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Skizze einer Konjunkturtheorie des Kreditgeldes

Magnolie StrukturMan wundert sich manchmal darüber, daß es so etwas wichtiges wie eine monetäre Konjunkturtheorie anscheinend nicht mal im Ansatz gibt, obwohl nichts so sehr die Funktionsweise einer modernen Wirtschaft steuert wie das Geld. Dagegen gibt es reale Konjunkturtheorien wie Sand am Meer was wohl daran liegen dürfte, daß sich in diesem Feld jeder mit irgendwelchen mehr oder weniger kruden Ideen präsentieren kann und es mehr darum geht eine spannende Story zu erzählen als darum eine theoretisch saubere und methodisch stichhaltige Analyse zu konstruieren. Was gibt es da nicht alles: angefangen von der „schöpferischen Zerstörung“ durch Pionierunternehmer (die sich mehr als häufig vom Staat sponsorn lassen) über die Sprunghaftigkeit von Unternehmern, wenn ihnen die „Mehrwertrate“ nicht mehr gefällt (die aber nicht wissen, woher denn der monetäre Profit kommen soll) bis hin zu den „Pendeltheorien“ der Neoklassik, für die eine Konjunktur lediglich daraus besteht, daß eine ansonsten sich im Gleichgewicht befindende Ökonomie durch einen externen Impuls (man darf „schockiert“ sein über diese unbotmäßige Einflußnahme nicht-ökonomischer Faktoren – meistens der Staat) ins Schlingern gerät, aber durch ihre heroischen Selbstheilungskräfte selbstverständlich nach einiger Zeit wieder zu ihrem ursprünglichen Gleichgewicht zurückkehrt. Für letztere Phantasie kann man sogar Preise gewinnen und niemand hätte die Absicht dem zuständigen Komitee unterstellen zu wollen die Sache nicht ernsthaft geprüft zu haben.

Monetäre Theorien setzen üblicherweise an zwei verschiedenen Punkten an, einmal der wie auch immer definierten Geldmenge und andererseits dem wie auch immer definierten Zinssatz. Die Vermutung, daß es zwischen der „Geldmenge“ und dem Niveau der wirtschaftlichen Aktivität einen engen Zusammenhang gibt ist die Grundlage dafür, daß solche kruden Konzepte wie die wie auch immer definierte Quantitätstheorie bis zum heutigen Tage überhaupt Bedeutung genießen. Die Suche nach der blauen Blume der Ökonomie, d.h. nach der stabilen Geldnachfrage ist seit Jahrzehnten noch geheimnisumwittert, weil es sich immer wieder herausgestellt hat, daß die Schätzungen kaum ihren Veröffentlichungszeitpunkt erreichen konnten und bei Erscheinen meist schon veraltet waren. Über die Geldmenge Einfluß auf die Konjunktur zu nehmen ist unter diesen Auspizien mehr ein Kaffeesatzlesen als ordentliche Wissenschaft. Dagegen ist die Instrumentalisierung des Zinses als konjunktursteuerndes Element schon von vornherein mit dem Makel behaftet lediglich aus einer einzelwirtschaftlichen Perspektive geboren zu sein. Wie man aus der Diskussion um das Föhl´sche Gewinnparadoxon weiß ist der Schluß von steigenden Zinsen auf sinkende Investitionen an Annahmen gekoppelt, die an die schlimmsten in der Nach-Keynes Zeit stattgefundenden Elastizitätsdebatten erinnern. Entscheidend ist, daß nicht der Zins per se Investitionen weniger rentabel macht, sondern die mit der Einkommensentwicklung veränderte Konsum- bzw. Sparneigung, was wiederum ein Aspekt der unsäglichen Suche nach der Geldnachfragefunktion darstellt. Nun kann man ja durch beliebige Hosentaschenargumente versuchen diesen Theorien etwas abzugewinnen, was man jedoch nicht kann ist damit den zentralen Defekt dieser Theorie zu überdecken, daß sie nämlich nicht aus den Funktionsbedingungen eines validen ökonomischen Modells abgeleitet sind. Die Funktionsbedingungen des zugrundeliegenden neoklassischen Modells sind jedoch die Optimierung des persönlichen Güterbündels unter Beachtung der Opportunitätskosten. Opportunitätskosten ist aber ein reales Konzept bei denen der „Wert“ von Hummer durch den „Wert“ von Gesichtscreme gemessen wird, d.h. es handelt sich hierbei gerade nicht um ein monetäres Konzept sondern um relative Preise. Die Vermutung, man könne heutiges Papiergeld mit diesem analytischen Konzept angemessen analysieren ist nicht anders als heroisch zu bezeichnen. Da es aber bislang keine andere anerkannte Theorie zu diesem Thema gibt, wird der Schluß von der realen auf die monetäre Ebene einfach geglaubt. So einfach und so dumpfbackig ist es – leider.

Man könnte sich noch länger darüber lustig machen, dann wäre jedoch das Thema verfehlt. Wie schon erwähnt müßte eine angemessene Theorie aus den Funktionsbedingungen einer Geldwirtschaft heraus erklärt werden. Die hier zu skizzierende Überlegung setzt an einem Punkt an, der in dem Post „Geldschleife, nicht Geldkreislauf“ adressiert wurde. Denn der Punkt, daß Geld nicht einfach so da ist, sondern im besten Falle als Mittel zur Durchführung von Investitionen zur Verfügung gestellt wird macht es plausibel die monetären Vorgänge zur Grundlage einer Konjunkturtheorie zu machen. Der zentrale Ansatzpunkt ist der Lebenszyklus einer Investition, die grundsätzlich mit einer Investitionsausgabe beginnt (Kruschwitz), um dann häppchenweise mit Fortschritt der Kredittilgung (das Pendant der Abschreibungen) aus dem Wirtschaftsgeschehen wieder zu verschwinden. Sobald man diese Sichtweise einmal begriffen hat und berücksichtigt, daß das monetäre Volumen mit fortschreitender Zeitdauer des Investitionsprojektes abnimmt ergibt sich folgender stilisierter Kreditverlauf:

Isolierter Kreditverlauf

Kredit Einzel
Dabei ist zu beachten, daß der zackenförmige Verlauf der Kombination des gesamten Tilgungsverlaufs mit dem kurzperiodigen Lohnkreislauf geschuldet ist, ohne daß jedoch das grundlegende Argument an diesem Feature hängen würde. Ein derartiger Verlauf liegt auch dem Simulationsmodell aus dem Post „Dynamische Einsichten zu Geld und Zins“ zugrunde, wo ein zeitversetzter zweiter Verlauf zu einem (gesamtwirtschaftlichen) Kreditvolumen führt, dessen Verlauf wie folgt illustriert werden kann:

Asynchroner multipler Kreditverlauf

Kredit Multipel

Der dort geführte Nachweis, daß es zu einem kontinuierlichen gleichgewichtigen Entwicklungspfad kommen kann bedeutet jedoch nicht, daß es auch so kommen muß, weil die Aktionsparameter der Haushalte und Unternehmen diesem Kriterium nicht entsprechen müssen. Auch und insbesondere vor dem Hintergrund, daß es üblicherweise zu Investitionsschüben kommt macht es vergleichsweise unwahrscheinlich, daß es zu einem derartigen Pfad kommen wird, weil durch die konzentrierte Kreditvergabe die zu einem Gleichgewicht erforderliche Gleichverteilung der Investitionsprozesse nicht befördert wird. Es ist eher so, daß der Herdentrieb schlußendlich zum Lemming-Absturz führt, weil es keine koordinative Instanz gibt, welche eine Gleichmäßigkeit von Investitionen – verstanden als kompensatorische Erhöhung der Kreditvolumina – sicherstellen könnte. Wie man weiß ist das Konzept der Globalsteuerung, wo genau dies versucht wurde, daran gescheitert, daß die staatlichen Stützungskredite als ‚windfall‘-Profite in privaten Taschen gelandet sind und den erwünschten Effekt vermehrter Investitionen nicht mal im Ansatz generieren konnten.

Die Eigenheit ständig gegen Zerfallstendenzen ankämpfen zu müssen liegt denn auch in einem Spezifikum von Kreditverträgen begründet, welcher aus deren genuinen Konstruktion resultiert durch eine (planmäßige) Abnahme des ursprünglichen Kreditvolumens geprägt zu sein. Dadurch entsteht für den (hypothetisch) einzelnen Kredit das Problem, daß dessen Bedienung zum Ende der Laufzeit zunehmend schwerer bis unmöglich wird, weil die Verhaltensparameter von Haushalten sich üblicherweise nicht daran orientieren, ob die Unternehmen einen Kredit tilgen müssen oder nicht. (Denn dann müßten sie erst recht konsumieren, damit eine Neuauflage des Kredits aussichtsreich würde.) Wenn man so will ist dann, wenn das Kreditvolumen so weit geschrumpft ist, daß die pinkfarbene Linie der ersten Graphik erreicht ist der „Geldkreislauf“ (die Geldschleife) so weit geschrumpft, daß die (lohnbedingt) zyklische Bedienung des Kredits kaum noch möglich ist, von der Erzielung eines Gewinns ganz zu schweigen. Nun mag man einwenden, daß die Beendigung eines einzelnen Kredits in der Menge aller Kreditverhältnisse nicht ins Gewicht falle, weil das Nachfragepotential durch noch laufende Kredite quasi unverändert bestehen würde. Ein derartiges Argument mag im Einzelfall richtig sein, schließt jedoch nicht a priori aus, daß das Zusammenfallen mehrerer refinanzierungsbedürftiger Kreditverhältnisse in einem Zeitpunkt genau diese Situation einer Ertragsklemme erzeugt, ohne!!! daß hierfür eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich wäre. Die Mengen-„Produktivität“ von Realkapital mag noch so toll sein, sobald sich die monetären Bedingungen verschlechtern ist Mengen-„Produktivität“ nicht mehr entscheidend. Die Rationalisierungstrottel sind dann nur noch der Sargnagel auf eine nicht notwendigerweise zu einem Desaster führende monetär-systemimmanente Entwicklungspanne.

Was hier wie eine technische Finesse aussieht läßt sich jedoch jedesmal beobachten, wenn es zu kontraktiven Entwicklungen kommt, wenn also Krisenerscheinungen entstehen, die in keiner Weise mit irgendeiner Unlust zum Konsum zu tun haben müssen, sondern einzig und allein an dem Umstand liegen, daß die wellenartige Kreditschöpfung ebenso wellenartig zurückgeführt wird. So sind auch Banken üblicherweise daran interessiert bei auftretenden Krisenanzeichen ihre Kreditlinien zu reduzieren oder wahlweise die Anforderungen an die Sicherheiten in unermeßliche Höhen zu schrauben, was das zeitliche Zusammenfallen von auslaufenden Krediten noch zusätzlich befördert. Und auf einmal entsteht der Effekt, daß ehemals „produktive“ – d.h. im monetären Sinne rentable Investitionsprojekte – sich aus nicht(!) technologischen Gründen als defizitär entwickeln, sondern allein deshalb, weil die monetäre Prozeßschleife sich ihrem Ende zuneigt – und zwar nicht nur einzelne sondern viele.

Ich gebe ja zu, daß das eine äußerst technische Variante über das Entstehen von Konjunkturentwicklungen ist, die nicht mit den schöngeistigen Erzählungen von Technologie und unternehmerischem Erfindergeist zu vergleichen ist. Es ist allemal angenehmer sich die Welt durch menschliche Faktoren erklären zu lassen, als durch schnöde temporal strukturierte und mehr oder weniger zufällige Koinzidenzen von Kreditlaufzeiten. Das Ärgerlichste an dieser Geschichte ist, daß man die Gezeiten der Konjunktur nicht mehr auf bewußte Aktionen von weitsichtigen Unternehmern zurückführen muß, sondern einsehen muß, daß die Zufälligkeit des Zusammentreffens von Kreditlaufzeiten sich dem planerischen Intellekt von Unternehmenslenkern schlichtweg entzieht. Das kann man bedauern, ändern wird man es durch den Glauben an die Gestaltbarkeit von Wirtschaft nicht.

Man kommt nicht umhin festzustellen, daß die schöngeistigen Lehrbuchgeschichten von einer umlaufenden Geldmenge, die nichts anderes zu tun hat, als die ganzen Tauschvorgänge zu erleichtern an sich in den Mülleimer der Theoriegeschichte gehören, wo der gnädige Mantel des Schweigens drüber ausgebreitet werden könnte. Denn das eigentliche Charakteristikum des Kreditgeldkapitalismus, daß nämlich arbeitsteilig organisierte Prozesse von zwei Geldschleifen – die Lohnschleife sowie die Kredit(tilgungs)schleife – begleitet bzw. gesteuert werden, geht bei den ganzen Geldmengenphantasien völlig verloren. Wenn man so will ist kreditgeldgesteuerte Produktion durch einen permanenten Kontraktionsprozess geprägt, der nur dann kompensiert werden kann, wenn durch „neues Vertrauen“ neue Kreditkontrakte vereinbart werden, welche die kontraktiven Tendenzen der Kredittilgung konterkarieren können. Diese Erkenntnis ist sicherlich nicht neu sondern reflektiert eher den monetären Aspekt von Keynes mit seiner Betonung auf die „Neigung zur Investition“ der Unternehmer, die wie eine Mimose auf kleinste Unannehmlichkeiten mit größter Zurückhaltung reagieren.

Interessant bei dieser Geschichte ist der Umstand, daß inzwischen einzelne Investmentfonds sich an der Frage orientieren, welches „Alter“ der Kreditzyklus in einer Region aufweist. Es scheint, als könne man mit Hilfe derartiger Analysen ganz gut Geld verdienen wie man aus diesem Artikel herauslesen kann. Das ist natürlich auch nicht so erstaunlich, weil sich in einem Investitionsboom die Positiv-Hysterie gegenseitig auf Hype aufschaukelt, während die Analyse, wie lange die positiven Ertragserwartungen noch vorhalten, üblicherweise etwas für akribische Analysten ist, die aus gutem Grunde nicht so sehr im Rampenlicht der Informationsverwurster stehen möchten. Denn dann geht es um so „langweilige“ Dinge wie Kreditlaufzeiten, Ausfallraten, Abschreibungsverluste bei Banken (igitt) und vielleicht sogar mal wirtschaftspolitische Weichenstellungen, auch wenn bei letzteren auf die privatwirtschaftliche Hochstimmung üblicherweise der öffentliche Katzenjammer folgt – für den natürlich niemand verantwortlich ist. Diese „langweiligen“ Dinge geben anscheinend doch angemessene Informationen darüber, wann man aus einem Engagement aussteigen sollte, was auch wenig erstaunlich ist, weil Investitionsentscheidungen dann irgendwie doch an dem unvorhergesehenen Umstand hängen, ob es eine zufriedenstellend positive monetäre Rendite gibt oder nicht. Und da sind die Phantasien von Altweiber-Sommern, die durch überteuerte Zukäufe allen Ernstes auch noch Traumrenditen herausrechnen wollen eher etwas für die seichte Zuschauerschaft… na ja, der Krug geht zum Brunnen bis er bricht! Obwohl: auch wenn diese Trottelnummer zig Milliarden verbrannt hat ist der ’spirit‘, der derartige Entwicklungen in Gang setzt die Quelle von Wohlstand und Prosperität. Man muß halt nur darüber nachdenken, wie der monetäre ‚catch-22‚ neutralisierbar ist – dazu müßte man allerdings erst mal erkennen, daß er existiert!

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Bargeld oder nicht Bargeld – das ist hier die Frage

Bargeld oder nicht Wenn man sich die Diskussion um die Abschaffung des Bargeldes ansieht, kommt man aus dem Staunen nicht heraus mit welchen Argumenten versucht wird dafür eine valide Begründung zurechtzuschustern. Da wird von der Zurückdrängung von Schwarzarbeit und der damit verbundenen Steuerhinterziehung fabuliert, es wird angeführt, daß es dann keine Banküberfälle mehr gäbe, es wird die Hygiene von Geldscheinen als monströse Gefahr für die „Volksgesundheit“ dargestellt und zu guter Letzt soll eine konjunkturelle Interventionsmöglichkeit geschaffen werden, welche vorsieht die Geldpolitik über einen „Negativzins“ und nicht mehr die Fiskalpolitik – d.h. staatliche Ausgabenvariation – als Element der Konjunkturstützung zu instrumentalisieren, wobei die „Flucht ins Bargeld“ als Ausweichreaktion privater Akteure unterbunden werden müsse. (Die Links findet jeder der möchte selbst, man muß nicht auch noch auf Unfug verweisen.)

Allen genannten und ungenannten Pseudo-Gründen ist gemeinsam, daß sie irgendwelche beliebigen unerwünschten Aspekte der Wirtschaftswelt aufgreifen, um daraus ein moralisches Argument zu basteln, welches dem Leser eine emotionale Abwehrhaltung gegenüber dem Bargeld andienen soll. Garniert wird das Ganze noch mit einem ökonomistischen Sprachduktus, welcher beweisen soll, daß es sich dabei wenn schon nicht um wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse so doch um ernstzunehmende Alternativlosigkeiten handeln soll. Schließlich muß ja heutzutage jedes belanglose Geschehniskrümelchen zu einem weltexistenzbedrohenden Hype aufgepustet werden, dem nach drei Tagen medialer Hyperventilation sang- und klang- und kommentarlos die Luft ausgeht.

Nun gibt es ja für manche Interessengruppen durchaus ein valides Interesse daran den Bargeldgebrauch so weit wie möglich einzuschränken, so daß für dieses Ziel auch die Argumente eines Komplettverbotes von Bargeld als durchaus zweckdienlich erscheinen. Das betrifft insbesondere die ehrenwerten Unternehmen wie Kreditkartenfirmen (deren Geschäftsmodell noch nicht mal so verkehrt ist), für die aufgrund ihres Geschäftsmodells die weitestgehende Zurückdrängung der Bargeldzahlung ein unternehmerisches Ziel ersten Ranges darstellt. Nun ist aber die Zurückdrängung des Bargeldgebrauchs nicht dasselbe wie die Abschaffung von Bargeld, weil zwischen beiden Zuständen ein qualitativer Sprung existiert, der eine Wesensveränderung der monetären Verfassung nach sich zieht. Die in den „ökonomischen Abteilungen“ beschäftigten Verfasser von Stragegiepapieren und die Lobbyisten wie Mastercard und Co. dürfen das selbstverständlich übersehen, weil sie ja nicht dafür bezahlt werden ökonomisch gehaltvolle Analysen zu erstellen, sondern nur die Argumente zu polieren, die dem Unternehmensinteresse dienen. Da können Erkenntnisse, die man schon aus dem ökonomischen Grundstudium kennen müßte auch schon mal stören.

