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Hommage für Kruschwitz

Nun, so eine Hommage, wie man sie kennt und üblicherweise fürchtet, wird das hier nicht. Das sollen ruhig diejenigen machen, die sich dafür für besonders prädestiniert halten. Die Ehrerweisung, die sich hier wiederfindet beruht auf einer Aussage, die man getrost als die zentrale Definition eines geldwirtschaftlichen Systems ansehen kann. Es handelt sich hierbei um den Satz über die Investition:

„Eine Investition ist eine Zahlungsreihe, die mit einer Auszahlung anfängt!“

Der Charme dieser eigentlich so nüchternen Aussage liegt darin, daß sie das Grundmuster des geldwirtschaftlichen Prozesses adressiert und sich nicht mit irgendwelchen schöngeistigen Erwägungen aufhält, wie denn die Wertverhältnisse das Auf und Ab des „Weltprozesses Ökonomie“ beeinflussen würden oder vielleicht auch nicht. Die Qualität dieser Aussage begründet sich daraus, daß sie es ermöglicht die Opposition gegenüber dem werttheoretischen Paradigma in besonderer Weise zu akzentuieren, wodurch es möglich wird darüber den gnädigen Mantel des Vergessens auszubreiten und den gewissermaßen „harten Kern“ der Geldwirtschaft herauszuschälen. Mit diesem Grundansatz tritt das geldwirtschaftliche Prinzip, daß es zu einem Überschuß der (Perioden-)Erlöse über die der betrachteten Periode zugerechneten Kosten kommen muß, in seiner ganzen Nüchternheit zu Tage. Wie man weiß ist das Erfordernis des (vermeintlichen) Mehr-Geld von Marx zwar aufgegriffen, aber der Nachwelt dann als ungelöstes Problem hinterlassen worden. Die Antwort darauf ist hier in dem Beitrag:

https://soffisticated.wordpress.com/2013/11/04/dynamische-einsichten-zu-geld-und-zins/

erläutert worden, so daß ein Verweis darauf an dieser Stelle genügt.

Und auch wenn in dem angegebenen Beitrag der Hinweis auf Kruschwitz bereits vorhanden ist, ist der eigentliche modelltheoretische Akzent, der seiner Vision von einer geldwirtschaftlichen Ökonomie in besonderer Weise entspricht, erst durch eine Veränderung des Erklärungsinhalts des oben angegebenen Modells entstanden. Der originäre Erklärungsanspruch bestand ja daraus, der vielkolportierten These entgegenzutreten, daß ja „der Zins nicht mit dem Kredit erschaffen werde“ und deswegen es zu exponentiell anwachsenden Kreditvolumina kommen müsse. Dann änderte sich das Erklärungsziel: zunächst ging es nur um die Frage, wie man in ein solches Modell eine Rückkoppelung der „Nachfragedifferenz“ mit der daraufhin erfolgenden Investition integrieren kann. Das führte dazu, daß die Notwendigkeit entstand eine Konstruktion zu finden, die nicht nur die Investition in ihrem Entstehungszeitpunkt abbildet, sondern auch den damit verbundenen zeitlich versetzten Folgeprozeß – die Zahlungsreihe. Dieser Folgeprozeß besteht namentlich aus den für die Laufzeit der Investition zu erbringenden Lohnzahlungen, sowie die Berücksichtigung der Kredittilgungsbeträge, denn nach der „Auszahlung“ sind ja die ausgezahlten Geldbeträge durch den Umsatzprozeß wieder „hereinzubekommen“. Die technische Lösung dieses Problems zeitversetzte Zahlungen in die Modellstruktur zu integrieren liegt darin „Zahlungsketten“ zu erzeugen, die nichts weiter tun, als die vorgesehenen Zahlungen zu dem vorgesehenen Zeitpunkt in das System zu übergeben. Abschreibung ist ja bei einem 10-periodigen Investitionsprozeß nichts anderes, als eine 10-malige Tilgung von 10% des Kreditbetrages (die fälligen Zinsen werden dabei aus dem Gewinn gezahlt und schmälern ihn dementsprechend).

Das Ergebnis dieser Modelländerungen wird durch die Modellgraphik skizziert: im Zentrum stehen die Bestandskonten, deren Ein- und Ausgänge die zeitliche Struktur definieren. Der zentrale Input dieser Bestandskonten ist die Investition, welche sich aus saldenmechanischen Gründen einmal als Zugang zu Verbindlichkeiten auf dem Unternehmenskreditkonto sowie als Zugang zum Haushaltskonto einerseits und dem „Ressourcen“-Konto andererseits wiederfindet. (Letzteres wird in erweiterten Modellkonstruktionen dann zur Produktion von Produktionsmitteln.) Jede Investition erzeugt für die Dauer ihres Bestehens zwei zeitlich gestaffelte Zahlungsreihen, welche sukzessiv die Bestandskonten verändern: zum einen die Lohnzahlung, die nach der Anfangszahlung aus dem Unternehmenskonto (aus dem Umsatzprozeß) erfolgt, zum anderen die Kredittilgung, die sowohl einen Abgang vom Kreditkonto als auch vom Unternehmenskonto bewirkt. Damit wird der Umstand in das Modell integriert, daß jede Investition einen zeitlichen Nachlauf hat, der ausgehend von der ursprünglichen Geldausgabe das weitere Procedere während der Laufzeit des Investitionsprojekts mitgestaltet und damit auch einen Folgeeinfluß auf nachgelagerte Perioden ausübt. (Das heißt natürlich nicht, daß es nicht auch noch weitere Zahlungsreihen geben könnte, welche mit einer Investition verbunden sind, aber um das geldwirtschaftliche Funktionsprinzip zu illustrieren genügt es sich auf zwei Zahlungsreihen zu beschränken.)

Der Rückfluß des ausgezahlten Geldes wird von der Summe der Konsumentscheidungen bestimmt, die dann als ‚effective demand‘ in einem Zuge die Unternehmenskasse wieder auffüllen. Der ‚effective demand‘ wird dann verglichen mit dem ‚money demand‘, der nichts anderes darstellt, als der periodisierte Aufwand, erhöht um einen ‚mark-up‘, der im Grunde eine Gewinnrate darstellt und (im Durchschnitt) dafür sorgt, daß die Periodenerträge höher sind als die periodisierten Aufwendungen, die hier aus Kapitalkosten, repräsentiert durch die fällige Kredittilgung, und Lohnkosten bestehen. Die Differenz zwischen dem unternehmerischen Erlösziel und dem realisierten Umsatz liefert dann als ‚demand gap‘ diejenige Einflußgröße, welche je nach Vorzeichen und Volumen eine Verringerung der Investition oder deren Erhöhung zur Folge hat.

Startet man nun das Simulationsmodell ergeben sich je nach gewählter Konstellation der Konsumparameter und der Sensitivität der Investition auf die Nachfragedifferenz natürlich unterschiedliche Verläufe, unter anderem auch der hier abgebildete Verlauf, welcher eine harmonische Einschwingung auf ein langfristiges Gleichgewicht suggeriert, obwohl diese „Kurven“ nur aus diskreten Einzelwerten sich ergeben. Aber – Ökonomie ist ja ohnehin keine stetige Veranstaltung, sondern durch Zahlungsoperationen geprägt, die halt nur von Zeit zu Zeit stattfinden. Man kann diesen Verlauf auch im Grunde in den Graphiken zum Einkommensmultiplikator erblicken, wo ja bei gegebener Steigung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage einen iterativer Prozeß zum Gleichgewicht beschreiben wird – und zwar von oben und unten. Die Geschichte sieht dabei bekanntermaßen etwa so aus:

Zu beachten ist an dieser Stelle jedoch, daß das Einschwingen auf einen Gleichgewichtspfad mit einem Über- bzw. Unterschießen einhergeht, was durch den Nachlauf, den jede einzelne Investition erzeugt begründet ist, so daß der entsprechende Verlauf schematisch in etwa so dargestellt werden müßte:

Das Interessante dabei ist, daß diese konvergenten Schwingungen bei simplen Konsumfunktionen – hier mal mit einem Parameter von 0,8 vorgegeben – entstehen, während die Reaktionsfunktion der Investition zwar wie eine ertragsgesetzliche Kurve aussieht, die relevanten Werte jedoch weitgehend im „linearen“ Teil dieser S-Kurve angesiedelt sind. (y = f(x) bedeutet: investment = f(demand gap) )

Wie auch immer man nun im einzelnen die Spezifikationen setzt, entscheidend an dieser Modellkonstruktion ist, daß der zentrale Impulsgeber die Investition ist, ohne die das ganze System nicht ins Laufen kommt, die zwar den Variationen einer Einflußgröße folgt (letztlich sind es die erwarteten zukünftigen Erträge, die „nur“ bedingt, aber eben auch, etwas mit aktuellen Umsatzerfolgen zu tun haben), jedoch durch den Anfangsimpuls und den subsequenten Zahlungsreihen das Geschehen einer Geldwirtschaft maßgeblich bestimmt. Natürlich öffnet sich auch an dieser Stelle die Möglichkeit staatlicher Beeinflussung, so daß dem Drang nach Erweiterung des Modells keine Schranken gesetzt sind.

Von daher kann man die quasi-historische Formulierung von Kruschwitz nicht hoch genug einschätzen, ist sie doch das zentrale Leitbild eines (und auch dieses) Modells einer Geldwirtschaft, die sich durch die Fokussierung auf die monetäre Seite von Ökonomie von der Vorstellung befreit, daß es die individuellen Entscheidungen der Haushalte – namentlich die Entscheidung zu arbeiten oder eben nicht – wären, die für das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität und deren konjunkturelle Schwankungen verantwortlich zeichnen würden. Eingebettet in ein dynamisches Modell einer monetären Ökonomie läßt sich dieses Bonmot als ein paradigmatischer Fingerzeig verstehen, wohin die intellektuelle Reise gehen muß, wenn man irgendwann zu einer befriedigenden alternativen Konzeptionalisierung von Ökonomie gelangen will, die nicht die gesamte Palette „heroischer“ Annahmen teilen möchte, wie sie für die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts und deren Wurmfortsatz erforderlich sind.

Eine Skizze dieser paradigmatischen Überlegungen wurde hier vor einiger Zeit bereits präsentiert:

https://soffisticated.wordpress.com/2014/09/24/nachgedacht-monetare-markttheorie/

Darin heißt es:

Begreift man also Marktwirtschaft als ein monetäres System, dann handelt es sich hierbei um eine Rückkoppelungsschleife, bei der es einen unabhängigen Pol und einen abhängigen Pol gibt. Der unabhängige Pol ist die Seite der Investition, die abhängige Seite ist die Seite der Einkommensverwendung, weil diese erst entsteht, wenn investiert worden ist. Das heißt aber wiederum, daß auf der einen Seite die Investition die zentrale Bestimmungsgröße für das Einkommen darstellt und der Konsum damit mittelbar von der Investition abhängig ist, während andererseits die Geldnachfrage auf dem Warenmarkt (= der Markt zur Erwirtschaftung des Schuldendeckungsmittels) ebenfalls von der (zeitlichen Struktur der) Investition bestimmt wird.

Der entscheidende Unterschied zum Romantizismus des ökonomischen ‚mainstream‘ besteht darin, daß hier die Dispositionen über eine abstrakte Entität darüber entscheiden, wie hoch der Aktivitätsgrad in einer Ökonomie ist und nicht das Wertverhältnis von Hirsch und Biber (Adam Smith). Und ebenso muß das Konzept „Markt“ vom Kopf auf die Füße gestellt werden, indem herausgearbeitet wird, daß Geld als Maß des Erfolgs beide Pole eines geldwirtschaftlichen Systems bestimmt. Wenn man so will hat der Keynesianismus, der sich hauptsächlich auf den Pol der Geldnachfrage – also die Seite, auf der Waren eingesetzt werden, um Geld zu attrahieren – konzentriert hat, die Interaktion mit der Geldentstehungsseite vernachlässigt, dennoch aber es hinbekommen zumindest die eine Seite in eine breit kommunizierbare Form zu packen, die in direkte Konkurrenz mit dem „Fadenkreuz“ von Angebot und Nachfrage tritt. Im Unterschied zu der auf mikroökonomische Bedingungen beschränkten Konzeption von Angebot und Nachfrage wird hier von vornherein darauf Bezug genommen, daß es eine makroökonomische Budgetrestriktion gibt, die von Entscheidungen über das Eingehen von Geldkontrakten (mit den dadurch implizierten Zahlungsreihen) abhängig ist und damit von vornherein das Problem der Aggregation von Einzelentscheidungen nicht auftaucht. Demgegenüber ist natürlich festzustellen, daß auch Einzelentscheidungen in die Bestimmung des Volumens der effektiven Nachfrage eingehen, diese aber nur mittelbar auf die Entscheidungen des „Geldentstehungsmarktes“ zurückwirken. Im übrigen wird dann auch durch die Fokussierung der ökonomischen Entscheidungen auf Geld die Komplexität des „Weltprozesses Ökonomie“ in einer Weise dekomplexiert, daß sie für das Erfassungsvermögen von Entscheidern je nach ihrer Stellung im Gesamtgefüge handhabbar wird. Eine Konsequenz daraus ist, daß Einzelentscheidungen quasi-unabhängig getroffen werden und nicht mehr die heroische Vision aufrechterhalten werden muß, daß jedes Individuum über vollständige Kenntnis des (jeweils relevanten) ökonomischen Modells verfügen muß, um überhaupt handlungsfähig zu sein.

