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Das Geldsystem braucht keinen Wert sondern Bonität

RheindämmerungManchmal muß man auf Kommentare eine Antwort geben, die den Rahmen eines Kommentars sprengen. Daher also hier mein Kommentar auf CarlBrandner:

„Richtig ist: eine Geldeinheit hat immer die Eigenschaft eine Verbindlichkeit von einer Geldeinheit zu tilgen (da erübrigt sich die Definition eines realen Wertbegriffs).“

Das ist ja noch nicht die ganze Geschichte, denn die Funktion von Geld ist es ja gerade das Kostenvolumen mit dem (unsicheren) realen Output in Beziehung zu setzen. (Das ist die Jesse James Geschichte.) Das Kostenvolumen ist eine monetäre Größe mit der Einheit EURO (oder whatever), während der Output eine Stückgröße ist, woraus die Preiskalkulation eine Relation erzeugt, deren Dimension „Geldeinheiten pro Stück“ sind, also das, was man überall als Geldpreis wiederfinden kann. Wegen DIESER Verklammerung von Input (in Geld gemessen) und Output (in Geld kalkuliert) sowie der Maßgabe, daß das erwartete Erlösvolumen (€ pro Stück multipliziert mit Stück gleich Angebotsvolumen vermehrt um die Gewinnspanne) die laufenden Kosten sowie die Finanzierungskosten abdecken soll ergibt sich, daß Geld als ein relatives Maß der geldfinanzierten Produktion anzusehen ist. Das ist nämlich der Clou, weil relative Maße die Dimension dessen, was sie abbilden sollen, nicht selber haben müssen.

Das ist aber der Unterschied zu einem absoluten Maß: ein absolutes Maß muß diejenige Eigenschaft, die sie messen soll, selbst aufweisen. So ist die Eigenschaft des Urmeters gerade die eine Länge zu definieren, die seit der Definition den Namen „Meter“ trägt – eben die Länge, die der Urmeter aufweist. Das was gemessen werden soll und das was das Maß darstellt sind beides identische Dinge mit der Einheit „Meter“.

Dagegen ist Geld gerade kein Maß für „Wert“ und muß es auch nicht sein, weil es lediglich auf die Relation dessen ankommt, was auf der Inputseite als „Kosten“ verzeichnet wird, während sich dieses Kostenvolumen vermittels der Preiskakulation auf der Outputseite wiederfinden. Daß man die Input- und die Outputseite mit Hilfe eines absoluten „Wertmaßstabes“ nicht kommensurabel machen kann ist ein Ergebnis des 200jährigen Ringens um eben diese Lösung. (Man könnte auch sagen, die dahingehend gemachten Versuche waren schlichtweg erfolglos!) Denn die „Integration von Wert- und Geldtheorie“ zieht sich als Erklärungsproblem durch die ökonomische Theoriegeschichte, ob als Gold (wie z.B. bei Marx und den Austrians) oder als „Geldgut“ oder auch ’numeraire‘ (Debreu, Arrow, Hahn) bis hin zur Quantitätstheorie, die das reziproke Preisniveau zum „Wert“ des Geldes stilisiert. Dabei ist diese Geschichte eigentlich schon vor über 100 Jahren geklärt worden:

“Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Größen des einen die relativen Größen des anderen, ohne daß irgendeine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Tatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien.“ Simmel (1907)

Läßt man einfach den Unsinn beiseite dem Geld (makroökonomisch gesehen) durch alle möglichen Konstruktionen irgendeinen „Wert“ andichten zu wollen, lösen sich auch alle damit verbundenen Widersprüche in einem logischen Rauchwölkchen auf. Damit ist beispielsweise die Frage nach der Motivation von Kredit auch anders zu beantworten, weil Geld als Nicht-Wert, welches nicht unter einer Mengenrestriktion steht, in keiner Weise zu einer persönlichen Vermögensvermehrung beitragen muß (mal abgesehen davon, daß man sich immer klarmachen muß, daß es kein gesellschaftliches Nettogeldvermögen gibt). Kredit bedeutet demnach die Ingangsetzung sozialer Schaffensprozesse, deren Ergebnis – in Geld bepreist – zu einer Verbesserung der allgemeinen Konsummöglichkeiten führt – falls nicht, werden die „zu Unrecht“ vergebenen Kredite einfach gegen die Zinseinnahmen der „erfolgreichen“ Produktionsprozesse gegengerechnet, wodurch sich ein monetäres Gleichgewicht in einem dynamischen Kontext herstellen kann.

Damit wird aber die Frage von Bonität bzw. die Frage nach der Schuldenbedienungsfähigkeit zu der zentralen Kategorie einer Geldwirtschaft. Damit kann man auch die Frage, warum sich heutzutage alles ums Geld dreht dahingehend beantworten, daß das Finanzsystem die zentrale Steuerungsinstanz eines Produktionssystems darstellt, wo nach monetären Kriterien bemessen wird, welche Produktionsprozesse erfolgen dürfen und welche nicht. Die Frage nach einem „Nutzen“ für die „Gesellschaft“ stellt sich in diesem Sinne somit nicht mehr – nur noch die Frage nach der Bonität. Das mag man bedauern, jedoch: ein (auch nur halbwegs) funktionierendes Steuerungssystem wird man nicht so einfach zugunsten irgendwelcher „Werte“ abschaffen können. Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß unsere „Standard“-Ökonomen, die als „Wertspezialisten oder -experten“ ausgebildet wurden nicht irgendeinen Unfug anrichten und mal wieder eine Krise verursachen. Zu einem Untergang des (notwendigerweise) abstrakten Geldsystems wird es jedoch dennoch nicht kommen. Hardware funktioniert halt ohne Software nicht – crash hin oder her!

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