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Von großen Krediten und kleinen Einlagen…

Von Wolfgang Stützel kann man lernen, daß immer dann, wenn einzelwirtschaftliche Konzepte auf eine gesamtwirtschaftliche Ebene übertragen werden, höchste Vorsicht geboten ist. Denn gerade in der Wirtschaftswissenschaft kann genau dann der unbesehene Analogschluß auf eine falsche Fährte führen, weil im wirtschaftlichen Gesamtgefüge sachlogische Zusammenhänge gelten, die in der einzelwirtschaftlichen Betrachtung nicht beachtet werden müssen. Das populärste Beispiel für diese sogenannte ‚fallacy of composition‘ ist das Kinobeispiel, wo eine einzelne Person durch Aufstehen vom Sitz eine bessere Sicht auf die Leinwand hat. Sobald das aber alle tun um den gleichen Effekt zu realisieren ist das Ergebnis durchaus desaströs: im Duchschnitt hat sich die Sicht nicht verbessert und der ärgerliche Effekt ist der, daß nun alle stehen anstatt auf hoffentlich gut gepolsterten Sesseln zu sitzen.

Ähnlich liegt der Fall dann, wenn man aus der Betrachtung der Operationsweise einer einzelnen Bank darauf schließen möchte, wie das Bankensystem insgesamt operiert. So steht in den meisten Lehrbüchern über Bankbetriebslehre etwas von Transformationen namentlich Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation. Der zunächst durchaus valide Gedanke dahinter ist, daß Banken in ihrer Eigenschaft als Krediterzeuger erst viel „kleines“ Geld zusammensammeln müssen, um dann dieses Geld für die Vergabe eines neuen „großen“ Kredites einzusetzen. Diese Sichtweise wird dadurch bestärkt, daß die aktienrechtliche Grundlage des Bankgeschäfts zunächst eine Kapitalisierung durch die Aktionäre voraussetzt, mit der dann das kreditäre Bankgeschäft aufgenommen werden kann. Wenn man so will wird durch die Konstruktion von Banken als grundkapitalfinanzierte Einrichtung die Vorstellung genährt, es müsse erst das Geld durch „Einlagen“ – in diesem Fall die Einzahlungen der Aktionäre – eingesammelt werden, damit dann die Kreditvergabe erfolgen kann.

Diese Konzeptionalisierung des Bankgeschäfts wird auch noch theoriegeschichtlich bestärkt, weil in der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts – dem Basismodell der Neoklassik – die Haushalte eine genuin originäre Entscheidung zu treffen haben, nämlich diejenige über Konsum oder Nicht-Konsum. Dem liegt die nicht so ganz abwegige Vorstellung zugrunde, daß die Haushalte über alle Ressourcen der Volkswirtschaft verfügen und diese entweder konsumieren oder eben als Nicht-Konsum den Unternehmen für produktive Zwecke überlassen. Dieser Nicht-Konsum von Ressourcen ist dann das, was in der Neoklassik immer als „Sparen“ bezeichnet wird. So ist es auch nicht verwunderlich, daß durch einen kühnen Analogschluß diese Vorstellung auf Banken angewendet wird, welche ihre „Ressource“ Geld erst von den Haushalten zur Verfügung gestellt bekommen müssen, damit sie dann dieses für die Kreditvergabe einsetzen. Dazu gehört auch die Vorstellung Geld als nutzenstiftendes Gut zu begreifen, so daß das Grundkonzept auf dem der neoklassische Begründungszusammenhang beruht nicht ins Wanken gerät. Damit wird auch erklärlich, warum vom ‚mainstream‘ die Frage wie Geld entsteht gemieden wird wie das Weihwasser vom Teufel. Für die Neoklassik ist Geld einfach da und wenn es zuwenig davon gibt regnet es halt vom Himmel – die Metapher von Friedman ist deswegen so aufschlußreich, weil sie die Behandlung von Geld durch die Neoklassik verdeutlicht. Daß diese rein methodische Finte inzwischen als Rettung eines angeblich maroden Geldsystems propagiert wird steht auf einem anderen Blatt.

Diese hier kursorisch angeführten Theorien sind Grund für die vorherrschende Sichtweise, daß Banken von ihrem Wesen her zunächst an Geld kommen müssen, damit sie ihr Geschäft betreiben können. So läßt sich die Vorstellung von der Fristentransformation recht zwanglos darauf zurückführen, daß Banken ohne Geld nicht arbeiten können, welches sie jenseits des Grundkapitals über eine Attrahierung von Geld, welches ihnen gegen die Gewährung von Sichtverbindlichkeiten oder längerfristig festgelegten Verbindlichkeiten zugeht, für ihre Zwecke nutzen können. Das Konzept „Fristentransformation“ postuliert gewissermaßen, daß die Liquiditätsbedürfnisse der „kleinen“ Verbindlichkeiten einer gewissen Wahrscheinlichkeitsverteilung unterliegen, die so geartet ist, daß daraus „große“ Kredite liquiditätstechnisch bewältigt werden können. Aus der Perspektive einer einzelnen Bank muß selbstverständlich der Liquiditätsstatus mit allen Mitteln gesichert werden, wobei die Frage virulent wird, wie sich die Eingänge und die Ausgänge von Liquidität im Zeitablauf darstellen. In ähnlicher Weise kann auch der Losgrößenaspekt gesehen werden, denn wie angesprochen steht einer Vielzahl von „kleinen“ Passivpositionen eine geringe Zahl von Aktivpositionen gegenüber, wobei aus der sogenannten „Bodensatzbildung“ – der Umstand, daß bei einer Vielzahl „kleinerer“ Verbindlichkeiten stets ein gewisser Bestand an eben diesen Verbindlichkeiten dauerhaft bestehen bleibt – eine Rechtfertigung für die Vergabe langfristiger Kreditengagements abgeleitet werden kann.

Sobald man sich dagegen mit den Frage auseinandersetzt woher nun die Vielzahl der „kleinen“ Bankverbindlichkeiten herkommt wird die vorstehende „einzelbankliche“ Sichtweise auf einmal falsch, weil die „kleinen Passivpositionen“ ja nicht irgendwo vom Himmel gefallen sein können ( – außer für Neoklassiker natürlich…). Denn typischerweise sind Giro- oder Terminverbindlichkeiten der Banken gegenüber den (kleinen) Nichtbanken aus nicht für Konsumzwecke ausgegebenen Einkommensteilen gespeist, deren Herkunft ja nicht einfach vorausgesetzt werden kann. Denn in einem Kreditgeldsystem wird idealtypisch die Generierung von Einkommen dadurch erzeugt, daß ein Unternehmen eine Ausgabe bzw. Auszahlung vornimmt, die ihrerseits wiederum erst durch eine Kreditlinie eines Bankinstituts möglich geworden ist. Mit einer Kreditvergabe schafft die Bank also gewissermaßen eine „große Aktivposition“ (die Forderung der Bank) und eine „große Passivposition“ (das verfügbare Investitionspotential des Unternehmens), wobei aus letzterer durch Ausgaben des Unternehmens für eine Vielzahl von Zwecken lauter „kleine Passivpositionen“ entstehen, die dann ihren Niederschlag in lauter „kleinen Einlagen“ finden und von dort aus auch zu „kleinen Spareinlagen“ mutieren können.

Diese Kausalitätsrichtung resultiert letzten Endes aus dem Umstand, daß in einem Kreditgeldsystem Verbindlichkeiten (aka „Einlagen“ oder etwas korrekter: Sichtforderungen) hauptsächlich als Ergebnis eines Kreditkontraktes entstehen und somit sich der methodologische Ansatz der Neoklassik, die (bei den Haushalten befindlichen) Bestände, die dann der Allokation unterliegen, einfach vorauszusetzen als unangemessen erweist. Denn gerade in puncto Kreditgeldsystem wird ja die Frage virulent, aus welchem Grunde die Schaffung von Kredit vorgenommen wird. Die Antwort darauf ist so einfach wie simpel: das durch einen Kredit zur Verfügung gestellte Geld wird für unternehmerische Zwecke dann ausgegeben, wenn die mehr oder weniger begründete Erwartung besteht, daß der Rückfluß von Geld aus der damit finanzierten Produktion höher ist, als der dafür aufgewendete Abfluß von Geld. Dieser Abfluß von Geld erzeugt jedoch gerade diejenigen Einkommen, deren nichtverwendete Teile dann zu der Erteilung eines Kredites erst führen sollen. Und genau an dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz.

