.B. eine Stromgröße konsumieren kann.

Das ist natürlich Quatsch, denn wie man auch aus dem verlinkten Paper erkennt beschreibt eine Stromgröße die Veränderung einer Bestandsgröße über einen bestimmten Zeitraum. Doch auch wenn es interessant sein mag den Zuwachs des Geldvermögens pro Zeiteinheit zusammenzurechnen bleibt es dennoch Tatsache, daß das, was für den Konsum ausgegeben wird (Geld wird nämlich nicht konsumiert – außer von Dagobert Duck) nicht Einkommen sondern Geld ist. Denn ein Verkäufer erwartet eine Zahlung in Geld und nicht in Einkommen! Genausowenig kann man sein „Einkommen akkumulieren“, sondern nur das GELD, welches aus einem Einkommensanspruch das eigene Geldvermögen erhöht. Das heißt, der Begriff Einkommen (welcher Art auch immer) bezeichnet essentiell ein Maß für die (z.B. jährliche) Summe von Leistungstransaktionen, die zu Geldvermögensänderungen führen. Deswegen besitzen die Stromgrößen auch die Maßeinheit: Geldeinheiten PRO Zeiteinheit!

Umgekehrt: zu behaupten, daß Einkommen akkumuliert werden können ist etwa so als würde man sagen, daß eine konstante Geschwindigkeit „akkumuliert“ werden könnte, die ähnlich dazu die Maßeinheit Distanzänderung PRO Zeiteinheit aufweist. Das heißt, eine monetäre Größe, welche die Dimension PRO Zeiteinheit aufweist kann nicht akkumuliert werden, sondern nur das, was als Konsequenz eines z.B. Leistungsanspruchs zu übertragen ist: GELD! Diese Übertragung wiederum betrifft jedoch ausschließlich die (jeweiligen) Bestandsänderungsgrößen.

Und damit kommt man urplötzlich an den Kern dessen, was eine Stromgröße tatsächlich ist: eine Änderungsrate! Falls jetzt den einen oder anderen ein schlechtes Gewissen beschleicht, man hätte in der Schule bei der Analysis nicht Liebesbriefchen schreiben sollen: ja, es ist berechtigt. Denn die Änderung einer Größe (z.B. des Geldvermögens) im Verhältnis zu der Änderung einer anderen Größe (üblicherweise die Zeit) ist das, was seinerzeit im Mathematikunterricht als die 1. Ableitung einer (üblicherweise stetigen) Funktion vorgestellt wurde. Die 1. Ableitung (f ‚ (x), bzw. f ‚ (t) bei Ableitung nach der Zeit) einer Funktion besagt üblicherweise, wie sich die Funktion (lokal) verändert; ist f ‚ (t) > 0 vergrößert sich das Geldvermögen während dieses Zeitraumes, ist f ‚ (t) < 0 verringert es sich.

Diese Geschichte wird dann besonders plausibel, wenn man sie auf den Zins anwendet, denn dieser ist quasi die Wachstumsrate eines verliehenen Geldbetrages: dG/dt. (Die meisten machen aus Pikiertheit vor dem Wort „Geld“ den Mißgriff, hier das Wort „Kapital“ einzusetzen; dabei ist die Verwirrung hinsichtlich der Interpretation dieses Begriffes noch viel größer!) Und insbesondere beim Zins hat sich die Unsitte eingeschlichen stillschweigend davon auszugehen, daß die Wachstumsrate des Geldbetrages auch gleichbedeutend mit einer Erhöhung des verzinslich angelegten Geldbetrages sei – gewissermaßen das Modell „Sparbuch“. Dabei ist es keineswegs selbstverständlich, daß ein gezahlter Zinsbetrag von dem Schuldner automatisch zu der zu verzinsenden Geldsumme hinzugeschlagen wird – eigentlich ist das nur bei dem Sparbuch und den Staatsschulden der Fall (für Kenner: Domar-Theorem). (Und wo die Zinsen für Sparbücher und – u.a. deutsche – Staatsschulden gerade stehen, sollte hinlänglich bekannt sein!)

Wofür muß man das alles wissen? Für den aktuellen Fall deswegen, um solche Aussagen wie die oben zitierte richtig interpretieren zu können. Denn wenn man sich in Anbetracht der vorstehenden Erläuterungen die Aussage:

„Der Zins wird bei der Schöpfung des Kredits nicht miterschaffen.“

korrekt „übersetzt“ kommt auf einmal folgendes heraus:

„Die Wachstumsrate des Geldbetrages (= der Zins) wird bei der Erteilung des Kredits nicht miterschaffen.“

Das kann man nun auf zwei Arten interpretieren:

a) Die Aussage ist Unsinn, weil ja eine Wachstumsrate eben kein Geld ist und dieses Wachstumsrate als Geld aufgrund der Inkommensurabilität von Geld und Wachstumsraten durch den Kreditgeber eben nicht „miterschaffen“ werden kann.

oder

b) Die Aussage ist insofern richtig, weil mit der Krediterteilung die Wachstumsrate des Geldbetrages durch die Zinsvereinbarung mit festgelegt wird. Aber auch dann ist eine Wachstumsrate kein Geld.

Und wie kommt nun der arme Geldverleiher an das ihm zustehende Geld, welches er aufgrund des Zinsanspruchs bzw. Zinseinkommens zu erwarten hat? Richtig, er bucht eine Bestandsänderungsgröße, nämlich den ihm zufließenden Geldbetrag als Zugang zu seinem Geldvermögen.

Fazit: der grundlegende Anfängerfehler bei der Behandlung von Wachstumsraten und Bestandsveränderungen liegt darin, daß üblicherweise nicht sauber auseinandergehalten wird, worüber denn gerade eigentlich gesprochen wird. Im harmlosen Fall sind es solche Kuriositäten wie die eben diskutierte These einiger „Geldsystemreformer“, die ihren Irrtum tatsächlich als Schlüssel für den Entwurf eines „besseren“ Geldsystems aktiv verfechten (und damit nicht nur Menschen desinformieren, sondern auch ganz gut ihr Schäfchen ins Trockene bringen. Diese Blaupause haben die sich bei den „Zeugen“ abgeschaut.) Weniger harmlos wird die Geschichte dann, wenn die Verwechslung von Anspruch (Stromgröße) und Geldtransfer (Bestandsveränderung) dazu führt, daß manche Organisationen tatsächlich mit Hilfe „basisdemokratischer“ Mittel wie Volksabstimmungen versuchen den Banken etwas zu verbieten, was sie überhaupt nicht tun: nämlich „Geldschöpfung“ zu betreiben. Immerhin wird im Sommer dieses Jahres die Schweizer Bevölkerung dazu aufgerufen darüber abzustimmen, ob sie den Banken die „Schöpfung von Giralgeld“ verbieten wollen. Sancta Simplicitas!

Das liegt ähnlich wie bei der mangelhaften Differenzierung von Stromgrößen (Wachstumsraten) und Bestandsänderungsgrößen (Eingang des Einkommensanspruchs) an der in diesem Fall mangelnden Differenzierung zwischen Geldansprüchen bzw. Sichtforderungen (Falschbezeichnung: Giralgeld) und der tatsächlichen Verfügung über Geldansprüche (Überweisung = Ausübung eines Verfügungsrechts über Zentralbankgeld), die dann auch zu einem Transfer von Zentralbankgeld (und nicht nur von „Ansprüchen“) führt.

Man mag das alles als Glasperlenspiel empfinden, nur leider entscheidet sich an solchen „Kleinigkeiten“, ob es überhaupt noch zu einem sinnvollen ökonomischen Diskurs kommen könnte, der wenigstens ein bißchen den Anspruch erheben kann, eine (halbwegs) saubere terminologische (bzw. semantische) Grundlage zu haben. Für diejenigen, die das einmal geblickt haben wird die ökonomische Kommentatoren- und Wirtschaftsredakteurswelt auf einmal zu einer Fundgrube von Fehlleistungen: da braucht man auch keine Mickey Mouse mehr. Und man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß die sich zu ökonomischen Sachfragen äußernden 99% bei der Buchhaltung bzw. der VGR nur geschnarcht haben.

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Paradigmatische Aspekte von I und S

puppi0Heiner Flassbeck hat einen Aufruf gestartet das Rätsel von Sparen und Investieren noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Ich bin mit dem folgenden Beitrag insofern diesem Aufruf zwar insofern nicht gefolgt, als ich auf die außenwirtschaftlichen Aspekte an dieser Stelle nicht eingehe. Aus grundsätzlicher Perspektive habe ich mir die Ausführungen jedoch unter die Lupe genommen und denke, daß eine umfassende Antwort auf das ’savings conundrum‘ (mindestens) drei Bereiche umfassen müßte.

