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Schatten ist nur dann, wenn Sonne ist

SirmioneSeit einigen Jahren geistert ein Begriff durch die Finanzwelt, der sich bis heute einer zutreffenden Charakterisierung entzieht. Man findet zu dem Begriff „Schattenbank“ lediglich eine Vielzahl von Beschreibungen, deren gemeinsamer Nenner darin besteht zu konstatieren, daß eine Schattenbank von einer normalen Geschäftsbank dadurch zu unterscheiden wäre, daß die eine einer staatlichen Regulierung unterliegen würde und die andere eben nicht. Die regulierten Banken hätten daher das Privileg des Zugangs zur Zentralbank, während den anderen der Zugang zur Zentralbank verweigert bleibt. Interessanterweise wird dabei meist darauf Bezug genommen, daß die Einlagen, die von den Schattenbanken angenommen werden sich keiner staatlichen Besicherung erfreuen und somit irgendwie die Unsicherheit der Einlagen die Bezeichnung als im „Schatten“ liegend nahelegt, was wohl irgendwie bedeuten soll, daß die staatliche Sicherung von Einlagen denen einen „Platz an der Sonne“ garantiert.

Dabei wird üblicherweise keine grundsätzliche funktionale Differenzierung beider Banktypen vorgenommen, denn in beiden Fällen wird das zentrale Geschäftsfeld darin gesehen Kreditintermediation zu betreiben. Es wird dann versucht diese fehlende Differenz wird dann durch viele Einzelaspekte zu motivieren, indem die Art der Bankgeschäfte zum zentralen Kriterium wird, obwohl es keineswegs naheliegt, diese Unterscheidung für maßgeblich zu halten. Es sieht eher so aus als würde das Kriterium Nicht-Regulierung dazu benutzt zu begründen, daß in diesem Sektor Geschäfte abgewickelt würden, die mit einem „normalen“ Bankbetrieb nicht vereinbar seien. Man hat das unbestimmte Gefühl in einer Einführungsvorlesung für Geldtheorie zu sein, wo nach der Deklaration der vermeintlich wesentlichen Eigenschaften von Geld ohne weitere Diskussion zu den diversen Geldmengenaggregaten übergegangen wird, obwohl man sich durchaus mal fragen könnte, was es denn ist, was da so alles „aggregiert“ werden soll. Auch hier wird der eigentliche Erklärungsnotstand durch eine künstliche Verkomplizierung (oder behauptete Verkomplexierung) überspielt und durch phänomenologische Detaildiskussion der Eindruck erzeugt, man wisse ja durchaus, womit man es dabei zu tun hätte.

Dabei liegt eigentlich eine Differenzierung nahe, die sich auf das Kriterium „Zugang zur Zentralbank“ orientiert, selbst wenn vordergründig die Regulierung durch die Zentralbank das vermeintliche Kriterium zur Unterscheidung liefert. Der essentielle Unterschied liegt nämlich darin, daß normale Banken mit einer Kreditvergabe gleichzeitig in gewissem Umfang einen Zuwachs an Zentralbankgeld generieren, mit dem sie den gewährten Zahlungsvolumina durch Zahlung in Zentralbankgeld nachkommen können – und müssen.

Dies müssen die Banken im „Schatten“ natürlich auch, der Unterschied besteht eben darin, daß diese ihre Zahlungsverpflichtungen aus vorgegebenen Beständen begleichen müssen, die ihnen von privaten Anlegern zufließen und insofern hier genau das stattfindet, was die Bankbetriebslehre nicht müde wird als Funktion des Bankgewerbes zu postulieren. Denn die traditionelle Liste der Bankfunktionen ist es ja gerade „Einlagen“ (die man sonst in den Schuhen hat) zu Krediten zu transformieren, sei es als Fristen-, Losgrößen- oder Risikotransformation.

Es sieht demnach eher so aus als hätte sich die Bankbetriebslehre ausschließlich der Funktion der Schattenbanken gewidmet und den wesentlichen Aspekt des Bankensystems, nämlich tatsächlich Geldschöpfung generieren zu können, komplett übersehen. Das wird vermutlich damit zusammenhängen, daß die Differenz von dem was als „Bankgeld“ bezeichnet wird und dem, was Zentralbankgeld wirklich ist weitgehend ignoriert wird. Es ist ja heutzutage chic geworden zu behaupten Banken könnten „Geld“ schaffen was auch schon dazu führt zu fordern den Banken das Privileg der Geldschöpfung zu entziehen. Jeder Kommentar dazu erübrigt sich – eigentlich. Doch in einer Publikation der Bundesbank zu diesem Thema versteigen sich die Verfasser zu der sachlich unhaltbaren Aussage:

„Im Vergleich zu Geschäftsbanken weisen Schattenbanken einige grundsätzliche Unterschiede auf. So können sie im Gegensatz zu Geschäftsbanken keine Giralgeldschöpfung betreiben…“ (Seite 3 PDF; Seite 17 Seitenzählung)

Offenbar unterliegen auch Bundesbank-Ökonomen der Falschvorstellung, daß Bank-Forderungen etwas anderes sind als „normale“ Forderungen, nämlich Geld. Das wird daran liegen, daß die ständig verwendete fehleranfällige Bezeichnung von Bankschulden als „Giralgeld“ auch dort geeignet ist das analytische Verständnis des grundsätzlich vorhandenen Unterschieds von Forderung und Forderungserfüllung zu vernebeln. Denn da die Einräumung eines Kredites gleichbedeutend mit einer Bilanzverlängerung ist, wobei dann die Bankschulden entstehen, die dann irgendwie „Geld“ bedeuten sollen, ist nicht zu sehen, was der kategoriale Unterschied sein soll, ob eine Bank an der Sonne oder eine Bank im Schatten eine Schuldzusage macht. Denn soweit diese Schuld beglichen werden muß (nennt sich Überweisung oder Auszahlung) sind Schattenbank und Sonnenbank gleichermaßen dazu gezwungen ihre Zahlungsverpflichtung in einem Standard zu leisten, den sie eben nicht selbst schaffen können – nämlich in Zentralbankgeld.

Viel spannender als diese Fehlleistung ist an dieser Stelle jedoch der Umstand, daß schon vor bald 100 Jahren diese Differenz zwischen Banken, welche die Möglichkeit zur passiven Generierung von Zentralbankgeld besitzen und Banken, die auf vorhandene Geldvolumina zurückgreifen müssen in klar differenzierender Weise funktional aufgegriffen wurde. Dies ist umso interessanter, als hier die übliche oberflächliche Betrachtungsweise anhand der „Eigenschaften“ von „Schattenbanken“ durch eine Sichtweise ersetzt wird, die das strukturell entscheidende Merkmal eines hierarchisch aufgebauten zweistufigen Bankensystems nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch als valides Strukturmerkmal erkennt:

„Rein deduktiv, aus dem Wesen der Krediteinräumung in der modernen Wirtschaft, ergibt sich sonach, daß es zweierlei Arten von Banken geben muß: Solche Banken, die man als Primärbanken oder als Kreditschöpfungsbanken bezeichnen kann und solche Banken, die man am besten Sekundärbanken oder auch Krediterscheinungsbanken nennen wird.“ Denn es ist immer möglich, daß es „doch eine gewisse Anzahl von Fällen gibt, in denen die Sekundärbanken direkt mit dem kreditsuchenden Publikum in Berührung kommen und in denen sie zweifellos krediteinräumend auftreten. … Die Hypothekenbanken, Sparkassen … schöpfen nämlich keine neuen Forderungsrechte zum Zwecke der Krediteinräumung, sondern benutzen hierzu die ihnen zufließenden bereits bestehenden. Da nun dieser Zufluß wiederum abhängig davon ist, daß in der Volkswirtschaft etwelche Subjekte ihnen gehörige Überweisungsguthaben nicht mehr für den eigenen Bedarf verwenden, sondern darauf verzichten, d.h. also sparen, so bedeutet dies, daß die krediteinräumend auftretenden Sekundärbanken insoweit von dem – von der herrschenden Meinung mit Unrecht bei allen Krediteinräumungen für maßgeblich gehaltenen – Vorhandensein von Ersparnissen abhängen.“ (Hahn, A. 1920)

Damit man nun nicht meint, das sei eine Einzelmeinung eines abgedrehten Bankiers hier die analoge Formulierung eines Lautenbach, dessen Diktion ähnlich wie bei Hahn nahezulegen scheint die stets als unschuldig und solide auftretenden Sparkassen als gerade diejenigen zu charakterisieren, die heutzutage quasi die unsittliche Art der Bankgeschäftsführung als Geschäftsmodell für sich erfunden hätten:

„Wir haben nun in unserem Kreditsystem eine Funktionsteilung, nämlich Geschäftsbanken … auf der einen Seite und Sparkassen auf der anderen Seite. Für die Sparkasse gelten dabei etwas andere Spielregeln, andere Liquiditätsgrundsätze; für eine Sparkasse ist die Zunahme des Einlagenbestandes immer erwünscht und Zeichen ihrer Kraft und Gesundheit; allerdings wird sie bei wechselndem Einlagenbestand auch entsprechend mehr Liquiditätsvorsorge treffen, immer eine gewisse Quote der zufließenden Mittel liquide anlegen. … Die Art, wie eine reine Sparbank ihr Geschäft betreibt, führt in der Tat dazu, daß der Zufluß von Einlagen bei ihr den Grad ihrer Anlagetätigkeit bestimmt. Bei ihr gehen also wirklich die Einlagen den Anlagen voraus. Es sieht mithin so aus, als wenn hier das Sparen tatsächlich die Investition nach sich zieht.“ (Lautenbach, W. 1952)

Dabei sollte an dieser Stelle nochmal darauf hingewiesen werden, daß diese Unterscheidung in einem funktionalen Sinne zu verstehen ist, denn natürlich können auch „Kreditbanken“ Sparvolumina annehmen und diese für eine Kreditvergabe verwenden. Entscheidend ist jedoch der Umstand, ob eine Kreditvergabe zu einer Schöpfung von Zentralbankgeld führen kann oder nicht. Und an genau dieser Stelle befindet sich der blinde Fleck der traditionellen Bankbetriebslehre die stets davon ausgeht, daß das Geld für die Kredite über die „Einlagen“ schon immer da ist. Denn anders kann man die ganze „Transformationstheorie“ von Banken seitens der Bankbetriebslehre nicht interpretieren, so daß von vornherein eine Erkenntnis genau des funktionalen Kriteriums, welches eine Differenzierung von Sonnen- und Schattenbank möglich machen würde letzten Endes durch den Glauben an eine Quantitätstheorie, welche die Existenz von Geld als exogene Komponente setzt, vollends verhindert wird.