Zu allem Überfluß ist die Abschaffung von Bargeld ein zutiefst in einer Austrian-Denke (Ökonomie kann man dazu nicht sagen…) verwurzeltes Anliegen, weil der eigentliche Zielpunkt dieser Kampagne ja nicht in der Verhinderung von Geldwäsche oder der Steuerung irgendeiner „Geldmenge“ durch die Zentralbank besteht, sondern in der dann in greifbare Nähe rückenden Abschaffung der Zentralbank. Wie man weiß lassen Austrians kein noch so abstruses Argument aus, um ihre messianische Überzeugung, daß nur „freies Marktgeld“ ein gutes Geld sei irgendwo zur Sprache zu bringen. Wenn man so will treffen sich hier die ‚agenda pusher‘ der Kreditkartengesellschaften mit den Gläubigen des „freien Marktgeldes“! Na, wenn das nicht zu einer zu einer unheiligen Allianz führt, was dann?

Zum Glück kann man auch noch seriös über die Frage Bargeldabschaffung oder nicht nachdenken, ohne über die ganzen dumpfbackigen „Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile des Bargeldes unter besonderer Berücksichtigung des zur Herstellung von Banknoten erforderlichen Energieverbrauches“ Argumentationsversuche verzweifeln zu müssen. Wie in diesem Post bereits angedeutet ist die Vision eines bargeldlosen Geldsystems lediglich eine propädeutische Übung um zu illustrieren, wie die Einräumung von Kredit erst zur Schaffung von privater Kaufkraft führt und im Zuge der Auszahlung der Bank (i.d.R. per Überweisung) des Darlehens zu Zahlungsmittelbewegungen führt, welche essentiell aus Zahlungsmittelumschichtungen – d.h. der Umschichtung von Zentralbankgeldbeständen – begleitet wird. Von dieser Betrachtung explizit ausgeschlossen sind Bargeldzahlungen, welche erst in einem zweistufigen Zentralbanksystem existieren. Das macht ja gerade die Propädeutik aus.

Sobald man sich aber in einem zweistufigen Zentralbankgeldsystem befindet, ist es unabdingbar, daß es zwischen den beiden Ebenen (Zentralbank und Geschäftsbanken) einen Differenzierungsgrund gibt, der schlichtweg daraus besteht, daß eine Zentralbank ihre Schulden dadurch begleichen kann, indem sie ein Verfügungsgeschäft vornimmt, welches daraus besteht, daß sie ihre Schuld durch die Übergabe von Banknoten tilgt. Weil aber eine Zentralbank für derartige Operationen keinen Kassenbestand vorhalten muß, läuft die Schuldbefreiung einer Zentralbank dergestalt, daß sie Banknoten ausgibt, welche einerseits die Schuld gegenüber einer Geschäftsbank tilgen, was andererseits zu nichts anderem führt als einem Eintragungsvermerk in das Konto Zentralbankgeldumlauf. Heißt auf gut Deutsch: die Zentralbank zahlt, indem sie einen „Passivtausch“* vornimmt – Zugang Zentralbankgeldumlauf gegen Abgang Geschäftsbankverbindlichkeit – während ein privater Zahlungsvorgang mit einem Abgang von auf der Aktivseite befindlichen Zahlungsmittelbeständen (Zentralbankgeld) und einem Abgang von Verbindlichkeiten einhergeht – genannt Bilanzverkürzung. Anscheinend hält sich immer noch die Vorstellung, daß eine Zentralbank mit der Ausgabe von Banknoten ein Schuldverhältnis eingeht. Diese Vorstellung ist einmal die Folge einer unsäglichen historischen Institutionalisierung – der Goldwährung, wo Zentralbanknoten eine Schuld darstellten. Andererseits scheint die neuzeitliche Erkenntnis zu schwierig zu sein, daß die Emission von Zentralbankgeld einen hoheitlichen Akt darstellt, welcher Zentralbankgeld zu einer schuldbefreienden Sache macht – solange es sich um Geldschulden handelt. Dieser hoheitliche Akt kann jedoch von Geschäftsbanken nicht kopiert werden. Denn das was eine Zentralbank emittiert sind persönlich zurechenbare Informationseinheiten, welche darüber Auskunft geben, welches Wirtschaftssubjekt über Schuldbefreiungsfähigkeit verfügt. Nichtökonomen wissen sofort, wovon die Rede ist – die Sache, mit der man sich von einer Schuld befreien kann!

Dieser Unterschied, daß sich die Bilanz einer Zentralbank bei einem Auszahlungsvorgang aufgrund des „Passivtausches“* überhaupt nicht größenmäßig verändert, während jeder Auszahlungsvorgang einer normalen Bank mit einer Bilanzverkürzung einhergeht – weniger Schulden aber auch weniger Geld (Einzahlungsvorgänge im Zuge von Überweisungseingängen sind dagegen eine Angelegenheit einer Bilanzverlängerung – mehr Schulden, aber auch mehr Geld!) ist bisher nicht wirklich in das Bewußtsein von „Geldabschaffern“ vorgedrungen, denn der springende Punkt dabei ist, daß eine Zentralbank deswegen eine unendlich große Zahlungsfähigkeit hat, weil sie sich jederzeit mit der Übergabe von Banknoten von ihren Verbindlichkeiten – soweit es das von ihr selbst emittierte Geld betrifft – befreien kann. (Ich sollte für Verwirrungsspezialisten gleich dazu schreiben, daß es sich hier ausschließlich um monetäre Vorgänge handelt, welche mit Leistungssalden nichts zu tun haben.) Darin liegt nämlich der fundamentale Unterschied von Zentralbanken und Geschäftsbanken was Zahlungsbewegungen angeht – Passivtausch einerseits, Bilanzverkürzung andererseits.

Sobald man diese elementaren Sachverhalte einmal geblickt hat wird auch klar, warum die Abschaffung von Bargeld keine Petitesse darstellt. Denn das würde bedeuten, daß von heute auf morgen eine Zentralbank ZAHLUNGSUNFÄHIG werden würde. Der kühle Grund dafür ist die elementare Rechtskonstruktion von Geschäften, daß eine zweiseitig sich deckende Willenserklärung – genannt (Kauf- bzw. hier Kredit-) Vertrag – von einem Erfüllungsgeschäft begleitet sein muß, mit dem die Tilgung der vereinbarten Schuld erfolgen kann. Eine Zentralbank kann sich aber nur dann von ihrer Schuld befreien, wenn sie das Schulderfüllungsmedium emittieren kann – nämlich Banknoten. Verweigert man ihr dieses Recht mit dem Argument bakterienbehafteter Banknoten oder ähnlich dumpfbackigen Pseudo-Argumenten ist ihre Funktion schlichtweg amputiert. Man kann nicht sarkastisch genug darüber raisonnieren, daß es tatsächlich selbsternannte „Experten“ gibt, die ohne nachzudenken derartig fahrlässig mit einer vergleichsweise erfolgreichen gesellschaftlichen Institutionalisierung umgehen, indem Pseudo-Argumente wie der Wegfall von Bankrauben als „ökonomisch“ angedient werden. Für solche Fehlleistungen wäre sogar ein homerisches Gelächter noch zu viel Anerkennung!

Der Grund für das kollektive Versagen eines ganzen Diskussionsstranges von angeblich „führenden Ökonomen“ liegt darin, daß es für diese Ökonomen, die der Ricardo´schen Kornökonomie anhängen, anscheinend zu schwierig ist Hierarchieebenen auseinanderzuhalten, eine Geschichte, die jedem drittklassigen Programmierer keine Schwierigkeiten bereiten würde. Noch nicht mal die Tatsache, daß der Zahlungsvorgang einer Zentralbank aus einem Passivtausch und der einer Geschäftsbank aus einer Bilanzverkürzung besteht hat bei diesen „Koryphäen“ in irgendeiner Weise dazu geführt, daß mal ein Nachdenken darüber einsetzt, daß zwischen Zentral- und Geschäftsbank ein Qualitäts- bzw. Hierarchieunterschied besteht, der nicht so nonchalant einfach ignoriert werden kann. Natürlich: wenn man an den Blödsinn der Quantitätstheorie glaubt sind solche Differenzen schlichtweg undenkbar – weil in diesem Regime die Zahlungsfähigkeit der Zentralbank an Aktivvermögen wie Gold gebunden ist. Aber Quantiblödstheorie hin oder her: man könnte ja auch mal die Grundlagen der Buchhaltung berücksichtigen, wenn man anfängt über elementar wesentliche ökonomische Dinge einer Geldwirtschaft – Kapitalismus ist inzwischen nur noch ein Schlagwort für Unkundige – wie Bargeldabschaffung zu schwadronieren. Sowas kann man sogar schon in einem Schmalspurstudium hinbekommen – aber auch das scheint in den Zeiten von Pisa-Excellenz schon zu viel zu sein.

Und das Witzigste an der Sache ist ja noch, daß selbst bei einer Abschaffung des Bargeldes und den damit verbundenen rechtstechnischen Monströsitäten es immer noch Zentralbankgeld – die Verbindlichkeit der Zentralbank – geben wird. Das heißt, daß selbst wenn die Bankenbranche von den paar Kosten des Bargeldverkehrs sich befreien kann, ist die Bindung der Banken an die Zentralbank noch lange nicht erloschen. Denn auch dann bleibt die Funktion von Zentralbankgeld den Liquiditätsausgleich von Geschäftsbanken zu bewerkstelligen erhalten, von dem sich die Banken nicht werden befreien können. Und die bemitleidenswerte Vision der Austrians werden die Banken erst recht nicht brauchen, weil die Risiken von Wechselkursveränderungen (zwischen Banken in dem Fall) dann bei jeder bankübergreifenden Überweisung auftreten.

Heißt: der Liquiditätsausgleichsstandard wird auch ohne Bargeld erhalten bleiben – „führende Ökonomen“ hin oder her!

 

*Update: Daß dieser vermeintliche „Passivtausch“ so nicht existiert, wird hier dargestellt:

https://soffisticated.wordpress.com/2016/10/19/felix-qui-potuit-rerum-cognoscere-causas/

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Schatten ist nur dann, wenn Sonne ist

SirmioneSeit einigen Jahren geistert ein Begriff durch die Finanzwelt, der sich bis heute einer zutreffenden Charakterisierung entzieht. Man findet zu dem Begriff „Schattenbank“ lediglich eine Vielzahl von Beschreibungen, deren gemeinsamer Nenner darin besteht zu konstatieren, daß eine Schattenbank von einer normalen Geschäftsbank dadurch zu unterscheiden wäre, daß die eine einer staatlichen Regulierung unterliegen würde und die andere eben nicht. Die regulierten Banken hätten daher das Privileg des Zugangs zur Zentralbank, während den anderen der Zugang zur Zentralbank verweigert bleibt. Interessanterweise wird dabei meist darauf Bezug genommen, daß die Einlagen, die von den Schattenbanken angenommen werden sich keiner staatlichen Besicherung erfreuen und somit irgendwie die Unsicherheit der Einlagen die Bezeichnung als im „Schatten“ liegend nahelegt, was wohl irgendwie bedeuten soll, daß die staatliche Sicherung von Einlagen denen einen „Platz an der Sonne“ garantiert.

Dabei wird üblicherweise keine grundsätzliche funktionale Differenzierung beider Banktypen vorgenommen, denn in beiden Fällen wird das zentrale Geschäftsfeld darin gesehen Kreditintermediation zu betreiben. Es wird dann versucht diese fehlende Differenz wird dann durch viele Einzelaspekte zu motivieren, indem die Art der Bankgeschäfte zum zentralen Kriterium wird, obwohl es keineswegs naheliegt, diese Unterscheidung für maßgeblich zu halten. Es sieht eher so aus als würde das Kriterium Nicht-Regulierung dazu benutzt zu begründen, daß in diesem Sektor Geschäfte abgewickelt würden, die mit einem „normalen“ Bankbetrieb nicht vereinbar seien. Man hat das unbestimmte Gefühl in einer Einführungsvorlesung für Geldtheorie zu sein, wo nach der Deklaration der vermeintlich wesentlichen Eigenschaften von Geld ohne weitere Diskussion zu den diversen Geldmengenaggregaten übergegangen wird, obwohl man sich durchaus mal fragen könnte, was es denn ist, was da so alles „aggregiert“ werden soll. Auch hier wird der eigentliche Erklärungsnotstand durch eine künstliche Verkomplizierung (oder behauptete Verkomplexierung) überspielt und durch phänomenologische Detaildiskussion der Eindruck erzeugt, man wisse ja durchaus, womit man es dabei zu tun hätte.

Dabei liegt eigentlich eine Differenzierung nahe, die sich auf das Kriterium „Zugang zur Zentralbank“ orientiert, selbst wenn vordergründig die Regulierung durch die Zentralbank das vermeintliche Kriterium zur Unterscheidung liefert. Der essentielle Unterschied liegt nämlich darin, daß normale Banken mit einer Kreditvergabe gleichzeitig in gewissem Umfang einen Zuwachs an Zentralbankgeld generieren, mit dem sie den gewährten Zahlungsvolumina durch Zahlung in Zentralbankgeld nachkommen können – und müssen.

Dies müssen die Banken im „Schatten“ natürlich auch, der Unterschied besteht eben darin, daß diese ihre Zahlungsverpflichtungen aus vorgegebenen Beständen begleichen müssen, die ihnen von privaten Anlegern zufließen und insofern hier genau das stattfindet, was die Bankbetriebslehre nicht müde wird als Funktion des Bankgewerbes zu postulieren. Denn die traditionelle Liste der Bankfunktionen ist es ja gerade „Einlagen“ (die man sonst in den Schuhen hat) zu Krediten zu transformieren, sei es als Fristen-, Losgrößen- oder Risikotransformation.

Es sieht demnach eher so aus als hätte sich die Bankbetriebslehre ausschließlich der Funktion der Schattenbanken gewidmet und den wesentlichen Aspekt des Bankensystems, nämlich tatsächlich Geldschöpfung generieren zu können, komplett übersehen. Das wird vermutlich damit zusammenhängen, daß die Differenz von dem was als „Bankgeld“ bezeichnet wird und dem, was Zentralbankgeld wirklich ist weitgehend ignoriert wird. Es ist ja heutzutage chic geworden zu behaupten Banken könnten „Geld“ schaffen was auch schon dazu führt zu fordern den Banken das Privileg der Geldschöpfung zu entziehen. Jeder Kommentar dazu erübrigt sich – eigentlich. Doch in einer Publikation der Bundesbank zu diesem Thema versteigen sich die Verfasser zu der sachlich unhaltbaren Aussage:

„Im Vergleich zu Geschäftsbanken weisen Schattenbanken einige grundsätzliche Unterschiede auf. So können sie im Gegensatz zu Geschäftsbanken keine Giralgeldschöpfung betreiben…“ (Seite 3 PDF; Seite 17 Seitenzählung)

Offenbar unterliegen auch Bundesbank-Ökonomen der Falschvorstellung, daß Bank-Forderungen etwas anderes sind als „normale“ Forderungen, nämlich Geld. Das wird daran liegen, daß die ständig verwendete fehleranfällige Bezeichnung von Bankschulden als „Giralgeld“ auch dort geeignet ist das analytische Verständnis des grundsätzlich vorhandenen Unterschieds von Forderung und Forderungserfüllung zu vernebeln. Denn da die Einräumung eines Kredites gleichbedeutend mit einer Bilanzverlängerung ist, wobei dann die Bankschulden entstehen, die dann irgendwie „Geld“ bedeuten sollen, ist nicht zu sehen, was der kategoriale Unterschied sein soll, ob eine Bank an der Sonne oder eine Bank im Schatten eine Schuldzusage macht. Denn soweit diese Schuld beglichen werden muß (nennt sich Überweisung oder Auszahlung) sind Schattenbank und Sonnenbank gleichermaßen dazu gezwungen ihre Zahlungsverpflichtung in einem Standard zu leisten, den sie eben nicht selbst schaffen können – nämlich in Zentralbankgeld.

Viel spannender als diese Fehlleistung ist an dieser Stelle jedoch der Umstand, daß schon vor bald 100 Jahren diese Differenz zwischen Banken, welche die Möglichkeit zur passiven Generierung von Zentralbankgeld besitzen und Banken, die auf vorhandene Geldvolumina zurückgreifen müssen in klar differenzierender Weise funktional aufgegriffen wurde. Dies ist umso interessanter, als hier die übliche oberflächliche Betrachtungsweise anhand der „Eigenschaften“ von „Schattenbanken“ durch eine Sichtweise ersetzt wird, die das strukturell entscheidende Merkmal eines hierarchisch aufgebauten zweistufigen Bankensystems nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch als valides Strukturmerkmal erkennt:

„Rein deduktiv, aus dem Wesen der Krediteinräumung in der modernen Wirtschaft, ergibt sich sonach, daß es zweierlei Arten von Banken geben muß: Solche Banken, die man als Primärbanken oder als Kreditschöpfungsbanken bezeichnen kann und solche Banken, die man am besten Sekundärbanken oder auch Krediterscheinungsbanken nennen wird.“ Denn es ist immer möglich, daß es „doch eine gewisse Anzahl von Fällen gibt, in denen die Sekundärbanken direkt mit dem kreditsuchenden Publikum in Berührung kommen und in denen sie zweifellos krediteinräumend auftreten. … Die Hypothekenbanken, Sparkassen … schöpfen nämlich keine neuen Forderungsrechte zum Zwecke der Krediteinräumung, sondern benutzen hierzu die ihnen zufließenden bereits bestehenden. Da nun dieser Zufluß wiederum abhängig davon ist, daß in der Volkswirtschaft etwelche Subjekte ihnen gehörige Überweisungsguthaben nicht mehr für den eigenen Bedarf verwenden, sondern darauf verzichten, d.h. also sparen, so bedeutet dies, daß die krediteinräumend auftretenden Sekundärbanken insoweit von dem – von der herrschenden Meinung mit Unrecht bei allen Krediteinräumungen für maßgeblich gehaltenen – Vorhandensein von Ersparnissen abhängen.“ (Hahn, A. 1920)

Damit man nun nicht meint, das sei eine Einzelmeinung eines abgedrehten Bankiers hier die analoge Formulierung eines Lautenbach, dessen Diktion ähnlich wie bei Hahn nahezulegen scheint die stets als unschuldig und solide auftretenden Sparkassen als gerade diejenigen zu charakterisieren, die heutzutage quasi die unsittliche Art der Bankgeschäftsführung als Geschäftsmodell für sich erfunden hätten:

„Wir haben nun in unserem Kreditsystem eine Funktionsteilung, nämlich Geschäftsbanken … auf der einen Seite und Sparkassen auf der anderen Seite. Für die Sparkasse gelten dabei etwas andere Spielregeln, andere Liquiditätsgrundsätze; für eine Sparkasse ist die Zunahme des Einlagenbestandes immer erwünscht und Zeichen ihrer Kraft und Gesundheit; allerdings wird sie bei wechselndem Einlagenbestand auch entsprechend mehr Liquiditätsvorsorge treffen, immer eine gewisse Quote der zufließenden Mittel liquide anlegen. … Die Art, wie eine reine Sparbank ihr Geschäft betreibt, führt in der Tat dazu, daß der Zufluß von Einlagen bei ihr den Grad ihrer Anlagetätigkeit bestimmt. Bei ihr gehen also wirklich die Einlagen den Anlagen voraus. Es sieht mithin so aus, als wenn hier das Sparen tatsächlich die Investition nach sich zieht.“ (Lautenbach, W. 1952)

Dabei sollte an dieser Stelle nochmal darauf hingewiesen werden, daß diese Unterscheidung in einem funktionalen Sinne zu verstehen ist, denn natürlich können auch „Kreditbanken“ Sparvolumina annehmen und diese für eine Kreditvergabe verwenden. Entscheidend ist jedoch der Umstand, ob eine Kreditvergabe zu einer Schöpfung von Zentralbankgeld führen kann oder nicht. Und an genau dieser Stelle befindet sich der blinde Fleck der traditionellen Bankbetriebslehre die stets davon ausgeht, daß das Geld für die Kredite über die „Einlagen“ schon immer da ist. Denn anders kann man die ganze „Transformationstheorie“ von Banken seitens der Bankbetriebslehre nicht interpretieren, so daß von vornherein eine Erkenntnis genau des funktionalen Kriteriums, welches eine Differenzierung von Sonnen- und Schattenbank möglich machen würde letzten Endes durch den Glauben an eine Quantitätstheorie, welche die Existenz von Geld als exogene Komponente setzt, vollends verhindert wird.