1. Real vs. Monetär

Die Behandlung des I = S Themas kann nicht davon getrennt werden, daß es sich hierbei um zwei Denkrichtungen handelt, von denen die eine in einer ausformulierten Version vorliegt. Die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts kann im Grunde genommen als die Basis der Neoklassik verstanden werden, da sich alle Argumente hinsichtlich dieses Problemkreises auf die darin enthaltene Logik der relativen Preise beziehen. Legt man dieses Weltbild zugrunde sind alle widersinnig erscheinenden Thesen der Neoklassik logisch ableitbar, was dann zu den von Ihnen angemerkten widersinnigen Resultaten eines Mayer führt. Der Punkt den ich damit herausstellen will ist, daß es keinen Erfolg versprechen kann mit modellimmanenten Argumentationen gegen Vertreter dieser Theorie vorzugehen, weil denen stets der Rückhalt eines konsistenten Denkmusters zur Verfügung steht.

Das führt dazu konstatieren zu müssen, daß es ein derartiges vergleichbar konsistentes Denkmuster auf Seiten der Kritiker des ‚mainstream‘ nicht gibt, auch wenn einige Ansätze durchaus eine hohe Qualität aufweisen. Das macht es naturgemäß schwierig gegen die Orthodoxie einen Fuß auf die Erde zu bekommen. Dennoch ist es nicht aussichtslos zu einer (Kredit-) Geldtheorie zu kommen, welche eine vergleichbar konsistente Ordnung aufweist, um damit der Neoklassik etwas Ebenbürtiges entgegenzustellen.

Das führt mich schon zu Punkt

2. Begriff der Investition

Der Investitionsbegriff der Neoklassik ist real orientiert, so daß man stets im Kopf behalten muß, daß damit keine monetären Ausgaben verbunden sind. Das wird dadurch überlagert, daß üblicherweise von monetären Größen gesprochen wird, obwohl sich eine derartige Argumentation aufgrund der realen Grundkonzeption der Neoklassik eigentlich verbietet. Das wird immer wieder dann deutlich, wenn Kritik an der Neoklassik geübt wird und deren Vertreter dann immer wieder darauf zurückgreifen müssen, daß es ja eigentlich nicht das Geld sei, welches eine Investition ausmachen würde. Die Mimikry der Neoklassik, über Geld zu reden aber gleichzeitig reale Güter zu meinen ist manchmal schwer zu durchschauen, so daß sich die Kritik gelegentlich davon irritieren läßt.

Dabei wird doch gerade für den deutschen Sprachraum nahegelegt, daß Investition als eine monetäre Angelegenheit zu behandeln ist. Denn man kann das Diktum von Kruschwitz: „Eine Investition ist eine Zahlungsreihe, die mit einer Auszahlung anfängt.“ durchaus ernst nehmen, indem man es zum Ausgangspunkt einer Geldtheorie macht, die sich nicht mehr von dem Realanspruch (principles) der Neoklassik beeindrucken lassen muß.

Letzteres hat aber bereits Auswirkungen auf den Investitionsbegriff bzw. auf den Begriff der Ersparnis. Denn Investition als Ausgabe (Auszahlung) zum Kauf von Produktionsfaktoren erzeugt automatisch Einkommen, so daß man als Status der Einkommenschaffung konstatieren muß: 1000€ Kredit aufgenommen, 1000€ Einkommen und gleichzeitig 1000€ Ersparnis geschaffen. Der Punkt dabei ist: solange der Kredit nicht getilgt wird/ ist, bleiben die dadurch erschaffenen Nettogeldvermögen erhalten und verteilen sich allenfalls von den Einkommensempfängern zu den Unternehmen.

Wenn man das aber auf diese Weise zu sehen gewillt ist, gewinnt die Keynes-Formel auf einmal einen anderen Stellenwert, so daß es dann nicht mehr

Q = I – S

heißt, sondern

I = Q + S

was letztlich anzeigt, daß das durch den Kredit geschaffene Nettogeldvermögen sich letzlich entweder bei den Haushalten oder den Unternehmen wiederfinden muß. Das Entscheidende dabei ist, daß sich die Summe Q + S solange nicht ändern kann, wie sich die Größe I nicht ändert, was nichts anderes bedeutet, als daß man durch noch so häufiges Ausgeben (flows) die Bestandsgröße Geldvermögen (stock) nicht reduzieren kann.

Ein derartiger Begriff der Investition grenzt sich jedoch von vornherein von einem Investitionsbegriff ab, der den Wert des Realkapitals zum Inhalt hat. Die Konsequenz dieser geldtheoretischen Interpretation ist, daß im Rahmen einer Geldwirtschaft Investition und Ersparnis nicht mehr simultan aus den preisgesteuerten Entscheidungen von Unternehmen und Haushalten entstehen, sondern aus Entscheidungen darüber ein Kreditverhältnis (dem im Nachgang die Einkommensbildung entspricht) zu begründen oder eben nicht. Letzteres ist jedoch nicht eine Entscheidung über reale Dinge, sondern über die Wahrscheinlichkeit, ob ein vergebener Kredit auch fristgemäß getilgt werden kann oder nicht. Für die I=S Problematik bedeutet das einerseits, daß I begriffen als einkommenschaffende Verpflichtungsgröße völlig unabhängig von S ist, oder schärfer formuliert, daß S völlig von der Entscheidung über I abhängig ist und somit eine eindeutige Kausalität begründet werden kann.

i

.

.

.

Das lenkt die Frage darauf, was es denn ist, was die VGR stets mit dem Begriff Ersparnis meint. Richtig ist, daß es diese Entscheidung der Haushalte über die Verausgabung ihres Einkommens tatsächlich gibt. Von einem vermögenstheoretischen Standpunkt gesehen entscheiden sie aber nicht über die Höhe der volkswirtschaftlichen Ersparnis, sondern lediglich über die Aufteilung der Ersparnis auf die Ersparnis der Haushalte sowie die Ersparnis der Unternehmer, mithin:

s

.

.

Wie von vielen Volkswirten bereits angemerkt, handelt es sich bei der Entscheidung der Haushalte über Konsum oder Ersparnis um die Entscheidung über die Verteilung des gegebenen Einkommens, jedoch nicht um die Determinierung von I, so wie es in der Neoklassik noch formuliert wird. Es ist lediglich so, daß man formulieren kann, daß ein hohes Q, d.h. hohe Gewinne möglicherweise die Unternehmer dazu anregen ihrerseits – und das in Verbindung mit den Banken, die das Geld für die Investition bereitstellen – steigende Investitionen zu tätigen. Q ist also lediglich ein Indikator dafür, daß die Unternehmer und Geldgeber sich darüber Gedanken machen, ob diese Sachlage auch für die Zukunft, wenn denn eine neue Investition beschlossen und umgesetzt ist, noch Bestand hat.

3. Die Funktion des Zinses

Diese Frage ist damit verknüpft, wer dasjenige zur Verfügung stellt, womit dann investiert werden soll. Die Neoklassik postuliert gemäß der Grenzproduktivitätstheorie ein Einkommen für Kapital, welches den Gebern der Investitionsgüter an die Unternehmen zum Zwecke der Produktion zufließen solle. Dabei ist festzuhalten, daß in der Neoklassik Investition nichts mit monetären Dingen zu tun hat, denn zwischen Unternehmen und Haushalten werden nur relative Tauschraten vereinbart und Güter übergeben. Daß Neoklassiker – damit es nicht so weltfremd klingt – gerne auch darüber reden, daß ja das (monetäre) Sparkapital erst von den Haushalten bereitgestellt werden muß, um dann für Investitionen Verwendung zu finden, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß für sie die Verwendung von Geld lediglich ein identisches Abbild dessen ist, was in der Realtheorie ohnehin schon richtig sein soll. (Die ‚principles‘ bleiben halt dominant und ‚money‘ ist lediglich der passive Reflex.) Folgerichtig sind für die Neoklassik Zinsen der reale Überschuß der Produktion über die eingesetzten Güter – für die Zeiten eines Ricardo kann man diese Vorstellung noch einigermaßen nachvollziehen, womit sich auch gleichzeitig die Vorstellung erklärt, der Zins würde ein Ausdruck der Zeitpräferenzrate der „Kornanbieter“ sein. Sicherlich: wer mit seinem Getreidevorrat mit Ach und Krach über den Winter kommt, dem kann man mit der Aussicht bzw. Versprechen auf noch so viel Überschuß das Korn nicht entlocken – denn dann ist man schon kurzfristig tot.