Insbesondere letzterer Aspekt ist deswegen bedeutsam, weil die Speerspitze gegen z.B. die global definierte Konsumfunktion darin bestand zu behaupten, daß Gesellschaften des liberalen Typus sich durch die Unabhängigkeit von Einzelentscheidungen definieren würden. Dabei ist die legendäre „Mikrofundierung der Makroökonomie“ letztlich nur dem Fehlglauben zu verdanken, die Summe individueller Aktionen könnte zu einer globalen Budgetrestriktion führen, die dann auf wundersame Weise den Wohlfahrtspostulaten (Pareto) genügen würde. Daß dabei jedes Individuum zu einem Laplaceschen Dämon konvertieren müßte, wurde zwar nicht dazugesagt, aber billigend in Kauf genommen. Im Gegensatz dazu operiert die hier präsentierte Version von Ökonomie mit einer beschränkten Rationalität hinsichtlich der Geldentstehungsseite (die direkte Rückkoppelung von einem Marktergebnis auf die Investition ist wie schon gesagt eine zu enge Fassung der Investitionsentscheidung) und mit der Vorgabe einer gesamtwirtschaftlichen Budgetrestriktion alias Konsumfunktion, welche den Individuen die Notwendigkeit erspart das gesamte ökonomische Geschehen für ihre Handlungen berücksichtigen zu müssen.

Verbleibt „nur“ noch die Frage, ob ein derartig strukturiertes System „von selbst“ zu einem Gleichgewicht findet – daß es gleichgewichtsfähig ist, wird durch den dargestellten Verlauf illustriert – oder ob es äußerer Einwirkungen, insbesondere von staatlicher Seite bedarf, um das Gesamtsystem zu einem nachhaltigen Entwicklungspfad zu dirigieren.

Nun denn, die Reise zum geldtheoretischen Paradigma kann fortgesetzt werden…

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Nachgedacht: monetäre Markttheorie

Berlin-MitteDie ökonomische Theorie einer Gesellschaft hat zu definieren, wie sie das Aktivitätsniveau einer Ökonomie bestimmt. Dieser Satz markiert den Anspruch, der von der Neoklassik als ‚mainstream‘ der ökonomischen Theorie vorgegeben wird. Die nutzengesteuerte Bestimmung der relativen Preise im Zusammenhang mit der Theorie von Angebot und Nachfrage erzeugt ein gesamtwirtschaftliches Aktivitätsniveau, welches stets als allgemeines Gleichgewicht etikettiert wird. Dabei ist zu motivieren, wie es zu einem Aktivitätniveau kommen kann, welches sich aus Handlungen von Individuen ergibt, die unabhängig voneinander Entscheidungen treffen.

Dabei sieht es für die Individuen einfach aus: sie brauchen lediglich Entscheidungen im Rahmen ihrer Budgetrestriktion zu treffen, müssen aber nicht die Restriktionen, die andere Wirtschaftssubjeke einzuhalten haben, ebenfalls berücksichtigen. Das heißt auf gut Deutsch, daß die Rückwirkungen, die individuelle Entscheidungen bewirken von den Individuen selbst überhaupt nicht berücksichtigt werden und somit Individuen keine gesamtwirtschaftlichen Effekte berücksichtigen können. Wie sollten sie es auch können?

Wenn aber Individuen nur mikroökonomische Entscheidungen treffen können ergibt sich die Frage, wie aus voneinander unabhängigen Entscheidungen ein gesamtwirtschaftliches Aktivitätsniveau abgeleitet werden kann. Das ist die zentrale Frage der VWL als Wissenschaft! Die einzige Antwort auf diese Frage wurde bisher von der allgemeinen Gleichgewichtstheorie gegeben. Dabei geht sie davon aus, daß jedes Individuum alle Entscheidungen aller anderen Individuen bei sich selbst berücksichtigt. Ein Nachweis dafür, daß diese Vorstellung keine funktionsfähige Wirtschaftsordnung erzeugen kann, dürfte sich erübrigen – selbst die ‚hidden hand‘ wäre dabei überfordert!

Dabei wird dort die nicht zulässige Unterstellung gemacht, daß die globale Budgetrestriktion aus der Gesamtheit der Einzelentscheidungen der Individuen entsteht. Diese Vorstellung entsteht durch den Kunstgriff, die Handlungsoptionen der Individuen daran zu ketten, indem die tauschbare Erstausstattung als vorgegeben gesetzt wird. Das hat zur Folge, daß damit die globale Budgetrestriktion a priori vorgegeben ist. Genau dieser Umstand ermöglicht es der allgemeinen Gleichgewichtstheorie als Paradetheorie der Marktwirtschaft ein globales Aktivitätniveau abzuleiten und zu argumentieren, daß die Funktionsweise des Preismechanismus dieses Gleichgewicht garantiert.

Einer der wenigen Versuche dem etwas entgegenzustellen ist der Ansatz des monetären Keynesianismus von Hajo Riese, wo versucht wird die Budgetrestriktion des Marktsystems auf einer monetären Grundlage zu definieren. Der Grundansatz ist dabei darin zu sehen, daß erst die Verfügung über Geld zu einer Bewirtschaftung der Ressourcen (einschließlich der Ressource Arbeitskraft) führt und somit das volkswirtschaftliche Aktivitäteniveau aus monetären Bedingungen abgeleitet werden soll. Damit wird das keynesianische Element aufgegriffen, welches die monetäre Investition zum zentralen Bestimmungsfaktor der Ökonomie macht. Denn in einer Ökonomie, die auf Kooperationsbeziehungen und nicht auf elementare Tauschhandlungen abstellt ist die Verwendung eines sozialen Abrechnungssystems eine ‚conditio sine qua non‘, also eine unabdingbare Notwendigkeit, was schon durch das Stecknadelbeispiel von A. Smith eindrücklich illustriert wird.

Aus dieser Perspektive gibt es in einer arbeitsteiligen Ökonomie im wesentlichen zwei Märkte, den Finanzmarkt einerseits, sowie den Finanzerwirtschaftungsmarkt alias Gütermarkt andererseits. Der von der Neoklassik so mystifizierte Arbeitsmarkt ist damit lediglich ein Appendix des Finanzmarktes, weil die Beschäftigung von Ressourcen wie Rohstoffe und Arbeitskraft ebenso einem finanzwirtschaftlichen Kalkül unterliegt wie eine Investition in Maschinen und Zwischenprodukte.

Eine Investition, also eine Zahlungsreihe, die mit der Ausgabe von Geld beginnt (Kruschwitz), ist dabei immer von Geldvermögensinteressen geprägt, weil die Erwartung über die Wahrscheinlichkeit monetärer Verluste/ Gewinne die Investitionsbereitschaft steuert. Dabei muß man sehen, daß nicht nur die Gruppe der Unternehmer, sondern auch die Banken mittelbar diesem Verlustrisiko unterliegen, so daß die Beziehung Unternehmer – Bank die zentrale prekäre Relation einer monetären Ökonomie darstellt.

Das ist deswegen der Fall, weil der Markt zur Erwirtschaftung des Schuldendeckungsmittels – der Warenmarkt alias Gütermarkt – darüber entscheidet, wie hoch die Investitionsbereitschaft (und damit der Grad der Ökonomisierung der Ressourcen) der Gruppe der Unternehmer ist. Es ist damit das Zusammenspiel beider Märkte, welches darüber bestimmt wie hoch der Auslastungsgrad einer Ökonomie ist. Aus einer derartigen Perspektive wird das Nichtausgeben von Geld seitens der Bezieher von Einkommen zu einer zentralen Restriktion der Investitionsbereitschaft und damit des gesamtwirtschaftlichen Aktivitätsniveaus. Dabei ist es unerheblich, ob aus Unternehmer- oder Arbeitnehmereinkommen gespart wird, weil beides zu einer Reduktion desjenigen Potentials führt, aus dem eine Erwirtschaftung des Schuldendeckungsmittels möglich wäre.

Wenn man so will ist das entscheidende Wechselspiel in der kapitalistischen Marktwirtschaft die Interaktion von Finanzmarkt und dem Markt für die Erwirtschaftung von Schuldendeckungsmitteln, wobei man dieses im Gegensatz zum statischen neoklassischen Marktmodell als dynamisches System interpretieren kann, insofern als zum einen Aktionen des einen Pols direkte Rückwirkungen auf den anderen Pol des Systems ausüben und andererseits die Kreditverhältnisse, die zu den Investitionsprozessen führen eine Zeitstruktur aufweisen, so daß Entscheidungen der Gegenwart Wirkungen über den gesamten Planungshorizont verteilt aufweisen.

Für die Frage, wie dann ein Markt in einer monetären Ökonomie aussieht kann man sich daran erinnern, daß in einem Einkommen-Ausgaben-Diagramm

http://makroo.de/Das%20keynesianische%20Modell/Der%20Guetermarkt/Das%20Einkommen-Ausgaben-Diagramm.htm

das Zurückbleiben der Nachfrage hinter dem Einkommen mit kontraktiven Entwicklungen verbunden ist, während eine Nachfrage oberhalb des Einkommens mit expansiven Prozessen einhergehen dürfte. Nun ist die verlinkte Darstellung suggestiv auf den Fall eingeengt, daß das Einkommen den Ausgaben entspricht, was aus vorstehenden Gründen für eine monetäre Ökonomie eine zu enge Sicht der Dinge darstellt. Denn durch diese Verengung wird unterschlagen, daß die Gleichgewichtsbedingung „Einkommen = Ausgaben“ unterstellt, daß es eine Abweichung der gleichgewichtigen Ausgaben von dem Einkommen nicht geben könne. Denn ein Kennzeichen einer monetären Investitionsökonomie ist, daß den anfänglichen hohen Investitionsausgaben erst im Zeitablauf sukzessive die Amortisationen wieder entgegenströmen und somit die Anfangsphase einer Investition typischerweise davon geprägt ist, daß die Einkommen systematisch höher sind, als der auf dem Markt befindliche Angebotswert. Soweit man sich den typischen Verlauf einer Investition ansieht

http://www.der-wirtschaftsingenieur.de/index.php/produktentstehung/

erkennt man unmittelbar, daß die Gleichheit von Einkommen und Ausgaben lediglich eine Episode in einem dynamischen Prozess ist. So läuft z.B. in einer Phase hoher Investitionen die Einkommensbildung dem Angebotswert voraus, so daß sich unmittelbar Preisauftriebstendenzen ergeben, welche die ursprüngliche Investitionskalkulation als zu pessimistisch darstellen. Die damit üblicherweise verbundenen Preisauftriebstendenzen sind über induzierte Lohnsteigerungen dann entweder der Beginn eines Inflationsprozesses oder wahlweise bei einer Lohnstabilität der Beginn einer Ungleichverteilung von Einkommen und dann auch Vermögen.

Begreift man also Marktwirtschaft als ein monetäres System, dann handelt es sich hierbei um eine Rückkoppelungsschleife, bei der es einen unabhängigen Pol und einen abhängigen Pol gibt. Der unabhängige Pol ist die Seite der Investition, die abhängige Seite ist die Seite der Einkommensverwendung, weil diese erst entsteht, wenn investiert worden ist. Das heißt aber wiederum, daß auf der einen Seite die Investition die zentrale Bestimmungsgröße für das Einkommen darstellt und der Konsum damit mittelbar von der Investition abhängig ist, während andererseits die Geldnachfrage auf dem Warenmarkt (= der Markt zur Erwirtschaftung des Schuldendeckungsmittels) ebenfalls von der (zeitlichen Struktur der) Investition bestimmt wird.

Investition-Diagramm

(Man beachte, daß entgegen der Gepflogenheit der Ökonomen hier die unabhängige Variable auf der Abszisse abgetragen ist!!)

Durch diese für eine monetäre Ökonomie charakteristische Hierarchisierung ökonomischer Entscheidungen – Investition einerseits und davon abgeleitet Konsum/ Sparen andererseits – wird für die Marktwirtschaft ein dynamisches Aktivitätsniveau definiert, welches sich aus der Bereitschaft zur Investition speist und damit von genuinen Vermögensinteressen gesteuert wird. Insofern ist eine Theorie einer monetären Marktwirtschaft durch zwei Entscheidungsebenen geprägt: durch eine Interaktion von Banken und Unternehmen, die zu Investitionsprozessen führen, die mit einer Geldausgabe beginnen und die einen kontinuierlichen Amortisationsprozeß nach sich ziehen und dem Komplement der Wiedererwirtschaftung des ausgegebenen Geldes auf dem Warenmarkt und nicht durch eine elementare Interaktionsfigur – dem Tausch – den man heutzutage höchstens noch auf nichtkommerziellen Basaren anzutreffen pflegt.