Denn was für die Bankbetriebslehre noch legitim ist, nämlich die Existenz von Geld vorauszusetzen soweit es die Ingangsetzung bzw. die Operationsweise einer Bank betrifft, wird dann falsch, wenn es zu einer Betrachtung darüber kommt, wie ein Bankensystem an das Geld kommt, welches es für seine Geschäftszwecke benötigt. Nun könnte man die methodologische Prämisse, daß die Haushalte alle verfügbaren Bestände besitzen dadurch retten, daß man von einem System der Goldwährung ausgeht, wo natürlicherweise alles existierende Gold irgendjemand besitzen muß. Wenn man auch als Neoklassiker akzeptiert, daß über die Geschichte mit der Goldwährung inzwischen der gnädige Mantel des Vergessens ausgebreitet wurde kann man dennoch das Haushaltskonzept versuchen dadurch zu retten, daß man behauptet, Geld würde den Haushalten „leistungslos“ zufallen – womit man wieder beim Geld abwerfenden Hubschrauber von Friedman wäre. (Eine Spielart davon ist das „zinsfrei“ geschöpfte Geld, welches den Haushalten immerhin gegen irgendeine Leistung zufließen soll. So kann man auch die Neoklassik konservieren! Aber das nur nebenbei.) Die pseudomoderne Fassung der Integration von Geld in die Ökonomie liest sich als ’seigniorage‘, wo die Erträge der Erzeugung von Geld dem Erzeuger – dem Staat – zufließen sollen und somit wiederum der Vorstellung Vorschub geleistet wird, es seien die Haushalte, deren „Ersparnis“ den Banken die Kreditvergabe ermöglichen würden. Man ist versucht zu sagen: Kritik am ‚mainstream‘ sieht anders aus…

Demgegenüber läßt sich mit der Terminologie von Stützel der Sachverhalt, daß zwar einzelwirtschaftlich die Vorstellung, daß erst die „Einlagen“ da sein müssen, um „große“ Kredite vergeben zu können legitim ist, jedoch demgegenüber gesamtwirtschaftlich die „kleinen“ Einlagen erst durch den Abschluß von „großen“ Krediten überhaupt entstehen, in etwa so fassen:
1. Jede Einzelbank kann durch die Einwerbung von „Spareinlagen“ den ihr zur Verfügung stehenden Bestand an Zentralbankgeld erhöhen und damit durch Pooling der „Einlagen“ die Vergabe von „größeren“ Krediten möglich machen.
2. Jede Teilmenge von Banken kann ihren Bestand an Zentralbankgeld durch Einwerbung von „Spareinlagen“ nur dann und in dem Maße erhöhen, als die Komplementärmenge der Banken eine Verringerung ihres Zentralbankgeldbestandes hinnimmt oder erleidet.
3. Die Gesamtmenge aller Banken kann durch die Einwerbung von „Spareinlagen“ den ihr zur Verfügung stehenden Bestand an Zentralbankgeld weder erhöhen noch senken. Falls irgendwelche Theorien über die „Transformation von Zentralbankgeldbeständen“ oder über die  „Geldschöpfung der Banken“ zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen, sind sie falsch.

Akzeptiert man den jahrzehntelangen Umstand, daß diese Welt in einem Kreditgeldsystem lebt bleibt nicht anderes übrig, als die traditionelle Funktionsvorstellung des Bankensystems umzukehren. Es heißt dann nicht:

erst viele kleine (Spar-)Einlagen -> dann eine große Kreditvergabe

sondern:

erst eine große Kreditvergabe -> daraus werden viele kleine (Spar-)Einlagen

Daß eine einzelne Bank letztere Wirkungsrichtung nicht sehen kann und auch nicht sehen muß liegt daran, daß üblicherweise eine „große Kreditvergabe“ mit einem erheblichen Abfluß von Liquidität einhergeht und das bankenindividuelle Problem darin besteht zur Wahrung des Liquiditätstatus zuzusehen, wie man den Liquiditätsabfluß wieder kompensieren kann. Genau dieses Problem wird ja bei „richtig großen“ Kreditlinien wie z.B. große Infrastrukturprojekte wie ein Flughafen o.Ä. erst recht virulent, weil sich aus Risikogründen keine einzelne Bank den durch die Länge der Amortisationszeit einstellenden Liquiditätsverlust leisten kann. (Als Konsequenz daraus hat man die Konsortien erfunden, deren Aufgabe darin besteht abzuschätzen wohin die Liquiditätsströme wandern werden. Sobald man darüber eine Abschätzung gefunden hat ist klar, welche Bank welchen Anteil an der „großen“ Projektsumme übernehmen kann weil sie dann damit rechnen kann, daß dieser Liquiditätsabfluß durch die eingehenden Liquiditätsströme weitgehend wieder kompensiert wird.)

Sobald man also gewillt ist zu akzeptieren, daß ein wirtschaftliches Gesamtgefüge Restriktionen unterliegt, die zwar für einzelnes Element nicht bindend sein müssen, jedoch in der Betrachtung der Gesamtheit nicht ignoriert werden dürften (daß man das ungestraft machen kann ist leider nur zu evident) wird klar, daß die einzelwirtschaftliche Theorie von der Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation zumindest hinsichtlich der ersten beiden Aspekte für einen systemischen Zusammenhang nicht anwendbar sind. Denn in einem Kreditgeldsystem werden aus wenigen „großen“ langfristigen Verbindlichkeiten viele „kleine“ kurzfristige Verbindlichkeiten, woraus wie von selbst das für die Bankbetriebslehre konstitutive Liquiditätsmanagementproblem entsteht, weil das Entstehen der „langfristigen“ Verbindlichkeiten durch das Eingehen von langfristigen Forderungen „erkauft“ wurde.

Und das ist der Clou: das Liquiditäts- und Fristenproblem der Bankbetriebslehre ist eine Folge der Kreditvergabe – und nicht dessen konstitutive Ursache! Denn: engagiert man sich langfristig mit der Maßgabe, daß man auch kurzfristig liquide bleiben muß hat man als Bank ein Problem, welches sich nur als Bankensystem lösen läßt. Von daher kann man den Liquiditätsausgleich zwischen Banken – auch bekannt als Interbankenmarkt – dahingehend interpretieren, daß dort die unvorhersehbaren Liquiditätsdifferenzen aus den Verfügungen infolge eingegangener Kreditlinien auf geräuschlose Art und Weise ausgeglichen werden – solange jeder der beteiligten Banken über eine ausreichende Bonität verfügt. Denn woher sollen Banken wissen, wohin das von ihnen im Kreditvertrag versprochene Geld wandert?

Wenn man so will läßt sich das Konstrukt „Interbankenmarkt“ als eine soziale Veranstaltung der Banken untereinander interpretieren, auf der gewissermaßen Banken sich gegenseitig über die Engpässe in der Liquidität hinweghelfen, da jede Bank im Zeitablauf mal einen Liquiditätsüberschuß und mal ein Liquiditätsdefizit realisiert. Das Kuriose dabei ist, daß das Bankensystem insgesamt nicht über zuwenig Liquidität verfügt, sondern sich lediglich die Verteilung der Liquidität von Zeit zu Zeit ändert. Zwar kann man versuchen durch ein ausgebautes Filialnetz die Wahrscheinlichkeit des Liquiditätsabflusses zu vermindern, in letzter Konsequenz bleibt es dabei, daß der gegenseitige Liquiditätsbeistand gewährleistet sein muß, wobei die Etablierung eines akzeptierten Mindeststandard hinsichtlich der Bonitätsanforderungen als essentielle Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Liquiditätsausgleichsmechanismus angesehen werden muß. Dieser Umstand macht auch völlig zwanglos deutlich, daß dann, wenn das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Geschäftspartnerbanken schwindet, die Bereitschaft gegenseitig Liquiditätshilfe zu gewähren schlagartig verschwindet und somit die Zentralbank gefordert ist die notwendige Liquidität bereitzustellen (man erinnere sich an die LTRO-Fazilitäten) um die Banken zahlungsfähig zu erhalten – obwohl sie in ihrer Gesamtheit nicht über „zuwenig“ Liquidität verfügen würden.

