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Über Paradigma, Annahmen und Irrtümer

Okonomie in der Krise ist ja inzwischen nichts Neues mehr. Und auch das Abhalten von großen Konferenzen, deren wesentlichstes Merkmal ist, daß sie einen Haufen Geld kosten, hat an Neuigkeitswert bereits erheblich eingebüßt. So ist denn auch das Fazit, welches ein Kreis von Handelsblatt-Redakteuren verfaßte, letzten Endes nur noch ein Ausdruck davon, daß offensichtlich niemand so richtig eine Vorstellung davon hat, was denn nun die entscheidenden Veränderungen an der ökonomischen Lehre sein sollen.

http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/oekonomie-in-der-krise-die-groessten-irrtuemer-der-volkswirtschaftslehre/6513438.html

Inwieweit die „Paradigma“-Diktion nicht eher ein Indiz dafür ist, daß im Grunde genommen eine Leitrichtung hinsichtlich der Formulierung „neuer“ ökonomischer Lehrsätze nicht absehbar ist, sei mal dahingestellt. Immerhin scheint man sich einig darüber zu sein, wo die Schwachpunkte des herrschenden Paradigmas zu verorten wären.

Diese werden in der Theorie

  • a) des homo oeconomicus
  • b) der rationalen Erwartungen
  • c) der Theorie der effizienten Finanzmärkte

und

  • d) der Theorie der Inflationssteuerung

vermutet.

Nun muß man an dieser Stelle nicht alle Punkte im Einzelnen auseinandernehmen. Es genügt bereits darauf hinzuweisen, daß schon die Kritik am homo oeconomicus den Anforderungen an eine alternative Theoriebildung nicht genügt.

Denn an sich ist der „homo oeconomicus“ für die Mikroökonomie durchaus eine valide Figur, wobei sie, aufgefaßt als investigative Logik, einen substanziellen Kern aufweist, insofern, als dieses Erklärungsprinzip vergleichsweise gute Erklärungen und Prognosen erlaubt. Eine Ablehnung dieser elementaren Entscheidungslogik würde durchaus ein analytisches Vakuum hinterlassen. So versucht ja die „behavioural economics“ eine ökonomische Theorie aus neurobiologischen Erkenntnissen zusammenzuzimmern und verfolgt immerhin eine (noch auszufüllende) Vision! Es ist zwar nicht zu erwarten, daß da was Gescheites rauskommt, aber man kann diesen Entwurf wenigstens zur Kenntnis nehmen. Solange dort aber keine ökonomisch – rationale Handlungstheorie formuliert wird, bleibt uns der homo oeconomicus eben erhalten, ob man sich nun darüber ärgert oder nicht. Letzterer wird höchstwahrscheinlich zum Waterloo der behavioural economics, weil kleinkarierte Befindlichkeitsökonomie halt nichts mit der Erkenntnis von Funktionsprinzipien von Gesellschaften zu tun hat.

Was der homo oeconomicus für die Mikroökonomie ist, ist der „representative agent“ in der Makroökonomie. Im Gegensatz zu seinem mikroökonomischen Pendant ist der representative agent jedoch völlig falsch konzeptioniert. Das hat was damit zu tun, daß gesamtwirtschaftliche Logik nicht mit einzelwirtschaftlicher Logik konform gehen muß, weil auf der Ebene der Makroökonomie die Rückwirkungen aller Handlungen auf alle Akteure nicht ignoriert werden dürfen. Anders gesagt: es ist eben nicht legitim die ceteris paribus Klausel zu verwenden, die im mikroökonomischen Kontext durchaus angebracht ist.

So behandelt z.B. das bekannte Sparparadoxon ein Rückwirkungselement der Ökonomie, welches durch die Analyse eines einzelnen Individuums schlichtweg nicht analysierbar ist. Und jeder, der weiß, zu was für Verwicklungen es kommen kann, wenn die Handlungsweise eines nur! zweiten Individuums für das erste Individuum zu berücksichtigen ist, kann sich vorstellen, daß eine Gesellschaft nicht so funktionieren kann, wie eine Summe von representative agents funktionieren müßte.

Was kann man also mit einer Kritik anfangen, die sich im Grunde genommen auf eine simple Annahmenkritik beschränkt und im Grunde alles vermissen läßt, was eine paradigmatische Kritik ausmachen würde? Eben: nichts, null, nada!

Wo setzt demgegenüber die paradigmatische Kritik an? Eben dort: an den vermeintlichen Funktionsmechanismen der Marktwirtschaft, bzw. besser an den nicht vorhandenen Funktionsprinzipien, für die prototypisch die „unsichtbare Hand“ steht, welche die Summe der Individualhandlungen zu einem in gewissem Sinne optimalen Zustand geleitete – wenn es sie denn gäbe. Damit stellt sich die Frage nach dem gesellschaftlichen Koordinationssystem wo sich zeigt, daß im Grunde das Kreditgeldsystem die Koordinationsfunktion übernimmt und so der alte Streit, ob denn nun das „Geld“ der Schleier über den „wahren“ Dingen der Ökonomie sei oder nicht, in eine neue Runde geht. Sinnbildlich kann man das Kreditgeldsystem als die Software für die Hardware „Produktionssystem“ ansehen und dabei feststellen, daß es tatsächlich einen Dualismus (oder Dichotomie) zwischen Geld und Gütern gibt, insofern sie nicht durch ein gemeinsames analytisches Verfahren behandelt werden können. Ich würde es jedoch vorziehen das Verhältnis von Geldsphäre und Gütersphäre als enantiodromisch zu verorten, da keine Seite ohne die andere „zur Blüte“ gelangen würde, sie mithin als Einheit gedacht werden müssen.

Fazit: Es ist nicht so schwer ein neues Paradigma für die Ökonomie zu entwerfen. Man darf sich nur nicht zu sehr an das Alte klammern!

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