Man kann diesen ganzen Schlamassel so zusammenfassen: die Bankbetriebslehre hat mit ihrer Transformationstheorie das letzte halbe Jahrhundert über die Finanzierungsbedingungen des Schattenbankensystems diskutiert und tut heute so, als wäre die Existenz von Banken, die sich tatsächlich aus Einlagen von Sparern finanzieren müssen, eine Angelegenheit neueren Datums. Denn wenn irgendwo Risiko-, Fristen- und Losgrößentransformation betrieben wird, dann genau in diesem Schattensektor, weil die weitgehende Abwesenheit von Regulierung ihm überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet Risiko zu übernehmen, ohne deswegen bei eintretenden Verlusten mit dem Entzug einer Lizenz rechnen zu müssen. Von daher ist es auch nicht mehr schwer zu begreifen, warum für die Sonnenbanken umgekehrt das Instrument der Verbriefung so wichtig ist: es geht darum, daß diese Banken, die der geballten Regulierungswut staatlicher Stellen ausgeliefert sind, auf jeden Fall verhindern müssen in irgendeiner Weise größere Verluste aus Kreditengagements zu realisieren. Das heißt aber, daß hier überhaupt nur noch Risiken übernommen werden die entweder staatlich mit einer Bürgschaft abgesichert sind oder die notfalls geräuschlos an eine angegliederte Zweckgesellschaft verschoben werden können.

Und dann kommt frei nach der Morgensternschen Pseudologik der Regulierer um die Ecke, weil ja nicht sein kann, daß in einem Bereich, der ja auch und gerade zur Risikotransformation da ist, gelegentlich auch mal Verluste anfallen, deren Ausmaße dann die üblichen Schönwetter-Vorstellungen sprengen. Geht man nun aber an die „Regulierung“ des Sektors Schattenbanken mit der Begründung heran, die Anleger müßten vor unseriösen Angeboten geschützt werden, was regelmäßig darauf hinausläuft, daß es Regreßmöglichkeiten bei „nicht vollständiger Beratung“ oder ähnlichen Ausreden gibt sobald ein Kreditengagement Verluste einfährt, wird damit genau der Puffer zerstört, der es den Sonnenbanken erlaubt in puncto Verluste eine weiße Weste zu behalten. Man kann es auch anders sehen: irgendwo müssen die Verluste ja anfallen und das Ansinnen per Regulierung das Verlustrisiko einzudämmen gleicht dem Versuch die ausgedrückte Zahnpaste wieder in die Tube zu bekommen.

Und genau hier liegt der Grund dafür, daß die Diskussion um das System der Schattenbanken so verquer gestaltet ist, da man durch die „Regulierung“ die Sonnenbanken der Möglichkeit beraubt hat ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen zu können, nämlich über die Einnahme von Versicherungsprämien – wozu primär die Zinsen (auch) da sind – die aus der allgemeinen Zukunftsunsicherheit resultierenden Verluste aus Kreditabschreibungen tatsächlich neutralisieren zu können. Doch auch wenn es inzwischen anders strukturiert ist: an der „Schatten“-Instanz, die es vermag Verlustabschreibungen auch abfedern zu können, geht kein Weg vorbei. Regulierung hin oder her!

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M und Ms

Hotel am DoellnseeIrgendwie meint man ja doch, wenn etwas von einer hochoffiziellen Stelle als richtig und gültig deklariert wird, daß es sich dann um etwas Gesichertes handeln müsse. Das nennt man dann beispielsweise „Gesichertes Wissen“! Ein solches vermutet man dann auch und insbesondere dann, wenn es um die Europäische Zentralbank geht, deren unmittelbares Tätigkeitsfeld ja die Verwaltung der €-Währung in der €-Zone ist, wo man vermuten könnte, daß dort eine zweifelsfreie Definition dessen existiert, womit sie von ihrer Aufgabe her betraut ist: Geld! Deswegen soll es also diesmal um eine Definition gehen: die „Geldmenge“!

Dieser Begriff ist schon deswegen wichtig, weil ja selbsterklärtermaßen ein Großteil der Tätigkeit von Zentralbanken darin besteht die Pegelstände der verschiedenen „Geldmengen“ zu beobachten, um daraufhin sofort bei erkannten Abweichungen zu „makroprudentiellen Maßnahmen“ greifen zu können. Also wird es durchaus erlaubt sein mal einen Blick darauf zu werfen, was das denn ist, was die Aufmerksamkeit von Zentralbankern so fesselt.

Auch wenn Wikipedia in Bezug auf Ökonomie eine vorzügliche Quelle fürchterlicher Fehlleistungen ist, kann man wenigstens davon ausgehen, daß die dortigen Autoren einigermaßen abschreiben können. Daher ein kurzer Ausschnitt der:

Geldmengendefinitionen:

„Für M1 bis M3 definiert die Europäische Zentralbank:

M0/Geldbasis: Banknoten und Münzen, die sich im Umlauf außerhalb des Bankensystems (bei Nicht-Banken) befinden (also ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken, aber mit Banknotenumlauf im Ausland) plus dem Zentralbankgeldbestand der Kreditinstitute;

M1: Sichteinlagen der Nichtbanken sowie den gesamten Bargeldumlauf;

M2: M1 plus Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu zwei Jahren und Einlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis zu drei Monaten;

M3: M2 plus Anteile an Geldmarktfonds, Repoverbindlichkeiten, Geldmarktpapieren und Bankschuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren.“

Jetzt darf man sich natürlich wundern, warum diese Geldmengenklassifikationen von „M1 bis M3“ ausgerechnet bei M0 anfangen. Der Passus zu der Geldmenge M0 ist im Gegensatz zu Wikipedia auf der Seite der EZB (zumindest an der von Wikipedia verlinkten Stelle) nicht mehr zu finden (11.6.2014). Zu unterstellen, die Europäische Zentralbank wüßte nicht, was M0 sein könnte, entbehrt natürlich jeder Substanz. Dafür erfährt man, daß M0 eine Geldmenge mit „Sonderstellung“ ist, daß also M0 etwas anderes sein müßte, als die M1-M3 Geldmengen. Schaut man sich also an woraus die Geldmenge M0 besteht, stellt man fest, daß damit Banknoten und Münzen außerhalb des Bankensystems zuzüglich dem „Zentralbankgeldbestand der Kreditinstitute“ bei der Zentralbank gemeint sind. Das ist von der Abgrenzung nicht das, was man unter der Zentralbankgeldmenge verstehen müßte, denn die Bestände an Banknoten (=Zentralbankgeld) bei den Banken gehören laut Definition von M0 NICHT dazu. Das bedeutet salopp gesagt, daß eine Banknote, die im Geldautomat liegt KEIN Geld im Sinne der Definition von M0 ist, während dann, wenn sie aus dem Geldautomaten abgehoben wurde, auf einmal zur Geldmenge M0 (und sogar auch zur Geldmenge M1-M3) gehört. Bevor wir auf den Grund stoßen, warum die bei den Banken befindlichen Banknotenbestände (und Hartgeldbestände) nicht zu irgendeiner Geldmenge gehörten, erst mal ein kurzer Blick auf die M1-M3 Geldaggregate.

Die Differenzierung von M1 bis M3 ist im Grunde genommen davon geprägt, wie die Fristigkeit der Forderungen gegen das Bankensystem gestrickt ist. Im wesentlichen geht es da nur um die Frage der Fristigkeit von Geldforderungen, so daß es vertretbar erscheint, die Wichtigkeit dieser Differenzierung auf andere Gründe zurückzuführen, als darauf, theoretisch valide Begründungen für diese Geldmengendefinitionen zu finden. Dazu darf man sich den Begriff ‚moneyness‘ der EZB mal zu Gemüte führen, der ausdrückt, daß es vergleichsweise willkürlich ist, was denn so als „Geld“ angesehen wird und was „ein bißchen weiter entferntes“ Geld nun sein soll. Das weist darauf hin, daß es anscheinend an einem vernünftigen Kriterium mangelt, um entscheiden zu können, was denn nun „geldnah“ ist und was nicht. (Wie man weiß: bei diffusen Einschätzungsfragen kann man sich bis ins Unendliche um des Kaisers Bart streiten.) Ein Aspekt sollte jedoch nicht ganz unter den Tisch fallen, denn es handelt sich immerhin bei allen Geldmengendefinitionen um nominell fixierte Geldforderungen, bei denen die Frage des Rückzahlungsbetrages bereits bei Vertragsabschluß feststeht.

Sobald man sich nun aber fragt, warum nun ausgerechnet die Bargeldbestände bei Banken aus der „M0-Menge“ ausgeklammert werden, wird ein Blick in die Entwicklungslinie der Ökonomie unvermeidlich. Der Grund dafür ist, daß die herrschende Wirtschaftstheorie von ihrer Grundanlage eine Theorie des Tausches ist, die für die effiziente Abwicklung aller Tauschoperationen ein sog. „Schmiermittel“ braucht, mit dem die Tauschkontrahenden von dem Zwang entbunden werden GENAU DEN Tauschpartner zu finden, der dasjenige Gut anbietet, was der eine selbst braucht. Die Zwischenschaltung des „Geldes“ definiert also die Funktion dieses „Geldes“ als Zwischenstation, die es lediglich ermöglichen soll Ringtauschverhältnisse abzuwickeln, ohne daß es einer direkten Tauschoperation bedarf. Das bedeutet, daß für den ‚mainstream‘ Geld dazu da ist, um Tauschoperationen effizient abzuwickeln, woraus sich erklärt, daß Bargeldbestände und Sichtforderungen einerseits und Forderungen der Banken gegen die Zentralbank andererseits zu der „Tauschgeldmenge“ gehören, die Käufe auf den Gütermärkten bezahlen kann.

Dabei ist weniger interessant, daß die Banknotenbestände und Sichtforderungen der privaten Haushalte zu den „kaufkräftigen“ Geldbeständen gerechnet werden – das ist ohnehin evident, sondern auch die Forderungen der Geschäftsbanken an die Zentralbank. Der Grund wird wohl sein, daß die Zentralbanker genau wissen, daß die Forderungen der Geschäftsbanken gegen die Zentralbank eine wesentliche Rolle bei der Abwicklung von Überweisungen spielen, denn eine Überweisung ist ja nichts anderes als ein „beauftragter Transfer von Zentralbankgeld“ (wenn man so will eine „beauftragte Barzahlung“), die der Kontoinhaber von seiner kontoführenden Bank erwarten kann, soweit er sich in seinem Verfügungsrahmen befindet, der ihm erlaubt von der Bank zu fordern, zu seinen Lasten einen derartigen Transfer an einen von ihm bestimmten Empfänger vorzunehmen. Der Punkt dabei ist der, daß für eine Bank eine Überweisung aus ihrem Haus hinaus mit einem Abfluß von Zentralbankgeld verbunden ist, wobei der Liquiditätsausgleich mit der Empfängerbank üblicherweise durch eine Umbuchung auf dem Zentralbankkonto der beteiligten Banken stattfindet. INSOFERN dienen die Zentralbankgeldforderungen von Banken der Zahlungsabwicklung von privaten Käufen, indem sie ein Substitut für die (teure) direkte Übergabe von Banknoten darstellen.

(Es wird gelegentlich bestritten, daß Banken einen Zentralbankgeldausgleich vornehmen, da sie unterstellterweise sich auftretende Salden jederzeit kreditieren würden oder wahlweise behauptet, daß sich der Überweisungssaldo im Interbankenbereich auf einen vernachlässigbaren Betrag reduziert. Man muß schon alle Augen zudrücken um nicht zu sehen, daß das Liquiditätsmanagement bei Banken eines der wichtigsten Tätigkeitsfelder darstellt, weil bereits ein Tag Illiquidität für Banken ein existenzbedrohendes Ereignis darstellt. Wer meint, Banken würden sich stets und ständig jeden beliebigen Forderungssaldo kreditieren, bastelt sich eher damit eine Scheinwelt zurecht. Aber unabhängig davon werden diese Behauptungen nur deswegen so vehement verfochten, weil sie die Voraussetzung dafür darstellen, behaupten zu können, „daß Banken Geld schöpfen“ würden. Diesen intellektuellen Kurzschluß kann man nur dann rechtfertigen, wenn entweder behauptet wird, daß wie oben immer „angeschrieben“ wird, oder die Behauptung aufgestellt wird, daß sich ja die Interbankensalden „sowieso immer“ ausgleichen. In beiden Fällen zielt das Argument darauf, die Probleme und Fragen, die sich aus der Finanzierung von Salden ergeben, ignorieren zu können. Denn in einer Welt, in der Interbankensalden auch tatsächlich (mit Zentralbankgeld) bezahlt werden müssen, platzt die ganze schöne Theorie von der „Geldschöpfung durch die Banken“ in 1000m Höhe – und zwar mit einem lauten Knall!)

Damit ist schon mal eine erste Teilantwort entstanden: die Bargeldbestände innerhalb der Banken sind deswegen kein Bestandteil der Geldmenge M0, weil sie nicht (mehr – „früher“ wurde der Interbanken-Liquiditätsausgleich auch schon mal per Geldtransporter abgewickelt) der Zahlungsabwicklung privater Käufe dienen und insofern keinen Hinweis darauf bieten, wie hoch das voraussichtliche Konsumvolumen der nächsten (kurzen) Frist sein wird. (Daß nach dem LTRO-Tender dieser Zusammenhang auch nicht mehr verläßlich ist, steht auf einem anderen Blatt.)

Dies enthält jedoch schon den Hinweis darauf, warum die Geldmenge M0 so definiert wird: der Grund ist, daß die dem ‚mainstream‘ zugrundeliegende Theorie des allgemeinen Gleichgewichts lediglich ein Tauschmittel braucht, um die von der Gleichgewichtslage bestimmten zu tauschenden Gütermengen ohne das Erfordernis der ‚double coincidence of wants‘ abzuwickeln. Deswegen ist der Bargeldbestand bei Banken gewissermaßen ‚idle money‘ oder eine „tote Geldquantität“ die nur darauf „wartet“, daß sie ihre segensreichen Wirkungen für die Tauschprozesse der neoklassischen Ökonomie entfalten darf. Damit erklärt sich schon zur Hälfte mit, warum die Geldmengendefinitionen so gestrickt sind, wie sie es sind.

Der Grund für die andere Hälfte ist die Quantitätstheorie, die ja angeblich einen unverrückbaren Zusammenhang zwischen einer „Geldmenge“ und einem „Güterquantum“ herstellen will, wobei dem gesamtwirtschaftlichen Transaktionsvolumen eine „Geldmenge“ gegenüber gestellt wird, die durch den entsprechenden „Faktor Umlaufgeschwindigkeit“ zu einer „Gleichung“ oder sogar „Identität“ werden soll. Mal unabhängig von der Unhaltbarkeit einer derartigen Beziehung gibt es ein häßliches Problem mit der Quantitätstheorie, daß diese nur dann irgendeine Aussagekraft aufweist, wenn der Zusammenhang zwischen dem Transaktionsvolumen und der „Geldnachfrage“ (das war die „Reformulierung“ der Quantitätstheorie durch u.a. M. Friedman) eine stabile Basis hat. Auch wenn der Begriff der „Geldnachfrage“ per se „hochgradig fragwürdig“ ist: für das aktuelle Thema wird dabei klar, daß die ökonometrisch/ statistische Schätzung der Geldnachfrage Parameter braucht, die von ihrer Anlage her erlauben abzuschätzen, wie die Haushalte das gesamtwirtschaftliche „Geldangebot“ zu halten wünschen! Es geht also um die Frage, ob die Haushalte lieber Banknoten, Sichtforderungen oder verschiedenfristige Geldforderungen in ihrem Portfolio halten wollen. Deswegen also sind die Bargeldbestände bei den Banken kein „Geld“, weil dafür keine „Geldnachfrage“ vorhanden ist! Wer meint, daß das ein idiotischer Gedankengang ist liegt richtig, aber Ökonomen denken mehrheitlich noch so. An dieser Stelle wird auch klar, warum ‚mainstream‘-Geldtheoretiker ständig davon reden, die „Geldmenge“ müsse „absorbiert“ oder „gehalten“ werden, denn würde das nicht der Fall sein, könnte sich die „überschüssige“ Geldmenge in Bewegung setzen und entweder die Güterpreise oder aber die Vermögenspreise solange nach oben drücken, bis die „reale Geldmenge“ (ich verzichte an dieser Stelle mal auf jegliche Qualifikation) in den Portfolios der Haushalte wieder der „gewünschten Geldmenge“ in dem Sinne „freiwilliger Geldhaltung“ entspricht.