Die Konsequenzen für die Markttheorie herkömmlicher Prägung sind nicht wirklich erfreulich. Nicht nur, daß der Arbeitsmarkt seine Stellung als eigenstänger Markt verliert, sondern auch die Erkenntnis, daß es auf dem Gütermarkt nicht primär um die Befriedigung individueller Interessen geht. Natürlich wird auf den Arbeits- und Gütermärkten gefeilscht was das Zeug hält, für die Frage, auf welchem Niveau sich das gesamtwirtschaftliche Aktivitätsniveau einpendelt sind derartige Aspekte lediglich sekundär, weil sich dadurch der zentrale Mechanismus, der aus der Kruschwitz-Investition besteht, überhaupt nicht aushebeln läßt.

Man mag eine gewisse Trauer dabei empfinden, daß die Vorstellung vom Konsum als Endzweck ökonomischen Handelns einer nüchternen Kalkulation über den monetären Ertrag einer Investition weichen muß – aber Märchen sind ja auch nur dazu da, um Emotionen zu befriedigen.

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Wozu ist ein Markt?

Restaurant Kremmen„I am, as a theorist, more concerned with the intellectual move which axiomatically ensures that the invisible hand is never observed in reconciling inconsistent plans and so provides no account of how it might actually do this. It seems clear that this leaves the theory essentially incomplete. It also seems obvious that it cannot be usefully confronted with other theories, for it is no answer to the Keynesian proposition that there may be states in which willing workers cannot find a job at the going wage to announce it as an axiom that this can never happen.

Less extreme theories have recognised that some story must be told and to the non-economist the chosen one is known as the ‚law of supply and demand‘. Here the invisible hand is actually set in motion. When demand for anything exceeds its supply the price will go up, and vice versa when supply exceeds demand. In taking this account seriously, one finds oneself studying a rather complex dynamic system. It is a fact that this study has not led to the conclusion that this behaviour of prices must guide the economy to its tranquil equilibrium. Indeed, almost the converse is true: only very special assumptions seem to ensure this happy outcome.“ (Hahn, F.H., Equilibrium and Macroeconomics 1984, S. 125)

Dieses Zitat stammt nicht etwa von irgendeinem kenntnisbefreiten Kritiker der ökonomischen Theorie, sondern von einem der ausgewiesenen Kenner und Protagonisten der allgemeinen Gleichgewichtstheorie. Mal abgesehen davon, daß er das Grundmodell der Marktwirtschaft als ‚essential incomplete‘ bezeichnet ist bemerkenswert, daß er die ständig kolportierte Geschichte von den segensreichen Wirkungen von Angebot und Nachfrage als etwas charakterisiert, was Menschen mit geringen ökonomischen Kenntnissen vermittelt wird, damit diese überhaupt eine Vorstellung davon bekommen, was die zentrale Funktionslogik der allgemeinen Gleichgewichtstheorie überhaupt ist. Die Konsequenz aus dieser Behauptung ist durchaus eklig: sie besagt, daß das Marktmodell als Funktionsvorstellung für die Analyse gesamtwirtschaftlicher Bedingungen offenbar schlichtweg ungeeignet ist und eher als allegorisches Propädeutikum angesehen werden sollte, als als ernstzunehmende Funktionsbeschreibung.

Ein derartiger Befund kann allerdings nur denjenigen aufschrecken, der seine Auffassungsgabe noch nicht dem vermeintlichen ‚common sense‘ unterworfen hat. Denn wie so viele Halbwahrheiten auch ist die Vorstellung davon, daß eine Marktwirtschaft valide Funktionsbedingungen aufweisen würde, einer schöngeistigen Phänomenologisierung zuzuordnen und nicht einer ausgereiften modelltheoretischen Konzeption, wie man es erwarten würde, wenn diese Botschaft aus unzähligen Lehrbuchdarstellungen hervortönt. Daher lohnt es sich zu ventilieren, welche Funktionsvorstellung das Marktmodell überhaupt ausweist und ob diese Funktionsvorstellung überhaupt geeignet ist, den Bedingungen einer komplexfähigen Ökonomie gerecht zu werden.

Eine kleine Bemerkung sollte noch vorab eingefügt werden, die das übliche Angebot-Nachfrage Diagramm betrifft, weil dies als zentrales Lehrbuchelement allen Ökonomen irgendwann mal beigebracht wurde. Es wird sich zeigen, daß der zentrale Vorbehalt dagegen ist, daß die Ableitung der Angebots-Nachfrage Kurven zunächst aus einer mikroökonomischen Perspektive erfolgt, deren zentrale Voraussetzung darin besteht, daß diese voneinander unabhängig sind. Die Nachfragekurve wird aus den Präferenzen der Haushalte abgeleitet, während die Angebotskurve aus dem aufsteigenden Ast der Grenzproduktivitätskurve entstammt, welche die abnehmende Produktivität von Produktionsprozessen reflektiert. (Letzteres wird durch empirische Untersuchungen als unhaltbar festgestellt, was jedoch nicht dazu geführt hat, daß dieses Konzept jemals von dem mainstream der ökonomischen Theorie jemals in Frage gestellt worden wäre.) Soweit wäre ja noch alles in Ordnung, wenn nicht dann der Übergang zu dem gesamtwirtschaftlichen Modell die Grundlage des einzelwirtschaftlichen Modells schlichtweg aushebelt: es gibt nämlich in der Makroökonomie kein ‚ceteris paribus‘!

Nun muß man ja nicht bestreiten, daß es in kapitalistischen Ökonomien durchaus so etwas gibt wie Märkte. Die wesentliche Frage wäre jedoch zu ergründen, was sich tatsächlich auf Märkten abspielt, deren Funktion ja irgendwie doch zu den effizienten Ergebnissen führt, die man auf Märkten beobachten kann, die durch geldwirtschaftliche Vorgaben geprägt sind. Wie man sich leicht vorstellen kann, wird es hier nicht darum gehen alle möglichen schöngeistigen Vorstellungen zu rekapitulieren, welche um den Begriff „Markt“ gesponnen worden sind. Denn jenseits dessen, was üblicherweise zu diesem Thema angeboten wird, ist der Marktbegriff dahingehend zu prüfen, wie er von der dahinterstehenden Theorie begriffen wird. Man mag sich seine Vorstellungen davon machen, was ein Markt sein soll, man mag an Flohmärkte oder Supermärkte oder auch Arbeitsmärkte denken. Entscheidend ist dabei jedoch, was in dem theoretischen Rahmen, der verwendet wird, um den Marktbegriff zu formulieren, als die funktionale Eigenschaft angesehen wird, was ein Markt zu leisten hat. Insofern sind üblicherweise die Interpretationen dessen, was ein Markt für Wirkungen entfaltet davon geprägt, die phänomenologischen Aspekte zu beschreiben, ohne daß damit mehr als diffuses Verständnis davon erzeugt würde, welche Bedeutung ein Markt in einem volkswirtschaftlichen Begründungszusammenhang tatsächlich besitzt.

Hilfreich bei dieser Geschichte ist folgende Graphik, welche die Markttheorie in einen Zusammenhang mit der Haushaltstheorie und der Unternehmenstheorie setzt, weil hierbei ersichtlich wird, welche funktionalen Kriterien bei der Formulierung eines adäquaten Marktbegriffes erforderlich sind.

Markttheorie

Man sieht daran sehr schön, daß es bei dem Grundlagenmodell der Marktwirtschaft um das zentrale Problem geht, daß ein Gleichgewicht erreicht werden soll, dessen Kriterium ist, daß es bei dem gleichgewichtigen (relativen) Preissystem zu einem Verschwinden der Überschußnachfrage kommt, d.h. daß diese zu Null werden, was bedeutet, daß ein Individuum bei dem geltenden Preissystem keine Möglichkeit mehr hat, seine Situation durch Umschichtungen zu verbessern. Denn ein Individuum wird nur dann sein Angebot bzw. Nachfrage ändern, wenn die Preissignale, die er empfängt ihn dazu veranlassen, seine angebotenen/ nachgefragten Mengen zu ändern. Für den Haushalt sind die (relativen) Preise insofern maßgeblich, als sie darüber bestimmen, wie hoch sein Handlungsspielraum ist, d.h. wie es mit seiner Budgetrestriktion beschaffen ist. Denn ohne Budgetrestriktion kann er keine sinnvolle Wahl zwischen den Alternativen treffen, ohne die Vorgabe der Preise hängt die Budgetrestriktion in der Luft. Man kann wenn man so will das „Herantasten“ an das gleichgewichtige Preissystem damit vergleichen, daß der Haushalt je nach gegebener Budgetrestriktion ein dazu passendes Angebots-/ Nachfrageprofil wählt. Man kann sich an dieser Stelle vielleicht vorstellen, was Hahn eingangs ausdrücken wollte, indem er von einem ‚rather complex dynamic system‘ gesprochen hatte.

Man hat es also beim Grundmodell der Marktwirtschaft mit einer Optimierung unter sich verändernden Nebenbedingungen zu tun, wobei die konstante Größe in diesem Prozeß die Präferenzen der Haushalte sind, so daß die Änderung der Angebots-/ Nachfragemengen lediglich davon abhängig sind, wie der aktuelle relevante Preisvektor beschaffen ist. Das wiederum bedeutet – im Gegensatz zu der üblicherweise kolportierten Version, daß das Individuum durch seine Entscheidungen die Ökonomie steuern würde -, daß die Bestimmung des allgemeinen Gleichgewichts der Marktwirtschaft aus der Festlegung des gleichgewichtigen Preissystems besteht, was postwendend bedeutet, daß dieses Marktmodell dazu da ist, um für die Haushalte die relevante Budgetrestriktion zu bestimmen. Denn ohne die relevante Budgetrestriktion kann auch der ‚homo oeconomicus‘ nicht optimieren, geschweige denn sein Angebot bzw. seine Nachfrage bestimmen, er ist dann plötzlich völlig machtlos, weil für eine Optimierung (Maximierung) keine Grundlage existiert. (Es gibt bestimmt noch Leute, die das sozialistische Prinzip kennen: möglichst viel erreichen bei möglichst geringem Aufwand. Ich hoffe, diesen Unfug muß man nicht auch noch erläutern!)

Aus all dem Gesagten ergibt sich, daß die Funktion eines Marktes die Bestimmung des gleichgewichtigen Systems der relativen Preise ist, was gleichbedeutend mit der Bestimmung der relevanten Budgetrestriktion für die Haushalte ist. (Dieser Prozeß findet spiegelbildlich auf der Seite der Unternehmen statt, wobei die Vorgabe der Unternehmen die Technologie darstellt, die für sie die Optimierungsgrundlage liefert. Ich verzichte hier darauf, diesen quasi analogen Vorgang noch extra zu diskutieren.) Dieser weithin unbekannte Umstand hat jedoch eine eklige Konsequenz: das Angebots-/ Nachfrage-Diagramm der Mikroökonomie, welches Heerscharen von Studenten beigebracht wurde ist erst dann als analytisches Instrument für gesamtwirtschaftliche  Probleme anwendbar, wenn das relevante Preissystem bestimmt wurde – sonst nicht. Diese Notwendigkeit der Existenz des gleichgewichtigen Preissystems kann nicht mit Rückgriff auf einen ‚deux ex machina‘ (oder Auktionator) postuliert werden, da – wie es Hahn sehr schön ausgedrückt hat – ‚the invisible hand is never observed in reconciling inconsistent plans‘! Der Auktionator als Vorstellung mag ja ganz spaßig sein, was Not tut ist jedoch die Deklarierung des Verfahrens, mit dessen Hilfe dieses Gleichgewicht zu erreichen wäre. Man braucht da nicht lange zu raten: da gibt es Nichts. Nichts! Null! Nada! (Nur die Leute, die noch wissen, was im real existierenden Sozialismus die „material-technische Versorgung“ war, werden sich noch gut daran erinnern können, WIE hoffnungslos dieses Unterfangen gewesen ist. Und das soll die zentrale Funktionalität der Theorie der Marktwirtschaft darstellen?) Und dennoch heißt die Antwort auf die Frage: Wozu ist ein Markt? : der Markt bzw. das Marktprinzip hat in der Neoklassik bzw. in der allgemeinen Gleichgewichtstheorie die Funktion den Vektor der gleichgewichtigen relativen Preise zu bestimmen, welcher bewirkt, daß alle Individuen bei den gegebenen Preisen keine Änderung ihrer Nachfrage sowie ihres Angebotes mehr vornehmen.