Man kann diesen ganzen Schlamassel so zusammenfassen: die Bankbetriebslehre hat mit ihrer Transformationstheorie das letzte halbe Jahrhundert über die Finanzierungsbedingungen des Schattenbankensystems diskutiert und tut heute so, als wäre die Existenz von Banken, die sich tatsächlich aus Einlagen von Sparern finanzieren müssen, eine Angelegenheit neueren Datums. Denn wenn irgendwo Risiko-, Fristen- und Losgrößentransformation betrieben wird, dann genau in diesem Schattensektor, weil die weitgehende Abwesenheit von Regulierung ihm überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet Risiko zu übernehmen, ohne deswegen bei eintretenden Verlusten mit dem Entzug einer Lizenz rechnen zu müssen. Von daher ist es auch nicht mehr schwer zu begreifen, warum für die Sonnenbanken umgekehrt das Instrument der Verbriefung so wichtig ist: es geht darum, daß diese Banken, die der geballten Regulierungswut staatlicher Stellen ausgeliefert sind, auf jeden Fall verhindern müssen in irgendeiner Weise größere Verluste aus Kreditengagements zu realisieren. Das heißt aber, daß hier überhaupt nur noch Risiken übernommen werden die entweder staatlich mit einer Bürgschaft abgesichert sind oder die notfalls geräuschlos an eine angegliederte Zweckgesellschaft verschoben werden können.

Und dann kommt frei nach der Morgensternschen Pseudologik der Regulierer um die Ecke, weil ja nicht sein kann, daß in einem Bereich, der ja auch und gerade zur Risikotransformation da ist, gelegentlich auch mal Verluste anfallen, deren Ausmaße dann die üblichen Schönwetter-Vorstellungen sprengen. Geht man nun aber an die „Regulierung“ des Sektors Schattenbanken mit der Begründung heran, die Anleger müßten vor unseriösen Angeboten geschützt werden, was regelmäßig darauf hinausläuft, daß es Regreßmöglichkeiten bei „nicht vollständiger Beratung“ oder ähnlichen Ausreden gibt sobald ein Kreditengagement Verluste einfährt, wird damit genau der Puffer zerstört, der es den Sonnenbanken erlaubt in puncto Verluste eine weiße Weste zu behalten. Man kann es auch anders sehen: irgendwo müssen die Verluste ja anfallen und das Ansinnen per Regulierung das Verlustrisiko einzudämmen gleicht dem Versuch die ausgedrückte Zahnpaste wieder in die Tube zu bekommen.

Und genau hier liegt der Grund dafür, daß die Diskussion um das System der Schattenbanken so verquer gestaltet ist, da man durch die „Regulierung“ die Sonnenbanken der Möglichkeit beraubt hat ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen zu können, nämlich über die Einnahme von Versicherungsprämien – wozu primär die Zinsen (auch) da sind – die aus der allgemeinen Zukunftsunsicherheit resultierenden Verluste aus Kreditabschreibungen tatsächlich neutralisieren zu können. Doch auch wenn es inzwischen anders strukturiert ist: an der „Schatten“-Instanz, die es vermag Verlustabschreibungen auch abfedern zu können, geht kein Weg vorbei. Regulierung hin oder her!

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Aus der Not geboren: FDES die Zweite!

Rotes RathausManchmal kann man sich schon wundern, was so alles aus der Not heraus geboren wird. Denn aus einer kleinen Notiz, die bei der „Welt“ erschienen ist, läßt sich herauslesen, daß die französische Regierung plant einen seit 1948 bestehenden Fonds (FDES, so etwas ähnliches wie die KfW) mit Staatsmitteln wieder aufleben zu lassen. Der Zweck dieses Vorhabens ist es die französischen Unternehmen, die bei den Banken offenbar keinen Kredit mehr bekommen, mit Hilfe dieser Einrichtung denjenigen Kredit zukommen zu lassen, der von den „normalen“ Banken verweigert wird.

Nun kann man sich lang und breit darüber unterhalten, daß dies doch (von der Wettbewerbsmafia verbotene) Staatsfinanzierung sei – nur diesmal anders herum. Da das Grummeln darüber aber die Spezialität einschlägig bekannter Gazetten ist, kann hier aus hygienischen Gründen darauf verzichtet werden. Nur soviel zur Erinnerung:

„Als Goldman Sachs in der Krise in eine Geschäftsbank umgewandelt wurde, hat man das Management gefragt, ob es auch ins Bankgeschäft einsteigen und Kredite vergeben möchte. Die Antwort von Bankchef Lloyd Blankfein lautete: „Too risky.“ Das schnelle Geld geht damit nicht.“
http://derstandard.at/1363711444890/Da-muss-irgendwann-eine-Blase-platzen

Dagegen ist ein anderer Aspekt interessant: wenn man sich die Klagen der EZB vor Augen führt, daß der Transmissionsmechanismus gestört ist, läßt sich diese Aktion dahingehend interpretieren, daß die französische Regierung den Versuch unternimmt dieses (Markt-) Versagen der französischen Banken mit der Brechstange zu korrigieren. Angesichts der Klagen über die Ansprüche, welche Banken stellen, wenn es um die Finanzierung von Unternehmen geht, ist eine derartige Idee noch nicht einmal so ganz verkehrt. Denn eine Grundregel der Bankwirtschaft geht dahin, daß die Verluste aus einer notwendig werdenden Abschreibung einer Kreditforderung durch die eingenommenen Zinszahlungen zu kompensieren sind. Dieser noblen Funktion können oder wollen sich die Banken derzeit nicht stellen.

Die Gründe dafür sind zweierlei: zum einen stecken die Banken in einer Bilanzrezession, wo sie vermeiden wollen neue Risiken einzugehen, auf der anderen Seite ist der Markt für Verbriefungen nicht groß genug, um die in den Bankbilanzen schlummernden Risiken effektiv aufzunehmen. Nimmt man noch dazu, daß durch die LTRO Aktionen der EZB die Liquiditätslage der Banken künstlich gestützt werden muß ist es unmittelbar einsichtig, daß die Banken keine besondere Lust haben sich auf vergleichsweise aufwendige Kreditvergaben einzulassen, von denen sie noch nicht einmal einen wesentlichen Konsolidierungsbeitrag hinsichtlich ihrer angeschlagenen Bilanzen erwarten können.

Diese Einsichten in die Motivationslage der (nicht nur) französischen Banken macht den Blick dafür frei, daß sich die Normen des Bankgeschäfts darauf verlagert haben vergleichsweise risikolose Engagements (Provisionen, Gebühren) auf ihre Bücher zu nehmen und alles was Arbeit und „Gottseibeiuns“ Risiko bedeutet, schlichtweg als unrentabel einzustufen. Das liegt im wesentlichen daran, daß den Bankleuten in ihrer „Ausbildung“ immer wieder eingebleut wurde, daß eine Bank die „Gelder“ der „Sparer“ aufnimmt und dann in möglichst wenig risikobehaftete Anlagen transformiert. Aus dieser Perspektive kann man als so verbildeter (um NICHT zu sagen: verblödeter) „Banker“ sogar noch einen moralischen Anspruch aus dieser Verweigerungshaltung ziehen.

Wenn man aber mal die unsinnigen standardökonomischen Sprüche, was das Wesen des Bankgeschäfts ausmacht, mal beiseite läßt (notabene: die Sparer => Investor Vorstellung, die vielleicht für Versicherungen und Sparkassen, aber nicht für Banken Sinn macht), kann man sich mal mit dem Umstand vertraut machen, daß Banken als Quasi-Versicherungsinstitutionen ihre Aufgabe darin haben, die Risiken des Unternehmerdaseins auch tatsächlich zu übernehmen, indem sie allen Kreditnehmern eine Risikoprämie aka Zins berechnen, mit der sie die notwendigerweise entstehenden Fehleinschätzungen kompensieren können.

Und da schließt sich der Kreis zu dem FDES-Fonds: wenn die Banken ihre genuine Aufgabe der Risikoübernahme nicht mehr wahrnehmen wollen, ist es an der Zeit eine alternative Institution zu schaffen, welche genau diese Aufgabe übernimmt. Und insbesondere hat diese alternative Institutionalisierung der Kreditvergabe auch noch mit einem anderen Aspekt des Kreditgeldsystems zu tun, nämlich daß es keinen „Sparer“ braucht, damit eine Bank Kredite vergeben kann: erforderlich ist lediglich der Zugang zu dem Kredit der Zentralbank dann, wenn es zu einer positiven Nettokreditvergabe kommen soll, weil Investitionen stets mit einer Geldausgabe (Kruschwitz) beginnen. Das verweist auf den Umstand, daß eine Steigerung der Wirtschaftsaktivität stets und ständig mit einer Ausweitung der Basisgeldmenge verbunden ist, weil die Liquiditätserfordernisse bei einer Steigerung der wirtschaftlichen Aktivität ebenfalls steigen. Soweit man sich über die Gegebenheiten des Verhältnisses von Banken und Zentralbank im klaren ist wird unmittelbar ersichtlich, daß zusätzliche Wirtschaftsaktivität unmittelbar auch ein zusätzliches Basisgeldvolumen erfordert – nicht zuletzt findet sich dies in der „produktivitätspotentialorientierten Geldmengenregel“ des SVR wieder. Das ist ja auch nicht problematisch, wichtig ist nur, daß nicht mehr eintreibbare „Konsumkredite“ (egal wie toll die Hochglanzprospekte auch einstmals waren) wieder durch die allgemeine Versicherungsprämie „Zins“ aus der Gesamtheit der Kredidtnehmer eintreibbar bleiben.

Und darin besteht auch die Verteidigungslinie des FDES-Fonds! Wenn er seine Kreditkonditionen derart setzt, daß wie oben angemerkt, die erzielten Zinseinnahmen dafür ausreichen, die Kosten der Abschreibung von Krediten zu neutralisieren, gibt es keinen Grund ihm eine mangelnde Wirtschaftlichkeit zu unterstellen. Denn das ist der eigentliche ‚benchmark‘ für eine Bank: neben den eigenen Kosten die Risikoabdeckung der vergebenen Kredite zu übernehmen! Und bei einer Finanzierung durch die Zentralbank sind Dividendenzahlungen an Aktionäre duchaus entbehrlich, wobei diese in der Bankenbranche ohnehin nichts anderes tun, als die Versicherungsprämie „Zins“ in die Höhe zu drücken. Daß die Bankarbeiter auch was verdienen können steht sicherlich außer Frage, ob das allerdings mit Hilfen von prozentualen Anteilen, die sich dann in unsittlichen „Boni“ wiederspiegeln geschehen muß ist deswegen fraglich, weil alle noch so ausgearbeiteten Risikomodelle niemals eine Gewähr dafür bieten, daß die Welt sich auch danach richtet. Man muß es einfach so sehen: im Bankgeschäft weiß niemand, mit welchem Kredit sich der Griff ins Klo einstellt. Sicher ist nur, daß es dazu unvermeidbarerweise immer wieder kommt. Ob man dafür Millionen zahlen muß?

Wenn man also Banken nicht anders dazu bekommt ihre eigentliche Aufgabe wieder zu übernehmen muß man genau das machen: eine Konkurrenz etablieren, die einerseits genau diese Aufgabe übernimmt und an der andererseits die piekfeinen Kugelschreiberschubser nicht mehr vorbeikommen. Vielleicht hat man in Frankreich auch die Schnauze voll davon, sämtliche Appelle, die Banken mögen doch ihrer Aufgabe der Finanzierung der Realwirtschaft wieder nachkommen, im digitalen oder analogen Nirvana verschwinden zu sehen. Zeit wird es.