Und genau an dieser Stelle wird dann die Differenz zwischen einer einzelwirtschaftlichen und einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung klar: mal abgesehen von den Bargeldverlusten, die ja einen Abgang von kurzfristigen Verbindlichkeiten bedeuten, kann ein Bankensystem überhaupt nicht zuwenig „Verbindlichkeiten“ haben, die man versuchen müßte „einzuwerben“. Bisher war ja die Theorie davon geprägt, daß eine Bank erst viele „kleine“ Verbindlichkeiten anhäufen muß, damit sie zu einer „großen“ Forderung kommt. Der Gesamtzusammenhang aller Banken kann aber überhaupt nicht über „zuwenig“ Verbindlichkeiten verfügen, weil diese ja – da sie selbst erzeugt wurden – irgendwo sein müssen, genauso wie die dazugehörigen Forderungen. Und da hilft auch keine „Transformationstheorie“ weiter, denn diese Transformation gilt lediglich für eine einzelne Bank, niemals jedoch für die Banken als Gesamtheit. Doch auch wenn es dieses „Transformationsproblem“ nur als einzelwirtschaftliches Problem gibt, gibt es demgegenüber das Liquiditätsausgleichsproblem auf Gesamt-Bankenebene. Denn dadurch wird das einzelbankliche Problem zu einer interbanklichen Veranstaltung, wobei auf diesem Interbankenmarkt einer Nachfrage für „Verbindlichkeiten“ ein Angebot an „Forderungen“ gegenübersteht, dessen Funktion darin besteht, die Folgen des Liquiditätsabflusses aufgrund gewährter Kredite zu neutralisieren. Das einzelwirtschaftliche Transformationsproblem transformiert sich so gesehen auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene zu einem Liquiditätsausgleichsproblem, wo nicht die Frage im Raum steht, wo die „kleinen“ Verbindlichkeiten herkommen sollen (die sind ja sowieso irgendwo da) sondern an welcher Stelle sie und damit wo die Liquidität sich befindet.

Und auf einmal versteht man auch, warum Finanzkrisen dadurch geprägt sind, daß auf einmal „kein Geld mehr da ist“, obwohl kurz zuvor damit noch herumgeworfen wurde. Denn solange es kein Problem damit gibt anderen Kredit zu geben, existiert in puncto Liquidität das Regime der „heißen Kartoffel“, die so schnell wie möglich weitergegeben werden muß. Sobald man sich aber darauf besinnt, daß das eigene Überleben an der Fähigkeit hängt, über diese „Kartoffelscheibchen“ jederzeit in ausreichendem Maße verfügen zu können, macht die Freigiebigkeit einer ängstlichen Speicherpolitik á la Onkel Dagobert Platz, wo das an sich normale Ansinnen Kredit bekommen zu wollen bereits als Beweis dafür gilt, daß der Kreditnachfrager an der Grenze zur Insolvenz angesiedelt ist…

Theoriegeschichtlicher Disclaimer:

Der eigentliche Grund dafür, daß die Losgrößen- und Fristentransformatonstheorie von den meisten Ökonomen so propagiert wird liegt halt daran, daß das Zentralmodell der Neoklassik eine sog. Erstausstattungsökonomie formuliert, wo erst die Entscheidung der Haushalte einen Teil ihres Eigentums den Unternehmen zur Produktion (Investition) zu überlassen den Produktionsvorgang überhaupt erst in Gang setzt. Dieser Nichtverbrauch von Ressourcen wird dort als Ersparnis angesehen, womit überhaupt erst die Idee in die Welt gekommen ist, die Ersparnis sei Voraussetzung von Investition. In einem simplen Analogschluß wurde dann in Bezug auf die Bankbetriebslehre die Version von den vielen kleinen Spareinlagen geboren, die erst mal da sein müßten, damit eine große Investition damit getätigt werden könne.

Dieser Analogschluß geht natürlich voll in die Hose, weil Geld sowie in Geld denominierte Schuldverhältnisse keine bestehenden oder produzierten Ressourcen darstellen, sondern aus einer Übereinkunft bestehen sich gegenseitig (zeitlich strukturiert) Zahlungsversprechen zu geben, wobei der Zahlungsmittelstandard von der Zentralbank definiert wird. Dieser Umstand sorgt bis heute deswegen für viel Verwirrung, weil bislang für 99% aller Ökonomen an eine Aufgabe des neoklassischen Paradigmas nicht zu denken ist. Doch gerade die Plausibilität, Geld genauso zu behandeln wie eine Ressource verstellt dafür den Blick, daß gerade die Geldtheorie das Potential hat der Neoklassik ein Paradigma entgegenzusetzen, welches sich nicht mit irgendeiner albernen Annahmenkritik aufhält, sondern der Tauschheuristik der Neoklassik die Kooperationsheuristik entgegensetzt. Mit einer Kooperationsheuristik entsteht jedoch praktisch wie von selbst eine Verpflichtungsökonomie, die durch das Eingehen und die Auflösung von Schuldverhältnissen geprägt ist. Diese Schuldverhältnisse entstehen bei der Aufnahme von kooperativen (und hoffentlich produktiven) Unternehmungen/ Projekten und erzeugen in ihrer Vielzahl dann auf einmal einen sich verselbständigenden Finanzsektor. Diese Verselbständigung geht jedoch mit einer „Entfremdung“ von dem eigentlichen Objekt der Wirtschaftstheorie – den Ressourcen und Gütern – einher und ist gewissermaßen der Verstoß aus dem Garten Eden, in dem Güter und Ressource noch einen „Wert“ besitzen, während die schnöde Welt des Geldes nur noch einen Preis kennt. Sobald aber einmal die Erkenntnis über die Strukturierung ökonomischer Beziehungen nach monetären Kriterien einmal in der Welt ist, ist der Weg zurück zum Garten Eden, wo der „Wert“ noch einen Wert hatte ein für allemal vorbei. Das mag man bedauern, aber echter Fortschritt kümmert sich nicht um die Zurückbleibenden.

Diese theoriegeschichtliche Begründung vom Primat der Einlage über den Kredit trifft sich mit der einzelwirtschaftlich orientierten Bankbetriebslehre in ihrer liquiditätsbedingten Fokussierung auf die Einlagen, obwohl diese ja erst durch eine vorangegangene Kreditgewährung entstanden sein können. Dieser Aspekt bleibt jedoch deswegen im Nebulösen, weil die Neoklassik weder zugeben kann, daß Geld keine Ressource ist noch darüber nachdenken will, daß es Bereiche gibt, in denen das Knappheitsprinzip nicht durch eine vorgegebene Menge beschränkt wird und damit nicht mehr anwendbar ist. Die Kritiker der Neoklassik riechen gewissermaßen diese Schwachstelle (und versammeln sich hinter dem Schlachtruf „Die Banken schaffen das Geld durch Kredite!), obwohl sie damit ausgerechnet der Scheinkontroverse zwischen „endogenem“ und „exogenem“ Geld (die sagenumwobene ‚currency-banking‘ Kontroverse) unbehelligt von jeglicher Sachkenntnis auf den Leim gehen.

Worin besteht also die Restriktion des Bankensystems als Gesamtheit? Sie besteht daraus, daß – wie der legendäre Artikel von Tobin über den „Krug der Witwe“ darlegt – die Banken weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit dasjenige erzeugen können, womit sie ihre Schulden bezahlen: Geld!