Nun ist Geld wie man nicht erst seit Keynes weiß keine produzierte Ressource, die mit Hilfe von Produktion vermehrt werden könnte. Da Geld aber ein von Vermögensentscheidungen gesteuerter Bestand ist, kann die Frage des Geldzinses auch nicht damit beantwortet werden, daß ja die Unternehmen „produktiv“ oder „effizient“ produzieren würden. In gleicher Weise muß auch die Vorstellung beerdigt werden, daß „Ersparnis“ die Grundlage für die Vergabe von Kredit sei, da ja die Haushaltsersparnis lediglich die Verteilungsrelation des Nettogeldvermögens zwischen Haushalten und Unternehmern bestimmt. Damit bleibt lediglich die Möglichkeit, daß das Geld, welches für die Durchführung von Investitionen (im o.g. Sinne) benötigt wird aus dem Nichts geschaffen wird was den interessanten Aspekt aufweist, daß es keinen Anspruchsberechtigten auf die für dieses Geld zu fordernden (Netto-) Zinsen gibt. Während in der Neoklassik die Haushalte wegen ihrer Entäußerung von den „Investitionsgütern“ den letzlichen Anspruch auf die Erträge der Produktion beanspruchen können, gibt es in der Geldwirtschaft weder einen letzten Anspruchsberechtigten, noch eine Verbindung zu einem Realwert, in dem Gewinne aus Zinsen ausgedrückt werden müßten.

Das wiederum verweist auf den angelagerten Aspekt, daß bei einer „Geldschöpfung aus dem Nichts“ die Frage was Zinsen sind anders beantwortet werden muß als in der Neoklassik, wo Zinsen den Ausgleich der Zeitpräferenzraten mit den Erträgen von Investition garantieren sollen. Die hier bereits gegebene Antwort, daß Zinsen zuförderst die Neutralisierung von Aufwendungen von Abschreibungsverlusten bei den Banken garantieren verweist darauf, warum das Element der Zukunftsunsicherheit bei Keynes/ Knight einen für die Geldtheorie so wesentlichen Stellenwert aufweist: es ist eben nicht klar, welches von den vielfältigen hoffnungsvollen Investitionsprojekten in eine Schieflage gerät und – selbst nach Verwertung der Sicherheiten – Verluste erzeugt, die von den Banken durch ihre Erträge aufgefangen werden müssen. (Daß die Banken sich heutzutage einbilden, sich von der Übernahme dieser Verluste durch Verbriefung befreien zu können, steht auf einem anderen Blatt.) Damit lassen sich aber Zinsen als allgemeine Versicherungsprämien interpretieren, die dann ohne weitere Auszahlung (für monetäre Schadenfälle) gegen die Verluste von Abschreibungen aufgrund von Kreditausfällen gegengerechnet werden und somit aus dem volkswirtschaftlichen „Kreislauf“ vollständig verschwinden. Erst nach dieser Bilanzoperation wird es möglich davon zu reden, daß Zinsen zu Einkommen werden – was zwar manchmal möglich ist, manchmal eben aber auch nicht.

Fazit:
Die Interpretation dessen, was die Bedeutung von I und S angeht muß immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Theorie gesehen werden und läßt sich nicht mit einer immanenten Kritik klären, die sich mit den Kriterien der Neoklassik unkritisch auseinandersetzt. Denn sobald man die Vision der Neoklassik über die als korrekt interepretierten Begriffsbestimmungen akzeptiert, wird es aussichtslos, zu einer Sichtweise zu kommen, die dem geldwirtschaftlichen Charakter des Kreditgeldkapitalismus in angemessener Weise entspricht. Die Ansätze, die von L.A. Hahn, W. Lautenbach und W. Stützel, sowie die Überlegungen von F. Knight und J.M. Keynes bieten dagegen ein ebenso schlüssiges Konzept, mit der die Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft wieder zu einer angemessenen Behandlung ihres Forschungsobjektes gelangen kann.

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Die Realillusion von Investition

calafigueraDie Geschichte rund um die Beziehung von Investition und Sparen hat eine lange Geschichte und war oft Gegenstand hitziger Debatten. Das Witzigste was zur Motivation von Investitionen aufgrund einer Entscheidung zum Sparen herangezogen wird (in dem Sinne, daß die Ersparnis der Investition vorausgeht), sind stets die Robinson Geschichten, welche motivieren sollen, daß sich die Produktivität einer Ökonomie nur durch die sogenannte Mehrergiebigkeit der Produktionsumwege erreichen ließe. Aus dieser Argumentationsfigur wird dann geschlossen, daß die Aktivitäten zur Produktion eines Kapitalgutes die volkswirtschaftliche Ersparnis sei. So weit so gut, das kann man ja machen, so wie die Austrians es tun die stets davon schwadronieren, daß dann, wenn „Kapitalgüter“ produziert werden, eine Zeit angebrochen ist, in der man nicht konsumieren kann – also hungern muß. Möglicherweise haben die da die Phase der industriellen Revolution im Sinn, wo die Industrialisierung mit dem Elend von Millionen von Arbeitern einherging. Sklaverei ist sicherlich eine Methode, um zu Wohlstand zu kommen – allein es löst nicht das funktionelle Problem, welches darin besteht, wie man selbst unter Ausbeutungsbedingungen zu einem Gewinn kommen kann, weil die Frage des Mehrwerts (= Mehrergiebigkeit der Produktionsumwege) sich nicht automatisch in persönlichen Wohlstand verwandeln läßt.

Die Entwicklung der Vorstellung, warum Investition eine Folge des Sparens sein soll und automatisch mit der Anschaffung von Kapitalgütern assoziiert wird, muß man unter Auslassung des Robinson-Märchens in Etappen darstellen, weil sich sonst die dahinterstehenden Theorien nicht identifizieren lassen.

A) Die klassische Version behandelt I und S als Einheit und ist eine Konsequenz dessen, was das Grundkonzept der allgemeinen Gleichgewichtstheorie beinhaltet. Dort verfügen die Haushalte über die in ihrem Eigentum stehenden Ressourcen, indem sie diese den Unternehmen für die Produktion überlassen. Das liegt im Wesentlichen an dem Umstand, daß in dieser Welt die Haushalte ihre Entscheidung zwischen Konsum und Nicht-Konsum fällen und damit von vornherein alles was die Unternehmen als Produktionsmittel verwenden definitionsgemäß der Nicht-Konsum der Haushalte ist, also ihre Ersparnis. Damit ist eine Differenz von dem, was die Haushalte den Unternehmen an Ressourcen übertragen zu dem, was die Unternehmen zur Investition einsetzen von vornherein nicht einmal denkbar. Der Charakter dieser „Ersparnis“ als Nichtkonsum beleuchtet sehr schön den Umstand, daß die angeblich erforderliche Enthaltsamkeit diese Ressourcen nicht zu konsumieren, letztlich nur das puritanische Weltbild illustriert, wo die Erlösung für die Schwernisse der Gegenwart in einem aufgeschobenen Konsum liegt.

(Interessanterweise gilt diese Entscheidungssituation auch für einen Haushalt, der nichts weiter anzubieten hat als seine Arbeitskraft. Denn dieser entscheidet sich halt zwischen dem Konsum von Freizeit und eben dem Nicht-Konsum von Freizeit. Da aber Freizeit als ein Gut definiert wird, welches mit einem positiven Grenznutzen in die Nutzenfunktion eingeht stellt sich der – mehr oder weniger – kuriose Effekt ein, daß ein Arbeitsloser per definitionem einen positiven Nutzenwert aus der Vermeidung des „Arbeitsleides“ zieht,  indem er „Freizeit“ konsumiert, auch wenn er dabei verhungert. Man mag eine derartige Argumentation für idiotisch halten, dennoch ist sie Teil der konventionellen Theorie des Arbeitsmarktes – aber das nur am Rande.)

Wichtig an dieser Stelle zu betonen ist der Umstand, daß es sich hierbei um reale! Ressourcen handelt und in keiner Weise um Geld. Dieses Defizit wird meistens dadurch beschönigt, daß behauptet wird, daß es sich schließlich um die „wahre“ Ökonomie handeln würde und somit auf diese Weise die ehernen Grundsätze der Wissenschaftlichkeit eingehalten würden.