Das Interessante an dieser Perspektive ist, daß sich 99% der Kritik der Neoklassik damit an einer völlig falschen Stelle befindet, obwohl man aus der Theoriegeschichte durchaus wissen müßte, wo der eigentliche Defekt steckt. Man kann den Neoklassikern zugutehalten, daß sie es lange Zeit vermocht haben, ihre eigentliche Schwachstelle zu vertuschen, indem sie einen Popanz wie den ‚homo oeconomicus‘ zum Zentrum der DAGEGEN von vornherein untauglichen Angriffe gemacht haben. (Don Quichote läßt grüßen!) Denn die eigentliche Frage für die präferenzgesteuerten Entscheidungen der Haushalte ist ja nicht die, ob sie lieber Artischocken oder Hummer haben möchten, sondern wie hoch der Handlungsrahmen ist, mit Hilfe dessen sie erst eine sinnvolle Entscheidung über ihre präferierte Wahl herbeiführen können. Das Wichtigste an der Frage wie denn nun die Budgestrestriktion genau aussieht ist der Umstand, daß diese Frage niemals individuell geklärt werden kann, sondern sich als Ergebnis des sozialen Prozesses „Findung der Gleichgewichtsposition“ (ein Kommunikationsprozeß!) herausstellt. Dieser Nexus, die Budgetrestriktion als soziales Phänomen sehen zu müssen begründet, daß selbst in der Neoklassik Ökonomie eine genuin soziale Komponente aufweist,  die nicht, wie Heerscharen von Schreiberlingen es darstellen, aus Horden autistischer Individuen geformt wird, die nichts weiter zu tun haben, als ihren egoistischen Motiven nachzugehen.

Im Grunde genommen wirft dieser Befund ein neues Licht auf eine alte Anekdote die besagt, daß der Sohn des Aga Khan nach einer Vorlesung Keynes gefragt haben soll: „Meister, wie funktioniert das ohne Budgetrestriktion?“ Es hat natürlich seinen Grund, daß nur jemand, der es nicht gewöhnt ist sich einer Budgetrestriktion unterwerfen zu müssen, die Fähigkeit aufweist zu erkennen, daß die Existenz der Budgetrestriktion ein virales Problem der ökonomischen Theorie darstellt. Man könnte ja mal spaßeshalber vermuten, daß Aga Khan Junior nicht gemeint hat, daß er selbst damit nichts anfangen kann, weil er diese Budgetrestriktion nicht kennt, sondern genau gesehen hat, daß die Ableitung der Budgetrestriktion aus dem Präferenzmechanismus der Neoklassik de facto nie funktionieren kann. (Das erinnert auch ein wenig an das Ergebnis der Cambridge-Kontroverse, weil sich ja auch die Frage nach einem eindeutigen Maß für Kapital als nicht lösbar erwiesen hat.) Wie die Kapitaltheorie besitzt auch die Markttheorie der Neoklassik keinen faßbaren Funktionalismus, womit sich dann auch die Bemerkung von Hahn bestätigt, ‚that this leaves the theory essentially incomplete‘. Wohlgemerkt: „essentiell“ und nicht etwa lediglich im Hinblick auf eine unbedeutende Nebensächlichkeit!

Was fängt man nun mit einer derartigen Erkenntnis an? Es stellt sich die Frage, ob man gewillt ist, die Funktionalität des Verfahrens, wie eine Budgetrestriktion entsteht ernstzunehmen oder nicht. An diesem Punkt erweist sich, ob man es mit einer validen ökonomischen Theorie zu tun hat, oder ob man weiterhin gewillt ist, die Ummöglichkeit der Formulierung einer Budgetrestriktion aus dem neoklassischen Begründungszusammenhang heraus ergeben zu akzeptieren und lieber weiter an die Funktionalität von „Angebot und Nachfrage“ glauben will. Letzteres kann man ja machen, dann kann man auch gleich die Geschichte vom Klapperstorch für Evolution halten.

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42 – die Linkliste

SpecklesHier die Linkliste der verwendeten Blogposts, die im Überblicksartikel „42 – das Große Ganze und so…“ verwendet wurden:

https://soffisticated.wordpress.com/2012/06/20/die-buddelkasten-wirtschaftspolitischer-kommentatoren/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/08/01/unser-okonomischer-mainstream-aufzucht-und-hege/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/03/04/homo-oeconomicus-misverstandnisse-der-erklarbaren/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/06/24/ist-okonomie-ein-system/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/09/28/grundsatze-okonomischer-paradigma/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/05/02/jesse-james-oder-die-abstraktheit-sozialer-verpflichtungsrelationen/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/05/23/geldschleife-nicht-geldkreislauf/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/09/13/paradigmatische-aspekte-von-i-und-s/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/05/03/verirrungen-zwischen-geld/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/07/21/wozu-sind-banken-da/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/04/11/verirrungen-zwischen-giralgeld-und-zentralbankgeld/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/05/05/warum-zentralbanken-zentralbanken-sind/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/08/16/konnen-zentralbanken-das-preisniveau-beeinflussen/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/02/15/logische-typenlehre-iii-uberschus-und-gewinn/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/10/03/paradigmatische-nachdenkliste/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/05/07/zinsen-individual-oder-gemeinschaftskonzept/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/10/19/das-geldsystem-braucht-keinen-wert/

https://soffisticated.wordpress.com/2013/11/04/dynamische-einsichten-zu-geld-und-zins/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/05/07/die-wunder-geldpolitischer-hierarchien/

https://soffisticated.wordpress.com/2012/05/26/stufen-von-geldsystemen-ein-kurzdurchlauf/

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Fraktaler Konstruktivismus

treefractalDie Theorie der Fraktale ist davon geprägt, daß sie äußerst vielschichtige Formen erzeugt, welche aus der vielfachen Anwendung einer im Grundsatz einfachen Formel entstehen. Dieser Ansatz ist durchaus geeignet dazu beizutragen eine Vorstellung von Ökonomie zu entwickeln, die nicht a priori davon ausgeht, daß Ökonomie wie in den Lehrbuchdarstellungen durch einen Kreislauf zu beschreiben ist, sondern durch eine Abfolge einzelner Kreditgeldschleifen, deren kontinuierliche Abfolge den Eindruck! erweckt, als handele es sich um einen Kreislauf. Damit stellt sich die Frage, wie es sich in einem Modell darstellen läßt, daß ein derartiges Phänomen konstruierbar wird. Die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens kann einmal dadurch motiviert werden, daß natürliche Phänomene sich ebenso aus einer Zusammenstellung von Zufluß und Abfluß darstellen lassen, so ist z.B. das Phänomen eines Sees von dem Zusammenspiel von zwei Komponenten darstellbar, deren Einfluß je nach Stromstärke einen unterschiedlichen Pegelstand erzeugen. Zum anderen wird diese Konstruktion auch deswegen nahegelegt, weil Wirtschaften ein ‚ongoing concern‘ ist, dessen Kontinuität den Blick auf das entscheidende Grundelement, die Kreditgeldschleife, die als individualisierte Entität lediglich eine begrenzte Existenz besitzt, verstellt.

Eine fraktale Struktur wird dadurch erzeugt, daß eine im Grunde einfache Formel eine Vielzahl von Iterationen durchläuft und dabei Formen erzeugt, die in keiner Weise aus der zugrunde liegenden Formel ersichtlich sind. Das entspricht etwa der Tatsache, daß das Grundmuster der Funktionsweise von Computern aus der Kombination von zwei Zuständen besteht. In gleicher Weise kann man sich vorstellen, daß das vielfältige und ineinander verwobene Finanzgeflecht durch einen einfachen Prozeß erzeugt wird, welcher durch vielfältige Reproduktion zu dem führt, was gegenwärtig zu den Verflechtungen auf den Finanzmärkten führt, deren Charakter meistens mit der Modevokabel „komplex“ beschrieben wird. Dabei muß gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß Fraktale zwar eine hohe Variabilität der Struktur sowie eine hohe Sensitivität gegenüber den Anfangsbedingungen aufweisen, ohne daß dadurch der einfache Charakter ihrer Entstehung irgendwie in Frage gestellt würde.

Darüber hinaus besitzen Fraktale noch zwei weitere Eigenschaften: zum einen sind sie selbstähnlich in dem Sinne, daß sie beständig gleichartige Strukturen erzeugen. Zum anderen existiert bei Fraktalen so etwas wie eine Systemgrenze, wo Elemente, die bestimmte Schwellenwerte über oder unterschreiten nicht mehr zu der Fraktalbildung beitragen, weil sie entweder ins Unendliche verschwinden, oder implodieren. Alle diese Eigenschaften lassen sich für den aufmerksamen Beobachter auch in der heutigen Finanzwirtschaft wiederfinden.

Da eine solche Darstellung von vornherein nur in einem dynamischen Kontext sinnvoll ist, was auch dem dynamischen Kontext des Erkenntnisobjekts Ökonomie geschuldet ist, dessen Charakter durch ein statisches Modell ohnehin nicht abgebildet werden kann, läßt es sich nicht vermeiden den wesentlichen Faktor des Kapitalismus, den Kredit, in die Darstellung mit einzubeziehen. Und um den ‚ongoing concern‘ mit einzufangen macht es sich besser, gleich die Zeitverschiebung von mehreren Kreditprozessen mit einzubeziehen. Das ist u.a. deswegen erforderlich, um von vornherein das Problem zu vermeiden, welches sich aus der Beendigung von isolierten Einzelkreditprozessen ergibt. Mit dieser Darstellung ist es ganz nebenbei auch möglich, die vermaledeite Geschichte, daß ein einzelner Kredit niemals komplett zurückgezahlt werden kann, ein für alle Mal zu erledigen. Dabei sollte auch gleich klar werden, daß die prominente Frage nach den „Abteilungen“ der Wirtschaft (Produktionsmittel- bzw. Konsumgüterindustrie) einer spezifischen Auffassung über das Wesen des ökonomischen Prozesses geschuldet ist, die sich in kreditgeldökonomischer Hinsicht lediglich als zeitlich verschobene Kreditprozesse darstellen, die (nur) deswegen auch in einem einheitlichen Modellstruktur ineinander integrierbar werden.

Dann sieht das Modell genau so aus:

Kalecki00

Das Interessante dabei ist, daß sich ein kontinuierlicher Absorptionsprozeß (Konsum) mit sich ständig verändernden Kreditbeständen verträgt, was ein besonderes Licht auf die Tatsache wirft, daß Kreditbeziehungen auf einer längerfristigen Ebene angesiedelt sind und nicht unbedingt den kurzfristigen Schwankungen unterworfen sind wie man es von Konsumprozessen kennt. Besonders interessant ist auch, daß sich der Einkommenskreislauf gewissermaßen als Unterfunktion des Kreditprozesses abspielt und beide gewissermaßen ein Zentrum-Peripherie Verhältnis aufweisen, etwa so, wie man es aus dem Verhältnis von Erde und Sonne kennt. Dabei sollte man sich aus gegebenem Anlaß klar machen, daß die Vorstellung des Sonnensystems als Gebilde von konzentrischen Kreisen auch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, sondern vielmehr das Sonnensystem sich in einer spiralförmigen Weise durch das Weltall bewegt. Die Vorstellung eines statischen Kreislaufes sollte daher ein für alle Mal beerdigt und auch keineswegs wieder mit dem Hinweis auf irgendwelche „didaktischen Erfordernisse“ oder aus bloßer Faulheit heraus exhumiert werden. Denn die Konstruktivierung von Ökonomie als kreditgesteuerter Prozeß erlaubt es nicht, die technischen Grundlagen einer von Kredit gesteuerten Ökonomie zu ignorieren. Denn was im Kapitalismus zählt sind Zahlungen, deren nachhaltiger Zusammenhang den arbeitsteiligen Prozeß der Produktion überhaupt erst möglich macht! Und darüber hinaus sind ebenso die Verbindlichkeitsverhältnisse maßgeblich für die ökonomische Trajektorie, weil diese die Zahlungsmuster für die von ihnen definierte Zukunft bestimmen.