Der letzte Baustein der Begründung, warum diese Geldmengendefinitionen sich weniger an den Funktionalitäten von Geld orientieren liegt in einem Umstand, der sich aus der Herkunft dieser „Geldnachfragetheorie“ ergibt. In den USA gibt es die methodologisch dumpfbackige Vorstellung, daß aus statistischen Daten mit Hilfe der Ökonometrie die Geheimnisse und sogar „Gesetze“ der Ökonomie „erklärbar“ werden würden. Genau diese Vorstellung liegt der Suche nach der „stabilen Geldnachfragefunktion“ des Monetarismus zu Grunde. Dieser „heilige Gral“ oder für romantischere Naturen diese „blaue Blume“ ist von den Ökonomen vergeblich gesucht worden, weil sich herausgestellt hat, daß die Geldnachfrage im Zeitablauf nicht stabil ist und diese Theorie daher von einer minderen prognostischen Qualität ist. Das Häßliche dabei ist, daß die Quantitätstheorie nach Friedman im Fall einer Instabilität der Geldnachfrage dann nur noch folgendes erklärt: Nichts. (Für Kenner: das Buch von R. Werner „Neue Wirtschaftspolitik“ diskutiert diesen Fragenkomplex in souveräner Weise.)

Das wäre ja noch nicht so schlimm, das eigentliche Desaster daraus besteht darin, daß die Geldmengendefinitionen von M1-M3 und sogar einschließlich M0 auf einmal weniger eine geldtheoretische Grundlage aufweisen. Die Antwort, was sie denn noch darstellen ist so einfach wie simpel: es sind lediglich ökonometrische Konzepte, die (trotz des Reformulierungsversuchs von Friedman, die Geldtheorie in die Theorie des Marktes mit Geld-Nachfrage und Geld-Angebot einzubetten) einer Idee der Tauschwirtschaft folgen – nicht mehr und nicht weniger. Nun mögen ja Zentralbanken durchaus auch ökonometrische Untersuchungen anstellen, was jedoch dabei zum Boomerang wird ist der Umstand, daß sie das auf einer Grundlage tun, deren Fundamente mit dem eigentlichen Gegenstand mit dem Zentralbanken arbeiten – nämlich Zentralbankgeld – nur in sehr entfernter Distanz irgendetwas zu tun haben.

Die Reduktion von Geld auf die Tauschfunktion (etc.) blendet dabei komplett aus, weshalb Geld eine so dominante Entität des Wirtschaftslebens ist, wie es ist. Denn jenseits der Frage der Tauschmittelfunktion spielt Geld eine wesentliche Rolle bei der Einkommensbildung (das war ein Teilbereich des Versuchs von Keynes), was sowohl Haushalte und Unternehmen gleichermaßen betrifft. (Die Vernachlässigung dieser Fragen nach der „Überwindung“ des Keynesianismus ist auch ein Grund für den desolaten Zustand der wissenschaftlichen Volkswirtschaftslehre.) Diese Fragen werden jedoch in der Tauschmitteltheorie ohne die Einbeziehung des Geldes – genauer: ohne die Einbeziehung der Verwendung von Geld vor dem Hintergrund der fundamentalen Unsicherheit hinsichtlich der Geldvermögensbestands- und -ertragssicherheit im Zuge eines Kreditvertrages – behandelt. Dieses Konstitutivum einer Geldwirtschaft (Forderungen/ Verbindlichkeiten) bleibt notwendigerweise ausgeblendet, wenn Zentralbanken ihre Geldmengendefinitionen an einer Theorie ausrichten, die den Problemkreis von Geld, Kredit und Zins auf ein Tauschmittel reduziert, welches auch gelegentlich schon mal „nachgefragt“ wird.

Dann ist man aber auch schon bei der Beantwortung der Frage der Queen, warum die Ökonomen die Finanzkrise nicht vorausgesehen haben. Ganz einfach: was soll man von wissenschaftlichen Institutionen halten, die tatsächlich versuchen aus einer leicht modifizierten Tauschmitteltheorie die Entwicklungen einer Geldwirtschaft prognostizieren zu wollen? Sich selber kann man ja etwas vormachen, aber anderen?

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Zwischen Pluralität und Paradigma

Nicht geschossener BockSeit einiger Zeit gibt es (mal wieder) studentische Proteste hinsichtlich der Ausgestaltung der universitären ‚curricula‘, die nach ihrer Auffassung zu der Diagnose führen, daß die ökonomische Lehre sich in einer Krise befinden würde. Das wird damit begründet, daß ja schließlich durch die ökonomische Ausbildung an den Universitäten die nächsten Generationen von Politikern geformt werden, deren Wissen ja auch den Zustand der zukünftigen Gesellschaft mitgestalten würde. Der zentrale Vorwurf geht dahin, daß die Verengung von Ökonomie auf ein einziges theoretisches Modell die Breite dessen, was die Anforderungen an Ökonomen angeht, nur in ungenügender Art und Weise adressiert.

So nachvollziehbar diese Position für viele, die in ihrem Leben Volkswirtschaftslehre studiert haben, auch sein mag, übersieht eine derartige Position doch einige Dinge, die ihrem verständlichen Frust über die universitäre Monotonie schlichtweg fehlen. Diese betreffen einmal die Interpretation des Wissenschaftsbetriebes als Serviceveranstaltung für Karrieristen, dann die vage Vermutung, Wissenschaft müsse doch an „Realitäten“ orientiert sein, um „realitätsnahe“ Aussagen treffen zu können und nicht zuletzt eine Ignoranz über die Bedeutung von Paradigmen, die ja das Potential haben, eine gesamte Wissenschaft in all ihren Facetten prägen und dominieren zu können.

Dieses Übersehen zieht sich im Grunde genommen durch das gesamte Manifest, so wird z.B. als neomoderner „Lösungsansatz“ vorgeschlagen, daß es zu einer Pluralität in der Lehre von ökonomischen Theorien kommen sollte. Was damit jedoch keineswegs automatisch verbunden ist, ist eine Erfüllung der naiven Erwartung, daß damit auch ein alternativer Theorieentwurf erzeugt werden würde, der einem bestehenden Paradigma eine Alternative entgegenstellen könnte. Weil das nicht selbstverständlich ist muß man nüchtern aus der Geschichte konstatieren, daß die „keynesianische Revolution“ ganz einfach durch das IS-LM-Modell erst integriert und nach der methodologiewidrigen und damit nicht wissenschaftlichen (aber dennoch erfolgreichen) Kampagne „Mikrofundierung der Makroökonomie“ dann völlig neutralisiert wurde. Das Ergebnis ist, daß heutzutage der „Keynesianismus“ nichts weiter darstellt, als eine um ein paar Friktionen angereicherte DSGE-Neoklassik.

Dieses Desaster spielt jedoch für die studentischen Bemühungen um eine „plurale Ökonomik“ keine Rolle, denn diese lassen sich eher von der Vorstellung einer „Schwarmintelligenz“ leiten, als von den nüchternen methodologischen Fakten des etablierten Wissenschaftsbetriebes. Das hat zur Folge, daß die Vermutung, die gewünschte Vielfalt würde ja schon die Existenz der Alternative umfassen, mit wehenden Fahnen in die Irre geht. Das zeigt sich sehr schön an dem Katalog der als lehrwürdig deklarierten Fachrichtungen. Dort finden sich zwar so „ehrwürdige“ Dinge wie feministische oder ökologische Ökonomik, ohne daß in irgendeiner Weise das eigentliche paradigmafähige Theoriefeld auch nur ansatzweise adressiert würde.

Der Hinweis auf die methodologischen Charakteristika von Orthodoxien und deren Durchsetzung findet sich im wesentlichen bei den Autoren Kuhn und Lakatos, deren Zentralthema der Charakter bzw. die Durchsetzung von Paradigmen war. Kurz gesagt geht es dabei um die Vorstellung, daß Orthodoxien stets einen sogenannten „harten Kern“ aufweisen, der dann durch einen „Schutzgürtel“ von angelagerten Theorieelementen ausgebaut und etabliert wird. Das ist im aktuellen Fall so, daß der „harte Kern“ der Neoklassik das Tauschtheorem ist, welches es zunächst ermöglicht hat – durch die allgemeine Gleichgewichtstheorie – eine erste Ebene der (mathematischen) „Verteidigungslinie“ zu ziehen, während angelagerte Theorieversatzstücke wie die Quantitätstheorie gewissermaßen sekundäre „Verteidigungsoperationen“ darstellen, deren (mutmaßliche) Nicht-Geltung jedoch den Kern des orthodoxen Paradigmas – das Tauschtheorem – überhaupt nicht mehr berühren würde. Witzigerweise wird dieses theoretische Desaster als „Geldtheorie“ verkauft und es ist noch nicht mal so, daß es dafür nicht leidenschaftliche Verfechter geben würde.

Letzteres ist auch ein Grund dafür, daß sich alle Scharmützel gegen die Neoklassik als vergeblich herausgestellt haben, weil die Kritik daran niemals vermochte den ‚hard core‘ des Paradigmas anzugreifen. Dabei muß man leider zur Kenntnis nehmen, daß es auch überhaupt nicht möglich ist, den paradigmatischen Kern eines Modells aufzubrechen, da sich dieser in seiner Absolutheit üblicherweise ohnehin einer Kritik entzieht. Denn wer würde schon ein Argument dagegen anführen können, daß Tausch eine elementare Interaktion menschlichen Zusammenseins ist? Man bekommt dadurch zwar ein Gefühl von Hilflosigkeit gegenüber etablierten Strukturen, was allerdings daran liegt, daß man die existierende Alternative nicht sieht oder sehen kann. Denn nach Maßgabe eines Diktums von Buckminster Fuller gilt: „Man schafft niemals Veränderung indem man das Bestehende bekämpft. Um etwas zu verändern, baut man neue Modelle, die das Alte überflüssig machen.“

Nun, so leicht wie das dahergesagt ist, so schwierig stellt sich das „Neukonstruieren“ dar, weil sich üblicherweise bei denjenigen, die das „Alte“ bereits gelernt haben die Tendenz einstellt, Begrifflichkeiten so zu interpretieren, wie es das orthodoxe Paradigma vorgibt. D.h. eine der kompliziertesten Aspekte des „Neumodells“ ist es die alten Begriffsinhalte mit alternativen (und zwar wirklich im Sinne von alternativen und nicht mit alternaiven) Inhalten zu füllen. Dabei wird üblicherweise der Aufwand, der für ein neues Paradigma erforderlich ist, hoffnungslos unterschätzt. Das Sammelsurium an „Hosentaschenmodellen“ welches (nicht nur) im Internet kursiert ist zu einer beachtlichen Kakophonie angeschwollen, obwohl jeder einzelne für sich den Anspruch aufrechterhält, zu einer „neuen, besseren oder gerechteren Weltordnung“ beitragen zu wollen. Derartige Ansätze mögen ja ehrenwert und von einer ehrlichen Sorge um die Zukunft geprägt sein, allein der Wirkungsgrad derartiger Theoriebruchstücke tendiert praktisch gegen Null.

Dabei wird dadurch und im studentischen Manifest ein spezifisches Desaster durchaus angesprochen, nämlich daß es offenbar kaum noch eine Behandlung methodologischer Themen gibt, also genau das, wozu eigentlich ein universitäres Studium die Studenten befähigen sollte, nämlich zu einer selbständigen wissenschaftlichen Arbeitsweise kommen zu können. Dieses Problem ist umso virulenter, als sich nach etwa 20 Jahren „PersonalComputer-Revolution“ eine Auffassung breit zu machen scheint, die an die methodologisch fragwürdigen Vorstellungen eines M. Friedman anknüpft, die darin gipfeln, daß kurz gesagt der Glaube um sich greift, in den ökonomischen Daten wäre schon alles zu finden, was es an ökonomischer Weisheit überhaupt gibt.

Ein kurioses Beispiel dafür ist ein Artikel von H.W. Sinn, dessen (indirekte) Behandlung dieses Themas gleich zu Anfang des Artikels die Alarmglocken schrillen lassen müßte. Denn da stellt Sinn die Behauptung auf, es gäbe so etwas wie „statistische Fakten“. Dieses gilt zwar insoweit, wie Zahlen Zahlen sind und diese gewissenhaft erhoben und für die „Weiterverwendung“ aufgearbeitet werden (und auch da fängt die Interpretation schon an). Das bedeutet jedoch NICHT, daß eine bloße Analyse von Zahlen irgendeine absolute Wahrheit beinhalten könnte wie Sinn im Anschluß behauptet, weil eine Interpretation von Zahlen immer a priori theoriebedingt ist und damit die hochwohlgelobte Neutralität der volkswirtschaftlichen Analyse unmittelbar flöten geht! Gegen diese Unterschlagung ist seine Gleichsetzung von „ökonomischen und naturwissenschaftlichen Gesetzen“ nur ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Heißt: man kann keine Zahlen theorielos interpretieren, auch wenn sich manche Leute von selbsternannten Zahlenkünstlern durch diese Unterschlagung immer wieder ins Bockshorn jagen lassen. Pointiert ausgedrückt kann man in den Zahlenkolonnen von Statistiken nur dann etwas erkennen, wenn es Deutungsmuster gibt, wie diese Zahlen interpretiert werden (sollen); auch bei hingeworfenen Knochen gibt es eine Theorie die sagt, daß bestimmte Knochenkonstellationen auf bestimmte Ereignisse in der Zukunft weisen. Einen Vergleich der Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Vorhersagegenauigkeit erspare ich mir an dieser Stelle.

Jenseits dieser schmalbrüstigen Versuche Ökonomie als nicht theoriebedingt hinzustellen ist festzustellen, daß sich das Bewußtsein über die eigentlich notwendige Zielrichtung der studentischen Kritik in deren Forderungen nicht wiederfinden läßt. Es hat ein bißchen den Anschein, als würde sich der Protest darauf beschränken zu fordern, daß die Universitäten doch den Studenten bitteschön das zu liefern hätten, was sie als operative Fähigkeiten für die angestrebte Blitzkarriere benötigen würden. Insofern kann man vermuten, daß dieser Bewegung ein gewisses Konsumdenken nicht ganz so fern ist. Auf der anderen Seite könnte man durchaus davon ausgehen, daß es darunter auch diejenigen gibt, denen das was Universitäten vermitteln sollten – Erkenntnis(fähigkeit) – durchaus wichtig ist.

Für Letztere sei angemerkt, daß sich die eigentliche Ebene der wissenschaftlichen Auseinandersetzung weniger auf den genannten Themenfeldern findet, sondern auf einem ganz anderen Feld, welches seit 200 Jahren die ökonomietheoretische Diskussion beherrscht: die Auseinandersetzung von Wert- und Geldtheorie. Diese Auseinandersetzung wurde die meiste Zeit von dem Paradigma der (Neo-)Klassik beherrscht, deren soziale Grundfigur der Tausch ist, ohne daß damit jemals befriedigend gezeigt werden konnte, warum es Geld gibt und mit welchen Funktionsprinzipien es funktionieren würde. Die Phase des Keynesianismus (also der Versuch zur Etablierung einer Geldtheorie) war zwar im Sinne von H.W. Sinn von dessen Akzeptanz im politischen Prozeß gekennzeichnet, ohne daß es jedoch währenddessen gelungen wäre eine gleichwertige paradigmatische Konstruktion, wie sie der Neoklassik zur Verfügung steht, anbieten zu können. Man muß konstatieren, daß auch ein IS-LM-Modell (ob das nur den „wahren“ Keynes korrekt abbildet oder nicht) mit allen Verfeinerungen und Erweiterungen es nicht vermocht hat, dem paradigmatischen Bollwerk der allgemeinen Gleichgewichtstheorie etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. (Das gilt auch für alle anderen „Keynesianismen“!)

Von daher wirkt der studentische Protest einigermaßen hilflos, weil dieser zwar ein verständliches Unbehagen mit den herrschenden Zuständen artikuliert, aber gleichzeitig nicht angeben kann, wo der Weg zu einer anderen Weltsicht zu finden wäre. In dieser Not ist der Ausweg nach „Pluralität“ ein Feigenblatt dafür, daß es an einer Strategie mangelt und somit die Hoffnung auf „Schwarmintelligenz“ nur notdürftig verdeckt, daß es einfach ein Hilferuf an die etablierte Professorenschaft ist, sich doch bitteschön darum zu bemühen, alternative Lehrinhalte zu präsentieren, die eine bessere Interpretation von dem, was man so „Realität“ (!) nennt, erlauben würde.

Man muß nicht lange darüber nachdenken, um zu dem Schluß zu kommen, daß sie mit dieser Erwartung auf breiter Front enttäuscht werden. Auch wenn sie dies nicht verdient hätten!

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inside und outside money – aus zwei mach eins!

Piedras y MarIn der Geld(system)debatte gibt es eine neue Publikation der BoE, welche einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Dies verdankt das 14-seitige Paper zwei Aspekten, welche bisher zu den Grundkenntnissen der (universitären) Lehre vom Geld gehören. Zum einen wird als neue Erkenntnis angepriesen, daß

„Whenever a bank makes a loan, it simultaneously creates a matching deposit in the borrower’s bank account, thereby creating new money.“

was gleichbedeutend ist mit der Negation:

„One common misconception is that banks act simply as intermediaries, lending out the deposits that savers place with them.“

und daß

„Another common misconception is that the central bank determines the quantity of loans and deposits in the economy by controlling the quantity of central bank money — the so-called ‘money multiplier’ approach.“

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, da diese Aspekte irgendwo nicht übermäßig bedeutungsschwer zu sein scheinen. Und doch wird damit seitens der BoE insofern Stellung genommen, als sie damit zu einer Sichtweise übergeht, die Kennern der Materie als die ‚banking‘-Position bekannt ist, die gegenüber der ‚currency‘-Position die These vertritt, daß das Geldvolumen in einer Wirtschaft von den privaten Akteuren (Banken und Publikum) bestimmt ist und nicht von der Zentralbank kontrolliert wird. Nun mögen harmonisch veranlagte Menschen denken, man müsse doch berücksichtigen, daß ein gemeinsames Zusammenspiel aller Akteure angebracht wäre, so daß diese strikte Abgrenzung eigentlich nicht vonnöten sei. Man kann dieses Paper der BoE jedoch insofern durchaus ernst nehmen, als damit elementare theoretische (Lehrbuch-) Konzeptionen ins Wanken geraten, obwohl damit (wieder einmal) auch nur die eine Seite der geldtheoretischen Debatte adressiert wird.