A1) Damit diese Story nicht allzu albern klingt wird dann das Geld als Tauschmittel eingeführt, was dann mit Hilfe der Quantitätstheorie und der darauf aufbauenden primitiven Banktheorie zu der Version führt, daß die Geldersparnis den Konsumverzicht der Haushalte reflektiert, dem automatisch die nicht konsumierten Ressourcen entsprechen. Diese Banktheorie erzeugt dann die unsägliche Vorstellung, daß Banken die Ersparnisse (Nichtkonsum!) von Haushalten an die Unternehmen weiterleiten würden und sich so durch den Zinssatz (als negatives bzw. positives „Anreizmittel“) Investition und Ersparnis zum Ausgleich bringen ließen. Im Grunde ist Geld in dieser Theorie lediglich ein homomorphes Abbild dessen, was von der Grundtheorie als wahre Vision des ökonomischen Prozesses bereits „unverrückbar“ vorformuliert worden ist. Aus diesem simplen Analogschluß (von Gütern bzw. von Ressourcen auf Geld) zieht eine ganze Wissenschaft den Schluß, daß das Geldystem lediglich ein Schleier wäre, der bloß den Blick auf die „wahren“ ökonomischen Realitäten verstellen würde. (Man mag es kaum glauben, daß diese primitiven Vorstellungen es tatsächlich geschafft haben, das einzige „Wissenskorsett“ in ökonomischer Hinsicht zu werden, was sich auch daran zeigt, daß derartige Argumentationsmuster täglich über den Nachrichtenticker gehen und dann auch noch als „gesichertes Wissen“ präsentiert werden. Sancta simplicitas!)

B) Die zweite Beziehung zwischen I und S entspringt der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, wo auf einer monetären Grundlage die (Netto-) Investitionen durchaus richtig als Identität zu der volkswirtschaftlichen Ersparnis definiert werden (wobei an dieser Stelle eine Betrachtung über die Kausalität der beiden Variablen unterbleibt). Dabei ist zu beachten, daß die volkswirtschaftliche Finanzierungsrechung (als Teilbereich der VGR) durchaus sieht, daß die monetäre Ersparnis ein Reflex des (Netto-) Kreditvolumens ist. Immerhin ist dieser Begriff der Ersparnis von dem Begriff der Ersparnis aus A) fundamental verschieden, weil bereits an dieser Stelle Ersparnis als Differenz von monetären Bruttoinvestitionen einerseits und Abschreibungen (Kredittilgungen) andererseits definiert wird. Diese Version von Ersparnis stellt darauf ab, daß Ersparnis als Phänomen der Differenz von Bruttoinvestition und Abschreibung (+/- Finanzierungssaldo) daraus resultiert, daß monetäre Größen darüber entscheiden, was in einer Gesellschaft als (monetäres) Erfolgskriterium entscheidend ist. Aber auch wenn die VGR durchaus wichtige Erkenntnisse über diese Beziehungen liefert, bleibt dennoch der intertemporale Aspekt der Kreditverhältnisse in letzter Konsequenz unadressiert. Darüberhinaus ist in der VGR die Bruttoinvestition definiert als ein Zugang des Sachvermögens, so daß auch hier wieder der Vorstellung gehuldigt wird, daß Investitionen direkt mit der Bildung von Sachkapital verbunden seien.

C) Sobald man anfängt Ökonomie als ein Phänomen von Geldströmen zu sehen wie es in der Tradition eines M. Copeland noch bekannt war, muß man sich auch den Bedingungen stellen, die sich aus der Existenz von Geldvermögensbeständen ergeben. Das hat den kuriosen Effekt, daß monetäre Ersparnis, die nur sinnvoll definiert werden kann, wenn ein Wirtschaftssubjekt über Nettogeldvermögen verfügt, von vornherein ein Reflex der Ausgabeentscheidungen der Unternehmen ist, und damit nicht mehr als eine souveräne Entscheidung der Haushalte interpretiert werden kann, wie es das Grundmodell der liberalen Ökonomie postuliert.

Das hat was damit zu tun, daß die Bildung von Nettogeldvermögen essentiell daraus resultiert, daß ein Wirtschaftssubjekt eine Geldzahlung aufgrund einer realen Leistung erhält – prototypisch dafür steht die Einkommenserzielung aufgrund des Verkaufs von Arbeitsleistung. (Die zweite Art der Erzielung von Nettogeldvermögen steht nur Unternehmern zur Verfügung – der Überschuß der Erträge über die Aufwendungen. Dabei darf man nur nicht Umsatz mit Gewinn verwechseln – auch volkswirtschaftlich gesehen nicht! Das passiert immer dann, wenn unbesehen der Spruch präsentiert wird, daß die Ausgaben des Einen doch das Einkommen des Anderen sei – darüber muß man sich aber an dieser Stelle nicht aufregen.)

Diesen Aspekt des Wirtschaftslebens hat die konventionelle Wirtschaftstheorie noch nicht realisiert, weil immer noch die Vorstellung vorherrscht, daß Ersparnis stets einen realen d.h. materiellen Hintergrund haben müßte. Dabei entsteht das Mißverständnis aus dem Umstand, daß die konventionelle Wirtschaftstheorie Investition stets in „realem Kapital“ sieht und nicht in dem, was tatsächlich Investition bedeutet. Dazu kann man sich ein meist mißverstandenes Diktum in Erinnerung rufen, daß auch und insbesondere reale Investitionen letztlich vorgetane Arbeit sind. Nimmt man das ernst bedeutet das schlichtweg, daß man nur in Arbeit investieren kann, weil auch die Preise (Kosten) von Maschinen sich aus einer Kombinationskette von Arbeitsleistungen zusammensetzen.

An dieser Stelle wird das Versagen der ‚mainstream‘-Ökonomie deutlich: sie kann aufgrund ihrer epistemologischen Selbstbeschränkung nicht erkennen, daß Investition stets und immer Investition in (vorgetane) Arbeitsleistungen bedeutet. Das mag sich zwar ein bißchen marxistisch anhören, ist es aber nicht! Denn der intellektuelle Widerspruch ist nicht akzeptieren zu wollen, daß reale Investitionsgüter immer durch den Einsatz von Geld bzw. durch die durch Geld zur Erzeugung von Investitionen gesteuerte Arbeit erst geschaffen wird. Etwas Anderes zu behaupten bedeutet einen 200jährigen Irrtum zu pflegen, der die Ökonomie in das Desaster geführt hat, in dem sie sich gegenwärtig befindet!

Der zentrale Widerspruch liegt in der Verwechslung von natürlichen Ressourcen mit Realkapital: das Erstere betrifft die Wirtschaftsweise, die Arbeit zur Erzeugung von Wohlstand instrumentalisiert, während das andere einen (Real-) Fetisch darstellt, welcher bis heute dafür verantwortlich ist, daß die Ökonomie nicht über das Stadium einer Prätheorie hinausgekommen ist, weil sie nicht akzeptieren will, daß auch Realkapital aus einer Kette von Arbeitsleistungen entstanden ist. Wenn man irgendwo ein gutes Beispiel für den Begriff „Hypostasierung“ braucht – hier findet man ihn, weil hier zum wiederholten Male ein Phänomen für den Inhalt angesehen wird. Nicht zuletzt deswegen wird heutzutage die Investiton in Realkapital als produktivitätsfördernd gefeiert, während Arbeit stets als zu minimierender Kostenfaktor interpretiert wird. Blöder gehts nicht!

Man kann es auch anders ausdrücken: Investition ist Geldverwendung für Arbeit, nicht für Maschinen, die letzten Endes durch Arbeitsleistungen und dementsprechende Kosten geschaffen wurden! Ein Kalecki hat das noch gewußt! Dabei ist die Gedankenkette ganz einfach: der Kauf einer Produktionsanlage bei dem Produktionsmittelhersteller führt dazu, daß er dadurch den Erlös seiner Produktionsmittelkosten (Abschreibungen bzw. Kredittilgung), sowie seine Lohnkosten bezahlen muß und hoffentlich noch einen Gewinn realisiert. Dieser Prozeß – die Produktionskette noch ein paar Stufen weitergedacht – führt dazu, daß man im Endeffekt bei reinen Lohnkosten ohne nennenswerten Kapitalkostenanteil landet und sei es bei den unter menschenunwürdigen Bedingungen schuftenden Lohnarbeitern, die z.B. Coltan für die Smartphone-Produktion aus dem Boden kratzen müssen.