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Makroökonomie: die Frage nach dem Machbaren

Hirschmedaillon mit NußkrusteDas Forschungsfeld Makroökonomie wird üblicherweise dadurch beschrieben, daß dort Untersuchungen über gesamtwirtschaftliche Größen wie Konjunktur, Inflation, Außenwirtschaft und nicht zuletzt auch Geldpolitik stattfinden. Für den oberflächlichen Betrachter mag damit die Frage nach dem Stellenwert von Mikro- und Makroökonomie erledigt sein. Anders sieht es dagegen aus, wenn man anfängt die methodologischen Grundlagen zu analysieren, die beiden Forschungsfeldern zugrundeliegen. Denn das Verhältnis von Mikro- und Makroökonomie ist nicht so, wie man es aus gleichberechtigter Kommunikation kennt, sondern durch eine Hierarchieebene getrennt, die es nicht erlaubt symmetrische Anforderungen an beide Ebenen stellen zu können.

Das betrifft im wesentlichen die Frage, auf welcher Ebene tatsächlich Handlungen vorgenommen werden und die Antwort darauf ist auch klar: auf der Mikroebene. Denn dort und nur dort können Akteure nach Maßgabe der ‚ceteris paribus‘-Klausel handeln, was nichts anderes heißt, als daß sie ohne Berücksichtigung von Rückwirkungen handeln können und dabei auch die sogenannten „makroökonomischen Ziele“ durchaus ignorieren können (und müssen). Eine handlungstheoretisch ausgerichtete Wissenschaft muß schon aus diesem Grunde postulieren, daß alle ökonomischen Effekte und Phänomene aus den Handlungen von Individuen heraus erklärt werden müssen. In gewisser Weise ist dies auch verständlich, weil es ein „Handeln der Gesamtgruppe“ schon allein deswegen nicht gibt, weil es an informationellen Bedingungen scheitert, die Rückwirkungen der (existierenden) Einzelaktionen explizit nachzuvollziehen – das ist das analoge Problem der nutzengesteuerten Entscheidungsfindung, was Berechnungsleistungen erfordern würde, die noch nicht mal von den schnellsten Supercomputern bereitgestellt werden können.

Diese Tatsache muß eine Theorie der Makroökonomie auf eine spezifische Weise durchaus ernst nehmen, denn sonst setzt sie sich automatisch dem Vorwurf aus, ökonomische Entwicklungen nicht aus der rationalen Wahl von Individuen ableiten zu können. Dieser Vorwurf ist so richtig wie faul, denn natürlich bestehen makroökonomische Entwicklungen aus individuellen Handlungen, nur können selbst diejenigen, die derartige Forderungen nach einer „Mikrofundierung“ aufstellen, ihren eigenen Anspruch nicht erfüllen und versuchen die Welt damit zu überzeugen, daß ein „repräsentatives Individuum“ schon geeignet sei, makroökonomische Phänomene abbilden zu können. Natürlich ist klar, daß mit einem solchen Ansatz sämtliche sich widersprechenden Gegensätze unterschiedlicher Akteure per Annahme (!!) ausgeblendet werden, insbesondere ist damit ausgeschlossen, daß es durch diese „individualistischen“ DSGE-Modelle keinen Raum für so widerlich reale Dinge wie Kreditverhältnisse gibt, die sich dadurch auszeichnen, daß Individuen offensichtlich doch nicht alle die gleichen Interessen haben, wodurch ihre jeweiligen Handlungsweisen durchaus andersartig sein und ohne weiteres auch widersprechen können.

Das stellt natürlich die Frage nach dem Erkenntniswert von Makroökonomie bzw. die Frage nach einer Vorgehensweise, die nicht von vornherein sich des Vergehens schuldig macht, Entwicklungen von Aggregaten ohne Umweg über die Handlungsinteressen von Individuen erreichen zu wollen. Ein prominentes Beispiel für ein derartiges Desaster ist der sog. „hydraulische Keynesianismus“, dessen Philosophie von einer Allmachtsphantasie getragen wurde, die sich aus dem IS-LM-Modell ableitete, in dem die „Stellschrauben“ Budgetdefizit und Geldangebot als ausreichend angesehen wurden, um eine verläßliche gesellschaftliche Wirtschaftssteuerung betreiben zu können. Dieser Schuß ging natürlich nach hinten los, weil sich diese Theorie der Annahme verschrieben hatte, daß sich makroökonomische Entwicklungen gestalten lassen, ohne dabei irgendwelche Ausweichreaktionen berücksichtigen zu müssen. Besonders ärgerlich in dieser Hinsicht ist, daß die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung in dieses Konzept insoweit eingebettet war, als sie gewissermaßen den „Identitätsrahmen“ dafür bereitstellen mußte und folgerichtig mit dem Untergang des IS-LM-Keynesianismus gleichermaßen diskreditiert wurde. Es hat durchaus seine Gründe, warum die VGR bzw. in ihrer monetär fixierten Variante, die „volkswirtschaftliche Saldenmechanik“ einen derart schlechten Ruf in der ökonomischen Profession besitzt.

Das hat natürlich seinen Grund der darin besteht, daß man monetären Aggregaten keine selbständige „Entwicklung“ unterstellen kann. Darauf hat auch W. Stützel als Hauptprotagonist der „Saldenmechanik“ immer wieder zu Recht hingewiesen. Doch auch wenn der Meister seine Warnungen ausspricht, sind die Lehrlinge dann doch immer wieder in Versuchung, die Fähigkeiten des Meisters sich selbst zuzurechnen nur um festzustellen, daß ihre Versuche dann doch in einer kolossalen Pleite enden. So ist beispielsweise der Schluß von einer „negativen“ Saldenänderung des Staates auf die „positiven“ Saldenänderungen im privaten Sektor korrekt, was nicht korrekt ist, sind die Vermutungen, welche Auswirkungen sich daraus auf den privaten Sektor ergeben, denn eine Aggregataussage läßt sich nicht ohne weiteres auf individuelle Auswirkungen herunterbrechen. Natürlich sind die Ausgaben des einen die Einnahmen des anderen, daraus läßt sich aber nicht schließen, daß diese Einnahmen wieder zu Ausgaben werden müssen, weil in gleicher Weise Einnahmen auch zur Tilgung von Krediten verwendet werden können und damit die Einnahme/ Ausgabe-Mechanik ins kreditäre Nirwana verdampfen kann. Stützel hat deswegen auch immer wieder betont, daß Saldenmechanik nur dazu dient zu ergründen, ob und inwieweit die Handlungsmöglichkeiten von Individuen bzw. Gruppen auch den Konsistenzerfordernissen einer modernen (monetären) Wirtschaft entsprechen, oder wegen saldenmechanischer Unvereinbarkeiten von vornherein auf einen nicht möglichen Zustand abzielen.

Damit bestimmt sich denn auch der Stellenwert von Makroökonomie: es geht darum zu entscheiden, ob z.B. Gesetze oder politische Entscheidungen, die das Staatsbudget betreffen überhaupt geeignet sind die Ziele zu erreichen, die mit der betreffenden Maßnahme beabsichtigt worden sind. Derartige Dinge sind durchaus ernstzunehmen, obwohl die Akzeptanz saldenmechanischer Argumente äußerst schleppend ist. So ist z.B. der saldenmechanische Vorbehalt, Sparmaßnahmen würden zu einem Rückgang des Wachstums, ja sogar zu einer Reduktion des Wirtschaftsniveaus führen durchaus als richtig rezipiert worden, auch wenn der aktuelle Fall (Griechenland) zu diesem Zeitpunkt längt tief im Brunnen liegt. Das betrifft auch eine „Wettbewerbsphilosophie“, die glaubt, „Wettbewerbsfähigkeit“ wie eine gute Eigenschaft auf alle verteilen zu können, die sich nur den Kriterien der „Sparsamkeit“ verpflichten. (Letzteres ist noch nicht einmal eine genuin saldenmechanische These, obwohl sie sich aus der Saldenmechanik auch ableiten läßt.) Was Makroökonomie nicht ist: ein Werkzeugkasten, den man zur Erreichung mehr oder weniger gewünschter ökonomischer Ziele benutzen kann wie eine Pumpe, deren Anwendungsbereich klar definiert ist.