Der Ausgangspunkt dieser Kontroverse ist die Theorie der Marktwirtschaft, die allgemeine Gleichgewichtstheorie, in der die Haushalte die dominante Steuerungsinstanz sind, indem sie in ihrer Entscheidung zwischen Konsum und Nicht-Konsum, wozu auch die Entscheidung über den Konsum von Freizeit bzw. den Nichtkonsum von Freizeit (=Arbeitsangebot) gehört, das Aktivitätsniveau der Unternehmen bestimmen. Gleichzeitig sorgt ein perfekt funktionierender Preismechanismus dafür, daß alle Überschußnachfragen (für Anfänger: das ist der „Marktmechanismus“) der Haushalte und Unternehmen zu Null werden, was sich auch nur unter der Annahme einstellt, wenn alle Akteure dieser Ökonomie sogenannte Preisnehmer sind, d.h. niemand außer dem Auktionator existiert, welcher die Preise setzen kann. (Wem das zu abstrus vorkommt: genau das ist die spezifische Rechtfertigung für die segensreichen Wirkungen der Marktwirtschaft.)

Und damit die ganze Geschichte nicht ganz so blöd daherkommt wird dann noch eine Story von einem Bankensystem dazugezaubert, welches die Ersparnisse (=Nicht-Konsum) der Haushalte bündelt und in investierbares „Kapital“ überführt. Dabei werden dann allerlei illustre „Motivationen“ angeführt, die sich dann auch in der Lehre von den Bankenfunktionen wiederfinden und auf so schöne Namen hören wie Losgrößen-, Risiko- und Fristentransformation. Aber unabhängig von der schöngeistigen Begründungsorgie spielt dahinter vor allem das verzweifelte Bestreben eine Rolle, die Funktion des Bankensystem als kompatibel mit der Grundtheorie der Marktwirtschaft zu halten, bei der eben die Haushalte über ein individualistisches Entscheidungskalkül den Charakter und das Niveau der wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmen. Man mag die ganze Geschichte nach der 1000ten Wiederholung für plausibel halten, die Kenner der Materie wissen jedoch, daß diese Konstruktion so nicht haltbar ist und die Geschichte von den „Spareinlagen“ lediglich als Glaubensereignis einzustufen ist, welches durch die allseitige Bestätigung einen „Wahrheitsstatus“ qua Überlieferung genießt.

Aber nun kommt der entscheidende Störfaktor ins Spiel. Denn die vorstehende Illustration ist eigentlich für den Fall gedacht, daß die Haushalte reale Dinge „nicht-konsumieren“, so daß diese Version eigentlich lediglich für den Fall einer (Ricardoschen) Kornökonomie Gültigkeit beanspruchen kann. Denn die „Ersparnis“ der Haushalte ist genau das, was die Unternehmen produktiv einsetzen können, woraus dann auch ein realer Ertrag (Korntheorie des Zinses) entsteht, der dann zu einem höheren Wohlfahrtsniveau führt. Dieser Störfaktor ist das Geld, von dem man auch schon früher (also vor Keynes) wußte, daß es nicht in einem Produktionsprozeß vermehrt werden kann (auch wenn es irgendwie produziert werden muß). Das hat zur Folge, daß auf Geld die Konzepte der Produktivitätsökonomie nicht angewandt werden kann, weil ein einem Kreditgeldsystem Geld nicht deswegen mehr wird, weil mehr produziert wird. Man könnte diese Tatsache ernst nehmen, daß das nicht getan wird liegt daran, daß sich die einzelwirtschaftliche Erfahrung, daß man aus Geld mehr Geld d.h. einen Gewinn machen könne, als ausreichende Plausibilitätsvorstellung durchgesetzt hat. Die Theorie wird zwar dadurch nicht wahr, aber sie kann geglaubt werden. Um dennoch Geld halbwegs als Gut auffassen zu können wurde eine mehr als zweifelhafte Abstraktion erfunden die besagt, daß Geld als Tauschmittel von Werten deswegen funktionieren könne, weil es selbst ein Anspruch auf Wert darstellt (Geld als Anspruch auf Goldaushändigung).

Indem Geld als physische Einheit und damit als Träger von Wert aufgefaßt wird, kann auf der einen Seite die Allgemeinheit des Gleichgewichts aufrechterhalten werden, weil sich Geld unter die Normen der Werttheorie subsumieren läßt, was dazu geführt hat, daß die Nachfrage (sic!) nach Geld einen prominenten Platz in der ökonomischen Forschung eingenommen hat. Auf der anderen Seite muß wegen der allumfassenden Dominanz des Marktkonzeptes ein „Angebot“ an Geld stehen, DAMIT die Funktionslogik des Marktes anwendbar wird. Dieses „Geldangebot“ wird durch eine Zentralbank zur Verfügung gestellt, so daß es auch bei Geld möglich wird, die Knappheitslogik anzuwenden und um sicherzustellen, daß Geld einen positiven Preis (sic!) aufweist. (Man muß das nicht verstehen, aber die Ökonomen ticken tatsächlich so.) Der Preis des Geldes (als wenn man Geld kaufen könnte!) ist der Zins, der sich wiederum nahtlos an die Überschußtheorie des Kornes anschließt. Und damit dieses Geld auch überhaupt bei den Haushalten ankommt, muß der Staat über seine Verschuldung das Geld in „Umlauf“ bringen, wo es dann, gesegnet mit einer „Umlaufgeschwindigkeit“ von Kauf zu Kauf hetzt und nebenbei auch noch die ehrenvolle Aufgabe übernimmt, das allgemeine Preisniveau mitzubestimmen. Auch wenn es lächerlich erscheinen mag: diese Theorie ist der gegenwärtige ‚mainstream‘ der ökonomischen „Erkenntnis“.

Dabei ist die Erklärung, warum derart schräge Vorstellungen die Geldtheorie dominieren, darin zu sehen, daß sie vom Design her die allgemeine Gleichgewichtstheorie als valide Formulierung der Neoklassik (der Markttheorie) stützen soll. Sie ist damit gewissermaßen eine Hilfstheorie und besitzt daher keine genuine Eigenständigkeit. Da sie sich aber anpassen muß, ist der Geldbegriff so beschaffen, wie es die Ressourcen in der Haupttheorie auch sind. Denn dort ist Geld als Tauschmittel durchaus eine Sache, eben (irgendein) Tauschgut mit ein paar Besonderheiten. Ebenso ist auch die Allokation des „Geldes“ von der Konsum / Nicht-Konsum Entscheidungen der Haushalte geprägt, so daß nahtlos die Theorie des Bankensektors als „Transformatoren“ des vorhandenen Geldbestandes formuliert ist. Deswegen gibt es in der Neoklassik auch nur ‚outside money‘ – Geld von der Zentralbank: eine Sache. Diese Theorie ist zusammen mit der Quantitätstheorie (die übrigends die Eigenschaft Theorie zu sein nicht wirklich besitzt) die Grundlage der Geldmengensteuerung, die nach der Peel´schen Bankakte vom ‚currency‘-department – also der Zentralbank – vollzogen wird.

Diese ehrwürdige Aufgabe wird nun in dem BoE-Paper dahingehend relativiert, daß die „Geldschöpfung“ (auch so ein herrlich kreationistischer Begriff, bei dem der Puritanismus nur so aus allen Poren trieft) in der ’new view‘ von den Kreditvergabeentscheidungen der Banken bzw. des Publikums gesteuert ist und somit die Bedeutung der Zentralbank als Emittent von Banknoten in den Hintergrund rückt. Nun ist diese Geschichte auch nicht mehr so neu, sondern reüssierte bereits vor etwa 40 Jahren und ist mit dem Namen James Tobin verbunden, dessen Untersuchungen bereits damals zu dem Schluß geführt hatten, daß die Banken „weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit den Krug der Witwe“ besitzen. Dieser „Krug der Witwe“ ist das, was die BoE in ihrem Paper als neueste Erkenntnis präsentiert, indem sie den Schwerpunkt des „Geldangebotes“ nunmehr bei den Banken sieht, die durch eine einfache Kreditvergabe ‚inside money‘ „schöpfen“, ohne daß bei diesem Vorgang auch das entsprechende Zentralbankgeld (‚outside money‘) schon vorhanden sein müßte.

Jenseits der Begeisterung, die dieses Paper bei gewissen Teilen der „Geldsystemkritiker“ hervorgerufen hat ist dagegen zu konstatieren, daß hier zwar eine Abkehr von herkömmlichen Lehrmeinungen erfolgt ist, die Alternative zu einer übermächtig scheinenden Quantitätstheorie jedoch nicht in einer Konzeption zu suchen ist, die meint, Kreditbeziehungen gegen die „Geldversorgung“ einer Zentralbank stellen zu können. Das zeigt sich schon an dem Eiertanz der immer aufgeführt wird, wenn es darum geht die Zahlungsmitteleigenschaft der ‚deposits‘ zu begründen, obwohl diese ‚deposits‘ mit etwas „Deponiertem“ nichts zu tun haben können, weil sie schlichtweg dafür auf der falschen Seite der Bilanz stehen. Etwas Deponiertes im Sinne eines Lagerscheines findet sich auf der Vermögensseite einer Bank überhaupt nicht an, weil bei einem Aufbewahrungsvertrag das Eigentum bei dem „Einleger“ verbleibt. Eine „Einlage“ von Geld auf der Bank ist jedoch damit verbunden, daß das ‚outside money‘-Geld, die Banknote, in das Eigentum der Bank wechselt bzw. der „Einleger“ das Eigentum an der „eingelegten“ (süß-sauer, oder lieber fruchtig?) Banknote verliert und lediglich eine Sichtforderung (‚inside‘-money) erhält, mit deren Hilfe er entweder Banknoten zurückverlangen kann oder die Bank beauftragen kann zu Lasten seines Guthabens einen Transfer von Zentralbankgeld vorzunehmen. Diese Verfügung kann eine Bank deswegen durchführen, weil das Zentralbankgeld in ihrem Eigentum steht und sie deswegen befähigt ist, zugunsten des Überweisenden einen Zentralbankgeldtransfer durchzuführen.

An dieser Stelle zeigt sich dann auch, warum die Opposition von ‚inside money‘ und ‚outside money‘ eine Scheinkontroverse ist, die sich nur deshalb entwickeln konnte, weil die dahinterstehende Theorie eine bestimmte Interpretation des Geldobjektes erforderlich macht. Die Neoklassik benötigt für ihre Grundtheorie ein (werthaltiges) Geldobjekt und ist somit natürlicher Verfechter einer Zentralbanktheorie des Geldes, wofür sinnbildlich der Geld abwerfende Hubschrauber eines M. Friedman steht. (Diese Parabel ist deswegen aufschlußreich, weil damit die ganzen Schuldprozesse bei der „Inumlaufbringung“ von Geld einfach ausgeblendet werden können – das Friedman-Geld ist in gewissem Sinne „schuldfrei geschöpftes Geld“!) Auf der anderen Seite steht die Theorie der „endogenen Geldschöpfung“, die gewissermaßen ein Steckenpferd des Postkeynesianismus ist, der damit z.B. begründen will, daß für eine Zentralbank die Zinspolitik gegenüber der Geldmengensteuerung Priorität genießen sollte. (Und für – selbstverständlich – D. Graeber ist damit bereits die Politik der „Austerität“ grundsätzlich diskreditiert.) Nun soll an dieser Stelle das Chaos des Postkeynesianismus nicht Thema sein, es genügt zu bemerken, daß offenbar die „Story“ dieser Theorierichtung nicht konsistent genug ist, um für den neoklassischen ‚mainstream‘ eine ernsthafte Bedrohung darzustellen. (Natürlich kann ich mir die Bemerkung doch nicht verkneifen, daß der Anspruch eine „realistische“ Theorie zu formulieren gegen elementare Erkenntnisse der Epistemologie verstößt! Aber wer kennt sich schon mit Erkenntnistheorie aus?)

Entscheidend für die Beurteilung dieser Kontroverse ist, daß wie oben dargestellt bereits eine so einfache Sache wie eine Überweisung das Zusammenwirken von ‚inside‘ und ‚outside‘ zwingend erforderlich ist, weil sonst keine Überweisung zustandekommen kann. Denn jede Schuldbeziehung (‚inside‘) benötigt eine Erfüllung (‚outside‘), so daß sich diese Kontroverse als Tauziehen an einem Ring herausstellt, wobei jede Seite für sich reklamiert, daß sie doch an der „richtigen“ Seite des Ringes zerren würde. Wenn man so will verwendet der Kunde, der eine Überweisung tätigen will sein ‚inside money‘ (die Schuldbeziehung), damit die Bank an seiner Stelle einen Transfer von ‚outside money‘ durchführt. Und genau darauf wird hier in diesem Blog auch öfter mal Bezug genommen, daß man sich darüber klar werden sollte, daß eine Schuldbeziehung die auf Geld lautet nur dadurch erfüllt werden kann, indem über das Erfüllungsobjekt auf die gewünschte Weise von der Bank auch tatsächlich verfügt (im juristischen Sinne) wird.

Was heißt das für das BoE-Paper? Gute Frage, denn was soll man von einem Paper halten, welches einen untauglichen Tunnelblick gegen einen anderen austauscht und dabei völlig ignoriert, daß das, was eigentlich erklärt werden sollte (die Geldeigenschaft der ‚deposits‘), überhaupt nicht adressiert worden ist und auch nicht adressiert werden kann. (Wie soll man auch etwas glaubhaft darstellen, wenn die Sache selbst nicht glaubhaft darstellbar ist?) Die Geschichte von dem „Krug der Witwe“ stimmt heute genausowenig wie vor 40 Jahren. James Tobin hat das noch gewußt.

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Das Geldsystem braucht keinen Wert sondern Bonität

RheindämmerungManchmal muß man auf Kommentare eine Antwort geben, die den Rahmen eines Kommentars sprengen. Daher also hier mein Kommentar auf CarlBrandner:

„Richtig ist: eine Geldeinheit hat immer die Eigenschaft eine Verbindlichkeit von einer Geldeinheit zu tilgen (da erübrigt sich die Definition eines realen Wertbegriffs).“

Das ist ja noch nicht die ganze Geschichte, denn die Funktion von Geld ist es ja gerade das Kostenvolumen mit dem (unsicheren) realen Output in Beziehung zu setzen. (Das ist die Jesse James Geschichte.) Das Kostenvolumen ist eine monetäre Größe mit der Einheit EURO (oder whatever), während der Output eine Stückgröße ist, woraus die Preiskalkulation eine Relation erzeugt, deren Dimension „Geldeinheiten pro Stück“ sind, also das, was man überall als Geldpreis wiederfinden kann. Wegen DIESER Verklammerung von Input (in Geld gemessen) und Output (in Geld kalkuliert) sowie der Maßgabe, daß das erwartete Erlösvolumen (€ pro Stück multipliziert mit Stück gleich Angebotsvolumen vermehrt um die Gewinnspanne) die laufenden Kosten sowie die Finanzierungskosten abdecken soll ergibt sich, daß Geld als ein relatives Maß der geldfinanzierten Produktion anzusehen ist. Das ist nämlich der Clou, weil relative Maße die Dimension dessen, was sie abbilden sollen, nicht selber haben müssen.

Das ist aber der Unterschied zu einem absoluten Maß: ein absolutes Maß muß diejenige Eigenschaft, die sie messen soll, selbst aufweisen. So ist die Eigenschaft des Urmeters gerade die eine Länge zu definieren, die seit der Definition den Namen „Meter“ trägt – eben die Länge, die der Urmeter aufweist. Das was gemessen werden soll und das was das Maß darstellt sind beides identische Dinge mit der Einheit „Meter“.

Dagegen ist Geld gerade kein Maß für „Wert“ und muß es auch nicht sein, weil es lediglich auf die Relation dessen ankommt, was auf der Inputseite als „Kosten“ verzeichnet wird, während sich dieses Kostenvolumen vermittels der Preiskakulation auf der Outputseite wiederfinden. Daß man die Input- und die Outputseite mit Hilfe eines absoluten „Wertmaßstabes“ nicht kommensurabel machen kann ist ein Ergebnis des 200jährigen Ringens um eben diese Lösung. (Man könnte auch sagen, die dahingehend gemachten Versuche waren schlichtweg erfolglos!) Denn die „Integration von Wert- und Geldtheorie“ zieht sich als Erklärungsproblem durch die ökonomische Theoriegeschichte, ob als Gold (wie z.B. bei Marx und den Austrians) oder als „Geldgut“ oder auch ’numeraire‘ (Debreu, Arrow, Hahn) bis hin zur Quantitätstheorie, die das reziproke Preisniveau zum „Wert“ des Geldes stilisiert. Dabei ist diese Geschichte eigentlich schon vor über 100 Jahren geklärt worden:

“Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Größen des einen die relativen Größen des anderen, ohne daß irgendeine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Tatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien.“ Simmel (1907)

Läßt man einfach den Unsinn beiseite dem Geld (makroökonomisch gesehen) durch alle möglichen Konstruktionen irgendeinen „Wert“ andichten zu wollen, lösen sich auch alle damit verbundenen Widersprüche in einem logischen Rauchwölkchen auf. Damit ist beispielsweise die Frage nach der Motivation von Kredit auch anders zu beantworten, weil Geld als Nicht-Wert, welches nicht unter einer Mengenrestriktion steht, in keiner Weise zu einer persönlichen Vermögensvermehrung beitragen muß (mal abgesehen davon, daß man sich immer klarmachen muß, daß es kein gesellschaftliches Nettogeldvermögen gibt). Kredit bedeutet demnach die Ingangsetzung sozialer Schaffensprozesse, deren Ergebnis – in Geld bepreist – zu einer Verbesserung der allgemeinen Konsummöglichkeiten führt – falls nicht, werden die „zu Unrecht“ vergebenen Kredite einfach gegen die Zinseinnahmen der „erfolgreichen“ Produktionsprozesse gegengerechnet, wodurch sich ein monetäres Gleichgewicht in einem dynamischen Kontext herstellen kann.

Damit wird aber die Frage von Bonität bzw. die Frage nach der Schuldenbedienungsfähigkeit zu der zentralen Kategorie einer Geldwirtschaft. Damit kann man auch die Frage, warum sich heutzutage alles ums Geld dreht dahingehend beantworten, daß das Finanzsystem die zentrale Steuerungsinstanz eines Produktionssystems darstellt, wo nach monetären Kriterien bemessen wird, welche Produktionsprozesse erfolgen dürfen und welche nicht. Die Frage nach einem „Nutzen“ für die „Gesellschaft“ stellt sich in diesem Sinne somit nicht mehr – nur noch die Frage nach der Bonität. Das mag man bedauern, jedoch: ein (auch nur halbwegs) funktionierendes Steuerungssystem wird man nicht so einfach zugunsten irgendwelcher „Werte“ abschaffen können. Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß unsere „Standard“-Ökonomen, die als „Wertspezialisten oder -experten“ ausgebildet wurden nicht irgendeinen Unfug anrichten und mal wieder eine Krise verursachen. Zu einem Untergang des (notwendigerweise) abstrakten Geldsystems wird es jedoch dennoch nicht kommen. Hardware funktioniert halt ohne Software nicht – crash hin oder her!