Vorleistungskette

Das noch schlimmere Desaster der ‚mainstream‘-Ökonomie besteht daraus, daß diese Vorstellung von Sparen als Konsumverzicht auch noch unbesehen per Analogschluß nicht nur auf die Tauschmittel-Geldwirtschaft, sondern auch auf die Kreditgeldwirtschaft übertragen wird und zwar mit fatalen Konsequenzen. Denn diese Vorstellung bedeutet in der Konsequenz, daß der Sinn und Zweck von geldorganisierter Produktion, deren zentrale Aufgabe darin besteht, aus natürlichen Ressourcen (‚from scratch‘) etwas Reales zu schaffen, nicht mehr gesehen wird. Dabei ist geldorganisierte Produktion davon geprägt zusätzliche (Arbeits-) Prozesse in den gesellschaftlichen Zusammenhang der Arbeitsteilung mit einzubeziehen, ein Prozeß, der sich stets und ständig in sich entwickelnden Ökonomien abspielt. Daß das von der konventionellen Ökonomie nicht gesehen werden kann! liegt daran, daß in dieser Welt die zur Verfügung stehenden Ressourcen stets voll ausgelastet sind –  und das auch dann, wenn die Wohlfahrt dieser Gesellschaft zum großen Teil darin besteht, daß die Haushalte eben Freizeit konsumieren. Denn auch das ist letztlich ein sogenanntes wohlfahrtsökonomisches Optimum!

Aber genug der intellektuellen Kuriositäten! Wenn man die Robinson-Welt verläßt und sich ansieht, wie die heutige Welt aussieht, stellt man fest, daß das, was die volkswirtschaftliche Statistik als Ersparnis definiert, ein Derivat der Investitionsentscheidungen der Unternehmen ist, denn alles was – wohlgemerkt – monetäre Ersparnis sein kann ist ein Ergebnis der Verschuldung von Unternehmen, deren Motivation daraus gespeist wird einen monetären Gewinn zu erzielen. Soweit man das Problem der Staatsverschuldung einmal beiseite läßt, besteht die gesamte monetäre! Ersparnis einer Gesellschaft aus offenen Kreditlinien, die aus (unternehmerischen) Schulden resultieren und sonst nichts. Das liegt halt daran, daß es zu einem Nettogeldvermögen nur dann kommen kann, wenn ein Kreditnehmer Nettokäufe vornimmt, welche mit einer buchhalterischen Konsequenz als Nettogeldvermögen eines davon begünstigten Wirtschaftssubjektes führen – und zwar ohne wenn und aber! Aber das ist ja schon wieder keine Ökonomie… weil damit die Idiotie des methodologischen Individualismus nicht adressiert wird…

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Schaumgeborene Kuriositäten

Soberano y CortadoDie Geschichte mit der „Bankenrettung“ in Zypern entbehrt nicht einer gewissen Komik, weil das Ansinnen, die Sparer (alias Gläubiger der Banken) an den Kosten dieser Finanztransaktion zu beteiligen an sich genau das bewirken würde, was für eine Sanierung einer Bankbilanz nötig ist: die Verringerung der Verbindlichkeiten, ohne daß sich dabei die Forderungen gleichermaßen vermindern würden. Natürlich wirkt eine derartige Operation lediglich auf die bilanziellen Bestandsgrößen und stellt auch nicht die Rentabilität des Bankgeschäftes wieder her. Insoweit das Bilanzproblem auf außerordentlichen Abschreibungen (wie die Verluste aus dem griechischen Schuldenschnitt) beruht, ist eine derartige Maßnahme durchaus zielführend und darf mit Fug und Recht als erfolgversprechend angesehen werden.

(Was an dieser Stelle an der offiziellen Berichterstattung gelegentlich erstaunt ist der Umstand, daß häufig davon gesprochen wird, daß diese Beträge – quasi als Vermögenssteuer – zur Finanzierung des Staates dienen sollen: in diesem Fall wäre für die Banken jedoch nichts gewonnen, weil sich dadurch lediglich der Gläubiger der in Frage stehenden 5,8 Mrd. € ändern würde, ein Effekt hinsichtlich der Wiederherstellung einer angemessenen Höhe des Eigenkapitals jedoch nicht eintreten würde.)

Auch wenn es weit hergeholt scheint: dasselbe Prinzip wurde bei der Finanzierung der deutschen Einheit angewendet. Denn dabei wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, daß die großflächige Zerstörung von Kapital einer Kompensation bedarf, die durch den (angeblich zeitlich begrenzten) Solidaritätszuschlag aufgefangen wurde. Ähnlich ist es auch in Zypern, wo (auch) durch wilde Spekulation ein vorhersehbarer Vermögensschaden entstanden ist, der nun aufgrund der geltenden Insolvenzregeln zu einem Ausgleich gebracht werden muß. Ein derartiger Ausgleich zielt aufgrund simpler Buchhaltungsregeln auf eine Reduktion von Verbindlichkeiten, damit der Saldo des Eigenkapitals sich auf ein tragbares Niveau einstellt. Wesentlich dabei ist, daß der Abschreibungsbedarf dadurch aufgefangen wird, daß Nettovermögensbesitzer auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Auch wenn es schwerfällt einzusehen: das ist die gesündeste Art einer Überschuldungskrise zu bewältigen. Aus diesem kühlen Grunde ist ja auch die Dotcom-Bubble so glimpflich verlaufen, weil dabei die Abschreibungen aufgrund des Aktiencrashs durch Nettovermögensbesitzer getragen werden mußten. Denn es konnte sich keiner beklagen – auch wenn es versucht wurde!

Auch wenn die Phalanx derjenigen, welche die Ungerechtigkeit der Bankenrettung in Zypern beklagen zu einem großen Chor angeschwollen ist, ist die Variante, den Abschreibungsbedarf – auch – auf die „Sparer“ (aka Gläubiger der Banken) abzuladen – in welcher Form auch immer – an sich die einzig richtige Version, um die Folgeprobleme, die sich mit einer bloßen Umschuldung auf den Staatshaushalt einstellen, zu vermeiden.

Was an der ganzen Geschichte nicht verständlich ist: daß ein Zugriff auf Vermögensbestände einen erheblichen Widerstand der Betroffenen hervorruft, darf niemanden wirklich überraschen. Denn die Unausweichlichkeit eines oktroyierten Vermögensverlustes bringt sogar die sanftmütigsten Menschen in Rage. Und das gilt auch dann, wenn selbst bei einem latenten Verständnis für die aktuellen finanzwirtschaftlichen Probleme – was in Zypern sogar schon mal vorausgesetzt werden konnte – die geplanten Maßnahmen dergestalt vorgestellt werden, daß man den Eindruck haben kann, daß es hier zu einem Vermögenseingriff nach (deutscher) Gutsherrenart kommen würde.

Ein verträgliches Arrangement hätte etwa so ausgesehen.

Bei dem relativ hohen Zinsniveau der zyprischen Banken von 4-5% p.a. entspricht der – notwendige – Vermögensverlust in etwa einem Verzicht auf etwa 18 Monate Zinsertrag. Würde man die vorhandenen Vermögen zu einem – sicherlich zwangsweise – zeitlich beschränkten zinslosen Darlehen umwidmen, wäre in einem übersichtlichen Zeitraum der erforderliche Betrag als nicht angefallener Aufwand erwirtschaftet. Dabei wäre es notwendig für diejenigen, die eine frühere Auszahlung benötigen, für den vorzeitig abgerufenen Betrag entsprechende Vorfälligkeitszinsen zu berechnen. Das läßt sich mit einem Taschenrechner erledigen! Diese Konstruktion besitzt den Vorteil, daß eine direkte Belastung des Vermögens von der Entscheidung des Verfügenden abhängt, ob er über sein Guthaben verfügen will oder nicht. Der Umstand, daß das nominelle Vermögen nicht zwangsweise angetastet wird und nur ein indirekter Verzicht auf einen Ertrag zu erleiden ist, der sich nach einer überschaubaren Zeit wieder einstellt, macht eine derartige Regelung zu einer verständlichen und damit konsensfähigen Angelegenheit. Denn einen Ertrag nicht zu erzielen ist etwas anderes, als einen effektiven Verlust zu erleiden.

(Wenn man sich überlegt, wieviele selbsternannte Ökonomen sich mit der Frage menschlichen Verhaltens beschäftigen ist es eine Schande, daß aus dieser Richtung kein gescheiter Vorschlag kommt, dieses Problem zu lösen.)

Wenn man so will wird damit dasjenige simuliert, was die EZB unter dem Stichwort LTRO seit einiger Zeit ohnehin europaweit praktiziert. Denn die LTRO sind im Endeffekt auch nichts anderes als eine Subvention für die europäischen Banken, um deren Ertragslage zu verbessern. Es gibt keinen Grund dafür dies den Banken von Zypern zu verweigern.