Die Wettbewerbskrakeeler darf man dann auch ruhig in den Skat drücken!

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Das Geldsystem braucht keinen Wert sondern Bonität

RheindämmerungManchmal muß man auf Kommentare eine Antwort geben, die den Rahmen eines Kommentars sprengen. Daher also hier mein Kommentar auf CarlBrandner:

„Richtig ist: eine Geldeinheit hat immer die Eigenschaft eine Verbindlichkeit von einer Geldeinheit zu tilgen (da erübrigt sich die Definition eines realen Wertbegriffs).“

Das ist ja noch nicht die ganze Geschichte, denn die Funktion von Geld ist es ja gerade das Kostenvolumen mit dem (unsicheren) realen Output in Beziehung zu setzen. (Das ist die Jesse James Geschichte.) Das Kostenvolumen ist eine monetäre Größe mit der Einheit EURO (oder whatever), während der Output eine Stückgröße ist, woraus die Preiskalkulation eine Relation erzeugt, deren Dimension „Geldeinheiten pro Stück“ sind, also das, was man überall als Geldpreis wiederfinden kann. Wegen DIESER Verklammerung von Input (in Geld gemessen) und Output (in Geld kalkuliert) sowie der Maßgabe, daß das erwartete Erlösvolumen (€ pro Stück multipliziert mit Stück gleich Angebotsvolumen vermehrt um die Gewinnspanne) die laufenden Kosten sowie die Finanzierungskosten abdecken soll ergibt sich, daß Geld als ein relatives Maß der geldfinanzierten Produktion anzusehen ist. Das ist nämlich der Clou, weil relative Maße die Dimension dessen, was sie abbilden sollen, nicht selber haben müssen.

Das ist aber der Unterschied zu einem absoluten Maß: ein absolutes Maß muß diejenige Eigenschaft, die sie messen soll, selbst aufweisen. So ist die Eigenschaft des Urmeters gerade die eine Länge zu definieren, die seit der Definition den Namen „Meter“ trägt – eben die Länge, die der Urmeter aufweist. Das was gemessen werden soll und das was das Maß darstellt sind beides identische Dinge mit der Einheit „Meter“.

Dagegen ist Geld gerade kein Maß für „Wert“ und muß es auch nicht sein, weil es lediglich auf die Relation dessen ankommt, was auf der Inputseite als „Kosten“ verzeichnet wird, während sich dieses Kostenvolumen vermittels der Preiskakulation auf der Outputseite wiederfinden. Daß man die Input- und die Outputseite mit Hilfe eines absoluten „Wertmaßstabes“ nicht kommensurabel machen kann ist ein Ergebnis des 200jährigen Ringens um eben diese Lösung. (Man könnte auch sagen, die dahingehend gemachten Versuche waren schlichtweg erfolglos!) Denn die „Integration von Wert- und Geldtheorie“ zieht sich als Erklärungsproblem durch die ökonomische Theoriegeschichte, ob als Gold (wie z.B. bei Marx und den Austrians) oder als „Geldgut“ oder auch ’numeraire‘ (Debreu, Arrow, Hahn) bis hin zur Quantitätstheorie, die das reziproke Preisniveau zum „Wert“ des Geldes stilisiert. Dabei ist diese Geschichte eigentlich schon vor über 100 Jahren geklärt worden:

“Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Größen des einen die relativen Größen des anderen, ohne daß irgendeine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Tatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien.“ Simmel (1907)

Läßt man einfach den Unsinn beiseite dem Geld (makroökonomisch gesehen) durch alle möglichen Konstruktionen irgendeinen „Wert“ andichten zu wollen, lösen sich auch alle damit verbundenen Widersprüche in einem logischen Rauchwölkchen auf. Damit ist beispielsweise die Frage nach der Motivation von Kredit auch anders zu beantworten, weil Geld als Nicht-Wert, welches nicht unter einer Mengenrestriktion steht, in keiner Weise zu einer persönlichen Vermögensvermehrung beitragen muß (mal abgesehen davon, daß man sich immer klarmachen muß, daß es kein gesellschaftliches Nettogeldvermögen gibt). Kredit bedeutet demnach die Ingangsetzung sozialer Schaffensprozesse, deren Ergebnis – in Geld bepreist – zu einer Verbesserung der allgemeinen Konsummöglichkeiten führt – falls nicht, werden die „zu Unrecht“ vergebenen Kredite einfach gegen die Zinseinnahmen der „erfolgreichen“ Produktionsprozesse gegengerechnet, wodurch sich ein monetäres Gleichgewicht in einem dynamischen Kontext herstellen kann.

Damit wird aber die Frage von Bonität bzw. die Frage nach der Schuldenbedienungsfähigkeit zu der zentralen Kategorie einer Geldwirtschaft. Damit kann man auch die Frage, warum sich heutzutage alles ums Geld dreht dahingehend beantworten, daß das Finanzsystem die zentrale Steuerungsinstanz eines Produktionssystems darstellt, wo nach monetären Kriterien bemessen wird, welche Produktionsprozesse erfolgen dürfen und welche nicht. Die Frage nach einem „Nutzen“ für die „Gesellschaft“ stellt sich in diesem Sinne somit nicht mehr – nur noch die Frage nach der Bonität. Das mag man bedauern, jedoch: ein (auch nur halbwegs) funktionierendes Steuerungssystem wird man nicht so einfach zugunsten irgendwelcher „Werte“ abschaffen können. Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß unsere „Standard“-Ökonomen, die als „Wertspezialisten oder -experten“ ausgebildet wurden nicht irgendeinen Unfug anrichten und mal wieder eine Krise verursachen. Zu einem Untergang des (notwendigerweise) abstrakten Geldsystems wird es jedoch dennoch nicht kommen. Hardware funktioniert halt ohne Software nicht – crash hin oder her!

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Risikorückstellungen – eine ungeliebte Notwendigkeit

succsessfeeMan lebt ja von der Successfee des Vertragsabschlusses und nicht von der Erfüllung des Vertrages.

Eine herrliche Formulierung, die mich dazu bringt laut darüber nachzudenken, warum es in der heutigen Bankenlandschaft offenbar keine Möglichkeit gibt Banken dazu zu bringen auf eine nachhaltige Art und Weise zu operieren. Dabei ist erst mal das Kriterium fraglich, was Nachhaltigkeit in der Führung eines Bankbetriebes ausmachen soll.

Daß Nachhaltigkeit hier natürlich nicht bedeutet, daß es um ökologische Fragen geht, soll ausdrücklich von vornherein betont werden, weil ein Ausufern der Diskussion auf ‚peak‘-xyz sofort von dem eigentlichen Problemkern ablenken würde – mal abgesehen davon gibt es für dieses Thema genügend Spielwiesen, wo man sich in diesem Sinne austoben kann. Demgegenüber ist Nachhaltigkeit im Sinne einer Dauerhaftigkeit von Finanzbeziehungen eine Angelegenheit, die ältere Bankiers noch kennen werden, eine Sache, die den heutigen Bankern als unwesentlicher Schnee von gestern vorkommen wird.

Fragt man sich also an welcher Stelle die Bankiers zu Bankern mutierten, so kann man vermuten, daß es mit dem Aufkommen der Technik der Verbriefung mit der früher gepflegten Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehungen zu Ende gegangen ist. Denn Verbriefung ist letzten Endes ein Begriff dafür, daß eine Kreditbeziehung zwischen zwei Vertragsparteien einseitig durch den Kreditgeber aufgelöst werden kann, in dem Sinne, daß der ursprüngliche Kreditgeber aus seiner Verantwortung für die Krediterteilung entlassen wird und dafür der (ABS/Wertpapier-) Kreditkäufer sowohl Risiko als auch die möglichen Erträge aus der ursprünglichen Kreditbeziehung übernimmt.

An dieser Stelle kommt das eingangs angeführte Zitat zum Tragen. Denn solange Kredite an Kreditübernehmer abgegeben werden können, ist es mit der Motivation, eine Geschäftsbeziehung auch bis zu ihrem (hoffentlich) erfolgreichen Ende zu führen, auf einmal vorbei. Der Hänger an der Sache ist, daß Banken genau aus diesem Grund ihre Risikorückstellungen nach ihrem eigenen Gutdünken gestalten und aus naheliegenden Gründen keine Lust haben über eine minimale Vorsorge hinaus eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben.

Woran liegt das?

Im Grunde genommen ist das Kreditieren von Geld eine Angelegenheit, die zusehen muß, daß dabei kein Vermögensschaden entsteht, der dazu führt, daß Zinseinnahmen mit Verlusten aus Kreditabschreibungen aufgerechnet werden müssen. Sobald man das einmal realisiert hat ist es nur noch ein kurzer Schritt festzustellen, daß Banken die Risikoanteile aus den Zinseinnahmen als Rückstellungen solange passivieren müßten, bis diese (zusammen mit den Tilgungszahlungen) die Höhe des ausstehenden Betrages erreicht haben. Erst an diesem Punkt sollte es erlaubt sein die dann folgenden Zins- und Tilgungszahlungen gewinnwirksam buchen zu können. (Ja, auch Tilgungszahlungen würden dann teilweise gewinnerhöhend sein. Warum? Weil das Geschäft erst dann effektiv Gewinne abwirft! Das kann bei 30-jährigen Immobilienkrediten dann schon mal 15 Jahre dauern!)

Auf diese Weise würde auch der Vermögensschaden aus einer notwendigen Kreditabschreibung erheblich gemindert, weil in diesem Fall der Risikoanteil der Zinsen tatsächlich! zu dem Zweck verwendet werden würde, für den er eigentlich vorgesehen ist, nämlich als Kompensation für eingetretene Verluste. Worüber man sich natürlich noch Gedanken machen könnte und müßte ist die Frage, wie der (virtuelle) Schaden aus dem entgangenen Ertrag zwischen der Bank und dem Schuldner aufgeteilt werden soll – auf jeden Fall ist ein derartiges Arrangement sowohl für die Bank als auch für den Schuldner eine Verbesserung in mehrfacher Hinsicht:

Der Schuldner hat für den Ertragsausfall durchaus einzustehen – die Mitverantwortung der Bank für ihren Ertragsausfall läßt jedoch den ausstehenden Kredithauptbetrag deutlich schrumpfen und verhindert gelegentlich sogar, daß die außerordentliche Beendigung des Kreditvertrages zu einer langjährigen Angelegenheit wird.

Die Bank hat auf eine langfristige Funktionsfähigkeit des Kreditverhältnisses zu achten, was es ihr verbietet, den bloßen Abschluß eines Kreditgeschäftes bereits als erfolgswirksam zu behandeln. Um die Einhaltung dieses Prinzips zu gewährleisten müßte in Verbriefungsgeschäfte eine Restitutionsklausel eingefügt werden, die es dem Käufer eines z.B. ABS erlaubt dieses dem ursprünglichen „Aussteller“ dieser Kreditforderung wieder rückübertragen zu können. Wer dabei an die Funktionsbedingungen eines Wechsels denkt, denkt richtig!