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MMT – 2

LangusteDie zweite Geschichte, die es lohnt anhand der MMT zu besprechen, ist die Frage was als Funktion des Geldes angesehen wird und wie die Integration von Geld in die Ökonomie erfolgen sollte. In dieser Hinsicht bezieht die MMT eine klare Position. Für sie ist Geld als Geschöpf der Rechtsordnung durch den Staat bereitzustellen, indem dieser durch seine Ausgabentätigkeit der Wirtschaft Geld zur Verfügung stellt, welches dann gewissermaßen nach dem „Durchlauf“ durch die Wirtschaft hinterher durch Steuern wieder eingezogen wird. Das kann man als so etwas wie einen Geldkreislauf ansehen, obwohl dieser erheblich von den üblichen konventionellen Vorstellungen abweicht. (An dieser Stelle kommt auch die alberne Austrian Vorstellung zum Vorschein, daß der „Erstverwender“ von Geld – der mit der ’seigniorage‘ – dadurch eine privilegierte Stellung im Wirtschaftsgeflecht einnimmt, indem er kaufen kann ohne zu leisten. Das widerspricht zwar den Funktionsbedingungen des Kreditgeldsystems, aber das kümmert doch MMTler nicht. Die Theorie ist ja, daß das Geld hinterher per Steuern auch wieder eingenommen wird.)

Geld per Seigniorage

Bei dieser Geschichte ist jedoch ein anderer Aspekt wesentlich, denn diese Art der Integration von Geld in die Wirtschaft reflektiert das Verständnis von Geld als Gut und entspricht insofern der ‚mainstream‘-Auffassung von Geld als exogen vorgegebenem Bestand, welcher von den privaten Wirtschaftssubjekten nun vermittels der Banken dann den Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Diese Bestandstheorie ist analog zu dem Konzept der Quantitätstheorie, die ebenso ein exogen vorgegebenes Geldvolumen postuliert, welches dann von den Haushalten auf Konsum und Ersparnis aufgeteilt wird. Das Witzige daran ist, daß sich die MMT damit genau dieselben Probleme mit der Geldmengensteuerung einfängt wie die Standard-Geldtheorie, die auch an dem Problem knabbert, wie durch Angebot und Nachfrage gesteuert ein gewünschter Zins sich einstellt und wie das Geldvolumen so gesteuert werden kann, daß die Wirtschaftssubjekte auch bereit sind dieses Geldvolumen auch in ihrem Portefeuille zu halten. Man muß es an dieser Stelle mal betonen: diese Probleme gibt es nur bei Geldtheorien, die von einer exogen bestimmten Geldmenge ausgehen. Daß MMTler das nie zugeben werden versteht sich fast von selbst.

Interessant dabei ist, daß die Frage der Steuerung der Geldmenge an einer ganz anderen Stelle festgemacht wird als in der Standardtheorie, wo die optimale Geldmenge durch die Bestandshalteentscheidungen der Individuen bzw. durch deren Wirkungen auf das Preisniveau bestimmt wird. In der Sichtweise der MMT ist die optimale Geldmenge dann erreicht, wenn alle Produktionsfaktoren (weitgehend) vollbeschäftigt sind. Damit wird eine Vollbeschäftigungspolitik formuliert, die offenbar gegen die monetaristische Version der Phillips-Kurve gerichtet ist, womit gleichzeitig die Verantwortung des Staates für Vollbeschäftigung reaktiviert wird. Das mag man als Beitrag für eine aktive Arbeitsmarktpolitik durchaus begrüßen, allerdings werden dadurch die Wirkungen auf die Entwicklung der monetären Bestandsgrößen weitgehend ausgeblendet, deren Nachhaltigkeit (oder eben nicht) unmittelbar die Frage berührt, inwieweit ein derartiges Regime auch eine nachhaltige Vermögenssicherungsqualität der Währung garantieren kann – eine Frage, der man in Bezug auf den US-Dollar einfach ausweichen kann, weil dessen Stellung als Weltwährung derzeit derartige Fragen überflüssig macht.

Im Grunde genommen wird durch eine derartige Sichtweise das Finanzierungsproblem des Staates auf eine naive Art einfach umgedreht, da nicht mehr die Einnahmen des Staates die Ausgaben bestimmen, sondern die Ausgaben die Einnahmen, wobei wohl die Vorstellung vorherrscht, daß man nichts einnehmen kann, was vorher nicht ausgegeben wurde. Diese Sichtweise hat schon einen gewissen Appeal, weil sie genau die Logik beschreibt, welche bei Unternehmen vorliegt, die Unternehmen ihre Umsätze erst dadurch erzeugen, daß sie Kosten aufwenden, die sie dann im Umsatzprozeß wieder einspielen wollen. Das entspricht der Weisheit von Henry Ford bzw. dessen Bonmot: Autos kaufen keine Autos! Die Frage die dabei offenbleibt ist, inwieweit der Gleichlauf von Ausgaben des Staates mit den entsprechenden Einnahmen – den Steuern – stets gewährleistet werden kann  und das auch noch vor dem Hintergrund, daß die Ausgaben des Staates durch sein Steueraufkommen nicht restringiert sein sollen. Nun ja, der Glaube trägt weit! (Vielleicht sollte jemand auch mal den MMTlern erklären, daß ein Staat kein Produktionsunternehmen ist, auch wenn Heerscharen von Ökonomen nicht müde werden zu erklären, wie bedeutend doch die „Investitionen“ des Staates seien. Daß Staatsausgaben für jedes Gemeinwesen wichtig sind, steht nicht in Frage; daß sie genauso finanziert werden können wie private Investitionen ist jedoch mehr als fraglich.)

Damit diese Geschichte nicht ganz so im Regen stehenbleibt hier auch noch die Konstruktion, wie Geld in einem Kreditgeldkapitalismus in Erscheinung tritt.

Geld per Bankkredit

Denn soweit Geld ein Ausdruck sozialer Beziehungen ist, wird die Frage akut, aus welchem Grund Geld als attraktives Medium für die Entlohnung einerseits und die (zumindest temporäre) Wertaufbewahrung andererseits von den Wirtschaftssubjekten gehalten wird – und zwar in dem Sinne, daß die betreffende Währung eine „Realwertsicherung“ hinsichtlich der Preisentwicklung in der Zukunft erlaubt. Das funktioniert dann, wenn Unternehmen Investitionen durch die Vermittlung von Banken finanzieren, womit gleichzeitig durch den daraufhin entstehenden Schuldendruck von den Unternehmen ein reales Leistungsangebot entsteht, welches dazu führt, daß das investierte Geldvolumen, welches ja bei den Haushalten als Einkommen anfällt, für diese die Möglichkeit eröffnet, für Geld etwas Reales kaufen zu können. Dieser simple Mechanismus bewirkt auch, daß Geld in keiner Weise eines Eigenwertes bedarf, weil schon die abstrakte Rückzahlungsverpflichtung der Unternehmen Geld zu einem begehrten Wirtschaftsobjekt macht – und das ohne die Auflage einer staatlichen Stelle Geld zwangsweise als Kompensation für die Übertragung einer realen Ware annehmen zu müssen.

Das Witzige dabei ist, daß Banken, die i.d.R. über Geld ohne eine realwirtschaftliche Leistung verfügen können, durchaus nicht daran interessiert sind, ob der Realwert der Geldeinheit Schwankungen unterliegt oder nicht. Das liegt daran, daß sie letztlich eine genuin nominale Rechnung pflegen und somit für sie realwirtschaftliche Sachverhalte, wie sie beispielsweise in der „Grenzproduktivität“ von Realkapital von der Standard-VWL formuliert wird, überhaupt keine Rolle spielen. Darüberhinaus ist noch erwähnenswert, daß ein Kreditgeldsystem Sparer deswegen nicht braucht, weil der Prozeß der Kredittilgung durch Sparen höchstens behindert wird – was allerdings abhängig von der jeweiligen konjunkturellen Situation ist, ein dynamisches Problem, was bei der Besprechung von Theorie wie der MMT sowieso nicht angesagt ist.

Das ist wahrscheinlich die bitterste Pille für die orthodoxe Wirtschaftstheorie, daß nämlich die gepflegten Realwertkonzepte innerhalb der Funktionsbedingungen des gegenwärtigen Kreditgeldkapitalismus überhaupt keine Rolle mehr spielen. Wie heißt es doch so schön? Im Kapitalismus kennt man den Preis von allem und den Wert von nichts! Klingt nicht schön, bleibt aber so und wird auch nicht mehr geändert. Träumen darf man dennoch.

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MMT – 1

duckiesVor einiger Zeit habe ich eine Zuschrift eines interessierten Lesers erhalten, wo er anmerkt, daß in diesem Blog bisher keine Behandlung der MMT („modern“ monetary theory) erfolgt sei. Ich möchte mich erst mal dafür bedanken und mal versuchen dazu ein paar Gedanken und auch Vorbehalte dazu zu entwickeln.

Eines der Probleme die ich damit habe ist der Umstand, daß Vertreter dieser Theorie von sich selbst behaupten ohnehin keine geschlossene Theorie zu vertreten, wahrscheinlich weil es an einem spezifischen Leitgedanken mangelt auf den die Aussagen der MMT einheitlich zurückgeführt werden könnten. So ist bei der Neoklassik die soziale Grundfigur der Tausch von Hirsch und Biber, woraus sich sukzessive über das System von Walras die allgemeine Gleichgewichtstheorie entwickelt hat, die interessanterweise bis heute die Grundlage für die Theorie der Marktwirtschaft geblieben ist, ohne daß die der Marktwirtschaft zugeschriebenen Eigenschaften aus ihr ableitbar wären.

Dieses tauschtheoretische Grundmuster findet sich bis zum heutigen Tage insbesondere in der herrschenden Geldtheorie wieder, indem immer noch steif und fest von höchsten Stellen behauptet wird, daß eine der wesentlichsten Funktionen des Geldes die des Tauschmittels sei. Das ist etwa so als würde man behaupten, daß die Funktion von Strom der Antrieb eines Motors sei, dabei ist dem Strom der Motor herzlich egal, weil nur die Randeigenschaft des Stromes, die Induktion, den entscheidenden Nebeneffekt darstellt, welcher genutzt werden kann einen Motor anzutreiben. In ähnlicher Weise argumentiere ich hier, daß Geld nur dann seine „Nebenwirkung“ entfalten kann, wenn es seine Funktion erfüllen kann eine Geldschuld zu tilgen. Daß auf einer weiteren Ebene dann auch eine Gegenleistung erfolgt ist zwar unmittelbar ersichtlich, läßt sich aber aus der Zahlung selbst nicht erkennen, weil man einer Zahlung als solche nicht ansehen kann, ob sie für drei Brötchen oder einen Nagellackentferner erfolgt. Denn die Motivation des Verkäufers liegt nicht in einer Nutzung der Ware, sondern in der monetären Verwertung seiner Ware, wobei ihm die Verwendung völlig egal ist, denn eine Reflektion über das, was man mit seiner Ware alles anstellen kann, ist nicht die Motivation für sein Verkaufsangebot.

Aber lassen wir mal einen Abschnitt der zugesandten Darstellung über die MMT zu Worte kommen:

„Wenn man Geld für ein öffentliches Gut oder für ein Gemeinschaftsgut hält, das dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen hat und nicht der privaten Bereicherung, dann wird man früher oder später bei der staatlichen Theorie des Geldes landen; diese wurde bereits vor 100 Jahren in Deutschland gelehrt, und nach dieser Theorie hat das fiat money keinen eigenen Wert an und in sich, es wird aus dem Nichts geschöpft. Dieser Ansatz der Chartalisten wurde von Modern Monetary Theory (MMT) unter Berücksichtigung der Einsichten von Keynes, Lerner, Minsky u.a. weiterentwickelt und ergänzt um das Konzept von Jobgarantie und Vollbeschäftigung. Die Jobgarantie ersetzt dabei die Arbeitslosigkeit als Puffer (Reservearmee): vom Staat werden alle ansonsten Arbeitslosen zu einem Mindestlohn eingestellt, und zwar unbefristet; wenn dann die Wirtschaft in Gang kommt und wegen der Produktionsausweitung zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden sollen, dann müssen die vom Puffer (den Arbeitskräften mit Jobgarantie) zu einem gleich hohen oder höheren Lohn abgeworben werden. Finanzierungsschwierigkeiten kennt der Staat nicht, der sein eigenes Geld herausgibt und damit Waren und Dienstleistungen einkauft.Hierzulande werden die Beiträge von Autoren wie B. Mitchell, R. Wray, W. Mosler, S. Kelton, P. Tcherneva, J. Galbraith u.a. nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn ernsthaft diskutiert; man kennt auch nicht die in den USA geführte Auseinandersetzung zwischen deficit hawks, deficit doves und deficit owls, d.h. Falken, Tauben und Eulen: eigentlich seltsam angesichts der seit Jahren andauernden Banken- und Finanzkrise und der bislang vergeblichen Therapiebemühungen von Mainstreamökonomen.“

Die MMT beruht also auf dem Chartalismus von Knapp, dessen Grundthese daraus besteht, daß Geld von den Wirtschaftssubjekten deswegen für Tauschprozesse verwendet wird, weil sie Geld für die Zahlung von Steuern benötigen, die seitens des Staates erhoben werden. Es handelt sich dabei also um ein Rechtskonstrukt, welches den Wirtschaftssubjekten zwangsweise auferlegt wird und Geld deswegen „erwirtschaftet“ werden muß, um die fälligen Steuern zahlen zu können.

Im Vergleich zu der sozialen Handlung Tausch ist diese Vorstellung nicht auf einer freiwilligen Interaktion von Individuen gegründet, sondern auf einer aufoktroyierten Bestimmung, deren Stabilität sich nicht aus freiwilligen Handlungen ableitet. Das muß nicht von vornherein falsch sein, weil die Verwendung von Geld sich als eine erfolgreiche Sozialtechnologie bewährt hat, die aus modernen Gesellschaften nicht mehr weggedacht werden kann. Inwieweit es jedoch erfolgreich ist, allein aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift die Etablierung eines attraktiven Geldes bewerkstelligen zu können bleibt hinsichtlich der möglichen Ausweichreaktionen der Wirtschaftssubjekte allerdings fraglich. Insbesondere ist dadurch nicht klar, inwieweit dieses Geld eine Vermögenssicherungsqualität aufweist, welche die Individuen dazu bringt, dieses Geld auch zum Zweck der Vermögensbildung zu verwenden. Dieser Frage weichen die MMTler weitgehend aus, auch wenn gelegentlich von ihnen betont wird, daß diese Frage derzeit für die USA keine bedeutende Rolle spielt. (Man bekommt auch immer wieder den Eindruck, daß die Behandlung geldtheoretischer Fragen von der MMT wesentlich von der spezifischen Situation in den USA abhängt, weil beispielsweise die Frage des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts für die MMT allenfalls eine Nebenrolle spielt. Dies hängt aber mit der Stellung des Dollars als – im Abstieg begriffene – Weltreservewährung zusammen und kann nicht so einfach auf andere Staaten übertragen werden – eine Geschichte, die wohl auch die MMT auf US-Verhältnisse beschränken dürfte.)

Man kann schon bei dieser oberflächlichen Darstellung der MMT die Vermutung hegen, daß das Insistieren der MMT-Vertreter auf der monetären Allmacht des Staates darin begründet ist, daß sie sich kaum darüber Gedanken machen, aus welchen Gründen Individuen miteinander kooperieren und deswegen die Frage der Regelung von Schuldbeziehungen sich für sie einfach als Ausfluß staatlicher Regelsetzung darstellt. Das wird wohl damit zu tun haben, daß MMTler die Quantitätstheorie als ihren Hauptgegner ausmachen, weil die Speerspitze ihrer Argumentation sich dagegen wendet, einen Konnex zwischen der (wie auch immer definierten) Geldmenge und dem realen Sozialprodukt herzustellen, was auch immer wieder dann deutlich wird, wenn sie erkennbar die Sachfrage hinsichtlich der inflationären Wirkungen von Staatsausgaben lediglich mit spitzen Fingern anfassen. (Daß Inflation kein genuin geldtheoretisches Thema, sondern eines der Interaktion von Geld- und Gütersphäre darstellt, steht auf einem anderen Blatt.)

Eine letzte Vorbemerkung an dieser Stelle betrifft die Qualität des chartalistischen Konzepts hinsichtlich des von der ‚mainstream‘-Ökonomie stets als heilig vorgestellten Postulats, daß Ökonomie auf jeden Fall aus Optimierungsprozessen von Individuen ableitbar sein muß. Die Ignoranz des ‚mainstream‘ der MMT gegenüber wird darin zu verorten sein, daß eine staatliche Anordnung nicht aus privatwirtschaftlichen Optimierungsprozessen ableitbar ist und damit das heilige ökonomische Postulat des methodologischen Individualismus verletzt wird. Nun ist ja der methodologische Individualismus nicht das ultimative ’nonplusultra‘ der Epistemologie. Daß jedoch die MMT sich völlig über die Frage hinwegsetzt, welche sozialen Prozesse ökonomische Phänomene wie eben das Geld zu erklären in der Lage sind, wird ihr wohl letztlich lediglich die Perspektive einer vorübergehenden Episode im ökonomietheoretischen Panoptikum eröffnen.

…to be continued…

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EURO-Bonds einmal anders…

bugDie Geschichte aus dem letzten Post kulminierte in dem Punkt, die Risikoprämien, die ja immer in den Zinsen enthalten sein sollen, dahingehend ernstzunehmen, daß damit praktisch ein Versicherungsbeitrag von allen Kreditnehmern zu entrichten ist, der es erlaubt, die Verluste aus der Abschreibung einzelner Kredite zu kompensieren. Damit entsteht ganz nebenbei auch eine monetäre Zinstheorie, die nicht aus der Introspektion aktueller persönlicher Befindlichkeitslagen heraus resultiert, sondern eine monetäre Größe – das Kreditabschreibungsvolumen – mit einer weiteren monetären Größe – dem zinsbedingten, eigenkapitalerhöhenden (Brutto-) Gewinn aus der G+V – zueinander in Beziehung setzt. Wenn man so will ist mit der Formulierung der quantitativen Beziehung einer monetären (Risikoprämie: Bruttozinsvolumen) zu einer anderen monetären Größe (Zukunftsunsicherheit: Abschreibungsverlust) das simpelste Grundprinzip eingehalten, daß begriffliche Entitäten, die eine Beziehung aufweisen sollen auch eine Bezugsebene besitzen, anhand derer sie auch vergleichbar sind. Leider hat das unbekümmerte Zusammenrühren inkommensurabler Sachverhalte in der ökonomischen Theorie eine unrühmliche Geschichte, indem beispielsweise die Zusammenstellung der Dinge, die in der sogenannten Quantitätstheorie bzw. -gleichung miteinander in Beziehung gebracht werden, ein mehr als abschreckendes Beispiel liefert.

