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Vom Schlachten heiliger Kühe

sharkMan darf sich durchaus an der Stelle, wo innerhalb der EURO-Zone das erste Mal Beschränkungen des Kapitalverkehrs eingerichtet werden daran erinnern, daß es mal hieß: „Scheitert der EURO, scheitert Europa.“ Wenn es ein Anzeichen des Scheiterns gibt, dann dieses! Man kann sich zwar Gedanken darüber machen, warum diese Entwicklung hinsichtlich der Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Bezug auf zyprische Geldvermögen maßgeblich von den deutschen Verhandlungsführern so gepusht wurde. Das ist leider zwecklos! Man darf aber dahingehend durchaus einsehen, daß derartige Verlautbarungen nicht viel mehr sind als hilflose Sprechblasen, deren Nutzwert noch nicht einmal dazu dienen können, die Orientierungslosigkeit der leistungstragenden Entscheidungsfinder zu kaschieren. Das Schlachten einer heiligen Kuh fällt jedoch immer auf die (angeblich) prinzipientreuen Inauguratoren zurück!

Das Problem ist: eine Beschränkung des Kapitalverkehrs bedeutet essentiell, daß eine Forderung gegen eine Bank in Zypern nicht dasselbe bedeutet wie eine Forderung gegen eine Bank des anderen EURO-Gebietes. Salopp gesagt heißt das, daß zyprisches Geld nicht mehr dasselbe Geld ist wie „normales“ Geld. Das wirft postwendend auch die eklige Frage auf, ob damit auch eine zyprische Banknote noch dasselbe ist, wie eine EURO-Note der anderen EURO-Länder. Heißt: kann eine z.B. griechische Bank eine „größere“ Einzahlung von Banknoten der Zentralbank Zyperns annehmen? Das ist deswegen virulent, weil durch einen kleinen Törn übers Mittelmeer eine Verbringung von Banknoten von interessierten Kreisen vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen ist. Angesichts dieser Möglichkeit könnte es leicht passieren, daß es in Kürze zu gesetzlichen Beschränkungen des europäischen Bargeldverkehrs kommen könnte, deren Bedeutung es ist, das zyprische Bargeld zu diskriminieren wenn nicht sogar zu kriminalisieren.

Wie es auch in der Presse vielfach kritisiert wird ist inzwischen der Fall eingetreten, daß die Sicherheit von Geldforderungen in Europa bei jeder „Rettungsaktion“ unter Vorbehalt steht und damit eine erhebliche Schramme in die Vermoegenssicherungsqualität von Geldforderungen hinsichtlich von EURO-Guthaben in EURO-Land geritzt wurde.  Es wird spannend sein zu sehen, ob die Rolle des EURO als Weltreservewährung durch diese Geschichte unter Druck gerät oder nicht. Die zukunftsleitende Frage ist dabei, wann es den „Deutschland-Moment“ gibt, an dem die Sicherheit von Geldforderungen auch in Deutschland in Zweifel steht. Es geht ja nicht darum ob er kommt – sondern wann! Warum ist das so? Weil die moralisch verbrämte Selbstbeschränkung in Form der „Schuldenbremse“ sich selbst der Instrumente beraubt, die in derartigen Situationen erforderlich wären. (Der Vorhang für dieses Kino braucht auch nicht mehr so lange.)

Aber ob oder ob nicht: die Frage, ob eine zyprische Banknote unter diesen Bedingungen noch dieselbe Schuldentilgungsfähigkeit bzw. Kontraktfähigkeit hat wie andere Banknoten aus EURO-Land wird die schlauen Entscheidungsträger noch länger beschäftigen, als es ihnen lieb sein kann. Denn obwohl gilt: ‚money is not earmarked’ könnte auf einmal die Tatsache eine Rolle spielen, daß EURO-Banknoten anhand ihrer Registriernummer als zyprische Banknoten identifizierbar sind. Die alte Regel, daß Banknoten aus Ländern, die ihre Währung einer Kapitalbeschränkung unterwerfen, außerhalb des betreffenden Währungsraumes eine ziemlich niedrige Wertschätzung aufweisen und deswegen nicht wirklich als vollgültiges Zahlungsmittel angesehen werden, sollte eigentlich zu denken geben. Die lächerlichen Devisenbestimmungen der DDR waren ja auch nicht gerade dazu nützlich, der „Mark der DDR“ eine anständige Zahlungsfähigkeit außerhalb des eng definierten Zwangsannahmeraumes zu verleihen.