Damit wird aber auch gleichzeitig das Feld der Kontroverse umrissen, welche die Makroökonomie ausmacht. Denn die Frage danach, was überhaupt möglich ist dreht sich nicht erst seit gestern um die Frage, welche Funktionsbedingungen sind anzulegen, um die Frage zu lösen, ob bestimmte Maßnahmen zum Erfolg führen und welche nicht. Die zentrale Kontroverse um die es hierbei geht besteht im Grunde genommen aus der I=S Frage, genauer nach der Wirkungsrichtung dieser Beziehung. Klipp und klar ausgedrückt geht es darum ob erst die Ersparnis vorliegen muß, um Investition zu ermöglichen, oder ob Investition die Voraussetzung von Ersparnis ist. Je nachdem, wie man diese Frage beantwortet, ist damit der Bereich des Machbaren abgegrenzt, obwohl das Ziel identisch ist: die Steigerung der Investition. Die eigentliche Zentralkontroverse geht darum wie die Investition erklärt wird: durch Sparen oder durch Kredit. Die erstere Theorie (Sparen) ist die allgemeine Gleichgewichtstheorie, die Investition aus Nicht-Konsum erklärt. Die andere Theorie (Investition = Geldvorschuß) existiert eigentlich bisher überhaupt nur in Fragmenten, weil sich die ökonomische Forschung der Idee verschrieben hat, neue Erkenntnisse nur dann zu akzeptieren, wenn das „Alte“ dabei erhalten bleiben kann. Das hat dazu geführt, daß immer dann, wenn keine unmittelbare geldtheoretische Antwort auf eine Sachfrage offensichtlich war zu den Theorien und Konzepten der Gleichgewichtstheorie zurückgegriffen wurde, nur um festzustellen, daß man sich damit von der eigentlichen paradigmatischen Plattform nicht emanzipieren kann.

Das ist unter anderem deswegen so virulent, weil die Welt schon lange nicht mehr durch die Regeln einer „übersichtlichen“ Kornökonomie gesteuert wird, in der man sogar noch eine „reale Ertragsrate“ als sinnvolles Konzept akzeptieren könnte, sondern das makroökonomische Koordinationsproblem dadurch gekennzeichnet ist, die Handlungsweisen von Millionen von „Individuen“ derart zu steuern, daß das Ergebnis gewissen (abstrakten) Erfolgskriterien genügt. Dieser Sprung von der heimeligen selbstversorgenden Kleinstwelt zu einer nach unpersönlichen Kriterien operierenden Funktionsweise des Kreditgeldkapitalismus ist von der zuständigen Wissenschaft nur in mikroskopischen Fragmenten überhaupt rezipiert worden. Daß jedoch in einer solchen Welt die Frage der Kooperation mit der Frage von Verschuldung zusammenhängt, geht bis heute nicht in die Köpfe der Professoren hinein. Dabei ist die Idee, daß kooperative Handlungen erst zu denjenigen Ergebnissen führen, die dann auf dem Markt als Waren auftauchen nicht so schwer zu begreifen, denn es gilt ja das Motto: Ohne Fleiß kein Preis. Damit der Fleiß sich entfaltet muß erst die Frage nach der Gegenleistung geklärt werden, wodurch man unmittelbar eine konkurrierende Erklärung für den Arbeitslohn erhält, die nichts mehr mit der „Wahl“ zwischen Freizeit und Arbeitsleid zu tun hat. Hier hinkt die theoretische Ökonomie der aktuellen Entwicklung, auch und insbesondere hinsichtlich der Behandlung des Finanzsystems, um Lichtjahre hinterher.

Aber unabhängig davon wird durch die Organisation gesellschaftlicher Arbeitsteilung durch ein Kreditarrangement die Makroökonomik auf einmal zu einer abstrakten Klammer, die im Gegensatz zu den Beschränkungen der realen Welt auf einmal Konsistenzerfordernisse setzt, die sich in der „Saldenmechanik“ wiederfinden lassen. Und unabhängig von der Tatsache, daß sich erst durch die Dekomplexierung durch Geld die Wirtschaftswelt handhabbar darstellt, wird auf einmal der Zwiespalt von Forderungen und Verbindlichkeiten, d.h. die Bedienbarkeit von Schulden zu einer Existenzfrage, die sich nicht auf ein „repräsentatives Individuum“ reduzieren läßt. Denn in der Geldwirtschaft gilt notwendig, daß jedes Individuum entweder Nettoschuldner oder Nettogläubiger ist – so daß sich deshalb die Reaktionsweisen der Individuen je nach spezifischer Rahmenbedingung auch verschieden darstellen. Man kann es auch umgedreht sehen: weil Geld ein soziales Verhältnis darstellt und der physische Ausdruck in Form der Banknote lediglich dazu gebraucht wird, Kontrolle über die Organisatoren des gesellschaftlichen Abrechnungssystems (Banken) auszuüben*, wird Makroökonomik auf einmal zu einer Theorie der strategischen Steuerung monetärer Interaktion. Dann wird es auch möglich Geldtheorie als Delegationsproblem zu interpretieren, wo die Funktionsfähigkeit des gesellschaftlichen Abrechnungsmediums zu erhalten zu einer konstitutiven Bedingung gesellschaftlicher Entwicklung wird. Damit entscheidet statt der individualistischen Methodologie die Qualität einer sozialen Methode bzw. ein Kooperationsverhältnis darüber, ob das Kreditgeldsystem eine kohärente Wirtschaftsstruktur generiert und sich damit Dimensionen eröffnen, von der die individualistische ‚mainstream‘-Schulweisheit noch nicht einmal weiß, daß sie davon träumen kann.

 

*Aus diesem Grund kann man die QE oder die LTRO-Operationen der (westlichen) Zentralbanken, die versuchen über verschiedene „Kanäle“ die individuellen Entscheidungen zu steuern, auch als eine Kapitulation vor ihrer eigentlichen Zentralaufgabe ansehen, nämlich die Kreditkonditionen „ihres“ Bankensystems qualitativ zu nivellieren, sowie nachhaltig zu gestalten. Man mag das mit der Begründung rechtfertigen, daß sonst unüberschaubare Kettenreaktionen zu desaströsen Entwicklungen führen würden. Das heißt jedoch nur, daß man sich darüber Gedanken machen muß, wie man diese Kreditketten auf ein gesundes Maß verkürzt. Solange allerdings die Bildung von Kreditketten sogar noch steuerlich begünstigt wird, braucht man eine vernünftige Lösung dieses Problems in nächster Zukunft nicht zu erwarten.

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Logische Typenlehre und die Ökonomie

dont believeDas Schönste an der Quantitätstheorie M V = P Y ist die Naivität, mit der allen Ernstes versucht wird einen Zusammenhang zwischen der Ebene der Güter und der Ebene des Geldes herzustellen. Da allerdings den Urhebern dieser Theorie bei dem Gedanken an deren Stichhaltigkeit nicht so ganz geheuer war, wurde denn auch in der Folge die Gleichung wahlweise als Tautologie, Identität oder gar als Kontinuitätsformel ökonomischer Weisheit präsentiert. (Es ist aber auch möglich, daß man ausgehend von der Quantitätstheorie zu korrekten Aussagen kommt, wenn man sich nur an die monetären Grundsätzlichkeiten hält, die von den statistischen Ämtern veröffentlicht werden; die Feldtheorie der Ökonomie  ist, jenseits der Tatsache, daß sie sich nicht um die hier angesprochene Problemlage schert ein Beispiel dafür, daß man auch ‚right for the wrong reasons‘ sein kann.)

Der quantitätstheoretische Ansatz sucht die Antwort auf die „Geldfrage“ in einer Realmystik, weil er sich nicht damit abfinden will, daß die Funktionsweise (!!!) von Geld mit Wert nichts zu tun hat. Denn die Frage nach dem Wert hat was mit intrinsischen Befindlichkeiten zu tun, welche durch die Präferenzen der allgemeinen Gleichgewichtstheorie in aller Form dargelegt werden. Nun ist zwar die Frage, was Geld für ein Individuum wert ist auch eine Frage von persönlichen Einschätzungen, nur ist dieser Entscheidungsaspekt auf einer anderen Ebene angesiedelt, als es die Entscheidung über die Nützlichkeit eines Objektes ist.