Aber da die Ökonomen ja mehrheitlich glauben, sie hätten tatsächlich etwas, was die Bezeichnung „Zinstheorie“ rechtfertigen würde, lasse ich das an dieser Stelle mal so stehen und möchte eher auf eine kleine Geschichte eingehen, die sich im Nachgang zu dem vorausgegangenen Post wie ein Elfmeter eigentlich für jeden von selbst angeboten hätte. Ausgangspunkt der ganzen Angelegenheit war ja, daß Banken nicht nur als „Transformatoren“ von Risiko gesehen werden, sondern als Neutralisierungsinstanz von Risiken, die deswegen eine Risikoprämie bekommen, damit sie auch die finanziellen Schäden ausgleichen – daß die Banken inzwischen dazu übergegangen sind die ‚muppets‘ für die Risiken haften zu lassen, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend dabei ist, daß die Banken als Verleiher von „Kredit“, d.h. Zahlungsfähigkeit, ein Arrangement dafür vorhalten, welches gewährleistet, daß ihre unvermeidlichen(!) Fehleinschätzungen der Gesellschaft insofern nicht zur Last fallen, als durch die „übermäßige“ Vergabe von Kredit der Inhalt der Vorstellungen von Geldforderungen nicht (inflationär) beeinträchtigt werden (wobei Letztere auf einer irgendwie gegebenen phänomenologischen(!) Vorstellung von der „Kaufkraft des Geldes“ beruhen). Typischerweise ist das Zahlenverhältnis von Bank und Kunden dergestalt, daß einer einzelnen Bank eine Vielzahl von Kunden gegenübersteht, woraus sich – wie halt bei einer Versicherung üblich – ergibt, daß das ‚pooling‘ der Risiken durch eine zentrale Instanz bewerkstelligt werden kann. So weit, so gut.

Bei der ganzen Geschichte muß man sich an dieser Stelle mal merken, daß es der Gläubiger ist, welcher den eingetretenen Vermögensschaden durch eine Foerderungsabschreibung zu tragen hat und nicht der Schuldner. Dieser haftet ja auch „nur“ nach Maßgabe der vertraglichen Bedingungen und ist gegebenenfalls nach Leistung der vereinbarten Haftungsmasse von einer weiteren Leistung (Schuldturm) freigestellt – zumindest in Staaten, die über ein modernes Insolvenzrecht verfügen. Man könnte diese Modernität der Behandlung der Übernahme von Residualrisiken auf eine Einsicht in die gegenwärtige Struktur des Geldsystems interpretieren, allein mir fehlt der Glaube in diese Version, da die versammelte Bankwirtschaftslehre immer noch die Legende von den Ersparnissen pflegt, die dann zu Investitionen führen sollen.

Bezieht man nun diese Aufgabenverteilung auf das Verhältnis von (Privat-) Gläubigern und Staatsschuldnern erhält die Haftungsfrage auf einmal eine neue Bedeutung, auch und gerade wenn man dies auf das umstrittene Thema Eurobonds anwendet. Auch wenn in diesem Fall einer Vielzahl von Gläubigern eine vergleichsweise kleine Anzahl von Schuldnern gegenübersteht, könnte man sich ein Arrangement vorstellen, daß für den Fall, daß ein Staat die vorgesehenen Zahlungen nicht leisten kann, lediglich ein Teilausgleich der ausfallenden Forderung von den mitbürgenden Staaten erfolgt, während der komplementäre Abschreibungsanteil als Abschlag auf die Nominalforderung ALLEN Eurobond-Gläubigern angerechnet wird. Das heißt, daß sobald ein Schuldnerstaat – was im Eurobond-Verbund vorab intern geregelt sein muß – mit seinen Zahlungen auf die Staatsschuld in Verzug gerät, wird die Anpassungslast nach einem vorab definierten Schlüssel auf die Garantiestaatengemeinschaft, aber auch und insbesondere auf die Gläubigerhaftungsgemeinschaft aufgeteilt. Das muß nicht fifty-fifty sein (eine Egalitätsvorstellung ist in ökonomischen Sachfragen ohnehin keine Leitlinie der Problembehandlung), sondern es kann auch auf einer Basis von z.B. 20% Staatshaftung und 80% Privathaftung sein, der Beschäftigung mit den möglichen Auswirkungen sind da keine Grenzen gesetzt.

Durch ein derartiges Arrangement kann die Haftungsfrage im Vorhinein geklärt werden, ohne daß es zu einer 100%igen Haftungsübernahme kommen muß, wie es derzeit im Fall der EURO-Krise gang und gäbe ist. Der Vorteil dabei ist, daß eine Rettungsaktion zu 100% für die EURO-Staaten nicht mehr attraktiv ist und selbst das Risiko für die „systemrelevanten“ Banken kann dadurch auf ein handhabbares Maß reduziert werden, mal vorausgesetzt die Engagements bewegen sich auf einem „vernünftigen“ Niveau. (Sobald aber wieder ein ‚run‘ auf die vermeintlich risikolosen EURO-‚bonds‘-mbH  einsetzt, ist der Effekt der Risikodiversifizierung natürlich gleich wieder für die Katz! Sorry Katzi!)

Im Gegensatz zu der üblichen Behandlungsweise von Eurobonds, wo der Fokus der Diskussion darauf liegt, eine komplette Absicherung der Gläubiger zu gewährleisten, was zu Recht auf einhellige Ablehnung seitens derjenigen Staaten stößt, welche die voraussichtlich eintretenden Lasten zu tragen hätten, gilt nun eine vorab definierte Lastenverteilung, welche niemanden aus seiner Verantwortung entläßt – weder Gläubiger noch Schuldner. Eigentlich ist es einerseits nicht zu verstehen, daß eine derartige Konstruktion überhaupt noch nicht in die Diskussion gekommen ist, denn die Möglichkeit einer Privatinsolvenz ist genau die Blaupause die man braucht, um sich ein derartiges Arrangement als Grundlage von europäischen Schuldverschreibungen vorstellen zu können. Zum Anderen würde dadurch endlich mal die Vorstellung (teilweise) aus der Welt geschafft, es gäbe so etwas wie risikolose Geldanlagen, die Vorschriften über mündelsichere Anlageformen hin oder her. Eurobonds wären dann für die prospektiven Bürgen dann nur noch ein Engagement mit begrenzter Haftung – was will man mehr? Das Schönste dabei ist: das firmiert alles unter dem gütigen Siegel der europäischen Solidarität!

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Jesse James oder die Abstraktheit sozialer Verpflichtungsrelationen

tank surrealDie Story, welche die Funktionsbedingungen des Geldes im Kreditgeldkapitalismus beschreiben kann, läßt sich anhand einer merkwürdigen Geschichte aufzeichnen, die die Differenz von Geld und Gold in besonderer Weise akzentuiert.

Was ist das Problem, wenn Jesse James einen Bankraub plant und nicht konkret bestimmen kann, wieviel Beute zu erwarten ist. Jeder Kenner der Western Materie wird wissen, daß das Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen nur auf eine Weise zwischen den Beteiligten verteilt werden kann: es wird eine Quote festgelegt, die jedem einen bestimmten Anteil an der Beute in Aussicht stellt. Denn je nachdem wie hoch die Ausbeute an – üblicherweise – Gold ausfällt ist der Anteil des Einzelnen höher oder niedriger ~ sofern der einzelne Teilnehmer dieser Aktion diese auch überlebt.

Was passiert nun, wenn der Bankraub  halbwegs seinen erwarteten Erfolg hatte und es nun um die Verteilung des gemeinsamen Ertrages geht? Die Anzahl der erbeuteten Goldstücke stellt den verteilungsfähigen Bestand dar, der nunmehr gemäß des vorab ausgehandelten Verteilungsschlüssels den anspruchsberechtigten Überlebenden zugerechnet wird. Nehmen wir mal an, daß es keinen Streit gibt (ja ist unrealistisch, aber trotzdem): die Verteilung der Goldstücke sieht aus wie eine Zahlung für die Leistung „Teilnahme an Bankraub“, ist aber in diesem Sinne keine. Denn in dieser Transaktion ist die Übergabe des Beuteanteils gleichbedeutend mit der Übergabe einer Ware, während die Erlöschung des ausgehandelten Anspruchs des Einzelnen dasjenige darstellt, was die Zahlung zum Erwerb einer Ware darstellt. Denn eine Zahlung im geldtheoretischen Sinne ist dadurch charakterisiert, daß damit eine Schuld gelöscht wird, die in diesem Fall aus der Verpflichtung von Jesse James besteht die gegen ihn gerichteten Forderungen durch die Übergabe des vereinbarten relativen Warenanteils zu erfüllen.

Das Wesentliche was zu der Verbindung zu Geld führt ist, daß der Anspruch z.B. 10% der Beute, erst durch das konkrete Ergebnis des Raubzuges materialisiert wird. Denn erst durch diese Materialisierung (die im Vorfeld lediglich erwartet! werden kann) wird der entsprechende Anspruch zu einem realen Wert. Das kann man auch ganz profan dadurch ausdrücken, indem man Geld (interpretiert als Anspruch auf ein gemeinsames Projektergebnis) als relatives Maß des Bankraubes erkennt, welches den Output der gemeinsamen Aktivität in Beziehung zu dem individuellen Input (Pferd, Sattel, Colt oder wahlweise Winchester, Kugeln und persönliche Existenz) setzt. Genau das ist es nämlich, was eine Preiskalkulation macht, indem die Kosten auf das Produktionsergebnis aufgeteilt werden – nachdem das Produktionsergebnis feststeht. Was man nur sehen muß ist, daß die 100% der Kosten (=Ansprüche) auf das Ergebnis der „Produktion“ aufgeteilt werden und somit die ‚a priori‘ nicht definierbaren bzw. mengenmäßig konkretisierbaren realen Ansprüche in abzählbare Ansprüche auf Waren (nein, nicht Güter) übersetzt werden.

Was an dieser Konstellation so interessant ist, ist der Umstand, daß sich hier vermeintlich zwei Geldkonzepte kreuzen, die nicht miteinander vereinbar scheinen, denn die Vorstellung von Gold als Geld beißt sich mit der institutionalisierten Konzeption, Geld als Anspruchsgefüge innerhalb sozialer Beziehungen zu interpretieren. Das ist dann kein Widerspruch, wenn Gold als die zu liefernde Ware angesehen wird – die es auch ist -, während Geld die Anspruchsbeziehung darstellt, welche die Verpflichtungen zwischen Personen begründet oder eben auflöst. Im Gegensatz zu Marx, der darüber nachgedacht hatte, daß das gesellschaftliche Verteilungsproblem durch Stundenzettel nicht zu lösen sei, da es sich hierbei um ein absolutes Maß der Produktion handelt, weil von der Grundidee her sich auf dem Markt Äquivalente austauschen (weil die Waren in Stundenzetteleinheiten bewertet werden sollten), kann man demgegenüber dennoch zu einer Lösung kommen, indem man dazu übergeht die Ansprüche relativ! zu formulieren.  So könnte Jesse James die Anspruchsberechtigungen derart ausgestalten, daß er den einzelnen Beteiligten den Anspruch auf z.B. 10% der Beute schriftlich ausstellt, der bei Einlösung (wie bei einem Lagerschein) wieder ausgehändigt werden muß, um die Anspruchsberechtigung zu beweisen. (Daß ein solcher Beweis erst dann notwendig wird, wenn die soziale Gruppengröße anfängt unübersichtlich zu werden muß an dieser Stelle nicht stören.)

Was man an dieser Stelle verstehen kann ist der Umstand, daß dieser 10%-Schein die Vorstufe zu sozialen Beziehungen darstellt, die über abstrakte und relative Ansprüche geregelt werden, denen aus der Konstruktion der Beziehung heraus ein absoluter Wert oder eine konkrete Menge an Sachgütern nicht zugerechnet werden kann. Letzteres liegt daran, daß die Zukunftsunsicherheit (Keynes) darüber, was das Ergebnis der sozialen Anstrengung konkret sein wird, eine direkte Assoziierung von gegenwärtigem Anspruch und zukünftigem Gegenwert schlichtweg verbietet!

Daß diese Verabstraktierung (Hypostasierung) von Verpflichtungen dann auch in einer zweiten höheren Abstufung zu dem gegenwärtigen zweistufigen Geldsystem führt, sei an dieser Stelle nur am Rande angemerkt. Aus dieser Sichtweise folgt allerdings bereits unmittelbar, daß jegliche Vorstellung einer „Gesellschaft ohne Geld“ oder ein „Geld ohne Schuld“ davon ausgeht, daß eine Gesellschaft ohne Verpflichtungsbeziehungen existieren könnte – na dann viel Spaß! Mal abgesehen davon, daß Adam Smith sein  Konzept der Arbeitsteilung einstampfen könnte, welches in der Form von Unternehmen, in denen einander unbekannte Personen miteinander arbeiten im Laufe der Geschichte zu dem Wohlstand geführt hat, der zumindest in den Industrienationen (partiell) neidlos konstatiert werden kann.

Die Lehre aus dieser Geschichte ist, daß Geld alias soziale Verpflichtungsrelation nicht durch eine reale Entität substituiert werden kann und deswegen alle Versuche, dem Geld eine reale „Deckung“ anzuhängen scheitern müssen – alle, bis hin zur Quantitätstheorie, deren reziprokes Preisniveau sich auch nur als Wareneinheit entpuppt, was sich nach kurzem Nachdenken wie von selbst ergibt!

Fazit: die Substanz von Geld sind soziale Verpflichtungsrelationen und keine konkreten Gegenstände! Deswegen heben sich auch Forderungen und Verbindlichkeiten gesellschaftlich gesehen auch auf, und zwar nicht nur manchmal, sondern immer! Auch auf den lustigen „Finanzmärkten“.

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Von Pulverfässern und ungeplanten ökonomischen Einsichten

springDirk Elsner hat in seinem Post über die Konsequenzen aus der Zypern-Krise eine interessante Schlußfolgerung gezogen, die es wert ist noch ein wenig untersucht zu werden:

„Aber man kann Herrn Dijsselbloem und die ganze EU dafür kritisieren, dass sie auf dem Pulverfass sitzend mit dem Feuer spielt, den Sprengstoff herangeschafft hat Dijsselbloem jedenfalls nicht.“

A) Das ist richtig!
Es gilt aber auch:
B) Auch die EU hat den ganzen Sprengstoff nicht herangeschafft!

Und wo kommt der nun her?

Man muß sich dabei überhaupt erst mal klarmachen, woraus der Sprengstoff besteht. Üblicherweise wird eine „übermäßige“, „exzessive“ oder „überbordende“ Verschuldung dafür verantwortlich gemacht und dann so getan, als wäre der Grund für diese sicherlich nicht nachhaltige Verhaltensweise in einem moralischen Defekt der „Couponschneider“, in einer „Gier“ der „Anleger“ oder in einem genetischen Defekt des Finanzkapitalismus zu verorten. Mit einer derart moralisch aufgeplusterten Keule wird dann zum Feldzug gegen „die Bankster“, „die Spekulanten“ oder – damit es moralisch noch mehr trieft – „die Ausbeuter“ und „Bezieher leistungsloser Einkommen“ aufgerufen, womit der Empörung der Gerechten dann Genüge getan worden ist.

Nun, mit Verschuldung hat das Ganze schon was zu tun, es nützt aber nichts, wenn man über eine „zu hohe“ Exposition klagt, denn „zu hoch“ setzt ja bereits voraus, daß irgendetwas „zu viel“ ist, ohne daß ein Kriterium dafür existieren würde, an dem man das „zu viel“ messen könnte. Leider ist man in Bezug auf die Finanzmärkte immer erst hinterher schlauer, so daß es ohne weiteres passieren kann, daß ein „normales“ oder „solides“ Kreditengagement auf einmal zu einem „unkalkulierbaren Risiko“ wird. Die Gründe der Schieflage der zypriotischen Banken sprechen Bände.

Wenn man sich nun die nicht mehr so ganz taufrische Option ansieht, wie in Zukunft in Europa die Sanierung einer Bankbilanz ablaufen soll gewinnt man auch schon das erste Gefühl dafür was passieren müßte, wenn man den Fall der Fälle schon mal von vornherein verhindern wollte. Denn dieser ‚bail-in’ der unbesicherten Bankgläubiger, welcher im wesentlichen auf einer Umwandlung von nominal fixierten Forderungen in nominal variabel taxierte Eigentumsrechte beruht, hat ja offenbar seinen Grund darin, daß die Entscheidung zwischen nominal fixierten und nominal nicht fixierten Wertpapieren „normalerweise“ eindeutig zugunsten der nominal fixierten Kredite ausgeht.

Das hat natürlich seinen Grund der darin besteht, daß die nicht mehr so ganz moderne Hebelung von Finanzkapital es unattraktiv macht mit Eigenkapital zu wirtschaften und sich somit ganz zwanglos eine Schlagseite zugunsten wertfixierter Forderungen ergibt. Dazu kommt noch der Umstand, daß Fremdkapitalzinsen steuerlich als Kosten absetzbar sind und von daher der Einsatz von eigenem Geldvermögen sich noch weniger lohnt.

Nun mag man den Hang zur Bildung von Spareinlagen mit Hilfe von Erwägungen hinsichtlich deren vermeintlicher Sicherheit für „natürlich“ halten. Für diese Gegebenheiten stehen die inzwischen angekratzten Vorstellungen von der Sicherheit der Spareinlagen Pate, welche von der Finanzwirtschaft immer wieder in den höchsten Tönen beschworen wird. Das ist aber noch nicht alles: auch die Vorstellungen, die hinsichtlich der „normalen“ Finanzierung von Unternehmen existieren sind davon geprägt, daß Sparer über die Transformation der Banken die Investitionen der Unternehmen finanzieren und damit die moralische Rechtfertigung für die Bildung nomineller Forderungen alias Sparguthaben auch einen ökonomischen theoretischen Heiligenschein aufgesetzt bekommt. Dieser Heiligenschein resultiert letztlich aus der Quantitätstheorie, deren Sinn es ist die Bildung absoluter Geldpreise abzuleiten, ohne mit dem System relativer Preise, die sich aus einem allgemeinen Gleichgewicht ergeben, ins Gehege zu kommen. Getreu dem Erstausstattungskonzept ist in dieser theoretischen Sichtweise auch Geld eine Erstaustattung, die über Losgrößen- und Fristentransformation den Unternehmen zur Ökonomisierung zur Verfügung gestellt werden soll.

Woran liegt das?