Genau das macht auch die Attraktivität der fraktalen Modellvorstellung aus, denn in einer Geldwirtschaft geht es ebenso um die Frage, welche Prozesse sich behaupten können, insofern als sie genau den Pfad zwischen Implosion (Konkurs) und Explosion (Hypertrophie) (Bei: Mandelbrodt Math -> Sensitivity. Anm. die Sicherheitsabfrage kann man in diesem Fall genehmigen!) einzuhalten in der Lage sind. Und auch dahingehend, daß zwar jedes Element für sich funktionieren muß, aber alle Prozesse Teil eines Gesamtsystems sind, das sich als Ganzes als überlebensfähig beweisen muß. (Cf. „Ist Ökonomie ein System?“) Es geht hierbei also darum, eine konsistente Formulierung des funktionalen Hintergrundes dessen zu denken, was immer so leichthin und unter Auslassung sämtlicher „kapitalismusrelevanten Elemente“ als einfacher Wirtschaftskreislauf in den Lehrbüchern zu finden ist, ohne daß dort die zugrundeliegenden Prozesse des monetären Komplexes ausreichend adressiert würden. Wenn man also den heute vorfindlichen Kapitalismus als Vervielfachung eines isolierten Prozesses versteht, gewinnt man auch eine andere Einstellung zu der Frage, inwieweit Ökonomie als komplex anzusehen ist oder nicht. Das Entscheidende der fraktalen Denkweise ist ja, daß die Grundmuster „sehr überschaubar“ sind, die Vorgabe der Funktionsbedingungen jedoch definiert, ob ein Prozeß zu einem Teil des Gesamtsystems gehört oder ausgesondert wird. Diese Differenz zwischen der Einhaltung der Funktionsbedingungen und ihrer Verletzung bringt das Gesamtbild Ökonomie erst überhaupt zur Erscheinung. Sonst würde auch nie ein Apfelmännchen entstehen können.

Apfelmännchen

Man mag sich darüber wundern, daß hier in keiner Weise über die „realen“ Dinge dieser Welt geredet wird, das hat seinen Grund darin, daß die Probleme des durch Kreditgeld gesteuerten Kapitalismus nicht primär in der Frage bestehen, wie die Eigentumsordnung mit Produktionsmitteln verfährt, eine Fragestellung, die zu Marx Zeiten den Diskurs beherrscht hatte, sondern darin, wie eine Gesellschaft mit der Frage umgeht, was passieren soll, wenn sich Schuldverhältnisse als nicht bedienbar erweisen. Aus einer solchen Perspektive werden die Abstrusitäten, mit denen sich die ökonomische Weltpolitik beschäftigt eher erklärlich, als mit den altbackenen Konzepten wie Wirtschaftskreislauf und Quantitätstheorie.

Sic transit gloria mundi!

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Das Geldsystem braucht keinen Wert sondern Bonität

RheindämmerungManchmal muß man auf Kommentare eine Antwort geben, die den Rahmen eines Kommentars sprengen. Daher also hier mein Kommentar auf CarlBrandner:

„Richtig ist: eine Geldeinheit hat immer die Eigenschaft eine Verbindlichkeit von einer Geldeinheit zu tilgen (da erübrigt sich die Definition eines realen Wertbegriffs).“

Das ist ja noch nicht die ganze Geschichte, denn die Funktion von Geld ist es ja gerade das Kostenvolumen mit dem (unsicheren) realen Output in Beziehung zu setzen. (Das ist die Jesse James Geschichte.) Das Kostenvolumen ist eine monetäre Größe mit der Einheit EURO (oder whatever), während der Output eine Stückgröße ist, woraus die Preiskalkulation eine Relation erzeugt, deren Dimension „Geldeinheiten pro Stück“ sind, also das, was man überall als Geldpreis wiederfinden kann. Wegen DIESER Verklammerung von Input (in Geld gemessen) und Output (in Geld kalkuliert) sowie der Maßgabe, daß das erwartete Erlösvolumen (€ pro Stück multipliziert mit Stück gleich Angebotsvolumen vermehrt um die Gewinnspanne) die laufenden Kosten sowie die Finanzierungskosten abdecken soll ergibt sich, daß Geld als ein relatives Maß der geldfinanzierten Produktion anzusehen ist. Das ist nämlich der Clou, weil relative Maße die Dimension dessen, was sie abbilden sollen, nicht selber haben müssen.

Das ist aber der Unterschied zu einem absoluten Maß: ein absolutes Maß muß diejenige Eigenschaft, die sie messen soll, selbst aufweisen. So ist die Eigenschaft des Urmeters gerade die eine Länge zu definieren, die seit der Definition den Namen „Meter“ trägt – eben die Länge, die der Urmeter aufweist. Das was gemessen werden soll und das was das Maß darstellt sind beides identische Dinge mit der Einheit „Meter“.

Dagegen ist Geld gerade kein Maß für „Wert“ und muß es auch nicht sein, weil es lediglich auf die Relation dessen ankommt, was auf der Inputseite als „Kosten“ verzeichnet wird, während sich dieses Kostenvolumen vermittels der Preiskakulation auf der Outputseite wiederfinden. Daß man die Input- und die Outputseite mit Hilfe eines absoluten „Wertmaßstabes“ nicht kommensurabel machen kann ist ein Ergebnis des 200jährigen Ringens um eben diese Lösung. (Man könnte auch sagen, die dahingehend gemachten Versuche waren schlichtweg erfolglos!) Denn die „Integration von Wert- und Geldtheorie“ zieht sich als Erklärungsproblem durch die ökonomische Theoriegeschichte, ob als Gold (wie z.B. bei Marx und den Austrians) oder als „Geldgut“ oder auch ’numeraire‘ (Debreu, Arrow, Hahn) bis hin zur Quantitätstheorie, die das reziproke Preisniveau zum „Wert“ des Geldes stilisiert. Dabei ist diese Geschichte eigentlich schon vor über 100 Jahren geklärt worden:

“Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Größen des einen die relativen Größen des anderen, ohne daß irgendeine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Tatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien.“ Simmel (1907)

Läßt man einfach den Unsinn beiseite dem Geld (makroökonomisch gesehen) durch alle möglichen Konstruktionen irgendeinen „Wert“ andichten zu wollen, lösen sich auch alle damit verbundenen Widersprüche in einem logischen Rauchwölkchen auf. Damit ist beispielsweise die Frage nach der Motivation von Kredit auch anders zu beantworten, weil Geld als Nicht-Wert, welches nicht unter einer Mengenrestriktion steht, in keiner Weise zu einer persönlichen Vermögensvermehrung beitragen muß (mal abgesehen davon, daß man sich immer klarmachen muß, daß es kein gesellschaftliches Nettogeldvermögen gibt). Kredit bedeutet demnach die Ingangsetzung sozialer Schaffensprozesse, deren Ergebnis – in Geld bepreist – zu einer Verbesserung der allgemeinen Konsummöglichkeiten führt – falls nicht, werden die „zu Unrecht“ vergebenen Kredite einfach gegen die Zinseinnahmen der „erfolgreichen“ Produktionsprozesse gegengerechnet, wodurch sich ein monetäres Gleichgewicht in einem dynamischen Kontext herstellen kann.

Damit wird aber die Frage von Bonität bzw. die Frage nach der Schuldenbedienungsfähigkeit zu der zentralen Kategorie einer Geldwirtschaft. Damit kann man auch die Frage, warum sich heutzutage alles ums Geld dreht dahingehend beantworten, daß das Finanzsystem die zentrale Steuerungsinstanz eines Produktionssystems darstellt, wo nach monetären Kriterien bemessen wird, welche Produktionsprozesse erfolgen dürfen und welche nicht. Die Frage nach einem „Nutzen“ für die „Gesellschaft“ stellt sich in diesem Sinne somit nicht mehr – nur noch die Frage nach der Bonität. Das mag man bedauern, jedoch: ein (auch nur halbwegs) funktionierendes Steuerungssystem wird man nicht so einfach zugunsten irgendwelcher „Werte“ abschaffen können. Es ist natürlich nicht auszuschließen, daß unsere „Standard“-Ökonomen, die als „Wertspezialisten oder -experten“ ausgebildet wurden nicht irgendeinen Unfug anrichten und mal wieder eine Krise verursachen. Zu einem Untergang des (notwendigerweise) abstrakten Geldsystems wird es jedoch dennoch nicht kommen. Hardware funktioniert halt ohne Software nicht – crash hin oder her!

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Ist Ökonomie ein System?

GeckosSystemtheoretische Aspekte von Ökonomie

Der Begriff des sozialen Systems läßt sich damit in Verbindung bringen, daß salopp gesagt eine Gruppe von Akteuren eine Interaktionsweise pflegt, die sich als gruppenspezifischer Sinn interpretieren läßt. Damit setzt eine Diskussion ökonomischer Zusammenhänge als System eine Betrachtung darüber voraus, welche Charakteristika ein ökonomisches Modell aufzuweisen hat, um vor den Normen der modernen Systemtheorie als System akzeptierbar zu sein. Dabei läßt sich zunächst feststellen,  daß der Anspruch der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, Ökonomie auf eine systemtheoretische Basis zu stellen und Ökonomie damit als Wissenschaft zu etablieren durch den Umstand eingegrenzt werden muß, wenn man feststellt, daß es sich bei derartigen Modellen um Quasi-Systeme handelt:

„Quasi-Systeme entstehen aus der elementaren Interaktion von Anwesenden.“ (Willke 1987, S. 51)

Die elementare Interaktionsfigur der Neoklassik ist der Tausch, wobei die Tauschrelationen durch eine zentrale Koordinationsinstanz, die Fiktion des Auktionators, etabliert werden müssen. Die angebliche Geschlossenheit des neoklassischen Modells erweist sich also bei näherem Hinsehen in systemtheoretischer Perspektive als Glaubenssatz, bzw. als unhinterfragte Affirmation der methodischen Grundlage, nur individuelle Entscheidungen als ökonomisch bedeutsam zu interpretieren, deren Koordination einer Instanz übertragen werden muß, weil bei Berücksichtigung der Optimalitätsanforderungen von Gleichgewichtsmodellen die individuelle Orientierung an gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsnotwendigkeiten ausgeschlossen ist. Diese Kluft zwischen Anspruch und Bedürfnis nach Geschlossenheit läßt sich durch derartige ad—hoc Annahmen wie das „Gesetz von Angebot und Nachfrage“ oder die ‚hidden hand‘, die eine Gesellschaft zu einem wohlfahrsökonomikschen Optimum führt, nicht letztgültig überbrücken und verweist eher darauf, daß zur Koordinierung ökonomischer Handlungen mehr vonnöten ist, als purer Glaube an die Stabilitätseigenschaften von Märkten.

„Eine über die Mitglieder hinausgehende zusätzliche Systemidentität und eine bewußte, innere wie äußere Identifikation der Mitglieder mit dem System bildet sich erst aus mit der Verdichtung des Quasi-Systems zum System.“ (Willke 1987, S. 53)
„Daß Sozialsysteme auf der Basis von Sinn organisiert sind, klingt zunächst überraschend. Denn wir sind gewohnt, in Anlehnung an biologische Modelle auch vom Gleichgewicht oder vom Überleben eines sozialen Systems als letztem Bezugspunkt der Analyse auszugehen.“ (Willke 1987, S. 29)

Dabei ist die Frage was Sinn bzw. Nicht—Sinn konstituiert daran gebunden, daß ein Kriterium existiert, welches das sinnhafte vom nicht-sinnhaften Umweltereignis unterscheidet.

„Die Systemgrenze sozialer Systeme kann verstanden werden als der Zusammenhang selektiver Mechanismen, die auf einer ersten Stufe der Differenzierung von System und Umwelt die Kriterien setzen, nach denen zwischen dazugehörigen und nicht-dazugehörigen Interaktionen unterschieden wird. … Da soziale Systeme nicht aus konkreten Menschen, sondern aus Kommunikationen bestehen, kann im Anschluß an Max Weber die gemeinsame sinnhafte Orientierung wechselseitig verstehbaren Handelns als Grundbedingung eines systemischen Zusammenhangs von Interaktionen betrachtet werden. Nimmt man im Anschluß an Luhmann hinzu, daß Sinn eine selektive Beziehung zwischen System und Umwelt beinhaltet, dann bezeichnet Sinn in allgemeiner Weise die Ordnungsform sozialen Handelns: intersubjektiv geteilter Sinn grenzt systemspezifisch ab, was als sinnvoll und was als sinnlos zu gelten hat.“ (Willke 1987, S. 30)

Die Abgrenzung dessen, was als Äußeres bzw. als Inneres eines Systems gelten soll, bestimmt dann die Normen nach denen Systeme funktionieren.

„Die Präferenzordnung eines sozialen Systems bezeichnet den Zusammenhang sinnhaft-symbolisch konstituierter regulativer Mechanismen, welche die Transaktionen zwischen System und Umwelt steuern. … Denn erst die Leistung spezifischer Selektionen aus den überkomplexen Möglichkeiten der Umwelt erzeugt die Differenz zwischen System und Umwelt, die das System zum System macht. Diese Selektionsleistung ist funktional bezogen auf das Problem der Ausbildung und Erhaltung einer bestimmten Systemidentität angesichts bestehender Zwänge und Zufälle der relevanten Umwelt. Die Steuerung der Selektion von Umweltdaten durch eine nach Sinnkriterien gebildete Präferenzordnuug ist Bedingung der Möglichkeit der Systembildung.“ (Willke 1987, S. 31)

Die Konstituierung von Systemzusammenhängen bedarf aber noch eines Mediums, eines äußeren Ausdrucksmittels, um die Zugehörigkeit eines Ereignisses zum System entscheiden zu können.