Dabei wäre die Geschichte eigentlich am besten damit aufzulösen, indem den zyprischen Banken jede beliebige Liquidität zur Verfügung gestellt würde, allerdings zu einem erheblich erhöhten Zinssatz, ganz so wie es nach Bagehot zu erfolgen hätte. Das würde natürlich bedeuten, daß damit das heilige Prinzip der EZB durchbrochen würde, stets einen einheitlichen Zinssatz für alle Banken der EURO Zone anzuwenden.

Vielleicht dient diese Krise, welche ein heiliges Prinzip – oder auch Illusion – der EURO-Zone ausgemacht hat nun auch dazu, das falsche Prinzip der Einheitlichkeit des Zinssatzes aufzubrechen. Das wäre die nachträgliche Korrektur der politischen Illusion, Zinssätze per Verordnung festzusetzen und nicht als Marktergebnis interpretieren zu wollen. (Möglicherweise ist diesem Desaster dadurch Vorschub geleistet worden, daß sich Heerscharen von mikroökonomisch indoktrinierten „Ökonomistas“ dem Glauben verschrieben haben, daß Lohnerhöhungen eine verteilungspolitische Relevanz besäßen. Nichts könnte falscher sein, denn was ein Lohn wert ist entscheidet sich nicht in Lohnverhandlungen, sondern auf dem „Markt“, wenn sich aufgrund von lohnbedingten Kostensteigerungen die Preise verändern – also erhöhen. Bei Zinsen gilt zudem noch, daß sie von Bewertungsänderungen d.h. von Bestandsänderungsgrößen abhängig sind. Gesamtwirtschaftliches Denken ist offensichtlich nicht jedermanns Sache und daß man dieses im VWL-Studium lernt gehört auch zu einer gepflegten Legende, deren Auswirkung in vielerlei Hinsicht zu beobachten ist.)

Vielleicht ist das Zypern-Desaster der Schlüssel dazu von der Allmachtsvorstellung europäischer Politiker mal Abstand zu nehmen und einzusehen, daß monetäre Ertragsraten sich immer noch einer politischen Einflußnahme entziehen. Denn wie sich das Verhältnis von Ertrag und Risiko einpendelt ist nicht in das Belieben derjenigen gestellt, die immer wieder davon schwadronieren, daß eine einheitliche Währung auch einen einheitlichen Zinssatz bedingen würde. Das Gegenteil ist der Fall, getreu dem (auch wenn´s schwerfällt: juristischen) Prinzip, daß unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Eine europaweite Zinsnivellierung gehört jedenfalls nicht zu einer gesunden Geldpolitik! Daß die EZB mit ihren LTRO-Krediten genau dieses Prinzip ausgehebelt hat, macht denn auch ihr besonderes Versagen aus. Denn damit etabliert sie sich als Nicht-Zentralbank, weil damit die Emission von Liquidität in das Belieben von Privatbanken gestellt wurde. Anders gesagt: die europäische Geldspaltung, die sich jetzt sogar in der Etablierung von Kapitalverkehrskontrollen etabliert, ist eine Folge nicht der niedrigen Zinspolitik, sondern der gleichmacherischen Geldpolitik, der sie sich anscheinend verpflichtet fühlt.