Der theoretische Hintergrund ist dergestalt, daß im Grundmodell der Ökonomie – der allgemeinen Gleichgewichtstheorie – die Allokation der Ressourcen durch die Fiktion des Erstausstattungsprinzips ausgestaltet wird. Aus dieser Anlage der ökonomischen Orthodoxie hat eine ganze Forschungsrichtung den Schluß gezogen, daß auch in Bezug auf Geld dieses Prinzip als theoretische Grundforderung bei der Formulierung einer Geldtheorie Pate zu stehen habe. Das Ergebnis dieser methodologischen (!) Zwangslage ist die Quantitätstheorie, die seit 200 Jahren ihr Unwesen in der Ökonomie treibt. Denn dadurch wird Geld als ein Bestand definiert, der durch die Anwendung der üblichen Allokationsmechanismen seine Funktion zur Finanzierung von Investitionen erhält. (Sinnbildlich steht dafür Friedmans Bild von dem Abwurf von Geld aus einem Hubschrauber heraus!) Nun ist es natürlich nicht so, daß damit überhaupt kein ökonomischer Tatbestand eingefangen werden würde, denn die Relativität dessen, was den „Geldwert“ ausmacht ist durch dieses Konzept durchaus eingefangen. Was allerdings großflächig die Sinne vernebelt ist das damit verbundene ominöse Konzept der Umlaufgeschwindigkeit, welches lustige Vorstellungen von einer umherhetzenden „Geldmenge“ erzeugt, die nichts anderes zu tun hätte, als wie wild von einem Kauf zum anderen zu eilen. Wenn dann aus derart infantilen Vorstellungen heraus auch noch daraus geschlossen wird, daß man „nur“ die Umlaufgeschwindigkeit „erhöhen“ müsse, um Inflation oder die Konjunktur zu stimulieren, ist der intellektuelle Kopfschuß perfekt.

Das hat etwas damit zu tun wie man die Frage beantwortet was Geld ist. Ich drücke das immer so aus, daß Geld ein relatives Maß der Produktion ist, welches seine Funktion darin findet, daß es ein Verbindungsglied zwischen Kosten und Preisen darstellt. Anders gesagt: die kapitalismustypische Form der Arbeitsteilung erfordert eine Modalität der Abrechnung, die nicht das jeweilige Arbeitsergebnis zum Gegenstand hat, sondern eine abstrakte Form der Abrechung alias Entlohnung, die es ermöglicht, eine Vielzahl von produktiven Prozessen miteinander zu koordinieren. Wie man auf die blöde Idee kommen konnte das mit einer inkonsistenten Trivialgleichung einzufangen wird zukünftigen Generationen von Ökonomen ewig unerfindlich bleiben.

Schon von Marx stammt die Einsicht, daß Geld ein soziales Verhältnis ist. Und auch wenn Marx diskreditiert erscheint ist dennoch sein Hinweis auf den sozialen Charakter des Geldes immer noch als aktuelle theoretische Einsicht zu bewerten. Denn letztlich orientiert sich die gesamte Buchhaltung an diesem Konzept. An anderer stelle habe ich mal geschrieben: Kapitalismus ist eine Form geldwirtschaftlich organisierter Form der Arbeitsteilung. Diese Einsicht ist in der Ökonomie bisher noch nicht angekommen! Die Konsequenz daraus wäre Geld als Medium der Organisation produktiver Veranstaltungen zu interpretieren und nicht als „Schatz“, dessen Akkumulation für die Bewältigung menschlicher Versorgungsphasen immer weiter vorangetrieben werden muß. Diese Motivation mag ehrenwert sein, allein ist nominelles Geldvermögen dennoch stets von der Funktionsfähigkeit der gesellschaftlichen Produktionspotenz abhängig und wird es auch immer bleiben – irgendwelchen albernen politischen Garantien zum Trotz!

Man kann der Sichtweise von Geld als absolutem „Schatz“ einen gewissen Spaßfaktor sowie eine gewisse historische Bedeutung nicht absprechen, jedoch hat sie mit den Funktionsbedingungen einer modernen Geldwirtschaft nichts zu tun. (Warum das so ist, ist eine etwas längliche Geschichte.) Die Folgen einer derartigen Konzeptionalisierung von Geld durch die herrschende „Erstausstattungstheorie des Geldes“ sind jedoch anhand des EURO-Schlamassels ausgiebigst zu besichtigen.

Was läßt sich als Lehre aus der neuesten Entwicklung ziehen, wo doch gerade die Sicherheit von Spareinlagen zur Disposition gestellt wurde? Es geht darum, daß die Einsicht sich durchsetzt, daß Geldforderungen nicht aus einer Einzahlung von Bargeld am Bankschalter entstehen, sondern sich aus einer Akkumulation von Nettogeldvermögen heraus bilden, die ihre Begründung in einer Einkommensbildung findet, die sich aus Rentabilitätserwägungen von Unternehmen speist. Daß diese Rentabilitätserwägungen sich nicht dadurch ergeben, daß Einkommen großflächig gespart wird, kann zumindest einen Unternehmer nicht überraschen, denn die Wirtschaft lebt davon, daß Einkommen auch ausgegeben werden. Was sagte Norma Jean doch gleich: ‚money makes the world go round‘! Oder weiter östlich: der Rubel muß rollen!

Die Schlußfolgerung hinsichtlich der Akkumulation von Spareinlagen bzw. der Drohung, daß sie für die Sanierung von Bankbilanzen herangezogen werden, ist eigentlich ganz einfach: würden die Sparer schon von vornherein ihr Geld in Sachwerten – wozu in allererster Linie Aktien zählen – investieren, und nicht durch entgegengesetzte steuerliche Anreize und dem Moralappell des ökonomischen ‚mainstream‘ auf eine falsche Fährte geführt werden, würden sich derartig eklige Konsolidierungsprozesse, wie sie gerade in Zypern ablaufen, schon im Vorfeld vermeiden lassen. (Witzigerweise findet sich sogar im aktuellen Koalitionsvertrag eine Passage, welche das steuerliche Problem zwischen Eigen- und Fremdkapital adressiert!) An sich ist es ganz leicht es gleich richtig zu machen!

Was folgt aus alledem? Man muß Herrn Dijsselbloem attestieren irgendwie eine höhere Einsicht in geldtheoretische Funktionsbedingungen aus den aktuellen Sachzwängen gezogen zu haben, auch wenn es vermessen wäre ihm zu unterstellen, daß er diese aus einer theoretischen Einsicht heraus gezogen hätte. Darauf kommt es aber auch nicht an! Man kann auch ‚right for the wrong reasons‘ sein!

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Logische Typenlehre und die Ökonomie

dont believeDas Schönste an der Quantitätstheorie M V = P Y ist die Naivität, mit der allen Ernstes versucht wird einen Zusammenhang zwischen der Ebene der Güter und der Ebene des Geldes herzustellen. Da allerdings den Urhebern dieser Theorie bei dem Gedanken an deren Stichhaltigkeit nicht so ganz geheuer war, wurde denn auch in der Folge die Gleichung wahlweise als Tautologie, Identität oder gar als Kontinuitätsformel ökonomischer Weisheit präsentiert. (Es ist aber auch möglich, daß man ausgehend von der Quantitätstheorie zu korrekten Aussagen kommt, wenn man sich nur an die monetären Grundsätzlichkeiten hält, die von den statistischen Ämtern veröffentlicht werden; die Feldtheorie der Ökonomie  ist, jenseits der Tatsache, daß sie sich nicht um die hier angesprochene Problemlage schert ein Beispiel dafür, daß man auch ‚right for the wrong reasons‘ sein kann.)

Der quantitätstheoretische Ansatz sucht die Antwort auf die „Geldfrage“ in einer Realmystik, weil er sich nicht damit abfinden will, daß die Funktionsweise (!!!) von Geld mit Wert nichts zu tun hat. Denn die Frage nach dem Wert hat was mit intrinsischen Befindlichkeiten zu tun, welche durch die Präferenzen der allgemeinen Gleichgewichtstheorie in aller Form dargelegt werden. Nun ist zwar die Frage, was Geld für ein Individuum wert ist auch eine Frage von persönlichen Einschätzungen, nur ist dieser Entscheidungsaspekt auf einer anderen Ebene angesiedelt, als es die Entscheidung über die Nützlichkeit eines Objektes ist.

Der theoriegeschichtliche Hintergrund ist dabei, daß das Zentralmodell der herrschenden Wirtschaftstheorie – die allgemeine Gleichgewichtstheorie – aufgrund ihrer Konstruktion nur relative Tauschverhältnisse abbilden kann. Aus diesem kühlen Grunde ist es erforderlich eine formelhafte Abbildung zu finden, um die relativen Preise in absolute Preise (Geldpreise) zu transformieren. Dazu wurde der gesamtwirtschaftliche Umsatz (P * Y) mit „der“ Geldmenge (M) in Beziehung gesetzt und heraus kommt eine ominöse Variable (V), die dann so etwas Ähnliches abbilden soll wie die „Händewechselhäufigkeit“ jeder einzelnen Geldeinheit.

Die wichtigste und leider für die Ökonomie fatale Zuschreibung an den auf diese Weise unterschwellig definierten „Geldwert“ ist die Assoziierung von Geld als einem „Realwert“, obwohl die Quantitätstheorie gerade diesen Schluß nicht nahelegt. Denn wie man durch einfache überlegung nachvollziehen kann, ist die Höhe der Geldpreise (P) von der Geldmenge (M) abhängig, so daß in der Definitionsformel für V (die sagenumwobene Umlaufgeschwindigkeit)
V = P*Y/M
auf der rechten Seite Variable stehen, die auch ohne ein ominöses V voneinander abhängig sind. Die logische Folge davon ist, daß damit die Frage des „Geldwertes“ völlig in der Luft hängt – weil die entscheidende Frage der Abhängigkeit von P und M bereits auf der „rechten“ Seite stattfindet – und zu allem Überfluß auch noch Y (das reale Sozialprodukt) in diese vermeintlich selbst-evidente Beziehung hineinspielt, was, sobald man V als konstant voraussetzt, zu einer Beziehung von monetären und realen Einheiten führt und damit automatisch die Vorstellung des „Realwertes“ einer Geldeinheit erzeugt wird. Der intellektuelle Kurzschluß zu einer Vorstellung eines „werthaltigen Geldes“ (Goldwährung) ist an dieser Stelle nicht mehr weit. Dieser Kurzschluß trifft sich mit der phänomenologischen Erfahrungstatsache, daß Geld ja gegen Sachgüter „getauscht“ werden kann, so daß einer Identifizierung von Geld und Wert nichts mehr im Wege steht. Daß damit einer Verwechslung kategorialer Ebenen Vorschub geleistet wird ist dann kein Wunder mehr.

Damit kommen wir aber zum Punkt: der logische Typensprung besteht daraus, daß Kommunikation über Sachen anderen Kriterien unterliegt, als die Sachen selbst. Kommunikation über die Verfügung von Sachen hat was damit zu tun, daß diese Funktionalität keine direkte Verbindung mit einer (möglicherweise) zugehörigen Interaktionsform besitzt, die auf einen Ausgleich von Werten aufgebaut ist. So ist zum Beispiel die Funktionalität von Sachen in der Korntheorie des Zinses von Ricardo zu finden, die mit der Funktionalität der Kommunikation über monetäre Profitraten nicht das mindeste zu tun hat. Oder anders: die klassische Austauschrate von Hirsch und Biber bei Adam Smith hat zwar etwas mit den relativen Wertverhältnissen zu tun – der Zielpunkt dieser Art von Interaktion ist jedoch darauf geeicht, aus der geschäftlichen Interaktion gerade keine Schuldbeziehung erwachsen zu lassen, welche nach Abschluß dieses Tausches eine Fernwirkung auf zukünftige (geschäftliche) Beziehungen haben könnte. Ein Tausch hat gerade mit dem, was monetäre Verpflichtungsrelationen angeht allenfalls indirekt etwas zu tun!

Der Hintergrund für diese Konzeptionierung ökonomischer Ebenen findet sich vordergründig in der Kommunikationstheorie von G. Bateson, im Endeffekt jedoch in der logischen Typenlehre von Whitehead und Russell:

„Unser Forschungsansatz beruht auf dem Teil der Kommunikationstheorie, den Russell die ‚Theorie der logischen Typen‘ genannt hat. Die zentrale These dieser Theorie besagt, dass zwischen einer Klasse und ihren Elementen eine Diskontinuität besteht. Die Klasse kann weder ein Element ihrer selbst sein, noch kann eines ihrer Elemente die Klasse sein, da der für die Klasse gebrauchte Terminus einer anderen Abstraktionsebene – einem anderen logischen Typ – angehört, als die auf die Elemente anwendbaren Termini.“

Der hier verwendete Ansatzpunkt besteht daraus:

Obwohl in dieser Passage sowohl von (Abstraktions) ‚Ebenen‘ als auch von ‚Typen‘ gesprochen wird, suchen wir in Batesons Arbeiten vergeblich nach einer Bestimmung der Unterschiede zwischen diesen beiden Parametern. So deutlich einerseits der Unterschied zwischen den Begriffen Element und Klasse im Rahmen logischer Argumentation ist, so ungeklärt bleibt andererseits das Verhältnis zwischen Ebenen und Typen in der psychologischen Kommunikationstheorie von Bateson.

Nun geht es hier nicht darum die logische Typenlehre zu diskutieren, sondern darum den Aspekt hervorzuheben, der sich daraus ergibt, daß Bateson und später Luhmann angeregt haben, daß Wirtschaft als ein Kommunikationssystem begreifbar ist, welches von der Konzeption, Wirtschaft als reales Tauschsystem zu betrachten, fundamental unterschiedlich ist. Damit hat es sich allerdings mit Bateson und Luhmann auch schon. Das was man als Wesentliches daraus lernen könnte ist, Wirtschaft nicht als Substanzfrage zu betrachten, sondern als kommunikative Veranstaltung, die davon geprägt ist, daß Einvernehmen über Verfügungen hinsichtlich realer Objekte erzielt wird. Die Ignoranz der Ökonomie besteht dagegen daraus, daß die Formulierung einer Grenzproduktivität als a priori postulierter handlungsleitender Zentralaspekt dazu führt, daß monetäre Kommunikation zu einem abhängigen Abbild der realen Sphäre wird. Das ist der (tragische) Stand der Dinge!

Die logische Typenlehre der Ökonomie postuliert demgegenüber, daß die Objekte der Realökonomie einen „Transmissionsmechanismus“ brauchen, in dem Sinne, daß es einen Kommunikationsstandard braucht, der die Kriterien definiert, wann reale Objekte entweder einen Eigentumswechsel erfahren oder zu einer Produktionsveranstaltung eingesetzt werden (können). Damit betrachtet sie die Unterschiede, welche zwischen der Realebene und der monetären Ebene existieren. Die Differenz der Unterschiede ökonomischer Kategorien hebt gerade den Unterschied hervor, der sich zwischen Produktivität, die sich auf eine reale Menge von Gütern bezieht, befindet, während demgegenüber Gewinn sich auf Geld bezieht, welcher sich nicht aus einer Produktivitätsphilosophie erklären läßt. Es klingt lächerlich, aber den (meisten) Ökonomen muß man sagen: Geld wächst nicht auf Bäumen!

Der in dieser Problemverstrickung enthaltene Hänger ist dabei immer der gleiche: Kommunikation wird immer dann zum Problem wenn Objekt und Bezeichnung verwechselt werden. So ist eine Zinstheorie der Produktivität eine Angelegenheit von Mengen. Dagegen ist die Kommunikation über Mengen eine Metaebene (die Zins als eine Zuschreibung zu dem abstrakten „Wert“ – besser: Forderungsvolumen – einer Schuldforderung manifestiert), deren Existenz von der bisherigen ‚mainstream‘-Ökonomie weitgehend geleugnet wird. Der augenfälligste Ausdruck dieser Scheuklappenstrategie ist die Quantitätstheorie, die völlig unbekümmert von einer strukturellen Differenz von Objekt- und Kommunikationsebene einen kausalen (meistens noch schlimmer als selbst-evidenter Identitätskomplex verstandener) Konnex zwischen beiden Ebenen postuliert und damit das zentrale Hindernis für eine ökonomische Theorie darstellt, die wenigstens mal den Anspruch struktureller Konsistenz erheben könnte.

Ein Ansatz, der sich zugutehalten kann, dieser Verwechlung nicht zu unterliegen resultiert aus den Untersuchungen von L.A. Hahn und M. Copeland, deren Untersuchungsobjekt die monetären Relationen einer Volkswirtschaft sind, der sich über A. Forstmann, W. Lautenbach und schließlich W. Stützel in dem Konzept der „volkswirtschaftlichen Saldenmechanik“ niedergeschlagen hat. Das eigentliche ‚feature‘ dieses Ansatzes, gerade ohne einen Bezug zu realen Objekten auszukommen macht sie in den Augen des ‚mainstream‘ zu einer nicht-ökonomischen Theorie, weil damit der Bezug zu den realen „Wahrheiten“ verloren geht, woraus sich ganz zwanglos auch die permanente Abneigung gegen diese Art der Konzeptualisierung ökonomischen Denkens erklären läßt. Dabei ist diese Kritik in etwa so, als würde sich die Hardwareabteilung über die Softwareabteilung eines Computerherstellers dahingehend beschweren, daß die Software-Programmierer keine Hardware-Entwicklung betreiben wollen. Natürlich ist da auch ein Zusammenhang, aber die Regeln und Kriterien der Software-Entwicklung sind eben nur indirekt davon bestimmt, welche Konstruktionsprinzipien in der Hardwareabteilung als neuester Schrei zur Anwendung kommen.

Die logische Typenabbildung zwischen der Realsphäre und dem monetären Kommunikationssystem besteht eben daraus, daß Geld als relatives Maß der Produktion einen indirekten Zusammenhang herstellt, da ja Bezeichnung und Objekt eine zwar begriffliche, aber letztlich nur eine phänomenologische Einheit zu etablieren in der Lage sind. Das ist vor dem Hintergrund einer effizienten Institutionalisierung auch nicht schlimm, bedeutet aber hinsichtlich einer angemessenen Wirtschaftstheorie, daß man sich davon fern halten muß, die strukturellen Ebenen der ökonomischen Analyse auf eine unangemessene Weise zu vermengen. Die Einsicht, die logischen Typen der ökonomischen Erkenntniswelt strukturell auseinanderzuhalten eröffnet die Möglichkeit, Geld und Wert, wenn schon nicht zu „integrieren“, so doch miteinander dergestalt zu verbinden, daß es möglich wird, ohne logische Kategorialverwechslungen über Ökonomie in einer zukunftsfähigen Weise diskutieren zu können.

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