Und überhaupt: es ist nicht einsehbar, daß Zypern sich bisher an jeder Rettungsaktion beteiligt und ausgerechnet dann, wenn es selbst Hilfe benötigt mit Sonderbedingungen konfrontiert wird, die woanders nicht einmal angedacht werden. Zynisch gesagt: das Geld von Oligarchen ist zwar gut genug, um die albernen Flausen der EURO-Retter zu finanzieren, aber dann, wenn das betreffende EURO-Mitglied Unterstützung benötigt, werden aufgrund von billigen Ressentiments Strafaktionen gestartet, für die es aufgrund der europäischen Verträge überhaupt keine Grundlage gibt. Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang mal daran erinnern, daß die nationale Zentralbank von Zypern (ja, die gibt es!) im EZB-Rat dasselbe Stimmrecht hat, wie die Bundesbank. Von der dort angelegten formellen Gleichberechtigung (die ich aus geldtheoretischen Gründen übrigends nicht verstehe) ist unter solchen Auspizien nichts zu sehen.

Das Beruhigende an der ganzen Angelegenheit ist der Umstand, daß offensichtlich russische und britische „Sparer“ genauso bekloppt sind wie deutsche, weil alle davon ausgehen, daß irgendeine (zusammengeklaute) „Einlage“ – ja ich weiß, daß es auch noch Menschen gibt, die arbeiten – auch noch satte Zinsen zu tragen hätte. Man kann sich nur wünschen, daß es irgendwann mal dazu kommt, daß eine Einsicht dahingehend einkehrt, daß Geldforderungen stets und ständig der realen Gefahr unterliegen durch Nichteinhaltung der Kreditkonditionen entwertet zu werden. Letzteres ist übrigens der (phänomenologische – nicht materielle) Grund dafür, daß die Erwirtschaftung von Geld durch die Anlage von Geld ein Begehren ist, welches auf eine Unmöglichkeit gerichtet ist.

Aber Menschen brauchen Träume, auch wenn sie logisch nicht möglich sind.

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Logische Typenlehre III – Überschuß und Gewinn

Puppi02Die  Sozialisation von Ökonomen fängt wie bei den meisten Menschen mit einem Sparschwein an. Mit der Unterstützung diverser Spartage sowie einer Orientierung an eine zu planende Zukunft gerät der werdende Mensch in eine Interpretationsfalle, die ihn üblicherweise sein Leben lang verfolgt. Mit der Akzeptanz einer moralisch sanktionierten Erwartung, daß sich Geld auf der Bank durch Zinsen wie von selbst vermehrt wird die felsenfeste Vorstellung erzeugt, daß das erlernte Wissen – das vermeintlich Bestehende – auch das Natürliche sei, was sich dann auch postwendend im Bewußtsein als gesichertes Wissen festsetzt.

Die Frage ist jedoch: auf welchen Steintafeln steht eingemeißelt, daß nicht ausgegebenes Geld sich auch zu vermehren hätte? Nun immerhin wird diese Vorstellung auch durch eine Wirtschaftstheorie rationalisiert, die das Sparen zu einer ‚conditio sine qua non’ der Investition definiert so daß damit eventuelle kognitive Dissonanzen hinsichtlich des „Wertes“ des Sparens von vornherein neutralisiert werden.

Dazu kommt noch, daß die Ableitung des Zinses aus einer Produktivität, wie es bei Ricardo angelegt ist wieder mal die Ebenen vermischt, die zwischen der monetären und der realen Ebene zu verorten sind. Die Identifikation von realen Überschüssen und monetären Gewinnen macht eines der größten Probleme der Wirtschaftstheorie aus. Denn das was zu zeigen wäre ist, daß das Prinzip der Erzielung eines Überschusses das gültige Prinzip der monetären Ebene abbildet. Das genau ist jedoch bisher nicht passiert. Auch deswegen nicht, weil die Existenz eines monetären Profites an einer spezifischen Institutionalisierung hängt, die sich mit der volkswirtschaftlichen Finanzierungsrechnung hinreichend bezeichnen läßt. Letztere besitzt als Grundprinzip die gesamtwirtschaftliche Identität von Forderungen und Verbindlichkeiten, welche nicht mit der Bildung realer Überschüsse kommensurabel ist. Zumindest ist dieser Nachweis bisher nicht erfolgt.

Aus einer systemtheoretischen Perspektive liegt ein derartiger Schluß auch nicht nahe, weil die Geldsphäre das kommunikationstheoretische Pendant (das Dual) der Erwirtschaftung realer Überschüsse darstellt, welches aber nur eine indirekte Abbildung darstellen kann, weil das zugrundeliegende Prinzip völlig andere Grundlagen besitzt. [Warum das Geldsystem mit der Postulierung eines Gewinnes quasi einer Phantasie hinterherjagt, ist ein weitaus schwierigeres Problem als die Einsicht in die theoretische Unvereinbarkeit von Überschuß und Gewinn.] Die Frage wie gesamtwirtschaftlich ein Gewinn – und damit ein Zins – entstehen kann, läßt sich nicht mit einem Verweis auf einen realen Kornüberschuß erklären. Da hilft auch kein Hinweis auf die Mehrergiebigkeit der Produktionsumwege, wie es von einschlägigen Schulen postuliert wird. Das monetäre Simulationsmodell, welches diesen Nachweis führen kann ist davon geprägt, Gewinn als temporäre Differenz monetärer Geldvermögensumschichtungen zu definieren. Dieses kann man jedem Buchhalter erklären – ob das auch bei Ökonomen funktioniert ist zumindest zweifelhaft.

Das liegt daran, daß die gesamtwirtschaftliche Identität von Forderungen und Verbindlichkeiten sich als beschränkende Klammer temporärer Geldvermögensüberschüsse erweist. Daß ein bilanzieller Gewinnausweis darüberhinaus durch die Bewertung von Realvermögen scheinbar eine Abweichung von diesem Prinzip ermöglicht ist jedoch ein Irrtum, weil – ausschüttungsfähige – Gewinne an Liquidität und nicht an Bewertungsdifferenzen gekoppelt sind. Die müssen gezahlt (!) werden und nicht nur in einer bilanziellen Position sich „ausweisen“!

Vgl.: http://dr-menendez.de

Die logische Differenz zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem gilt auch hier. Denn eine Erklärung für Kornüberschüsse ist das eine – die Erklärung eines monetären Gewinnes bzw. Zinses ist das andere. Im Gegensatz zu dem Konzept eines Überschusses auf der realen Ebene ist der Gewinn auf der monetären Ebene angesiedelt, deren Grundformel aus der permanent gültigen Identität von Forderungen und Verbindlichkeiten besteht, was die Konzeption eines Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben eigentlich nicht nahelegt. Anders gesagt ist ein Gewinn im Sinne eines positiven Nettogeldvermögens nur dann möglich, wenn an einer anderen Stelle des Kreditgeldsytems ein negativer Nettogeldvermögenssaldo existiert. Insofern wie Schuldsalden im Zeitablauf einer Tilgung unterliegen sind Gewinne prinzipiell gesehen von diesen negativen Vermögensbeständen abhängig. Dieser Dualismus wird stets dann ignoriert wenn Schulden als das zentrale Problem einer Krise interpretiert werden. Denn die Umwandlung einer Nettoakkumulation von Schulden in Einkommen ist genau das was von der empirischen Wirtschaftsforschung als Wachstum gemessen wird. Aus diesem Grund ist es auch fehlerhaft zu argumentieren, daß die Steigerung von Produktivität zu einer Gewinnsteigerung im volkswirtschaftlichen Sinne führen muß. Dieses ist deswegen nicht der Fall, weil die Entstehung von Gewinn an monetären Geldvermögensbeständen hängt und nicht an reale Mengen gekoppelt ist. Das Ignorieren dieser Differenz führt dann auch postwendend zu den falschen Therapien einer Krise, die immer wieder die Steigerung von Produktivität als Lösung der Krise anzubieten versuchen.

Man kann sich natürlich Gedanken darüber machen an welcher Stelle diejenigen Schulden gemacht werden, die ein nachhaltiges Wachstum begründen. Im Allgemeinen läßt sich Schuldenwachstum dann als volkswirtschaftlich gesund bezeichnen, wenn dadurch vermehrt Güter und Dienstleistungen auf dem Markt angeboten werden, weil damit eine gesellschaftliche Wohlfahrtsteigerung einhergeht. Dies steht bei Staatsschulden sowie Krediten für die Spekulation auf den Finanzmärkten zumindest in Frage.