Der Effekt einer derartigen Konstruktion ist auch der, daß automatisch aufgrund eines Kredites diejenige Eigenkapitalposition gebildet wird, die von vielen Seiten für das Banksystem immer wieder angemahnt wird. Wenn man so will wird damit ein risikobedingter (kreditbedingter) Eigenkapitalpuffer erzeugt, der es unnötig macht, die Grundkapitalgeber dazu zu verdonnern für einen angemessenen Risikopuffer zu sorgen. Der Grund dafür ist, daß die Risikorückstellungen sofort aus den laufenden Einzahlungen gebildet werden müssen und nicht gleich für Ausschüttungen und Boni verwendet werden können. Das ist deswegen sinnvoll, weil ein Risikopuffer aus Grundkapital lediglich einen Bestand darstellt, der aufgrund seiner Natur nur einen begrenzten Risikoschutz bieten kann. Denn ist der (begrenzte) Bestand aufgebraucht geht die Suche nach dem ‚bailout‘ immer in Richtung Staat, wo sie überhaupt nicht hingehört!

Daß damit das Bankgeschäft auf einmal eine langfristige Note bekommt ist nicht schädlich, sondern intentional gewollt und verweist eher darauf, daß es ziemlich schwachsinnig ist, sich alle drei Monate darum zu kümmern, wie es mit dem aktuellen Vermögensstatus einer Bank aussieht – Jahresberichte reichen allemal! (Man könnte durchaus auf die Idee kommen, daß Quartalsberichte nur dazu da sind, um Forderungen nach Boni frühzeitig motivieren zu können.) Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen, daß Banken, die mit vieljährigen Kontrakten hantieren sich alle drei Monate damit beschäftigen für ihre Geschäftssituation eine neue Legende zu erfinden. Sinnvoll ist was anderes!

Wenn man das regulierungsbedingte! (und steuerbedingte) Verschuldungsproblem irgendwann mal auf die Reihe bekommen will geht kein Weg daran vorbei Banken dazu zu zwingen den wahren (sic!)  Risikoanteil an den erhobenen Zinsen als Rückstellung zu buchen, weil sie diese Risikoabsicherung in diesem Ausmaß niemals freiwillig, und wenn, dann nur nachträglich (gezwungenermaßen)  umsetzen werden. Gesund wäre es allemal! Das was derzeit als Risikorückstellung von den Banken angesetzt wird ist mit der Bezeichnung „lächerlich“ noch viel zu zart ausgedrückt!

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EURO-Bonds einmal anders…

bugDie Geschichte aus dem letzten Post kulminierte in dem Punkt, die Risikoprämien, die ja immer in den Zinsen enthalten sein sollen, dahingehend ernstzunehmen, daß damit praktisch ein Versicherungsbeitrag von allen Kreditnehmern zu entrichten ist, der es erlaubt, die Verluste aus der Abschreibung einzelner Kredite zu kompensieren. Damit entsteht ganz nebenbei auch eine monetäre Zinstheorie, die nicht aus der Introspektion aktueller persönlicher Befindlichkeitslagen heraus resultiert, sondern eine monetäre Größe – das Kreditabschreibungsvolumen – mit einer weiteren monetären Größe – dem zinsbedingten, eigenkapitalerhöhenden (Brutto-) Gewinn aus der G+V – zueinander in Beziehung setzt. Wenn man so will ist mit der Formulierung der quantitativen Beziehung einer monetären (Risikoprämie: Bruttozinsvolumen) zu einer anderen monetären Größe (Zukunftsunsicherheit: Abschreibungsverlust) das simpelste Grundprinzip eingehalten, daß begriffliche Entitäten, die eine Beziehung aufweisen sollen auch eine Bezugsebene besitzen, anhand derer sie auch vergleichbar sind. Leider hat das unbekümmerte Zusammenrühren inkommensurabler Sachverhalte in der ökonomischen Theorie eine unrühmliche Geschichte, indem beispielsweise die Zusammenstellung der Dinge, die in der sogenannten Quantitätstheorie bzw. -gleichung miteinander in Beziehung gebracht werden, ein mehr als abschreckendes Beispiel liefert.

Aber da die Ökonomen ja mehrheitlich glauben, sie hätten tatsächlich etwas, was die Bezeichnung „Zinstheorie“ rechtfertigen würde, lasse ich das an dieser Stelle mal so stehen und möchte eher auf eine kleine Geschichte eingehen, die sich im Nachgang zu dem vorausgegangenen Post wie ein Elfmeter eigentlich für jeden von selbst angeboten hätte. Ausgangspunkt der ganzen Angelegenheit war ja, daß Banken nicht nur als „Transformatoren“ von Risiko gesehen werden, sondern als Neutralisierungsinstanz von Risiken, die deswegen eine Risikoprämie bekommen, damit sie auch die finanziellen Schäden ausgleichen – daß die Banken inzwischen dazu übergegangen sind die ‚muppets‘ für die Risiken haften zu lassen, steht auf einem anderen Blatt. Entscheidend dabei ist, daß die Banken als Verleiher von „Kredit“, d.h. Zahlungsfähigkeit, ein Arrangement dafür vorhalten, welches gewährleistet, daß ihre unvermeidlichen(!) Fehleinschätzungen der Gesellschaft insofern nicht zur Last fallen, als durch die „übermäßige“ Vergabe von Kredit der Inhalt der Vorstellungen von Geldforderungen nicht (inflationär) beeinträchtigt werden (wobei Letztere auf einer irgendwie gegebenen phänomenologischen(!) Vorstellung von der „Kaufkraft des Geldes“ beruhen). Typischerweise ist das Zahlenverhältnis von Bank und Kunden dergestalt, daß einer einzelnen Bank eine Vielzahl von Kunden gegenübersteht, woraus sich – wie halt bei einer Versicherung üblich – ergibt, daß das ‚pooling‘ der Risiken durch eine zentrale Instanz bewerkstelligt werden kann. So weit, so gut.

Bei der ganzen Geschichte muß man sich an dieser Stelle mal merken, daß es der Gläubiger ist, welcher den eingetretenen Vermögensschaden durch eine Foerderungsabschreibung zu tragen hat und nicht der Schuldner. Dieser haftet ja auch „nur“ nach Maßgabe der vertraglichen Bedingungen und ist gegebenenfalls nach Leistung der vereinbarten Haftungsmasse von einer weiteren Leistung (Schuldturm) freigestellt – zumindest in Staaten, die über ein modernes Insolvenzrecht verfügen. Man könnte diese Modernität der Behandlung der Übernahme von Residualrisiken auf eine Einsicht in die gegenwärtige Struktur des Geldsystems interpretieren, allein mir fehlt der Glaube in diese Version, da die versammelte Bankwirtschaftslehre immer noch die Legende von den Ersparnissen pflegt, die dann zu Investitionen führen sollen.

Bezieht man nun diese Aufgabenverteilung auf das Verhältnis von (Privat-) Gläubigern und Staatsschuldnern erhält die Haftungsfrage auf einmal eine neue Bedeutung, auch und gerade wenn man dies auf das umstrittene Thema Eurobonds anwendet. Auch wenn in diesem Fall einer Vielzahl von Gläubigern eine vergleichsweise kleine Anzahl von Schuldnern gegenübersteht, könnte man sich ein Arrangement vorstellen, daß für den Fall, daß ein Staat die vorgesehenen Zahlungen nicht leisten kann, lediglich ein Teilausgleich der ausfallenden Forderung von den mitbürgenden Staaten erfolgt, während der komplementäre Abschreibungsanteil als Abschlag auf die Nominalforderung ALLEN Eurobond-Gläubigern angerechnet wird. Das heißt, daß sobald ein Schuldnerstaat – was im Eurobond-Verbund vorab intern geregelt sein muß – mit seinen Zahlungen auf die Staatsschuld in Verzug gerät, wird die Anpassungslast nach einem vorab definierten Schlüssel auf die Garantiestaatengemeinschaft, aber auch und insbesondere auf die Gläubigerhaftungsgemeinschaft aufgeteilt. Das muß nicht fifty-fifty sein (eine Egalitätsvorstellung ist in ökonomischen Sachfragen ohnehin keine Leitlinie der Problembehandlung), sondern es kann auch auf einer Basis von z.B. 20% Staatshaftung und 80% Privathaftung sein, der Beschäftigung mit den möglichen Auswirkungen sind da keine Grenzen gesetzt.

Durch ein derartiges Arrangement kann die Haftungsfrage im Vorhinein geklärt werden, ohne daß es zu einer 100%igen Haftungsübernahme kommen muß, wie es derzeit im Fall der EURO-Krise gang und gäbe ist. Der Vorteil dabei ist, daß eine Rettungsaktion zu 100% für die EURO-Staaten nicht mehr attraktiv ist und selbst das Risiko für die „systemrelevanten“ Banken kann dadurch auf ein handhabbares Maß reduziert werden, mal vorausgesetzt die Engagements bewegen sich auf einem „vernünftigen“ Niveau. (Sobald aber wieder ein ‚run‘ auf die vermeintlich risikolosen EURO-‚bonds‘-mbH  einsetzt, ist der Effekt der Risikodiversifizierung natürlich gleich wieder für die Katz! Sorry Katzi!)

Im Gegensatz zu der üblichen Behandlungsweise von Eurobonds, wo der Fokus der Diskussion darauf liegt, eine komplette Absicherung der Gläubiger zu gewährleisten, was zu Recht auf einhellige Ablehnung seitens derjenigen Staaten stößt, welche die voraussichtlich eintretenden Lasten zu tragen hätten, gilt nun eine vorab definierte Lastenverteilung, welche niemanden aus seiner Verantwortung entläßt – weder Gläubiger noch Schuldner. Eigentlich ist es einerseits nicht zu verstehen, daß eine derartige Konstruktion überhaupt noch nicht in die Diskussion gekommen ist, denn die Möglichkeit einer Privatinsolvenz ist genau die Blaupause die man braucht, um sich ein derartiges Arrangement als Grundlage von europäischen Schuldverschreibungen vorstellen zu können. Zum Anderen würde dadurch endlich mal die Vorstellung (teilweise) aus der Welt geschafft, es gäbe so etwas wie risikolose Geldanlagen, die Vorschriften über mündelsichere Anlageformen hin oder her. Eurobonds wären dann für die prospektiven Bürgen dann nur noch ein Engagement mit begrenzter Haftung – was will man mehr? Das Schönste dabei ist: das firmiert alles unter dem gütigen Siegel der europäischen Solidarität!