„Soziale Interaktionen sind sinnhaft orientiert, wenn ihr Bedeutungsgehalt durch ein Repertoire verbindlicher Symbole (Symbole hier verstanden als generalisierte Interaktions- und Zurechnungsregeln) gesteuert und sie mithin aufeinander bezogen und dadurch in zeitlich offene, verstehbare Handlungsketten verwoben werden können. Die Frage nach dem Sinngehalt von Interaktionen erlaubt dann die Unterscheidung von solchen, die in bezug auf ein bestimmtes Symbolrepertoire dazugehören und solchen, die nicht dazugehören. Sinnhaft konstituierte Symbole sind die — inhaltsanalytisch und hermeneutisch zu erfassenden – Merkmale, die für einen bestimmten Handlungszusammenhang stehen und auf ihn verweisen.“ (Willke 1987, S. 35)

Diese Heraushebung von systeminternen und systemexternen Vorgängen hängt mit der Schwerpunktverlagerung der modernen Systemtheorie zusammen, die damit ihr Erkenntnisobjekt redefiniert:

„Die neuere Systemtheorie ist eine Theorie der Beziehungen zwischen Systemen und Umwelt in dem Sinne, als sie die herkömmliche analytische Isolierung von Einzelsystemen überwinden will und Systeme immer nur im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Umwelt zu erfassen sucht. Dies bedeutet zunächst, daß der Systembegriff der neueren Systemtheorie nicht mehr nur ein Netz von Beziehungen bezeichnet, welches Teile zu einem Ganzen zusammenordnet; vielmehr wird unter System ein Netz zusammengehöriger Operationen verstanden, die sich von nicht-dazugehörigen Operationen abgrenzen lassen. In der Bestimmung des Systems wird also das Nicht-dazugehörige als Umwelt immer schon mitgedacht und mithin in der Auseinandersetzung des Systems mit seiner Umwelt das grundlegende Problem gesehen. Denn die spezifische Problematik seiner Umwelt macht für ein bestimmtes System überhaupt erst erkennbar, welche interne Systemstruktur zu welchen Zwecken und mit welchen Stabilisierungs- und Veränderungschancen funktional sein kann. Die Ordnung eines Sozialsystems wird damit zum relationalen Begriff und auf ihre Zwecke abfragbar. … Mit dieser Neuorientierung wird auch deutlicher, daß die Systemtheorie nicht auf die Analyse von Gleichgewichtsprozessen beschränkt ist …“ (Willke 1987, S. 37f)

Der entscheidende Grund der zu dieser Trennung von Innen— und Außenwelt als Grundgedanke der modernen Systemtheorie geführt hat, ist in den Mechanismen zu suchen, die es überhaupt erst erlauben von einem zwar interaktionsfähigen aber im Prinzip abgeschlossenen System zu sprechen. Die grundlegende Idee dabei ist, daß ein System essentiell zwei Aufgaben bewältigen muß, wobei die Interaktionsfähigkeit mit der Umwelt bzw. die Verarbeitung und Selektion relevanter Umweltdaten bereits angesprochen wurde.

„Das von den Biologen Maturana und Varela entwickelte Autopoiese—Konzept bezieht sich auf die Beobachtung, daß es offensichtlich Systeme gibt, die sich selbst reproduzieren; und zwar sich selbst reproduzieren nicht nur im herkömmlichen Sinne der genetischen Replikation in der Generationenfolge, sondern in dem sehr viel spezifischeren Sinne einer kontinuierlichen gegenwärtigen Selbsterzeugung des eigenen Systems. Autopoietische Systeme sind operativ geschlossene Systeme, die sich in einer ‚basalen Zirkularität‘ selbst reproduzieren, indem sie in einer bestimmten räumlichen Einheit die Elemente, aus denen sie bestehen, in einem Produktionsnetzwerk wiederum mit Hilfe der Elemente herstellen, aus denen sie bestehen (Maturana, 1982). Etwas vereinfacht ausgedrückt: ein autopoietisches System reproduziert die. Elemente, aus denen es besteht, mit Hilfe der Elemente, aus denen es besteht. … Und genau daraus folgt das eigentlich Aufregende: lebende oder autopoietische Systeme erscheinen nun entgegen dem systemtheoretischen Grundpostulat der notwendigen Offenheit lebender Systeme in ihrem Kernbereich, in ihrer inneren Steuerungsstruktur als geschlossene Systeme. In der Tiefenstruktur ihrer Selbststeuerung sind sie geschlossene Systeme, also gänzlich unabhängig und unbeeinflußbar von ihrer Umwelt. Wird diese operative Geschlossenheit zerstört, so bricht ihre Autopoiese zusammen, sie hören auf als lebende Systeme zu existieren. … Das Autopoiese—Konzept ist wichtig, weil es gegenüber der einseitigen Betonung der Umwelt-Abhängigkeit von Systemen deren interne Strukturdeterminiertheit primär setzt. Damit kommt ins Blickfeld, daß Systeme zunächst und vor allem ihre eigene Kontinuierung organisieren müssen, um als Systeme in Beziehungen zu ihrer Umwelt treten zu können. … Größere Schwierigkeiten bereitet es, auch soziale Systeme als autopoietische zu begreifen. Grundlage einer solchen Konstruktion ist die Annahme, daß soziale Systeme nicht aus einer Ansammlung von Menschen bestehen, sondern aus dem Prozessieren von Kommunikationen. … Soziale Systeme bilden sich auf der Grundlage von Kommunikationen. Für ihre Kontinuität ist fortlaufende Kommunikation unerläßlich. … Streng analog (zu biologischen Systemen, R.M.) können soziale Systeme dann als operativ geschlossen angesehen werden, wenn sie semantische Strukturen ausbilden, die die in ihnen ablaufenden kommunikativen Operationen auf selbstreferentielle, rekursive Umlaufbahnen zwingen. Diese Bedingung ist für die Gesellschaft als dem Gesamtzusammenhang aneinander anschließbarer Kommunikationen qua Definition gegeben. Für gesellschaftliche Teilsysteme und andere soziale Systeme aber nur dann, wenn sie Spezialsemantiken ausbilden …“ (Willke 1987, S. 43-47)

Damit sind Begrenzung und Dynamik die beiden Facetten eines einheitlichen Prozesses, wobei deren interne gegenseitige Bedingtheit ein System von seiner Umwelt absondert, wodurch es sich gewissermaßen selbsttätig etabliert und abgrenzt:

„Die eigentümlichste Charakteristik eines autopoietischen Systems ist, daß es sich sozusagen an seinen eigenen Schnürsenkeln emporzieht und sich mittels seiner eigenen Dynamik als unterschiedlich vom umliegenden Milieu konstituiert.“ (Maturana/Varela 1987, S. 54)

Steuerungs— und Kommunikationsfunktionen des Finanzsystems

Mit der Auflistung der Anforderungen, die die Systemtheorie an soziale Systeme stellt, ist im wesentlichen bereits vorgezeichnet, durch welche Elemente das ökonomische System repräsentiert wird. Werden soziale Systeme nach der Prozessierungsform von Sinn unterschieden, so läßt sich damit die These aufstellen, daß auf makroökonomischer Ebene die Sinngebung durch die Operationsweise des Finanzsystems etabliert wird und damit auch die entsprechende Kommunikationsform über (absolute) Preise und die für dieses System relevanten Interaktionen, die (Geld-) Zahlungen, festgelegt sind. Mit dieser These wird in gewisser Weise dem Ausgangspunkt der Marx’schen Vorstellungen über das Wesen des kapitalistischen Produktionsprozesses nachträglich Referenz erwiesen, indem die Postulate der orthodoxen Ökonomie, repräsentiert durch die W-G-W Formel, zugunsten des kapitalistischen G-W-G‘  Schemas der Marx’schen Theorie ins Abseits gestellt werden. Dabei braucht der Fundamentalsatz der Nationalökonomie vom Konsum als Endzweck allen ökonomischen Handelns nicht preisgegeben zu werden, wenn nachgewiesen werden kann, daß derartige Vorstellungen nicht mit der hier vertretenen Konzeption, das ökonomische System als durch Finanzbeziehungen charakterisiert zu sehen, kollidieren müssen. (Daß kreditgeldtheoretisch gesehen der Schluß von G auf G´ unzulässig ist und eher auf einer Verwechslung der Phänomenologie von Zinsen mit den grundlegenden Funktionsbedingungen des Kreditgeldkapitalismus beruht, macht dieses Modell letztlich als Analyseinstrument für den Kreditgeldkapitalismus unbrauchbar.) Selbst wenn die Marx’sche Formel noch nicht ausreichend ist, um das ökonomische System in der Gesamtheit zu erfassen, weist sie doch auf einen entscheidenden Sachverhalt hin, auf den das oben skizzierte Autopoiese—Konzept sinnvoll angewandt werden kann.

„Die Ausdifferenzierung von sozialen Systemen erfordert die Schließung eines selbstreferentiellen Verweisungszusammenhangs für alle Operationen des entsprechenden Systems. Bei allem, was wirtschaftlich geschieht, also der Wirtschaft als System zurechenbar ist, muß demnach Selbstreferenz mitlaufen. Die Kommunikationen der Wirtschaft müssen sich als wirtschaftlich ausweisen, damit man sie nicht falsch interpretiert, etwa als auf Intimität zielenden Annäherungsversuch auffaßt; sie müssen, was immer sie sonst leisten, immer auch das Wirtschaftssystem selbst reproduzieren. Andererseits ist diese Geschlossenheit des selbstreferentiellen Zirkels nie als ein Sachverhalt für sich möglich; sie kann nur als mitlaufende Selbstreferenz eingerichtet werden.“ (Luhmann 1983, S. 154)

Übertragen auf die finanzielle Sphäre bedeutet dies, daß eine ökonomische Handlung im hier verstandenen Sinne von Ökonomie sich durch die Verkettung mit einer Zahlung ausweist und somit unentgeltliche Leistungen, obwohl sie aus wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkten für eine Gesellschaft eine immense Bedeutung genießen, sich nicht als ökonomisch relevant ausweisen. Die Transaktion Ware gegen Geld reflektiert aber nur auf der phänomenologischen Ebene das, was die Interaktion der Geldsphäre mit der Gütersphäre ausmacht, und ist damit der allfällige Ausdruck der Interaktion des Finanzsystems mit seiner Umwelt. Insofern bleibt die Fixierung auf die Tauschmittelaufgabe des Geldes lediglich eine oberflächliche Betrachtungsweise, die sich mit dieser Annäherung an das Geldproblem letztlich immer an die Tauschökonomie, und als Folge davon stets an die Quantitätstheorie festklebt. Die Betrachtung der selbstreferentiellen Tiefenebene ergibt dagegen, daß letztlich nicht Geld gegen Ware, sondern Geld gegen (kalkulierten) Geldwert getauscht wird, es also bildlich gesprochen bei der Erreichung eines Umsatzziels in letzter Konsequenz nicht darauf ankommt was verkauft wird, sondern wieviel und zu welchem Preis. Eine Zahlung ist also nicht schon deswegen als ökonomisch zu interpretieren, wenn dabei ein Gut den Besitzer wechselt, sondern es ist noch zusätzlich erforderlich, daß dabei das Geldsystem auf sich selbst verweist, d.h. wenn eine Zahlung ein Defizit, repräsentiert durch die Verbindlichkeiten des betreffenden Wirtschaftssubjektes, abbaut oder begründet. Die Öffnung des internen Verweisungszusammenhangs besteht somit in der Etablierung einer Schuldposition eines Unternehmers, die Schließung dementsprechend in dem Rückfluß der Auszahlungen über den Umsatz, wobei je nach Höhe der Rückflüsse die Reproduktion des Schuldverhältnisses vorgenommen wird oder nicht.

„Produktion ist nur Wirtschaft, Tausch ist nur Wirtschaft, wenn Kosten beziehungsweise Gegenzahlungen anfallen. Dann realisiert der Vorgang einen Verweisungskontext, der auf Güter und Leistungen, auf Wünsche und Bedürfnisse, auf Folgen außerhalb des Systems Bezug nimmt; und zugleich einen anderen, in dem es nur um Neubestimmungen der Eigentumsverhältnisse an Geld, also an Möglichkeiten der Kommunikation innerhalb des Systems geht. Diese mitlaufende Selbstreferenz ermöglicht durch ihre Geschlossenheit die Offenheit des Systems. ‚L’ouvert s’appuie sur le ferme.‘ Die Sicherheit der Selbstverweisung ist Bedingung des Ausgreifens in die Umwelt.“ (Luhmann 1987, S. 155)

Genauer formuliert: die Sicherheit der Selbstverweisung ist nicht selbstverständlich, da eine Zahlung nur dann für Ökonomie relevant ist, wenn sie auf diesen Verweisungszusammenhang trifft, sprich: wenn sie zu ihrem Entstehungsort, der Bilanz einew verschuldeten Wirtschaftssubjektes zurückkehrt. Aus diesem Grund sind Zahlungsmittelumschichtungen zwischen Haushalten, deren Charakteristikum die Geldvermögensbestände der Aktivseite sind, für diesen speziellen relevanten Verweisungszusammenhang irrelevant. Etwas weniger abstrakt bedeutet das: das Ausgreifen des Finanzsystems in die Umwelt ist nur dann zu erwarten, wenn sich Investitionen lohnen und damit die Erweiterung des internen Verweisungszusammenhangs über eine höhere Krediteinräumung das Ausgreifen in die Umwelt noch weiter steigert. (Das verweist auch auf den Umstand, daß sich auf Wertpapiermärkten genau die Tauschoperationen abspielen, welche die allgemeine Gleichgewichtstheorie für das allgemeine Prinzip des Wirtschaftens hält – ein sonderbarer Fehlschluß!)