Im Hinblick auf die Eingangsfrage läßt sich jedoch zweifelsfrei feststellen, daß die unbesehene Übernahme der Vorstellung der natürlichen Vermehrung biologischer Sachverhalte auf die Ebene monetärer Gewinne zu eben den Fehlschlüssen führt, wie sie in wirtschaftstheoretischen Abhandlungen immer wieder vorkommen. Die Akzeptanz der Tatsache, daß Gewinne eine monetäre Grundlage besitzen führt dazu für die Zukunft der Wirtschaftstheorie zu postulieren, zu einer konsistenten „monetären Theorie des Gewinnes“ resp. des Zinses zu kommen. Leider ist das in einem ökonomischen Umfeld alles andere als selbstverständlich.

Der Fehlschluß der Ökonomie, biologische Reproduktionsbedingungen unbesehen auf die ökonomische Ebene zu transponieren läßt sich auch hinsichtlich des physikalischen Energieerhaltungssatzes als nicht sachgerecht qualifizieren. Denn letztlich ist auch ein Kornüberschuß in einem weiteren Kontext nur unter Ignoranz gegenüber ökologischen Grundkonstanten als „Überschuß“ darstellbar. (Die positive Sonnenenergiebilanz ist ja wenigstens ein Hinweis darauf, daß es auch in biologischen Reproduktionszusammenhängen eines „Netto-Inputs“ bedarf, damit die Vorstellung eines Netto-Überschusses wenigstens phänomenologisch darstellbar wird.) Unter diesem Aspekt gesehen sollte es nicht verwundern, daß die Übertragung einer isolierten phänomenologischen Betrachtung auf die Ökonomie zu den gleichen intellektuellen Kurzschlüssen führen muß, die bereits in der Ausgangskonstellation enthalten sind. Die einschlägige logische Grundformel dafür lautet: ‚ex falso quodlibet’!

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Wird aus Geld „Mehr-Geld“?

Prolegomena zu einer strittigen Systemtheorie des Finanzmarktes

Es kann in einem Blogbeitrag natürlich nicht darum gehen einen Abriß der Systemtheorie darzustellen, so daß zum Verständnis der folgenden Zeilen ein Abschnitt eines Glossars eines Lehrbuches genügen muß.

„System … bezeichnet einen ganzheitlichen Zusammenhang von Teilen, deren Beziehungen untereinander quantitativ intensiver und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu anderen Elementen. Diese Unterschiedlichkeit der Beziehungen konstituiert eine Systemgrenze, die System und Umwelt des Systems trennt. Komplexe Systeme sind durch die Merkmale Selbstorganisation, Grenzerhaltung, Selbstreferenz und Generativität charakterisiert. Die Besonderheit der Klasse der … sozialen Systeme liegt darin, daß ihre Grenzen nicht physikalisch-räumlich bestimmt sind, sondern symbolisch-sinnhaft.“ (Willke, Systemtheorie)

Relevante Kriterien zur Analyse der Frage, was den Systemcharakter des Finanzmarktes ausmacht, können demnach folgende Aspekte sein:

  • die Frage nach der Systemgrenze, die den Finanzmarkt von anderen marktwirtschaftlichen Aktionsformen unterscheidet;
  • die Kommunikationsmuster, welche eindeutig zum Finanzmarkt zu rechnen sind;
  • das Kommunikatonsmedium, welches das Kriterium für die Zugehörigkeit zum Finanzmarkt bildet;
  • – und –
  • der Sinn des Ganzen, wobei „Sinn“ für den Komplex gemeinsam verstehbarer und systemzugehöriger Handlungsweisen steht, die zur Erreichung der Systemzwecks – nicht Systemziels(!) – eingesetzt werden!

Und die Frage nach der Emergenz von Systemstrukturen innerhalb des Finanzmarktes kann an dieser Stelle erst recht nicht angesprochen werden! (Das Thema ist viel zu umfangreich, um dieser Stelle behandelt werden zu können – mal abgesehen davon, daß es sich nicht auf den Finanzmarkt begrenzen läßt!)
Ich möchte mich an dieser Stelle darauf beschränken die Bedingungen anzusprechen, die gegeben sein müssen, damit der Finanzmarkt sein zentrales Versprechen – aus Geld „Mehr-Geld“ zu machen – erfüllen kann. Irgendwo muß man ja schließlich mal anfangen, dieses vielfältige Thema aufzugreifen.

Was macht also ein Finanzsystem – wenn es denn ein System ist – aus? Die Frage nach dem Kommunikationsmedium des Finanzmarktes ist so einfach gestellt wie beantwortet: es geht um Geld, so daß Finanzmarktakteure das Handwerkszeug „Geld“ verwenden, wie Bauarbeiter ihren Hammer. Dazu kommt noch, daß es eine spezifische Semantik gibt, deren Inhalte sich – nicht abschließend – mit Kursbewegungen, Charts und Wertentwicklung charakterisieren lassen, so daß sich ein gemeinsames Merkmal der Finanzmärkte dahingehend herausschälen läßt, was sich mit der „Erzeugung von Mehr-Geld“ beschreiben läßt. Diese Vorstellung findet in der Sozialisation der Menschen ihren Niederschlag in „Spartagen“ und der allgemeinen Vorstellung eines absoluten Berechtigungsanspruchs von Zinsen, die – verbrämt mit einem moralischen Absolution – zu einer unhinterfragten Vorstellung führen, daß Zinsen einen notwendigen Anspruch aus dem Lebensleid „Nichtkonsum“ darstellen.

Dieser Anspruch durchzieht die Finanzmärkte mit dem gemeinsam geteilten Verständnis von Realität, daß das „Anlegen“ von Geld zu einem „Mehr-Geld“ führen muß, so daß sich der kommunikative Charakter des Finanzmarktes durch die „Formel“ G -> G‘ darstellen läßt. Dies ist schon mal insofern kurios, als sich genau diese Vorstellungsweise bei Marx wiederfinden läßt, der dies allerdings in einer Sozialtheorie eingebettet hatte, welche die inhärenten Widersprüche des Kapitalismus erklären wollte. Das soll aber an dieser Stelle nicht Thema sein.

Die Systemgrenze des Finanzmarktes läßt sich idealtypisch durch die Abwesenheit von „W“ – Ware – kennzeichnen, denn Finanzmärkte sind nicht mit realen Produktionsprozessen befaßt. Soweit sie Finanzanlagen in realen Produktionsprozessen durchführen, sind die Bewertungskriterien dennoch nach Maßgabe der Ertragsvorgaben, die sich auf dem Finanzmarkt als Vorstellung durchsetzen, dominant. Es geht also nie um die Sinnhaftigkeit oder gesellschaftliche Erwünschtheit einer Produktion, sondern um deren monetäre Ertragskraft – was im Grunde genommen das einzige Kriterium ist, welches für Finanzmärkte zählt. Das mag man bedauern, ist aber für die hier zu behandelnde Frage das entscheidende Kriterium.

Diese Frage macht übrigends den Unterschied der Theorie des Kreditgeldkapitalismus zu der allgemeinen Gleichgewichtstheorie aus. Denn es ist nicht nebensächlich, ob man denkt, die Menschen würden ja vom Grunde ihres Herzens ja nach realen Gütern streben, oder ob das abstrakte Erfolgskriterium – monetäres „Mehr-Geld“ – zur Leitlinie ökonomischen Handelns wird. Das ist ein weites Feld… Denn damit ist die berüchtigte Kontroverse von I und S verbunden, die allerdings nur eine Scheindebatte ist, weil sich jeder, der einen Buchhaltungskurs verstanden hat, darüber klar ist, daß Ersparnis nur aus Einkommen erfolgen kann, deren Ursprung in einer kreditfinanzierten Unternehmung zu suchen ist. Für die Behandlung dieser Sachfrage ist denn auch Schumpeter (1911) einschlägig.

Ein Rekurs auf Schumpeter klassifiziert jedoch den Finanzmarkt als ein „Sub-System“ des Kreditgeldkapitalismus, wobei naturgemäß offen bleibt, woher die Gewinne des Finanzmarktes resultieren. Die „normale“ Antwort auf derartige Fragen besteht darin, daß ja der „Realsektor“ die Gewinne des Finanzmarktes „verdienen“ muß. Eine derartige Antwort ist aber von dem Mißverständnis geprägt, welches seit Ricardo und seiner „Korntheorie des Zinses“ in der ökonomischen Theorie herumgeistert. Nur kurz gesagt ist es doch so: die „Realwirtschaft“ produziert – hoffentlich – Wohlstand, ist jedoch von ihrer Anlage nicht dazu gemacht, auch die „Sparvolumina“ zu erzeugen, welche dann von einem Finanzmarkt auch noch vermehrt werden könnten. Salopp gesagt: Unternehmen produzieren Güter, aber kein Geld! Insofern ist diese landläufige Vorstellung nicht gut begründet. (Falls jemand meint, daß das doch alles Dummfug sei – ja sicherlich, nur die gegenwärtige ‚mainstream‘ Theorie des Zinses alias Grenzproduktivitätstheorie folgt dem Muster von Ricardo – ein epistemologisches Desaster!)