Der theoriegeschichtliche Hintergrund ist dabei, daß das Zentralmodell der herrschenden Wirtschaftstheorie – die allgemeine Gleichgewichtstheorie – aufgrund ihrer Konstruktion nur relative Tauschverhältnisse abbilden kann. Aus diesem kühlen Grunde ist es erforderlich eine formelhafte Abbildung zu finden, um die relativen Preise in absolute Preise (Geldpreise) zu transformieren. Dazu wurde der gesamtwirtschaftliche Umsatz (P * Y) mit „der“ Geldmenge (M) in Beziehung gesetzt und heraus kommt eine ominöse Variable (V), die dann so etwas Ähnliches abbilden soll wie die „Händewechselhäufigkeit“ jeder einzelnen Geldeinheit.

Die wichtigste und leider für die Ökonomie fatale Zuschreibung an den auf diese Weise unterschwellig definierten „Geldwert“ ist die Assoziierung von Geld als einem „Realwert“, obwohl die Quantitätstheorie gerade diesen Schluß nicht nahelegt. Denn wie man durch einfache überlegung nachvollziehen kann, ist die Höhe der Geldpreise (P) von der Geldmenge (M) abhängig, so daß in der Definitionsformel für V (die sagenumwobene Umlaufgeschwindigkeit)
V = P*Y/M
auf der rechten Seite Variable stehen, die auch ohne ein ominöses V voneinander abhängig sind. Die logische Folge davon ist, daß damit die Frage des „Geldwertes“ völlig in der Luft hängt – weil die entscheidende Frage der Abhängigkeit von P und M bereits auf der „rechten“ Seite stattfindet – und zu allem Überfluß auch noch Y (das reale Sozialprodukt) in diese vermeintlich selbst-evidente Beziehung hineinspielt, was, sobald man V als konstant voraussetzt, zu einer Beziehung von monetären und realen Einheiten führt und damit automatisch die Vorstellung des „Realwertes“ einer Geldeinheit erzeugt wird. Der intellektuelle Kurzschluß zu einer Vorstellung eines „werthaltigen Geldes“ (Goldwährung) ist an dieser Stelle nicht mehr weit. Dieser Kurzschluß trifft sich mit der phänomenologischen Erfahrungstatsache, daß Geld ja gegen Sachgüter „getauscht“ werden kann, so daß einer Identifizierung von Geld und Wert nichts mehr im Wege steht. Daß damit einer Verwechslung kategorialer Ebenen Vorschub geleistet wird ist dann kein Wunder mehr.

Damit kommen wir aber zum Punkt: der logische Typensprung besteht daraus, daß Kommunikation über Sachen anderen Kriterien unterliegt, als die Sachen selbst. Kommunikation über die Verfügung von Sachen hat was damit zu tun, daß diese Funktionalität keine direkte Verbindung mit einer (möglicherweise) zugehörigen Interaktionsform besitzt, die auf einen Ausgleich von Werten aufgebaut ist. So ist zum Beispiel die Funktionalität von Sachen in der Korntheorie des Zinses von Ricardo zu finden, die mit der Funktionalität der Kommunikation über monetäre Profitraten nicht das mindeste zu tun hat. Oder anders: die klassische Austauschrate von Hirsch und Biber bei Adam Smith hat zwar etwas mit den relativen Wertverhältnissen zu tun – der Zielpunkt dieser Art von Interaktion ist jedoch darauf geeicht, aus der geschäftlichen Interaktion gerade keine Schuldbeziehung erwachsen zu lassen, welche nach Abschluß dieses Tausches eine Fernwirkung auf zukünftige (geschäftliche) Beziehungen haben könnte. Ein Tausch hat gerade mit dem, was monetäre Verpflichtungsrelationen angeht allenfalls indirekt etwas zu tun!

Der Hintergrund für diese Konzeptionierung ökonomischer Ebenen findet sich vordergründig in der Kommunikationstheorie von G. Bateson, im Endeffekt jedoch in der logischen Typenlehre von Whitehead und Russell:

„Unser Forschungsansatz beruht auf dem Teil der Kommunikationstheorie, den Russell die ‚Theorie der logischen Typen‘ genannt hat. Die zentrale These dieser Theorie besagt, dass zwischen einer Klasse und ihren Elementen eine Diskontinuität besteht. Die Klasse kann weder ein Element ihrer selbst sein, noch kann eines ihrer Elemente die Klasse sein, da der für die Klasse gebrauchte Terminus einer anderen Abstraktionsebene – einem anderen logischen Typ – angehört, als die auf die Elemente anwendbaren Termini.“

Der hier verwendete Ansatzpunkt besteht daraus:

Obwohl in dieser Passage sowohl von (Abstraktions) ‚Ebenen‘ als auch von ‚Typen‘ gesprochen wird, suchen wir in Batesons Arbeiten vergeblich nach einer Bestimmung der Unterschiede zwischen diesen beiden Parametern. So deutlich einerseits der Unterschied zwischen den Begriffen Element und Klasse im Rahmen logischer Argumentation ist, so ungeklärt bleibt andererseits das Verhältnis zwischen Ebenen und Typen in der psychologischen Kommunikationstheorie von Bateson.

Nun geht es hier nicht darum die logische Typenlehre zu diskutieren, sondern darum den Aspekt hervorzuheben, der sich daraus ergibt, daß Bateson und später Luhmann angeregt haben, daß Wirtschaft als ein Kommunikationssystem begreifbar ist, welches von der Konzeption, Wirtschaft als reales Tauschsystem zu betrachten, fundamental unterschiedlich ist. Damit hat es sich allerdings mit Bateson und Luhmann auch schon. Das was man als Wesentliches daraus lernen könnte ist, Wirtschaft nicht als Substanzfrage zu betrachten, sondern als kommunikative Veranstaltung, die davon geprägt ist, daß Einvernehmen über Verfügungen hinsichtlich realer Objekte erzielt wird. Die Ignoranz der Ökonomie besteht dagegen daraus, daß die Formulierung einer Grenzproduktivität als a priori postulierter handlungsleitender Zentralaspekt dazu führt, daß monetäre Kommunikation zu einem abhängigen Abbild der realen Sphäre wird. Das ist der (tragische) Stand der Dinge!

Die logische Typenlehre der Ökonomie postuliert demgegenüber, daß die Objekte der Realökonomie einen „Transmissionsmechanismus“ brauchen, in dem Sinne, daß es einen Kommunikationsstandard braucht, der die Kriterien definiert, wann reale Objekte entweder einen Eigentumswechsel erfahren oder zu einer Produktionsveranstaltung eingesetzt werden (können). Damit betrachtet sie die Unterschiede, welche zwischen der Realebene und der monetären Ebene existieren. Die Differenz der Unterschiede ökonomischer Kategorien hebt gerade den Unterschied hervor, der sich zwischen Produktivität, die sich auf eine reale Menge von Gütern bezieht, befindet, während demgegenüber Gewinn sich auf Geld bezieht, welcher sich nicht aus einer Produktivitätsphilosophie erklären läßt. Es klingt lächerlich, aber den (meisten) Ökonomen muß man sagen: Geld wächst nicht auf Bäumen!

Der in dieser Problemverstrickung enthaltene Hänger ist dabei immer der gleiche: Kommunikation wird immer dann zum Problem wenn Objekt und Bezeichnung verwechselt werden. So ist eine Zinstheorie der Produktivität eine Angelegenheit von Mengen. Dagegen ist die Kommunikation über Mengen eine Metaebene (die Zins als eine Zuschreibung zu dem abstrakten „Wert“ – besser: Forderungsvolumen – einer Schuldforderung manifestiert), deren Existenz von der bisherigen ‚mainstream‘-Ökonomie weitgehend geleugnet wird. Der augenfälligste Ausdruck dieser Scheuklappenstrategie ist die Quantitätstheorie, die völlig unbekümmert von einer strukturellen Differenz von Objekt- und Kommunikationsebene einen kausalen (meistens noch schlimmer als selbst-evidenter Identitätskomplex verstandener) Konnex zwischen beiden Ebenen postuliert und damit das zentrale Hindernis für eine ökonomische Theorie darstellt, die wenigstens mal den Anspruch struktureller Konsistenz erheben könnte.