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Zinsen – Individual- oder Gemeinschaftskonzept?

skyrestSchon zu meiner Schulzeit war es so, daß dann, wenn ein Lehrer versucht hat irgendwelche Klassifikationen zu erläutern mit schönster Regelmäßigkeit keine sinnvollen Schlüsse aus seinen Bemühungen gezogen werden konnten. Das aufgeführte Sammelsurium an Begriffen war meist nicht sinnvoll kombinierbar, geschweige denn, daß sich die vorgestellten Termini sogar gelegentlich widersprochen haben. Bis heute ist das Gefühl übriggeblieben, daß damit auch nichts erklärt werden sollte, sondern vielmehr ein Scheinwissen zur Schau gestellt wird und somit lediglich eine Simulation von Wissen stattgefunden hat.

Dasselbe Gefühl beschlich mich, als ich eine Tabelle zu Gesicht bekam, in der nicht weniger als 25 Zinsfunktionen enthalten waren und die Autorin daranging diese in mehr oder weniger lose Zusammenhänge zu stellen. Erwartungsgemäß war auch an diesem großangelegten Klassifizierungsversuch kaum etwas Vernünftiges zu erkennen, zumal eine wesenserhebliche Funktion überhaupt nicht explizit aufgeführt war. Zwar war durchaus was man erwarten konnte der Zins als Risikoprämie aufgeführt, doch die unmittelbare Konsequenz daraus fehlte einfach. Das hat natürlich seinen Grund, der auch einen wohlklingenden Namen hat und mit „methodologischer Individualismus“ genau auf den Punkt gebracht wird. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als das simple Postulat(!), daß alles, was nicht aus der Wahlentscheidung eines Individuums heraus erklärbar ist, nicht zu dem Fachgebiet Ökonomie gerechnet werden soll. Mit einem derart schlaffen Postulat wird beispielsweise begründet, warum die DSGE-Modelle das nonplusultra der ökonomischen Theorie sein sollen oder warum Argumente, die sich aus saldenmechanischen Gedanken ableiten mit dem Vorwurf(!) „Das ist ja Saldenmechanik!“ als ökonomisch nicht gehaltvoll diskreditiert werden sollen. Komplett lächerlich wirkt ein derartiger Vorwurf vor dem Hintergrund, daß laut „methodoligischem Individualismus“ eine angemessene Analyse makroökonomischer Prozesse dadurch gewährleistet sein soll, daß lediglich die mikroökonomisch fundierten Wahlentscheidungen eines „repräsentativen Wirtschaftssubjekts“ betrachtet werden. (Das ist die logisch inkonsistente Forderung nach einer „Mikrofundierung der Makroökonomie“!) Da schon häufiger die Frage angesprochen wurde, wie das Verhältnis vom Teil zum Ganzen strukturiert ist, sei hier lediglich G. Bateson zitiert: „Insofern, als die Verhaltenswissenschafter noch immer die Probleme der ‚Principia Mathematica‘ ignorieren, können sie Anspruch darauf erheben, 60 Jahre im Rückstand zu sein.“ (Das Buch aus dem dieses Zitat stammt ist aus dem Jahr 1972!)

Nun ist ja die Eigenschaft des Zinses, ein Indikator für das Risiko einer Investitionsentscheidung zu sein, vergleichsweise unbestritten. Es ist ja nicht so, daß individualistische Fragestellungen sich nicht ökonomisch fruchtbar verwenden ließen. Worum es allerdings hier geht ist die Frage, was aus dieser Eigenschaft abzuleiten ist. Irgendwie sollte doch eine Konsequenz mit der Existenz einer Risikoprämie verbunden sein, denn als risikobezogene Größe kann sie nicht lediglich als Argument dafür herhalten, Zinsen als riskante Einkommensquelle zu definieren. Das heißt, daß mit dem Zinsanteil, welcher mit der Risikoprämie verknüpft ist, eine andere Konsequenz verbunden sein muß, als diejenige, Zinsen zu einem Einkommenselement zu stilisieren. Es handelt sich dabei um den schnöden Umstand, daß – bevor sich irgendjemand um die Verwendung von Bruttozinseinnahmen zur Einkommensaufbesserung kümmern kann – es zunächst mal darum gehen muß, und zwar ohne Wenn und Aber, daß damit die Verluste aus abgeschriebenen Forderungen kompensiert werden müssen. Das heißt, daß Zinsen, wie alle anderen Erträge auch, für die Deckung des Aufwands aus Kreditabschreibungen herhalten müssen. Denn auch wenn Forderungsabschreibungen eigentlich eine aktivische Bestandsverringerung darstellen, wird damit die (hoffentlich) eigenkapitalerhöhende Wirkung eines G+V-Überschusses nachträglich reduziert. Die unausweichliche Folge davon ist, daß Zinsen unmittelbar dazu beitragen Bilanzverluste der Banken aus Kreditabschreibungen zu kompensieren.

Das hat unmittelbare Konsequenzen für die Zinstheorie, deren Focus hauptsächlich darin gesehen wird für Sparer ein Zinseinkommen zu generieren, was ja auch durch die herrschende Geldtheorie nahegelegt wird. Dabei ist diese Theorie, daß die Sparer die Quelle von Geld zur Kreditvergabe darstellen und deswegen zur Zurverfügungstellung von Spareinlagen „angereizt“ werden müßten die Paten-theorie für die felsenfeste Überzeugung, daß Sparer einen Zins zu beanspruchen hätten. Natürlich wird diese Vorstellung durch die Zentraltheorie des Kapitalismus, der allgemeinen Gleichgewichtstheorie nahegelegt, wo die privaten Wirtschaftssubjekte ihre Ressourcen aka Erstausstattungen den Unternehmen gegen einen Leihertrag zur Verfügung stellen, soweit es sich um „Kapitalgüter“ handelt. In das gleiche Horn stößt die Theorie der multiplen Geldschöpfung, deren Credo sich daraus speist die Einlagen von Sparern an den Anfang der Ableitungskette zu setzen.

Welche Konsequenz ergibt sich nun aus der Sichtweise Zinserträge als Kompensation für fehlgeschlagene Kreditengagements zu sehen? Dazu muß man sich zunächst einmal klarmachen, was eine Kreditabschreibung bedeutet. Sie bedeutet, daß ein Kreditnehmer in dieser Höhe Ressourcen in Anspruch genommen hat, denen auf dem Markt kein konkurrenzfähiges Angebot gegenübergestellt wurde. Dies bedeutet, daß der Mechanismus, der dem Kreditgeld überhaupt erst seinen „Wert“ verleiht, durchbrochen wird. Denn dieser besteht essentiell daraus, daß alleine der Schuldendruck dem sich der Kreditnehmer ausgesetzt sieht ihn dazu veranlaßt, gegen Geld reale Leistungen anzubieten, um Zins, Tilgung und (hoffentlich) einen Gewinn zu erzielen. Eine Kreditabschreibung dagegen bedeutet, daß die durch den Kredit finanzierte hoffnungsvolle Investition sich als bloßer Konsum von Ressourcen herausgestellt hat und deswegen ein Kreditvolumen im volkswirtschaftlichen Rahmen „zuviel“ da ist, welches keinen Beitrag zur gesellschaftlichen Leistungserstellung mehr liefert. Die Neutralisierung dieses überschüssigen Kreditvolumens wird dadurch gewährleistet, daß Zinszahlungen gegen dieses konsumtive Kreditvolumen gegengerechnet werden.

Das bedeutet aber, da auch erfolgreiche Unternehmer Zinsen zahlen, daß Zinsen gesamtgesellschaftlich als eine Art Versicherungsprämie angesehen werden können, die alle Kreditnehmer zahlen, obwohl nur (hoffentlich) einzelne Kreditnehmer in die Insolvenz gehen und damit unbezahlte Kreditlinien hinterlassen. Das läßt sich sehr schön mit der Kfz-Versicherung vergleichen, da diese den meisten Menschen als Risikoversicherung bestens bekannt ist. Eine Risikoversicherung zeichnet sich dadurch aus, daß sie die Prämien der Versicherungsnehmer dazu verwendet, die Schäden, die von einzelnen dieser Versicherungsgemeinschaft angerichtet werden, aus den Beiträgen aller Versicherungsnehmer zu decken. Dabei ist für die Betrachtung hinsichtlich der Interpretation von Zinsen als Versicherungsprämie noch wesentlich einen besonderen Aspekt zu betrachten: denn immer dann, wenn die Risiken bzw. die Wahrscheinlichkeit der Schäden zunehmen, fangen die Prämien für diese Versicherung an zu steigen, da ein höheres Schadenvolumen abgedeckt werden muß. Wenn man dieses berücksichtigt und auf die Konzeption, Zinsen als Versicherungsprämien zu sehen überträgt, wird auf einmal auch klar, daß genau dann, wenn die Wahrscheinlichkeit von Kreditausfällen steigt (typischerweise in einer Krise/ Rezession) auch die entsprechenden Risikoprämien/ Zinsen zu steigen beginnen. Insofern mutet es ziemlich rührend an, wenn von allen Seiten unisono in einer Rezession gefordert wird, daß die Notenbank die Zinsen senken müsse, um den Unternehmen „das Geld billiger zu machen“ und die Unternehmen damit „angereizt“ werden mehr investieren. Das kann die Notenbank zwar tun indem sie mit ihren Reizen nicht geizt, wird aber dennoch keine Effekte hinsichtlich der prognostizierten Kreditabschreibungen erzielen können, was eine wesentliche Vorbedingung dafür wäre die Banken zu veranlassen ihre Kreditzinsen zu senken.

Wenn Banken anfangen ihre Zinsen zu senken, dann aus einem anderen Grund: nämlich dann, wenn sich die Aussichten für die Rentabilität von Investitionen wieder verbessern und die Konkurrenz um die „besten“ Schuldner einsetzt, die mit immer besseren Zinsgeboten gelockt werden sollen, wobei die Verringerung der Wahrscheinlichkeit für Kreditabschreibungen (gewissermaßen die „finanziellen Schäden“) diesen Spielraum für diese verbesserten Zinskonditionen überhaupt möglich macht. Letzteres funktioniert allerdings erst dann, wenn durch ausreichende Zinseinnahmen die abzudeckenden „finanziellen Schäden“ weitgehend ausgeglichen sind und nicht noch in den Büchern latente Risiken lagern, deren Existenz eine „verringerte Schadenvorsorge“ praktisch unmöglich machen. Soweit das wie derzeit aktuell der Fall ist können Zinsreduktionen der Zentralbank keine nennenswerten Effekte erzielen, auch wenn die versammelte Presselandschaft bisher üblicherweise jede 0,25%ige Zinssenkung als „wichtiges geldpolitisches Signal“ zu interpretieren gewillt war. Leider übersetzt sich ein sinkender Diskontsatz nicht automatisch in eine großzügige Zinssenkung bei den Krediten und ist nach den vorstehenden Erkenntnissen auch nur als blauäugiges Wunschdenken der Zentralbanken zu interpretieren. Daß die üblichen Begründungen für die weitgehende Zurückhaltung bei der Kreditvergabe dann dahingehend lauten, daß die Wirtschaft sich in einer Konstellation der „Liquiditätsfalle“ befinde, beweist nur, daß das herrschende makroökonomische Denken bisher noch nicht über die Betrachtung intrinsischer Motivationslagen einzelner Wirtschaftssubjekte hinausgekommen ist.