Das kann man sich daran klarmachen, indem man versucht, das in systemtheoretischen Darstellungen gelegentlich gebrauchte „Black Box“-Modell ernst zu nehmen: denn dem Input der Einzahlungen in das Finanzsystem muß auch ein Output entsprechen, welcher dieselbe Eigenschaft aufweist wie der Input: er besteht aus Geld. Das wirft die Frage auf – wie gesagt: es geht hier um die Frage des Finanzmarktes als eigenständiges System – inwieweit der Finanzmarkt seinen eigenen Anspruch einhalten kann, daß aus Geld eben „Mehr-Geld“ wird. Damit kommt man aber zu einer entscheidenden systemtheoretisch motivierten Vermutung: denn wenn es sich erweisen sollte, daß der Finanzmarkt lediglich ein Derivat der „Realwirtschaft“ ist, ist seine Eigenständigkeit als „System“ nicht begründbar.

Besagte Eigenständigkeit hat jedoch noch einen anderen Hintergrund, der aus den Eigenschaften kreditgeldkapitalistischer Ökonomien entspringt: der ärgerliche Hauptsatz der Volkswirtschaftslehre lautet dahingehend, daß nun mal das gesellschaftliche Nettogeldvermögen – d.h. über alle gesellschaftlichen Sektoren gerechnet – den recht übersichtlichen Betrag NULL aufweist! Das ist nun mal eine Konsequenz der Tatsache, daß eine doppelte Buchhaltung keinen Raum für Vermögensansprüche läßt, denen kein negatives Nettogeldvermögen (Nettoschulden) gegenübersteht. Die landläufige Erkenntnis – wo Rauch ist, ist auch Feuer – übersetzt sich in trockenes Buchhalterdeutsch dahingehend, daß die Verbuchung individuellen oder sektoralen Nettogeldvermögens einen ebenso großen Verbindlichkeitseintrag anderer Sektoren zur Voraussetzung hat. (Forderungen und Verbindlichkeiten sind in einer enantiodromischen(!) Weise miteinander verknüpft – das Eine geht nicht ohne das Andere, und zwar ohne wenn und aber. Das bekommt man auch mit Moral nicht weg!)

Wie war es denn in den „goldenen“ Zeiten des wachstumsorientierten Kapitalismus? Da war normalerweise der Unternehmenssektor für die Schaffung von Nettogeldvermögen (Investition) verantwortlich. Dies deshalb, weil der Planungshorizont von Unternehmen in diesen Zeiten über die heute üblichen zwei Quartale hinausging. Letztere Unsitte hat  dummerweise zur Folge, daß rein buchhaltungstechnisch die in den Büchern stehenden Kreditvolumina die sonst notwendigerweise bei den anderen Sektoren als Ersparnis, d.h. nichtkonsumiertes Nettogeldvermögen – quasi als Kollateralschaden – anfallen, inzwischen aufgrund des verkürzten Planungshorizontes seitens der Unternehmen kaum mehr gebildet werden können. Da aber Nettogeldvermögen (=Ersparnis) nur dann gebildet werden kann, wenn jemand auf Kredit (= i.d.R. temporäre Erzeugung von Nettogeldvermögen) kauft, wird es – wenn die Unternehmen sich zunehmend weigern, dieses Prinzip der langfristigen Vorfinanzierung mitzutragen – zu einer virulenten Frage, woher die notwendigen Nettoschulden kommen sollen, die für die Erzeugung von Nettogeldvermögen gebraucht werden! (Wie gesagt, ein Buchhaltungskurs beseitigt viele Fragen!)

Damit verbunden ist die Frage der Nachhaltigkeit von Geldvermögen- ja, die gibt es im Kreditgeldkapitalismus auch! Denn (eigentlich) weder der Staat, noch die privaten Haushalte sind diejenigen, deren Verschuldung die Nachhaltigkeit des Kapitalismus markieren könnte – zumindest nicht im Sinne der Nachhaltigkeit eines arbeitsteiligen sozialen Gefüges. Denn frei nach Schumpeter ist die Erzeugung von verkaufsfähigen Gütern diejenige Tätigkeit, welche zu einer – hoffentlich – Wohlstandssteigerung des Sozialwesens führt. Es ist jedoch nicht so, daß – um auf das eigentliche Thema zurückzukommen – temporäre Verschuldung zu einem dauerhaften Nettogeldvermögenszuwachs führen kann, der vom Finanzmarkt auch noch als originäre Leistung für sich reklamiert wird – es sei denn, es handelt sich um einen „fühlbaren“ Wachstumsprozeß. Eine Dauerhaftigkeit der Nettogeldvermögen läßt sich demzufolge nur mit Schuldnern erreichen, wenn diese – im wahrsten Sinne des Wortes – auch Dauerschuldverhältnisse eingehen (können). Dazu ist in der sektoralen Betrachtung bisher aber nur ein Akteur in der Lage gewesen: der Staat – und auch der inzwischen nicht mehr!

Ärgerlich dabei ist: auch der Staat kann den Finanzmärkten heutzutage nicht mehr zu einer nachhaltigen Rentabilität verhelfen, weil das Potential an Nettoneuverschuldung seitens der Staaten inzwischen, zumindest in Europa, zu einer marginalen Größe werden wird. Daher wird das Erfolgskriterium des Finanzmarktes durch die geplante Reduktion der Staatsverschuldung in EURO-Land in massiver Weise behindert. (Das haben die Lobbyisten-Beauftrager nur noch nicht kapiert, sonst wäre kein Fiskalpakt dieser Welt möglich gewesen! Sancta Simplicitas!) Unabhängig von der makroökonomischen Perspektive: die niedrigen Zinsen, die sich im Zuge der vermeintlichen EURO-Krise als normal etabliert haben, sind für die Finanzbranche ein Desaster, welches in wenigen Jahren zu einer „alternativlosen Rettung“ der Geldsammelstellen (Fonds, Lebensversicherer etc.) führen wird. Denn niedrige Zinsen sind Gift für das zentrale Versprechen des Finanzmarktes aus Geld „Mehr-Geld“ zu machen – was noch nicht mal die Frage der sogenannten Realerhalts von Finanzvermögen adressiert. Und letzteres ist inzwischen zu einer wichtigeren Frage des Vermögensmanagements geworden als die landläufig noch geglaubte vermeintliche „Vermehrung“ von Nettogeldvermögen!  Und da helfen auch „garantierte Südländer-Anleihen“ nichts: denn entweder sind die Zinsen so niedrig wie in Deutschland, Japan, GB oder USA, oder die Zinsen sind hoch und ebenso der potentielle Abschreibungsbedarf. Man kann es drehen und wenden wie man will: Geld im Sinne eines Nettogeldvermögen entsteht dabei nie, denn die Summe allen Nettogeldvermögens ist immer Null.

Das heißt auf gut Deutsch: derzeit ist der Kreditgeldkapitalismus in einer Phase, in der ein strategisches Spiel darüber gespielt wird, welcher Sektor noch über ein wesentliches Verschuldungspotential verfügt, was man als ‚conditio sine qua non‘ des Finanzmarktes interpretieren kann, denn nur dann kann er sein zentrales Versprechen des „Mehr-Geld“ aufrechterhalten. (Die unsittlichen „Erfolgshonorare“ der Traumverkäufer sprechen jedoch eine andere Sprache. Witzigerweise ist zwar jeder davon betroffen, aber alle glauben daran, daß es sie nicht betrifft. Gegen diesen Selbstbetrug ist kognitive Dissonanz ein Kinderspaßportal!) Nur unter dieser Voraussetzung können sowohl der Finanzmarkt, als auch die Unternehmen noch Gewinne ausweisen; der Mechanismus G -> G‘ (den es so ohnehin nie gab) funktioniert nicht mehr, weil die Wachstumsraten des Sozialprodukts, die bisher diese Illusion genährt hatten, inzwischen auf mikroskopische Dimensionen zusammengeschnurrt sind! Bei Wachstumsraten um Null Prozent ist eben auch gesellschaftlich kein Nettogeldvermögensaufbau mehr möglich.

Leicht zu verstehen und schwer zu begreifen – so ist das halt mit der Erkenntnis!

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