Ein Ansatz, der sich zugutehalten kann, dieser Verwechlung nicht zu unterliegen resultiert aus den Untersuchungen von L.A. Hahn und M. Copeland, deren Untersuchungsobjekt die monetären Relationen einer Volkswirtschaft sind, der sich über A. Forstmann, W. Lautenbach und schließlich W. Stützel in dem Konzept der „volkswirtschaftlichen Saldenmechanik“ niedergeschlagen hat. Das eigentliche ‚feature‘ dieses Ansatzes, gerade ohne einen Bezug zu realen Objekten auszukommen macht sie in den Augen des ‚mainstream‘ zu einer nicht-ökonomischen Theorie, weil damit der Bezug zu den realen „Wahrheiten“ verloren geht, woraus sich ganz zwanglos auch die permanente Abneigung gegen diese Art der Konzeptualisierung ökonomischen Denkens erklären läßt. Dabei ist diese Kritik in etwa so, als würde sich die Hardwareabteilung über die Softwareabteilung eines Computerherstellers dahingehend beschweren, daß die Software-Programmierer keine Hardware-Entwicklung betreiben wollen. Natürlich ist da auch ein Zusammenhang, aber die Regeln und Kriterien der Software-Entwicklung sind eben nur indirekt davon bestimmt, welche Konstruktionsprinzipien in der Hardwareabteilung als neuester Schrei zur Anwendung kommen.

Die logische Typenabbildung zwischen der Realsphäre und dem monetären Kommunikationssystem besteht eben daraus, daß Geld als relatives Maß der Produktion einen indirekten Zusammenhang herstellt, da ja Bezeichnung und Objekt eine zwar begriffliche, aber letztlich nur eine phänomenologische Einheit zu etablieren in der Lage sind. Das ist vor dem Hintergrund einer effizienten Institutionalisierung auch nicht schlimm, bedeutet aber hinsichtlich einer angemessenen Wirtschaftstheorie, daß man sich davon fern halten muß, die strukturellen Ebenen der ökonomischen Analyse auf eine unangemessene Weise zu vermengen. Die Einsicht, die logischen Typen der ökonomischen Erkenntniswelt strukturell auseinanderzuhalten eröffnet die Möglichkeit, Geld und Wert, wenn schon nicht zu „integrieren“, so doch miteinander dergestalt zu verbinden, daß es möglich wird, ohne logische Kategorialverwechslungen über Ökonomie in einer zukunftsfähigen Weise diskutieren zu können.

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Das Geld ist weg?

Patrick Bernau hat in der FAZ eine interessante These aufgestellt, die als Aufruf verstanden werden kann, die Kreditübernahme im Zuge der Umschuldung Griechenlands von privaten auf öffentliche Gläubiger als verloren zu betrachten. Das Argument dabei ist, daß Griechenland seine Schulden nicht wird bedienen können – von einer Rückzahlung ganz zu schweigen. Dabei zitiert er Reinhart/ Rogoff mit der „Erkenntnis“, daß Schuldenstände über 90% – selbst für Industrieländer – nicht tragbar seien. Und weiter führt er aus, daß bereits 60% schon „eine gefährliche Zone“ seien und damit eine Nachhaltigkeit des Staatsschuldenstandes nicht mehr gegeben sei.

Und schließlich sei die Vorstellung, eine Entlastung des Schuldendienstes durch eine Senkung der Zinsen vorzunehmen, eine „seltsame Idee“.

Zunächst mal: der Unterschied von Privat- und Staatsschulden ist: private Kredite werden i.d.R. durch Zins- und Tilgungszahlungen zurückgeführt, während Staatsschulden in 99,9% aller Fälle verzinst und rolliert werden. D.h. bei Staatsschulden hängt die Bedienbarkeit an der Höhe der Zinsen und der Bereitschaft der Gläubiger, auslaufende Papiere zu ähnlichen Konditionen zu prolongieren. (Das ist das viel zitierte „Vertrauen“!)

Aber nun: gibt es aus irgendeinem Grund eine Kreditverweigerung der Kreditgeber, ist JEDER Staat von heute auf morgen „pleite“ in dem Sinne, daß eine Refinanzierung nicht mehr zu akzeptablen Konditionen möglich ist. Und soweit eine Finanzierung über die Zentralbank nicht möglich ist, ist das Spiel aus!

Das Beispiel Japan und demnächst USA zeigen jedoch, daß Schuldenstände auch jenseits der 90% sehr wohl hauptsächlich durch private „Investoren“ „tragbar“ sind, auch wenn es entgegen! mutmaßlicher Prognosen einer Markttheorie dabei zu sinkenden! Zinsen kommt. Denn die Intervention der Zentralbank kann auch derartige Schuldenstände bedienbar halten, indem der Schuldendienst durch niedrige Zinsen und einer impliziten Garantie der Zentralbank reibungslos vonstatten geht. Das mag man als ökonomisches Foulspiel interpretieren, aber das ist die gegenwärtige und zukünftige Realität! (Daß Versicherer und Fonds diese Situation nicht so toll finden, steht auf einem anderen Blatt! Das ist übrigends ein Argument dafür, daß eine Niedrigzinspolitik einer Zentralbank keineswegs die Blasen-aufpumpenden Effekte hat.)

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, der die Eingangsfrage in ein völlig anderes Licht stellt. Wie man so schön sagt, sind Staatsschulden nicht erhobene Steuern! Was heißt das? Üblicherweise steht dem Einkommen des produktiven privaten Sektors eine reale Leistung gegenüber, die der Staat durch Steuern für sich beanspruchen kann. Aus der Perspektive der Theorie der öffentlichen Aufgaben ist das auch notwendig und berechtigt. Sobald aber der Staat bei seinen Bürgern Kredit aufnimmt wird der eigentlich private „Konsumanspruch“ in der betreffenden Periode durch den Staat ausgeübt, so daß die reale Leistung damit – wie beim privaten Konsum auch – untergeht. Provozierenderweise könnte man auch sagen: der Staat hat einen Teil des BIP „verfrühstückt“! (Daß die öffentlichen Ausgaben des Staates auch positive externe Effekte aufweisen, steht dem nicht entgegen – diese positiven externen Effekte sind auch für jede Gesellschaft notwendig!)

Das heißt dann aber auch auf gut Deutsch, daß mit der kreditfinanzierten Staatsausgabe reales BIP genutzt wird, welches in Folgeperioden durch keinerlei staatliche Leistung kompensiert werden kann, weil das Grundmuster realer Leistungserstellung durch zu tilgende private Kredite geprägt ist. Das bedeutet, daß eine staatliche Leistungsinanspruchnahme eine einmalige private Leistung zu einem dauerhaften staatlichen Zahlungsanspruch transformiert, welcher seitens des Staates nicht mehr (real) einlösbar ist – denn der Staat erbringt per definitionem keine privatwirtschaftliche Aktivität, die auf einen Konsumvorgang zielt! Aus diesem kühlen Grunde ist eine Staatsschuld letztlich aufgrund der Organisationsstruktur im Kreditgeldkapitalismus eine gesamtwirtschaftlich gesehen uneinbringliche Forderung, die von der Gesamtheit der Gläubiger NIE wieder in reale Leistungen zurücktransformiert werden kann. Für die Gesamtheit der Gläubiger gilt demnach stets: „Das Geld ist weg!“ Natürlich gilt diese Aussage nicht für den einzelnen Gläubiger, denn insoweit ein anderer Gläubiger in seinen Zahlungsanspruch eintritt, gibt es tatsächlich eine Möglichkeit zum Ausstieg! (Wer an den Unterschied von Global- und Partialsatz denkt, denkt richtig!)

Das heißt aber, daß es von der Grundkonstruktion! her gesehen zwischen den Staatsschulden Deutschlands und Griechenlands keinen Unterschied gibt!