Diese Sichtweise auf die eigentliche Natur von Zinsen wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die Theorie, welche versucht Zinsen aus einem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage abzuleiten. Denn was – um mal von der Krise wegzukommen – passiert in einem Aufschwung? Das Geldangebot müßte aufgrund der höheren Ausgabenbereitschaft und der korrespondierenden sinkenden Sparbereitschaft sinken und damit die Kreditzinsen in die Höhe treiben, genauso wie eine höhere Geldnachfrage aufgrund einer höheren Investitionsbereitschaft die Zinsen ansteigen lassen müßte. Man kann zwar ökonometrisch so ziemlich alles ableiten, aber die Zinssenkungstendenzen bei Banken in einem Aufschwung sind vergleichsweise unübersehbar, während die Zinserhöhungstendenzen einer Zentralbank, getragen von einer Motivation, eine „Überhitzung der Konjunktur“ zu verhindern dagegen doch vergleichsweise putzig wirken und ihre intendierten Effekte regelmäßig verfehlen. Umgekehrt, umgekehrt.

Vielleicht noch ein letztes Wort zu dem eingangs erwähnten Kriterium dafür, was Ökonomie ist und was nicht. Die hier vorgestellte Sichtweise wird deswegen nie als ökonomisch akzeptiert werden, weil hier eine Abkehr von dem „methodologischen Individualismus“ vorliegt und es sich damit für die ‚mainstream‘-Ökonomie von vornherein verbietet, derartige Erwägungen ernst zu nehmen. Nun ist ein methodologisches Prinzip keine göttliche Gravur auf einer Steintafel, sondern eine spezifische Art der Gewinnung von Erkenntnis, wodurch natürlich nicht ausgeschlossen wird, daß nichtindividualistische Erkenntnismethoden nicht auch valide Erkenntnisse erbringen könnten. Auch wenn die Aussichten für diese Zinstheorie nicht so rosig sein dürften wird doch wohl eins nicht passieren: daß von der Ökonomie das Prinzip der Risikoversicherung deswegen abgelehnt wird, weil es sich nicht aus individuellen Präferenzen ableiten läßt. Obwohl, man kennt ja Ökonomen: die können auch ableiten, daß es eine positive oder steigende Zahlungsbereitschaft, d.h. eine Nachfrage nach höheren Beiträgen für eine Risikoversicherung geben kann, wenn einerseits die Schadenssumme angestiegen ist und die individuelle Schadeneintrittswahrscheinlichkeit gesunken ist. Das nennt man dann Altruismus oder so… 🙂

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Europäische Geldspaltung

Unter dem Titel „Europäische Geldspaltung“ ist am 10. August 2012 im österreichischen Standard ein viel zu wenig beachteter Artikel erschienen, der ein Thema behandelt, welches es verdient hat näher beleuchtet zu werden. Es geht dabei um die sogenannte Fragmentierung der Geldmärkte. Darunter kann man verstehen, daß im Gegensatz zur Anfangsphase des EURO, wo dem allgemeinen Dafürhalten nach sich ein Geldstrom in die „Südländer“ ergoß, nunmehr allenfalls Banken desselben Staates sich gegenseitig noch Kredite im Rahmen des allgemeinen Interbankenmarktes einräumen. Ein Interbankenmarkt zeichnet sich ‚grosso modo‘ durch einen mehr oder weniger kurzfristigen Liquiditätsbeistand aus, der darauf beruht, daß die täglichen Salden zwischen Ein- und Ausgängen an Liquidität irgendwie ausgeglichen werden müssen. Siehe: Was ist clearing?

Ein gespaltener Geldmarkt bedeutet damit, daß das eigentlich normale „Vertrauen“ der Banken untereinander nicht existiert, so daß es bei Zahlungssalden nicht zu einer Stundung, sondern zu einem Zahlungsbegehren kommt, welches nur durch die Übertragung von Zentralbankliquidität beglichen werden kann. Das dahinterstehende Problem hängt damit zusammen, daß eine Marktsegmentierung ein Anzeichen dafür ist, daß die Banken der jeweiligen Länder ein unterschiedlich hohes Bonitätsniveau aufweisen, welches offensichtlich nicht mehr durch die Erhöhung des Risikozinses kompensierbar ist. Wäre ein Ausfallrisiko noch kalkulierbar, könnte es im Risikozins eingepreist oder alternativ versichert werden. Dies ist auf dem EURO-Interbankenmarkt offenbar derzeit nicht der Fall.

„In particular for the money markets, the report stated that the cross-border secured and unsecured money market has become increasingly impaired. This is reflected, among other factors, in the pricing of risk in the repo market, which has become more dependent on the geographic origin of both the counterparty and the collateral, in particular when these stem from the same country.“ Quelle ECB

Nun kann man sich fragen, warum es nicht ausreichend sein soll, daß Banken innerhalb eines Landes die entsprechenden Geldbeträge hin- und herschieben und wo der eigentliche Vorteil liegt, wenn Banken auf EURO-Ebene Kreditbeziehungen unterhalten. Schließlich ist ein EURO so gut wie der andere, auch wenn einige besonders Spitzfindige herausgefunden haben wollen, daß Geldscheine mit der Serienkennung „Y“ (Griechenland) möglichst nicht mehr angenommen werden sollten.

Das hängt an zwei Dingen:
– einmal an der Tatsache, daß in einem einheitlichen Währungsraum eine Geldanlageentscheidung nach der Abwägung zwischen Ertrag und Risiko in einer unkalkulierbaren Situation stets dazu neigen wird, den sicheren Hafen zu wählen
während
– auf der anderen Seite die ersten EURO-Jahre die Vorstellung erzeugt haben, daß ein einheitlicher Währungsraum auch zu einheitlichen Zinsen führen müßte.
Ersteres ist unmittelbar einleuchtend, während letzteres zwar das persönliche Gerechtigkeitsempfinden befriedigen mag, jedoch von den Üblichkeiten – ausgerechnet – des Interbankenmarktes in keiner Weise nahegelegt wird.

Punkt a) die Kapitalflucht in den sicheren Hafen ist unmittelbar mit den TARGET-Salden verbunden, wobei die Verkettung der TARGET-Salden mit Leistungstransaktionen nur Verwirrung zu stiften geeignet ist. Zum hinter die Ohren schreiben: Bestandsveränderungen können etwas mit Leistungsvorgängen zu tun haben, müssen aber nicht! (Kapitalflucht ist zahlungsbilanztechnisch gesehen eine Übertragung und hat mit Leistungstransaktionen nichts zu tun.) Dies ist an dieser Stelle jedoch nicht Thema.

Punkt b) scheint im Zusammenhang mit der von der EZB erklärten mangelhaften Transmission der geldpolitischen Impulse eher ein Theorieproblem zu sein, als ein valides geldpolitisches Ziel, geschweige denn eine anzustrebende (gerechte) Gleichgewichtssituation. Das Unverständnis der EZB resultiert denn auch daraus, daß das ominöse ‚law of one price‘ ja eigentlich auf den ach so effizienten Finanzmärkten doch am ehesten durchzusetzen sein müßte. Was stellt man aber fest? Daß die Zinsspreads inzwischen eine Höhe erreicht haben, bei der die Finanzierung des öffentlichen Zinsendienstes sowie die ‚rollover‘-Finanzierung des Staatsschuldenstandes mehr und mehr in die Bedrouille gerät.

Der Clou hängt natürlich an der Frage, inwieweit die „Südbanken“ zur Refinanzierung auf die „Nordbanken“ zurückgreifen können oder nicht. Dieser (derzeit kaum vorhandene) Rückgriff wird erst dann wieder möglich sein, wenn die vorhandenen ‚collaterals‘ wieder als satisfaktionsfähig eingestuft werden. Die im EURO-Interbankenmarkt akzeptfähigen ‚collaterals‘ sind aber eben i.d.R. die Staatspapiere, die derzeit von den „Nordbanken“ hinsichtlich der „Südschuldverschreibungen“ aktuell nicht (kaum) akzeptiert werden. (Deswegen ist ein Wertpapier-RTGS-System derzeit kein vordringliches Vorhaben!)

Was macht also eine EZB, die aufgrund ihrer theoretischen Grundrichtung an das ‚law of one price‘ glauben muß? Richtig, sie wird versuchen darauf hinzuwirken, daß die ‚collaterals‘, welche den Interbankenmarkt wieder in Gang setzen würden, einem Mindeststandard genügen, so daß sie wieder in Inter-EURO-Geldmärkten als akzeptabel, d.h. als beleihbar gelten. (Salopp gesagt könnte dann auch die Bundesbank wieder griechische Papiere von „ihren“ Banken als Refinanzierungspfand akzeptieren – ist zwar derzeit gegenstandslos, jedoch unter solchen Voraussetzungen prinzipiell möglich.) Denn solange die EZB einen Mindestpreis ausruft (und garantieren kann) ist ein Staatswertpapier sowohl innerhalb als auch außerhalb! des EURO-Raumes (mit Haircut) beleihbar. Insofern ist der Hintergrund der gegenwärtigen Debatte darüber, ob die EZB für Staatspapiere ein Mindestkursziel definieren kann weniger eine Angelegenheit von Gerechtigkeitserwägungen, sondern davon, daß die EURO-Geldmärkte wieder zu einem einheitlichen ‚modus operandi‘ zusammenfinden.

Der gewünschte Effekt eines einheitlichen EURO-Geldmarktes wird sich jedoch auf diese Weise kaum herstellen lassen. Allegorisch ausgedrückt versucht die EZB gerade, die nicht mehr kommunizierenden Gefäße (Geldmärkte) mit einem ‚bypass‘ künstlich zu verbinden, um der Legende Nahrung zu geben, in EURO-Land gäbe es tatsächlich so etwas wie eine einheitliche Geldpolitik. Nun ja, ‚de jure‘ gibt es sie tatsächlich, ‚de facto‘ ist es immer noch so, daß jedes EURO-Land bei der Frage, welche Bonitätsnormen für das nationale Bankensystem verbindlich sind, eine unterschiedliche Antwort bereithält.

Letzteres kann auch eine EZB durch die Garantie eines ‚collateral‘-Mindestpreises nicht nivellieren. Da scheint es wirklich um kulturhistorische Aspekte zu gehen, nämlich um die Frage, ob die Nachhaltigkeit bei der Durchsetzung von Geldschulden so geartet ist wie in den „Überschußländern“ oder ob es vergleichsweise laxe Üblichkeiten (40:40:20) bei der Eintreibung von Geldschulden gibt wie in den „Südländern“. Der menschliche Intellekt mag sich dagegen sträuben zu akzeptieren, daß die Qualität der Durchsetzung des Schuldendienstes darüber entscheiden soll, wer kreditwürdig ist und wer nicht. Aber es nützt nichts, es ist so! Warum? Weil Schulden eine soziale Verknüpfung darstellen. Heißt was? Eben: dort wo soziale Bindungen stark sind, entstehen Erfolgsgeschichten!

Abstrakt hin oder her!

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ESM-Haftung? Wozu eigentlich?