Es geht einfach kein Weg daran vorbei: Liquidität muß zwischen den Banken europaweit in einem Auktionsverfahren emittiert werden, wodurch sich die Refinanzierungszwänge der jeweiligen Bieterbanken sofort widerspiegeln und nicht nach der Maßgabe irgendeiner Bedürftigkeit! Das hat seinen Grund darin, daß die Emission von Liquidität keinen demokratischen Prinzipien folgen darf. Die Bundesbank hat das noch gewußt – diese Geldpolitik hat stets funktioniert!

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Fiskalpakt und Geldvermögen: eine unheilige Ehe

Die meisten Menschen kennen den Witz von dem Betrunkenen, der nachts an eine Laterne gelehnt auf den Boden starrt. Von einem Passanten angesprochen erklärt er, daß er seinen Schlüssel suche. Auf die Nachfrage, wo er ihn verloren habe, antwortet er, daß er seinen Schlüssel irgendwo im Dunklen verloren habe, aber er nur hier an der Laterne suchen könne, weil es hier heller sei. Man lächelt darüber, weil so unmittelbar einsichtig ist, daß die Lösung an einer falschen Stelle gesucht wird und mit diesem Ansatz endlos fortgesetzt werden kann.

Man sollte sich allerdings darüber klarwerden, daß derartige Absurditäten keinesfalls nur derartige Karikaturen betreffen. Wie man weiß, schreibt das Leben intensivere und realistischere Geschichten, als Geschichtenerzähler jemals erfinden können. Eine der schönsten Beispiele für derartige Verirrungen findet sich immer dann, wenn wieder mal der Versuchunternommen wird, auf die Existenzialfrage des Kapitalismus – die Nachhaltigkeit von Schuldbeziehungen – dahingehend eine Antwort zu formulieren, die Lösung in politischen Korrekturen bzw. in höheren politischen „Strukturen“ zu suchen. So läßt sich durchaus vermuten, daß die politische Lösung Fiskalpakt und ESM allenfalls Lösungen für ein politisches Problem sind und die Verbrämung mit ökonomischer Terminologie nicht das ökonomische Problem der EURO-Zone adressiert.

So vorbereitet hat man instinktiv das Gefühl, daß diese Lösung auch keine Lösung darstellt. Denn die Vergrößerung von Aufsichts- und Kontrollproblemen kann nur dann erfolgreich sein, wenn das was kontrolliert und beaufsichtigt werden soll, auch kontrolliert und beaufsichtigt werden kann. Dies darf man nach allem, was im Verlauf der kurzen Geschichte des EURO vorgefallen ist massiv bezweifeln. Und vor dem Hintergrund, daß souveräne Staaten immer alternative Entscheidungsmöglichkeiten haben ist fraglich, ob die Durchsetzungsfähigkeit von Regeln überhaupt wirksam gestaltbar ist. „In einer Union aus Demokratien ist es unmöglich, souveräne Länder zur Einhaltung von Regeln zu zwingen, wenn diese von Bürgern dieser Länder nicht mehr akzeptiert werden.“ Daniel Gros

Die unsubstantiierte Erwartung, daß die Hypertrophierung von Kontroll- und Aufsichtsinstitutionen das ökonomische Problem lösen, wie das Geflecht interdependenter Schuldbeziehungen auf ein nachhaltiges Maß zurückgeführt werden kann, ist mehr als naiv. Und das ausgerechnet vor dem Hintergrund, daß die Diagnose der ökonomischen Krise je nach Gusto wahlweise in einer „Ansteckungstheorie“ (Lehman), in einer zu „billigen Geldschöpfungstheorie“ (fiat-money), in einer falsch berechneten „Risikodiversifizierungstheorie“ (Bankenkrise) oder in einer „Sozialausgabentheorie“ (Staatsschulden) gesehen wird. Denn von einer Lösung müßte man erwarten können, daß sie alle Einzelaspekte, wenn schon nicht umfassend, so doch von der Tendenz her zu lösen geeignet ist.