„Ein System, das auf der Basis von Zahlungen als letzten, nicht weiter auflösbaren Elementen errichtet ist, muß daher vor allem für immer neue Zahlungen sorgen. Es würde sonst von einem Moment zum anderen schlicht aufhören zu existieren. Und dabei geht es nicht um die abstrakte ‚Zahlungsfähigkeit‘, die sich aus dem Besitz liquider Mittel ergibt; es geht also nicht um eine relativ konstante Größe, sondern um die konkrete Motivation zur Zahlung und ihren aktuellen Vollzug. Die Wirtschaft ist demnach ein ‚autopoietisches System‘, das die Elemente, aus denen es besteht, selbst produzieren und reproduzieren muß. Der adäquate Bezugspunkt für die Beobachtung und Analyse des Systems ist daher nicht die Rückkehr in eine Ruhelage, wie Theorien des ‚Gleichgewichts‘ suggerieren, sondern die ständige Reproduktion der momenthaften Aktivitäten, eben der Zahlungen, aus denen das System besteht.“ (Luhmann 1987, S. 155)

Obwohl diese Sätze einen richtigen Kern beinhalten, bleiben sie jedoch auf der phänomenologischen Ebene stehen, denn wären Zahlungen allein schon konstitutiv für die Selbstreferenz des Finanzsystems, so wären diese Gedanken auch auf das Konzept der allgemeinen Gleichgewichtstheorie übertragbar, da die Bereitstellung von Außengeld über Staatsverschuldung den Haushalten dasjenige Kommunikationsinstrument zur Verfügung stellt, welches den autopoietischen Charakter des Finanzsystems bereits sicherstellen soll.

Die allgemeine Gleichgewichtstheorie hat aber mit Autopoiese nichts zu tun, da sie auf der Güterebene einen Reproduktionsgedanken zugunsten des Erstausstattungs- und Allokationskonzepts lediglich indirekt thematisiert und bei der Kommunikations- und Koordinationsfrage sich auf Unwissen, dokumentiert durch Auktionator und ‚invisible hand‘ berufen muß, bzw. alternativ konsequent durchgeführt, den Koordinationsteil dieser Theorie mit Hilfe der rationalen Erwartungen in die Köpfe der Wirtschaftssubjekte verpflanzt. Dagegen hat Sraffa in seinen Produktionsgleichungen immerhin für die physische Ebene eine Reproduktionstheorie entworfen und in gewisser Weise eine Unternehmergesellschaft postuliert, die ihre Kalküle nach einem Geldzinssatz ausrichten (vgl. Sraffa 1976, S. 56), beschränkt sich aber dann auf formale Analyse von linearen Gleichgewichtssystemen und hält sich bei der Koordinationsfrage gleichermaßen bedeckt.

In beiden Fällen läßt sich jedoch gleichermaßen die Vorstellung eines Tauschmittels formulieren und integrieren, ohne daß damit belegt wäre, daß die Zahlungen den selbstreferentiellen Kern der Ökonomie ausmachen würden. Im Gegenteil sind derartige Zahlungen an die Gleichgewichtslösungen gebunden, und sind damit nur der institutionelle Reflex vorgegebener Tauschverhältnisse, ganz im Sinne der W-G-W Formel, die ja dann auch auf einen nichtkapitalistischen gesellschaftlichen Kontext hinweist. Demgegenüber ist der kapitalistische Vergesellschaftungszusammenhang über die finanzielle Sphäre vermittelt, so daß sich damit die Sprache des Geldes als die relevante Kommunikationsebene erweist, die es letztlich ermöglicht, daß ein allgemeiner gesellschaftlicher Konsens über die Kriterien der Verteilung von Gütern hergestellt werden kann. Dieser Konsens ist insbesondere dann herstellbar, wenn die Schaffung von Kredit mit der Verpflichtung verbunden ist ein Güter- oder Leistungsangebot zu machen, was gerade dann der Fall ist, wenn der gebilligte Kredit zu Investitionszwecken Verwendung findet, und damit die Ausweitung des Investitions- bzw. Kredit- und gegebenenfalls Geldvolumens keine Inflation, sondern ein expandierendes Güterangebot bei steigendem Nachfragepotential schafft. Die Existenz dieses Kausalzusammenhangs rechtfertigt die Akzeptanz des G-W-G Schemas als allgemeines Koordinationsinstrument der verschiedensten Tätigkeiten des wirtschaftlichen Lebens. Die autopoietische Qualität des Finanzsystems ist dabei eher sekundär an eine erfolgreiche Produktion im Sinne des Grenzproduktivitätskonzepts, sondern primär an eine erfolgreiche Vermarktung der Waren bzw. Produktionswerte gebunden, so daß Produktivität und Marketing und Vertrieb die realökonomischen Spiegelbilder des Systemaspekts „Rückfluß der Investitionsausgaben“ sind, welche die Erhaltung der Investition und damit des Zahlungsstroms sicherstellen (sollen).

Damit bleibt noch zu diskutieren, welches die treibende Kraft, bzw. sozusagen der genetische Code ist, der die Systemstruktur lebendig bzw. dynamisch erhält. Die Antwort darauf ist in dem Umstand zu finden, daß es unmöglich und unnötig ist eine Kreditgeldökonomie gesamtwirtschaftlich wieder zu liquidieren, da in letzter Konsequenz Zinszahlungen stets in dem Geld geleistet werden müssen, in dem auch der Kredit zu tilgen ist. Diese vertraglich festgelegte praktische Unerfüllbarkeit eines einzelnen(!) Kreditvertrages läßt sich als treibender Impuls bzw. als primärer Reproduktionsanreiz identifizieren, da die Erfüllung des gesellschaftlichen Mißerfolgskriteriums, die Insolvenz, mit individuellen Nachteilen verschiedenster Art gekoppelt ist. Dieser Sachverhalt verweist auch unmittelbar auf den sekundären Reproduktionsimpuls, den Gewinn, dessen abgeleiteter Charakter sich dadurch ergibt, daß er mindestens die Höhe der Zinszahlungen erreichen mußte, um das finanzielle Lebensfähigkeitskriterium zu erfüllen. (Das einzelwirtschaftliche Problem des „fehlenden Zinses“ löst sich in einem dynamischen Kontext ohnehin in einem logischen Rauchwölkchen auf!)

Die zugrundeliegende Interpretation von Geld als Vermögen aus individueller Perspektive erweist sich denn auch als der eigentliche Grund für eine Dominanz des Gewinnmaximierungskalküls der Unternehmen über das Nutzenmaximierungskalkül der Haushalte. Der perspektivische Wechsel dieser Theorie zu einem abstrakten Erfolgskriterium gegenüber dem Realkriterium Nutzen der ‚mainstream‘-Ökonomie bedeutet trotz des primären Reproduktionsinteresses an monetären Größen nicht, daß damit ein Konsumziel als treibendes Motiv ökonomischen Handelns ausgeschlossen wäre. Im Gegenteil bedeutet ja die erfolgreiche Reproduktion von ausgegebenem Finanzvermögen nicht nur eine mögliche Fortsetzung des Investitionsprozesses, sondern auch je nach Gewinnhöhe eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf Güter. Die Dominanz der Unternehmen über die Haushalte aufgrund der Verfügung über das gesellschaftlich akzeptierte ökonomische Kommunikationsmittel schließt dabei eine Realisierung von Tauschgewinnen der Haushalte untereinander nicht aus, verweist aber gleichzeitig auf den abgeleiteten Charakter haushaltsinterner Transaktionen und klassifiziert derartige Vorgänge zwar nicht als ökonomisch unsinnig, jedoch als in Bezug auf die Erhaltungsbedingungen einer Kreditgeldökonomie als irrelevant: Der Tausch ist hinsichtlich des Finanzsystems neutral!

Die Fassung des Zinses als zentralem Reproduktionsimpuls der finanziellen Sphäre bedeutet auch, daß Luhmann sich ein grobes Mißverständnis leistet, wenn er schreibt:

„Für die Systemtheorie ist es eine geläufige These, daß komplexe Systeme Instabilitäten schaffen müssen, um den Problemen Rechnung tragen zu können, die sich aus der Erhaltung von geordneter Komplexität in einer noch komplexeren und weniger geordneten Umwelt ergeben. Diese Aussage läßt sich auch umkehren: Instabilitäten lassen sich in Systemen nur halten und gegen Verhärtung schützen, wenn eine hinreichend komplexe Umwelt besteht, die überraschende Informationen auslöst, welche durch Inanspruchnahme systeminterner Instabilität, hier also durch Änderung der Preise, verbraucht werden können. … Die Funktionssysteme gewinnen an Autonomie, werden in sich komplexer, benötigen infolgedessen höhere Instabilitäten und müssen selbst für deren Kontrolle sorgen. In der neueren Zeit werden hierfür zwei verschiedene Lösungswege bereitgehalten. Beide haben ein Prinzip gemeinsam: sie überlassen die Kontrolle der Instabilität Instabilitäten anderer Art. Die eine Möglichkeit ist: die Kontrolle des Fluktuierens der Preise über Geldkosten laufen zu lassen. Die Verteuerung des Kredits limitiert das Steigen der Preise. Die Schranken von Instabilität werden im Wirtschaftssystem selbst geregelt, und zwar durch Instabilitäten einer höheren Ebene der Reflexivität: durch den Preis nicht für Waren, sondern durch den Preis für Geld. Die andere Lösung liegt im Rückgriff auf die Instabilitäten eines anderen Funktionssystems; sie nimmt kollektiv bindende Entscheidungen des politischen Systems in Anspruch.“ (Luhmann 1987, S. 159f)

Wie man aus leidvoller Erfahrung weiß, sind die Instabilitäten des politischen Systems, sprich: eine öffentliche Preiskontrolle, stets eine Einladung an alle Wirtschaftssubjekte gewesen in solchen Fällen reichhaltig Umgehungsmöglichkeiten zu erfinden oder auf Schwarzmärkte auszuweichen. Die Kontrolle der Fluktuation der Preise ist dagegen viel effizienter: es ist schlichtweg der Grad der Nachfrageelastizität, der ein Steigen der Preise ins Uferlose verhindert, und somit die „Institution der Konkurrenz“ durch die Souveränität der Nachfrage Preisfluktuationen direkt und spielend begrenzt, und damit eine Konkurrenzwirtschaft sich als notwendiges Gegengewicht zur potentiellen Despotie einer Industriemonopolisierung etabliert.

Aus systemtheoretischer Perspektive bietet sich viel eher eine Interpretation des Zinses in Zusammenhang mit den ihn konstituierenden Schuldverhältnissen an: die nominal fixierten Passivpositionen in den Bilanzen bilden quasi das Gedächtnis des Finanzsystems, welches in Verbindung mit dem Zins die Aktionen der betroffenen Individuen für die Zukunft steuern, ihnen, genauer gesagt, einen bestimmten Aktionsraum aufzwingt, insofern, als geleistete Zinszahlungen die Bonität der Schuldverhältnisse anzeigen und eine Fortführung des Schuldverhältnisses angezeigt erscheinen lassen, falls nicht müssen die systemkonformen Konsolidierungsprozesse einsetzen, um das Kreditportfolio in seiner Bonität nicht absinken zu lassen.