Die Diskussion um die Haftungsfrage in Bezug auf den ESM bewegt sich in einem Spektrum, welches davon geprägt ist einerseits auf eine festgeschriebene Haftungssumme für den ESM insgesamt und damit für alle Teilnehmerländer hinzuweisen, während andererseits die verklausulierten Möglichkeiten der Haftungsausweitung beklagt werden, die zu einer teilweisen Entäußerung der Macht der Parlamente hinsichtlich ihres Haushaltes führen würden. So verschieden die Positionen auch begründet werden mögen, in einer Hinsicht sind sie identisch: die Frage, ob es überhaupt zu einer Haftung der beteiligten Staaten kommen muß, wird in beiden Fällen stillschweigend als gegeben und notwendig vorausgesetzt.

Um das zu verstehen ist es notwendig, sich die Grundkonzeption des ESM mal unter die Lupe zu holen. Die Grundidee ist ganz einfach: man bilde einen Fonds aus vielen Einzahlungen, lasse diesen auf den Finanzmärkten weiteres Geld aufnehmen und stütze damit Staatshaushalte und Banken, die mit ihrer Verschuldungslage nicht mehr zurecht kommen. Und dann bleibt nur zu hoffen, daß die finanzielle Spritze die finanzielle Schieflage auch bewältigen hilft. So die Theorie.

Was ist aber nun der Grund dafür, daß die beteiligten Staaten, welche die Rolle des Bürgen übernehmen einen nicht unerheblichen Betrag einzahlen sollen und mit dieser Summe und darüberhinaus eventuell möglichen Nachschüssen für die Kreditvergabe des ESM auch haften sollen? Der Grund kann ja nur der sein, daß die Einzahlungen den Risikopuffer bilden sollen, der im Insolvenzfall eventuelle Verluste aus dem Engagement des ESM abfangen soll. Wie man weiß gehen solche Konstruktionen immer nach hinten los, denn der Bürge ist bei solchen Geschichten immer zweiter Sieger!

Irgendwie kann es aber nicht Sinn und Zweck einer supranationalen Behörde sein, fällig werdende Bürgschaftsversprechen einzutreiben, die in der Erwartung abgegeben werden, daß der Eintritt des Bürgschaftsfalles nicht zu erwarten ist. Würde der ESM tatsächlich einen Bürgschaftsfall vorsehen, müßten die prospektiven Risiken bereits zum Zeitpunkt einer Kreditvergabe eigentlich als schwebende Verbindlichkeiten in den Staatshaushalt eingestellt werden. Wie man weiß, faßt kein Finanzminister einen derartigen Posten zur Bilanzierung ins Auge, sicherheitshalber wird in Staatshaushalten noch nicht mal bilanziert.

Soweit aber nicht davon ausgegangen wird, daß der Bürgschaftsfall jemals eintritt, muß es eine Sicherung dafür geben, daß ein derartiger Fall zuverlässig vermieden werden kann. Diese Sicherheitsleine wird darin bestehen, daß der ESM, der wie inzwischen bekannt noch nicht einmal eine Banklizenz braucht, von der EZB einen unbeschränkten Zugang zu frischem Geld erhält, um dann, wenn es selbst für den ESM zu teuer werden mag, sich auf den Finanzmärkten neue Kredite zu holen, die zur Erfüllung seiner Aufgabe notwendigen Kredite zu einem Friedenszins auch tatsächlich von der EZB zu erhalten. Besonders nett bei der Geschichte ist natürlich, daß der ESM als suprastaatliche Organisation per definitionem keine staatliche Organisation ist und daher die EZB unbefangen – selbstverständlich nach strengen Richtlinien – dem ESM eine unbeschränkte Kreditlinie einräumen kann. Schließlich ist es ja dann der ESM, der Staaten direkt finanzieren kann und nicht die EZB – selten so gelacht!

Die Sache hat natürlich einen Hintergrund, der darin zu suchen ist, daß mit der Errichtung der EZB die nationalen Zentralbanken als letzter Rettungsanker für eine eventuell notwendig werdende direkte Staatsfinanzierung offiziell ausgefallen sind. Dies hängt mit der Diskussion zusammen, daß der EURO für die beteiligten Nationen eine Fremdwährung darstellt und damit die Souveränität der Nationalstaaten einen empfindlichen Dämpfer hinnehmen mußte, der solange nicht fühlbar war, wie die ach so rationalen Finanzmärkte ihrem Herdentrieb nachgingen und – wie üblich – dringenderweise Bauwüsten oder Staatsapparate finanzieren mußten. Wie man weiß sind derartige Dinge immer solide Finanzanlagen!

Es fehlt also für die Staaten die letzte Zuflucht zu Geld. Nun ist das aber mit dem Kreditausfallrisiko so eine Sache: wenn man nicht davon ausgehen muß, daß ein Kredit – weil der ESM ihn jederzeit selbst rollieren kann – jemals ausfällt gibt es auch keinen Grund dafür eine Risikoprämie zu fordern. Dann richtet sich der Zins für Staatsanleihen nach allgemeinen Ertragsgesichtspunkten – im Fall unterschiedlicher Nationalwährungen nach der Frage der jeweiligen Aufwertungs- bzw. Abwertungswahrscheinlichkeit. Diese gibt es – für manchen zum Leidwesen – in EURO-Land nicht. Damit ist die Idee hinter dem ESM auch schon identifiziert: es geht darum, für Staatsschulden einen letzten unbedingten Aufkäufer zu finden, der es mögliche machen soll, daß Staatsschulden bei Fälligkeit in jedem Fall eingelöst werden, was eine Spekulation mit Staatspapieren im Grunde genommen hinfällig macht. Denn Staatsschulden, die bei Fälligkeit in jedem Fall eingelöst werden, unterliegen auch einen Tag vorher nicht einem Haircut, deswegen am vorvorgehenden Tag auch nicht usw…

Soweit wäre die Welt ja wieder schön, wenn – ja wenn das Volumen des ESM für die Bedürfnisse von EURO-Land ausreichend wäre. Es sieht nicht danach aus, daß es das ist, so daß die Frage der Haftung, wenn tatsächlich die Einlagen der Teilnehmerstaaten die alleinige verfügbare Haftungsmasse ausmachen sollen, ein im Grunde genommen existenzbedrohliches Thema werden würde. Denn werden die Bürgschaften sowie eventuelle Nachschüsse fällig, gerät augenblicklich die gesamte Konstruktion in die Schieflage. Diese Schieflage mit den ganzen damit verbundenen politischen Tumulten kann nur dann abgewendet werden, wenn es tatsächlich zu einer unbeschränkten Kreditlinie seitens der EZB zugunsten des ESM kommen sollte. Denn damit wären sämtliche Spekulationen gegen den ESM – und damit gegen die einzelnen Nationalstaaten – nutz- und aussichtslos bzw. mit Verlusten verbunden.

Das Witzige an der Sache ist jedoch: sollte es zu einer unbeschränkten Kreditlinie kommen, wäre der ganze „Einlagenzauber“, sowie die gesamte Diskussion über die Höhe und Folgen der staatlichen Haftung für den ESM reine Makulatur – man könnte dazu auch Phantomdebatte sagen. Denn: eine Institution, die über unbeschränkte Liquidität verfügt benötigt keine Haftungsmasse und kann auch ohne weiteres mit negativem Eigenkapital operieren, ohne daß damit die Zahlungsfähigkeit in irgendeiner Weise angetastet wäre. (Das gilt selbstverständlich auch für die EZB, denn die EZB mit „Kapital“ auszustatten ist wie Wasser zur Quelle zu bringen – machbar aber unsinnig!)

Man muß es einfach so sehen: das Design des ESM ist dazu gedacht um die Beschränkung der direkten Staatsfinanzierung herumzukommen und gleichzeitig den Haftungsfall auszuschließen, der sich bei einer Beschränkung des ESM selbstverständlich automatisch einstellen würde. (Das hat nichts mit bösen Finanzmärkten zu tun – aber das ist ein anderes Thema!) Insofern ist die ganze Diskussion um Haftung oder nicht bzw. Banklizenz oder nicht insgesamt für die Katz. Denn beide Diskussionen erübrigen sich mit einer Zusage der EZB an den ESM hinsichtlich des unbeschränkten Kreditrahmens. Daß dies nicht im ESM-Vertrag steht liegt doch nur daran, daß ja die EZB „unabhängig“ ist und deswegen auf unabhängige Weise das beschließen wird, was bereits in trockenen Tüchern ist. Alles andere wäre ein Himmelfahrtskommando!

Soweit wäre ja alles ganz nett. Was wirklich bedenklich ist, sind die Konditionalitäten an diejenigen Länder, die einen ESM-Antrag stellen – das hat dann wirklich nichts mehr mit Demokratie zu tun! Es gibt aber auch einen positiven Effekt für die Demokratie: sollte es wieder zu einem Lehman-Moment kommen, können sich die Staaten dann im Schnellverfahren die Liquidität besorgen, die sie seinerzeit nur gegen das Versprechen bekommen haben, die Banken zu retten! Das wäre tatsächlich mal ein Schritt in Richtung des Primat der Politik!

 

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Wozu sind Banken da?

Es soll Menschen geben, die tatsächlich glauben, daß über die Frage, welche Aufgaben ein Banksystem zu erfüllen habe, Einigkeit unter Ökonomen herrschen würde. Vordergründig scheint es auch so zu sein, denn in der Regel kommen auf die Frage nach der volkswirtschaftlichen Funktion von Banken die Transformations-Antworten: Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation. Die meist weitschweifigen Erklärungen rund um diese Begriffe überzeugen dann den Wißbegierigen bald davon, daß er es mit einer seriösen Antwort zu tun hatte. Und mit dem wohligen Gefühl, daß sich die halbe Bankbetriebslehre um die Sicherheit seiner Spargroschen kümmert, sowie dem Eindruck, daß es sich dabei um gesichertes Wissen handelt, wendet er sich dann anderen Themen zu.

Was nicht dazugesagt wird und was den meisten Sachverständigen auch durchaus unbekannt ist, ist der Umstand, daß alle diese Bankfunktionen aufgrund einer Theorie zurechtkonstruiert wurden, die von ihrer Grundanlage überhaupt nichts mit Geld oder Geldfunktionen zu tun hat. Denn die Zentraltheorie des ökonomischen Mainstream, salopp: die Theorie der freien Marktwirtschaft, ist von ihrer Grundanlage her eine Theorie relativer Preise, die per definitionem nichts mit Geld oder Kredit zu tun haben. In dieser Welt der Erstausstattungsökonomie in der die Akteure Wahlentscheidungen aufgrund von Nutzenerwägungen treffen ist es tatsächlich so, daß die privaten Akteure ihre Ressourcen entweder eintauschen oder behalten (horten) und damit darüber entscheiden, ob die Unternehmen Ressourcen für die Produktion bekommen oder nicht. Dieses Prinzip wurde dann unbekümmert im Analogschluß auf die Bankbetriebslehre gestülpt, wo nun der Sparer die bestimmende Zentralfigur für die Handlungsspielräume der Banken geworden ist. Zugegebenerweise klingt die Konstruktion ganz plausibel, aber stimmt sie auch?