Was ist also der Unterschied? Eben: die Zinshöhe und die Möglichkeit, die Schulden zu rollieren – sonst nichts! Und weil das so ist, geht die Idee der Zinsreduktion für Griechenland auch in die richtige Richtung, denn ein halbes Prozent über dem Niveau der deutschen gegenwärtigen Zinsen ist für eine Sanierungspolitik durchaus tragbar – solange der korrespondierende Schuldenstand erhalten bleibt. Und die Rollierung des Schuldenstandes sollte für die EURO-Staaten im Grunde genommen auch kein Problem sein, soweit die Bedienbarkeit des Schuldenstandes gewährleistet wird. Was wäre die Voraussetzung für ein derartiges Szenario? Ganz einfach: Griechenland müßte sich damit abfinden, daß es ein Staatsdefizit von 0,0% fahren müßte, was nur bedeutet, daß die Staatsausgaben durch Steuern, d.h. durch Beiträge der eigenen Bevölkerung, finanziert werden müßte – realiter geht es sowieso nicht anders, wenn man denn Ehrlichkeit walten lassen würde. Anders gesagt: Griechenland müßte halt mit seinen Steuereinnahmen auskommen – eine immerhin vergleichsweise komfortable Situation, die keine Konsequenz aus der einstmals luxusorientierten Staatsschuldenpolitik zieht – weil es in diesem Fall um eine Sanierung geht!

Und: sollten die Griechen das 0,0% Kriterium schaffen, wäre auch eine Staatsschuldenquote von 200% kein Problem. Der Pferdefuß dürfte jedoch sein, daß Griechenland bei Goldman Sachs noch mit einigen „baloon-payments“ in der Kreide stehen dürfte. Über US-Forderungen sollte man sich jedoch keine Illusionen machen – die sind noch bekloppter als … je nach Gusto einsetzen!

Nun gibt es derzeit vielfach und vielerorts die Neigung, komplexe Realitäten extrem zu vereinfachen. Zahlreiche Sachverhaltserklärungen, insbesondere solche im politischen Raum, treten mit dem Anspruch auf, die Wirklichkeit auf eine Wahrheit zurückzuführen und sie zugleich dichotomisch aufzuspalten in gut und böse, richtig oder falsch, Freund oder Feind. Das hat zu tun mit dem Bedürfnis nach Rechtfertigung, nach einem ‚ideologischen Unterbau‘, mit der modernen Legitimitätsfrage. Daraus entstehen ‚Feind-Stereotypen‘ und ‚Sündenbockstrategien‘, die im Extremfall in Verratslegenden ihre endgültige Aburteilung finden.
Einer derartigen Verfahrensweise möchte ich mich nicht schuldig machen.
A. Herrhausen RIF

 

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Griechenland: Bonität, nicht Sozialhilfe

Die deutsche Griechenland-Debatte hat sich auf eine Trottelnummer festgelegt: die Griechen betrügen, ob bei der Frage der EURO-Beitrittskriterien oder bei der Durchführung von angekündigten Sparmaßnahmen. Damit wird der Eindruck erzeugt, daß Griechenland es willentlich darauf anlegt, die (vermeintliche!) EURO-Staatsschuldenkrise zu seinen Gunsten zu nutzen.

Doch so kann man das nicht sagen. Aber ein Aspekt ist richtig: daß nämlich in Griechenland – und in einigen anderen „Südländern“ auch – mit der Frage, wie mit der Bonität des Aktivportfolios der dortigen Banken umgegangen wird, andere Kriterien gelten als in Deutschland. Und genau diese Frage macht den Unterschied aus, wenn man diskutieren will, warum die Situation in diesem Europa so ist wie sie ist. Denn wie man aus der „Daneia-Parabel“ von W. Stützel wissen könnte, ist die Frage des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts davon abhängig, daß – zwischen Banken – der Liquiditätsausgleich eine Frage der Abtretbarkeit der Forderungen ist. Salopp gesagt hätten die griechischen Banken keine Liquiditätsprobleme, wenn sie als collateral für Zentralbankgeld den deutschen Banken Wertpapiere des griechischen Staates einreichen könnten. Oder Anleihen griechischer Unternehmen etc.

Daß das griechische Bankensystem im EURO-Verkehr praktisch illiquide ist liegt daran, daß grob gesagt die Usancen der griechischen Banken, was das Eintreiben von Außenständen angeht, nicht so funktioniert, wie in Deutschland. DESWEGEN sind sie illiquide und nicht, weil es in Griechenland nichts zu verdienen gibt. Denn eine Grundregel der Bankwirtschaft lautet, daß ein Liquiditätsbedarf stets dadurch gedeckt sein muß, daß man irgendeiner anderen Bank interbankenfähige Forderungen übertragen kann. Wer das nicht kann, fliegt aus dem Geschäft!

Was man noch aus der „Stützel-Parabel“ lernen könnte ist, daß auch eine wirtschaftlich „schwache“ Region die Bonitätskriterien, welche allgemein gelten, einhalten kann. Das hat dann was damit zu tun, daß dort kleinere Brötchen gebacken werden, als in einem Bankenbereich, der in einer Region mit bonitätsmäßig guten Unternehmen angesiedelt ist. Diese Geschichte wird immer durch eine Sozialphilosopie überdeckt, die meint, daß es überall die gleichen Lebensverhältnisse geben müsse. Das Deutschland-Problem, daß das so quasi grundgesetzlich verankert ist heißt auf der anderen Seite nicht, daß das auch im europäischen Maßstab funktioniert. Das geht deswegen nicht, weil die Erfahrungen der deutschen ökonomischen Zuschußphilosophie aka Solidaritätsbeitrag gezeigt haben, daß Finanzhilfen gerade das verhindern, was eigentlich erreicht werden soll. Das heißt auch, daß der vielgepriesene Marshall-Plan zum Glück NICHT gegriffen hat (die Marshall-Plan Mittel mußten mit viel Mühe seitens der Politik „untergebracht“ werden, damit sich die Amis damit nicht blamieren) und deswegen, bzw. in der Hauptsache aufgrund der Politik der deutschen Bundesbank, das deutsche „Entwicklungswunder“ überhaupt eine Chance hatte sich zu entfalten! Denn: es gab kein deutsches Wirtschaftswunder, es gab nur falsche Prognosen (Stützel)!

Aus diesen Gründen schießen sich die Griechen selbst ins Knie, weil die Abweichung von den eigentlich europaweit geltenden Bonitätskriterien für sie – zumindest zur Zeit – keine Bedeutung hat. Woher sollen sie das auch wissen, wenn der lokale Bankdirektor seinem Schwager/ Bruder/ Enkel bei der Ansage, daß ein Kredit nicht bedient werden kann nicht den Kredit sperrt, sondern fragt, wieviele Millionen es noch sein dürfen. Da liegt der Hase im Pfeffer und zwar deswegen, weil man so die eigene Bonität untergräbt, die für ein Verbleiben im Interbankenliquiditätsausgleich unbedingt erforderlich ist. Daß inzwischen die griechische Zentralbank dieses Scheißspiel mitmacht – die EZB ja auch, indem sie eine Freigabe sprich Aufweichung der Kriterien für zentralbankfähige Wertpapiere akzeptiert hat – bedeutet aber nur, daß die Bankenbonität in Griechenland weiter untergraben wird.

Wie bekommt man die Griechen wieder zurück? Ganz einfach: das EZB-System muß die ELA-Fazilität für Griechenland aufheben und die Kreditvergabekriterien auf ein höheres Bonitätsniveau schrauben, damit Griechenland – zwangsweise – seine ökonomischen Probleme lösen muß. Klingt komisch, ist aber so. Wer Altmeister Bagehot noch kennt wird wissen, daß man Bankenkrisen mit einem offenen Diskontfenster begegnen muß – aber mit fast prohibitiven Zinsen, sprich höheren Bonitätsanforderungen! DAS ist Ökonomie, alles andere hat nur was mit falschverstandener Sozialhilfe zu tun!

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