Was ist der Fiskalpakt statt dessen? Die Geburtsurkunde eines verwaltungstechnischen Monstrums, über dessen Wirkungsweise und Effektivität so gut wie nichts bekannt ist. Bekannt ist nur eins: die Erwartungen, die er erfüllen soll, die sich dahingehend präzisieren lassen, daß die „Märkte“ wieder ihrer Aufgabe der Staatsfinanzierung nachkommen mögen. Im Wesentlichen werden also mit dieser Konstruktion lediglich politische Aspekte adressiert und die eigentliche Frage, wie mit den hinter den Ausprägungen der Krise noch existierenden Ursachen umgegangen werden soll, schlichtweg ignoriert. Dabei sollte man sich passenderweise vergegenwärtigen, daß in der politischen Diskussion im wesentlichen nur Krisenerscheinungen diskutiert werden und nicht die originären Aspekte, welche das transnationale Schuldengeflecht zu einem Problem machen.

Das ist das eigentliche Desaster: daß nämlich der Fiskalpakt lediglich ein politisches Problem löst, die Verantwortung für die Entwicklung der nationalen staatlichen Schuldenstände auf ein supranationales Gremium zu verschieben, so daß nationale “Fehlentwicklungen” nicht mehr der jeweiligen Administration zurechenbar sind. Wenn man so will wird damit eine Pseudolösung für ein Pseudoproblem formuliert, weil die Ursachenzurechnung der vermeintlichen EURO-Krise auf die überbordende Staatsverschuldung nur das Randproblem privatwirtschaftlicher Geldvermögensbildung betrifft. Denn wie soll sich denn privates Geldvermögen sonst “sicher” anlegen lassen, wenn die privatwirtschaftliche Verschuldungsbereitschaft aufgrund der sinkenden Gewinne inzwischen sehr zu wünschen übrigläßt. Denn hier liegt eine der wesentlichen Ursachen für die Aufblähung der gesellschaftlichen Verschuldungsstände, daß nämlich die private Nachfrage nach sicheren Geldvermögensforderungen durch die unternehmerische Verschuldung nicht mehr alimentiert werden kann und damit Staatsschulden nicht Ausdruck sozialpolitisch motivierter Verschwendungssucht sind, sondern die Tendenz reflektieren, Geldvermögen in sicheren zinstragenden Titeln anzulegen. Man kann es drehen und wenden wie man will: Staatsschulden sind nichts anderes als der buchhalterische Gegenposten des privaten “Sparens”.

Wiewohl das nun wirklich keine neue Erkenntnis ist, wird der wirtschaftspolitische Diskurs immer noch mit dem Fokus der Schädlichkeit von Staatsschulden geführt, womit automatisch der zwangsläufig einhergehende Aspekt, nämlich die Akkumulation von Nettogeldvermögen des privaten Sektors, ausgeblendet wird. Und damit schließt sich der Kreis zu dem eingangs angeführten Betrunkenen, der die Lösung seines Problem dort sucht, wo er suchen will, die komplementäre Seite der Geschichte jedoch im Dunklen beläßt. Diese Unterlassung – die Existenz von positivem Nettogeldvermögen und dem dualen Gegenstück, dem negativen Nettogeldvermögen, gedanklich nicht als Einheit zu sehen – macht die Diskussion um die Schuldenkrise zu einem besonderen Beispiel diskursiver Skurrilität.

Das Mantra: “Sparen gut, Schulden böse” hat sich anscheinend zu einem politikleitenden Popanz entwickelt und ist inzwischen dabei die Erkenntnis zu verstellen, daß der Kreditgeldkapitalismus sein Lebenselixier daraus bezieht, daß Schuldrelationen im Vertrauen auf eine regelmäßige Bedienung (nicht Tilgung!) eingegangen werden. Dieses Prinzip – in Verbindung mit der Abschreibung fehlgeschlagener Investments – macht jedoch den Erfolg des Kreditgeldkapitalismus aus.

Man kann mit “Schuldenbremsen” natürlich versuchen diese Kraftquelle zu verstopfen. Die “Märkte” wird man bei den dann eintretenden Folgen jedenfalls in keiner Weise beeindrucken können!

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