Natürlich war das auch wieder mal ein Schuß in den Ofen. Das liegt im wesentlichen daran, daß man die Geldtheorie nicht mit den analytischen Hilfsmitteln einer Produktionstheorie behandeln kann und außerdem daran, daß Geld zwar auch produziert, aber sein Inverkehrbringen nicht nach den Kriterien produzierter Güter, sondern nach festgelegten Emissionsregeln erfolgt. Warum? Klarer Fall, Geld kann man nicht kaufen, sondern muß es sich leihen oder jemanden finden, der es einem für eine Gegenleistung überträgt. Ersteres nennt man Kredit, zweiteres Einkommen. Aus diesem kühlen Grunde verbietet es sich, die Existenz von Geld schlichtweg vorauszusetzen, wie es die ganze Transformationstheorie tut, denn sie verweigert sich der Frage, wie denn nun das Geld auf die Welt kommt. Die umfassende Antwort: durch einen Kredit der Zentralbank an eine an das Zentralbanksystem angeschlossene Bank. Sonst nicht; es wächst nicht auf Bäumen und auch nicht auf den Feldern, sondern ist Ergebnis des Beliebens von Zentralbankern, die einen Kredit gewähren oder auch nicht. Klingt nüchtern, ist es auch und ist natürlich kein Vergleich zu der blumigen Korntheorie des Zinses eines Ricardo, wo (angeblich) Wirtschaft und Natur in Einklang standen (stimmte natürlich noch nie)!

Wenn das aber so ist, was haben dann Banken für eine Funktion? Nun, da das Geld nicht produziert sondern per Kredit emittiert wird, können die Banken nun Unternehmer damit ausstatten, die ihnen glaubhaft darstellen, daß sie mit dem Kredit ordentliche Sachen anstellen und durch den Verkauf der Güter oder Dienstleistungen den Kredit bedienen und ggf. auch tilgen können. Nun weiß die Bank, daß jeder Unternehmer sein Projekt auf jeden Fall für überragend hält, andererseits weiß sie auch, daß ein gewisser Prozentsatz der Kredite irgendwann notleidend wird und teilweise abgeschrieben werden muß. Sie weiß, daß es passiert, sie weiß aber nicht bei welchem Kredit es passiert. Also was tun? Man erhebe eine Versicherungsprämie von allen Kreditnehmern und bemesse sie so, daß in jedem Fall der Abschreibungsaufwand durch den Prämieneingang abgedeckt werden kann. Sollte nach dieser Ausgleichsbuchung noch von den Prämieneinnahmen etwas übrig sein, fällt diese Differenz der Bank zu. Man ahnt es schon: diese Risikoprämien nennt man auch Zinsen!

Was also sind Banken?

A) eine Durchleitstelle von Geld von der Zentralbank an die kreditsuchenden Unternehmer und

B) gleichzeitig eine Versicherung für die Gesellschaft, daß dann, wenn eine Investition fehlgeschlagen ist, die entsprechenden offenen Kreditbeträge durch die Prämien des Risikopools gesellschaftlich neutralisiert werden.

(Die Idee, daß Zinsen auch Risikokomponenten enthalten, scheint den heutigen Banken irgendwie abhanden gekommen zu sein!)

Daß die Verwaltung monetärer Angelegenheiten durchaus einen Preis hat ist vergleichsweise selbstverständlich. Ob diese Vergütung jedoch über die Erzielung von Nettozinseinnahmen oder über die Inrechnungstellung von Kosten an die Kunden erfolgt ist nicht nur reine Geschmacksfrage, denn je nach Regulierungsumfeld wird mal das eine oder mal das andere attraktiver sein. (Vielleicht sollte man an dieser Stelle mal darauf hinweisen, daß es keine Bank“gebühren“ gibt, weil der Begriff Gebühren zu den öffentlich-rechtlichen Institutionen gehört.)

Und wo bleiben denn nun die Sparer um die sich doch alles drehen sollte? Im Grunde sind Sparer für die Banken nichts anderes als Ertragsfaktoren bei dem Verkauf von Verwaltungsdienstleistungen und Liquiditätslieferanten, die man so gut wie nicht bezahlen muß. Und wenn es um die Frage der Geschäftsausweitung geht: Sparer sind bereits schon der Reflex einer vorangegangenen Geschäftsausweitung und nicht deren Ursache. In letzter Konsequenz kann zusätzliche Liquidität für ein Bankensystem sowieso nur von der Zentralbank kommen, Sparer sind dafür mit ihren bekannten Zicken denkbar ungeeignet.

Was bleibt also von den ganzen Transformationsantworten und der überragenden Stellung der Sparer übrig? Eben: nichts! Was nicht heißt, daß diese Vorstellungen nicht doch in den meisten Köpfen selbsternannter oder fremdernannter Experten herumschwirren und dafür sorgen, daß es zu einer vernünftigen Diskussion um die Frage der gegenwärtigen Bankenprobleme überhaupt nicht erst kommt.

Aber vielleicht sehe ich das zu schwarz!

Update, muß ich noch loswerden:

Spareinlagen sind gewissermaßen der “Restmüll” der ursprünglichen Kreditvergabe, der nur noch verwaltet werden will.

 

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Nüchterne Anmerkungen zu einer hysterischen Debatte

Es gibt mal wieder einen „Brandbrief“ deutscher Ökonomen. Kernthese dieses Briefes ist die Warnung vor einer Bankenunion, die eine Vergemeinschaftung der Risiken des Bankensystems in EURO-Land zur Folge haben soll. Das klingt erstmal nach einer weiteren Erweiterung der Haftung Deutschlands hinsichtlich der insolvenzgefährdeten Südländer in EURO-Land.

Nun ist ja eine Vergemeinschaftung von Risiken eine altehrwürdige Technik, um die Betroffenen einer Risikoklasse vor dem Eintreten eines Risikos, wenn schon nicht zu schützen, so doch die üblicherweise desaströsen Folgen weitgehend zu mildern. Dieses Prinzip nennt sich Risikoversicherung und ist ein bestens eingeführter Bestandteil der Daseinsvorsorge. Von daher gibt es eigentlich keinen Grund, eine gemeinsame Risikovorsorge in einem euroweiten Risikosicherungsfonds abzulehnen.

Das Mißtrauen gegen eine Vergemeinschaftung des Risikos einer Bankeninsolvenz kann eigentlich nur in einer impliziten Annahme stecken, die von der Theorie der Risikovorsorge in keiner Weise gedeckt wird. Denn normalerweise würde jede Versicherung die Risiken nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit bewerten und demgemäß die Prämien für den jeweiligen Teilnehmer des Risikopools in entsprechender Höhe festsetzen. Das hätte dann schlichtweg zur Folge, daß die Banken der „Südländer“ salopp gesagt die 100-fache Risikoprämie zahlen würden wie die Banken aus Deutschland oder Finnland. Das wäre für letztere Banken durch einen Griff in die Portokasse erledigt, während es für die hoch risikobehafteten „Südbanken“ ein Finanzaufwand wäre, der von ihnen wahrscheinlich kaum geschultert werden könnte. In einer derartigen Konstellation von einer Haftung deutscher Sparer für die betroffenen Problembanken zu sprechen ist schon ziemlich weit hergeholt.

Dieses Mißtrauen hat aber einen realen Kern. Der besteht nämlich daraus, daß die Konstruktion des ESM auf einem Solidaritätsgedanken beruht, der wie beim steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip die Lasten der Krisenbewältigung auf die vermeintlich finanzstarken Länder umlegt. Nun wird man sich in Südeuropa nicht einbilden, daß die Einzahlungen in einen derartigen Fonds dergestalt erfolgen, daß Deutschland gemäß seiner Wirtschaftskraft für 23% dieses Sicherungsfonds einsteht, sondern es wird zu einer Vorstellung kommen, daß alle Banken die gleichen Beitragslasten zu erfüllen haben. Das klingt fair, ist vom Standpunkt der Risikoverteilung jedoch nichts, was ein anständiger Risikokalkulator für angemessen halten würde. HIER lauert die Bananenschale, die zu einer Subvention von „Südbanken“ führen würde, welche noch nicht mal durch die Richtlinien der europäischen Wettbewerbsbehörde gedeckt sein dürfte. Man erinnere sich an die Kritik der EU-Wettbewerbsbehörde im Zusammenhang mit der Gewährträgerhaftung von Landesregierungen zu Gunsten deutscher Landesbanken und Sparkassen.

An dieser Stelle muß man mal wieder an die Erkenntnisse von Stiglitz/ Weiss erinnern, weil eine Kreditvergabe an Schuldner, die keine nachvollziehbaren Zukunftsaussichten darstellen können selbst bei dem Angebot exorbitanter Zinsen keine positive Kreditzusage zu erwarten haben. (Das hat auch was damit zu tun, daß man Vertrauen nicht mit dem Versprechen höchster Geld-/ Zinszahlungen erkaufen kann.) Übertragen auf eine Risikogemeinschaft würde ein derartiges Risiko von einer ordentlich wirtschaftenden Versicherung schlicht und einfach abgelehnt, weil die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikofalls durch noch so hohe Prämien nicht gedeckt werden könnte. Und selbst unter politischen Zwangsgesichtspunkten (Zwangsmitgliedschaft bzw. Zwangsaufnahmeverpflichtung kennen die AOKs zur Genüge) müßten die Risikoprämien für „Südbanken“ demnach derart hoch sein, daß sie von alleine von der Idee eines europäischen Bankensicherungsfonds Abstand nehmen würden.

Das heißt auf gut Deutsch: würde man diesen Bankensicherungsfonds nach versicherungsüblichen Kriterien bepreisen, wäre die ganze Idee sowieso schon begräbnisreif. Wenn Politiker sich aber zu solchen Ideen bekennen, ist das Mißtrauen insofern berechtigt, weil zu erwarten ist, daß auch die Lastenverteilung der Finanzierung dieses Fonds NICHT nach ökonomischen Kriterien erfolgt.

Und das wäre tatsächlich ein Desaster, weil sich Politik über Ökonomie stellt und das Prinzip Risikogemeinschaft zugunsten eines oktroyierten Solidaritätszwangs beiseite gewischt wird. In diesem Fall ist der professorale Aufruf nur zu berechtigt!

Update:

Der SVR hat in seinem jüngsten Gutachten ebenso darauf hingewiesen, daß er nicht damit rechnet, daß die Anpassung der Versicherungsprämien die notwendige Höhe aufweisen wird. Das ist natürlich dort etwas höflicher ausgedrückt:

„Daher müsste eine Versicherungsgebühr so an die Risiken einer Bank angepasst werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Schieflagen bei den Banken tatsächlich sinkt. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, könnte eine Einlagensicherung auf europäischer Ebene zu einem Transfermechanismus werden und Anreize zur Verschuldung tendenziell erhöhen.“

http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/publikationen/sg2012.pdf  Ziffer 55

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