„Die Zunahme zeitlicher Komplexität ist demnach eine zweite Bedingung der Notwendigkeit einer Fortentwicklung des Quasi-Systems zum System. Es bedarf schärfer strukturierter Verfahren und genauer abgestimmter Prozesse, um die kontingent werdenden zeitlichen Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen den funktional differenzierten Rollen und Teilen gemäß den Präferenzen und Relevanzen des Gesamtsystems einzuschränken und auf eine verbindliche Systemzeit zu synchronisieren. Wieder fällt auf, daß die Möglichkeit einer Steigerung der zeitlichen Komplexität auf einer strategisch ansetzenden Reduzierung beruht: der Reduzierung frei fließender Weltzeit auf prozessual synchronisierte Systemzeit.“ (Willke 1987, S. 66)

So gesehen fängt das ‚mainstream‘-Konzept kontingenter Zukunftsmärkte zwar den Aspekt der zeitlichen Differenzierung ein, ohne daß jedoch damit die Konstituierung einer eigenen Systemzeit außerhalb der elementaren Präferenzen der Haushalte vollzogen wäre. Gegenüber dieser anarchischen zeitlichen Strukturierung der Gleichgewichtstheorie, steuert der Zins in der Kreditgeldökonomie die zeitliche Dimensionierung des wirtschaftlichen Abrechnungsprozesses und koordiniert damit die realen Handlungsmuster der angekoppelten realwirtschaftlichen Aktivitäten.

„Mit der Einrichtung geregelter Prozesse als temporaler Ordnungsform kontrolliert das Quasi-System die Folgewirkungen der internen funktionalen Differenzierung und erreicht damit eine neue evolutionäre Stufe der Komplexitätsverarbeitungskapazität.“ (Willke 1987, S. 67)

Perspektivische Nachbemerkungen

Die Wohlfahrt einer Gesellschaft in ökonomischer Hinsicht wird bestimmt von der Gesundheit des zugrundeliegenden Finanzsystems. Dieser Satz faßt in aller Kürze die Quintessenz des vorstehenden Posts zusammen und beinhaltet schon deswegen nicht nur eine uninteressante Trivialität, weil eine ökonomische Orthodoxie, die von der Neoklassik bis zum neueren Marxismus reicht, seit über 200 Jahren die Dominanz der Gütersphäre über den Geldschleier zu predigen nicht müde wird. Und insbesondere eine Entwicklungstheorie, die auf einer realwirtschaftlichen Basis gebaut ist, zeigt in unerfreulich deutlicher Weise, wie durch falsche Konzepte und Theorien mit bestem Gewissen und lauteren Absichten eine Katastrophe nach der anderen angestellt werden kann. Demgegenüber erweist sich ein funktionierendes Kreditgeldsystem als das effizienteste Steuerungsmittel, wenn es darum geht für einen gesellschaftlichen Rahmen eine Kohärenz der Individualaktionen zu erzeugen. Das Kreditsystem fungiert somit als das informale Band, welches geeignet ist, einer Gesellschaft den ökonomischen Zusammenhalt zu liefern, welcher als eine Grundbedingung der Stabilität des übergeordneten Gesellschaftssystems anzusehen ist.

Diese Einsicht in die Zusammenhänge moderner Ökonomien bedeutet auch die endgültige Abkehr von einem Gleichgewichtsbegriff, für den die Balance widerstreitender Kräfte die Grundlage des Raisonnements abgibt. Die wesentliche Änderung in der Analyse der innergesellschaftlichen Beziehungen besteht darin, nicht mehr die Konfrontation als das Gegeneinander im Tauschprozeß, sondern die Kooperation in der Produktion in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken, um damit die Defizite der statischen Gleichgewichtsvorstellung zu kompensieren.

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Geldschleife – nicht Geldkreislauf!

PIC000005Das größte Problem von Theorien ist es nicht, eine im Gegensatz zur herrschenden Orthodoxie alternative Theorie zu formulieren, denn die Verknüpfungs-möglichkeiten der Dinge dieser Welt ist so mannigfach, daß im Prinzip sich jeder seine eigene Spielecke basteln kann. Tritt man aus seiner Spielecke hinaus und in die Konfrontation mit der herrschenden Theorie ein, erweist es sich, daß der Orthodoxie mehr an Argumenten zur Verfügung stehen, als es die Schulweisheiten zugeben. Was es für Probleme gibt, ein herrschendes Weltbild zu erschüttern, kann anhand der Prozesse beobachtet werden, deren zentrales Anliegen systematisch darin bestand, die Vorstellung der Produktion als Kreislauf zu hinterfragen, der sich lediglich zwischen Unternehmen und Haushalten abspielt. Dieser Strang der Diskussion, der prototypisch auf den Club of Rome zurückgeführt werden kann, wo auf die Endlichkeit der Ressourcen Bezug genommen wurde, erzeugte die Gegenreaktion, die darauf hinwies, daß durch Recyclingprozesse dieser linearen Entwicklung durchaus etwas entgegengesetzt werden könne. Schließlich wurden dagegen auch thermodynamische Argumente ins Feld geführt, auch und insbesondere aufgrund der Tatsache, daß ‚peak oil‘ eigentlich vor 30 Jahren hätte gewesen sein sollen. Nun ja, das ‚panta rhei‘ steht zwar nicht in Frage, nur – ob kreisförmig oder nicht bleibt die spannende Auseinandersetzung.

Die Schwierigkeiten die entstehen, wenn man Güterproduktion nicht mehr als Kreislauf zwischen zwei Polen verstehen will, potenzieren sich dann, wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit es den berühmten „Geldkreislauf“ gibt, welcher gewissermaßen als „Gegenstrom“ diesem „Input/ Output-Strom“ entgegenfließt. Die Plausibilität dieser Vorstellung wird auch noch dadurch unterstrichen, daß solche allgemeinen Vorstellungen wie „Tauschmittel“ und „Wertspeicher“ existieren, die eher auf der Ebene eines Dagobert Duck anzusiedeln sind, als in der schnöden ökonomischen Realität. (Natürlich muß man sich fragen, warum in Entenhausen keine Rezession herrscht, obwohl Dagoberts Geldspeicher gewissermaßen das „schwarze Loch“ des Geldumlaufs ist und von daher die wirtschaftliche Aktivität zum Erliegen gekommen sein müßte.) Und die rührenden Geschichten, die angeboten werden, wenn es um die historische Herleitung des Geldes geht, unterstellen schlichtweg, daß es eine Herleitung aus der Geschichte geben müsse, daß quasi die „Entwicklungslinien der Geldgenese“ eine logische Folge zwingender historischer Prozesse wären. Das ist jedoch keineswegs der Fall sobald man anzuerkennen gewillt ist, daß sich Geschichte auch in Sprüngen entwickelt, was darauf hinweist, daß die Entstehung sozialer Koalitionen mit einer Umweltabgrenzung und Etablierung eigener Kommunikationsweisen einhergeht – was auch die Möglichkeit eröffnet, Geld als kommunikative Institution zu interpretieren, die anderen Kriterien folgt, als es die Schulweisheit der maximierenden Individuen erkennen kann. (Das systemtheoretische Faß mache ich aber erst an einer anderen Stelle auf!)

Sobald man die Existenz von Geld nicht für einen Zufall (oder Nicht-Zufall) der Geschichte hält, lassen sich die Grundprinzipien des Geldsystems quasi zwangsläufig entwickeln, ohne daß damit eine Aussage über die tatsächlichen historischen Entwicklungslinien präjudiziert wäre. Das Grundproblem geldwirtschaftlicher Organisation liegt nach den hier entwickelten Kriterien über das Erkenntnisobjekt Ökonomie weniger in der Abwicklung von Tauschvorgängen, sondern in der Unsicherheit über die zukünftigen Ergebnisse sozialer Unternehmen. (Jesse James Post) Denn die Teilnahme an einer sozialen Unternehmung erzeugt das Problem, welchen Anteil! das einzelne Individuum an dem Ergebnis der gemeinschaftlichen Anstrengung erhält. In Anbetracht der Unsicherheit über das gemeinschaftliche Produktionsergebnis (für das sich niemand individuell! verbürgen kann – das ist die Aufgabe von Banken als soziale Institution zur Abfederung der Unsicherheit der Zukunft!) wird es praktikabel, über die Zuteilung eines Anteils den individuellen Beitrag am Produktionsergebnis zu messen.

In Analogie zu der direkten Verhandlung über prozentuale Anteile findet in der produktiven Unternehmung das Instrument der Geldlohnzahlung Anwendung. Dabei wird die Angleichung der monetären Einkommen in Relation zum Produktionsergebnis mit Hilfe der Buchhaltung Abteilung Preiskalkulation erzeugt, indem die Summe der (periodenzugerechneten) Kosten in Relation zur Menge des Produktionsergebnisses gesetzt wird. Der Verkauf der Produktion auf dem Markt erzeugt reale Verteilungsquoten nach Maßgabe der individuellen Lohnzahlung bzw. Nachfrage, während der Verkaufserlös die (hoffentlich) erfolgreiche reale Kompensation der Teilnehmer der Unternehmung anzeigt.

Ohne an dieser Stelle die Erzeugung von Profit und Zins darstellen zu können, läßt sich das Grundschema des monetär organisierten Produktionsvorganges folgendermaßen illustrieren:

GeldschleifeDie blauen und grünen Pfeile lassen sich unschwer als der o.a. „Güterkreislauf“ identifizieren, der allerdings aufgrund der in der Darstellung verwendeten zeitlichen Ablaufstruktur als fortschreitender Prozeß erscheint. Der Geldkreislauf, dessen Existenz üblicherweise noch weniger in Frage gestellt wird, läßt sich dann inhaltlich motivieren, wenn von den Prozessen, die einer Investition vorgelagert bzw. ihr nachgelagert sind, abtrahiert wird – man könnte auch ignoriert sagen. (Geldemission bzw. Geldreversion) Letztere Ignoranz wird durch den gestrichelten roten Pfeil markiert, der es verhindert, die geldwirtschaftliche Grundstruktur sozialer Produktionsprozesse als Diskussionsgegenstand überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wenn man so will markiert der blaue Kreis den Teilausschnitt dessen, was vom ‚mainstream‘ für ökonomisch relevant gehalten wird – das Wort „Froschperspektive“ drängelt sich hier geradezu auf!

Es erweist sich an dieser Stelle, daß man Geld nicht im Sinne des Dagobert´schen Sammelobjektes interpretieren muß, sondern zu einer Sichtweise gelangen kann, welche Geld als eine verbindende soziale Klammer interpretiert, deren Aufgabe es ist, die Ergebnisse eines gemeinsamen Projektes auf die daran Beteiligten aufzuteilen. Dies war ja auch die Lehre aus dem „Jesse James“ Post, wo sich zeigte, daß Gold die Ware ist, Geld aber durch die persönliche Verpflichtungsrelation etabliert wird, wo die „Rückgabe“ des (nicht verschriftlichen) Forderungsanteils die Rolle der Geldzahlung repräsentiert – und eben nicht das Gold. Geld korrespondiert somit stets mit sozialen Verpflichtungsrelationen und verschwindet dann, wenn diese durch die Beendigung des realen Projekts wieder aufgelöst werden. (Wer wissen will, warum Geld als Fetisch begreifbar ist: hier ist der Grund dafür!)

Diese Grundkonstruktion belegt bereits, daß Geld jenseits der phänomenologischen Betrachtungsweise als Tauschmittel eine originäre Funktion besitzt, die vom Grundansatz darin besteht, daß es vor allem ein Hilfsmittel zur Verteilung eines sozialen Produktionsergebnisses darstellt. Denn die Verfügung über Einkommen enthebt den allgemeinen (Vermarktungs-) Verteilungsprozeß von der Unmittelbarkeit, Verteilungsansprüche in natura (Tauschhandel) umsetzen zu müssen. Der individuelle Verteilungsanteil wird durch die Einkommenshöhe bemessen und überläßt die Wahlfreiheit der Inanspruchnahme dem einzelnen Individuum. Einkommenszahlungen haben für die Verteilung des Sozialprodukts diejenige genuine Informationsfunktion, die es den Individuen ermöglicht, nach Maßgabe seiner eigenen Verteilungsposition das Güterangebot durch seine Nachfrage zu honorieren. Die Ratio des Gebrauchs eines abstrakten Geldes ist daher in seiner Funktion als Distributionsmechanismus zu orten und nicht in einer seit 200 Jahren insinuierten Funktion als „Schmiermittel“ des Tausches vorgegebener Bestände!

Nun ist es nicht so, daß derartige Erkenntnisse brandneu wären, denn die Grundmuster dessen, was die gegenwärtige Wirtschaft prägt, sind bereits vor über 100 Jahren erkenntnisreif gewesen:

“Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Größen des einen die relativen Größen des anderen, ohne daß irgendeine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Tatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien.“
Simmel (1907)

Angesichts derartiger Einsichten ist es vergleichsweise erschütternd, daß sich die Vorstellung von „Geld als Wert“ bis heute in der wirtschaftspolitischen Diskussion hält. Immerhin: „Geld als Gold“-Theoretiker werden in der ökonomischen Wissenschaft inzwischen nur noch milde belächelt, auch wenn der korrekte Grund dafür alles andere als ‚mainstream‘ ist. Etwas zeitnäher gibt es die Anregung Geld als „relatives Maß der Produktion“ zu interpretieren, wo bereits angelegt ist, daß diese Relativität sich auf den Dualismus von Kosten und Erlösen bezieht und nicht auf das eventuelle Vorhandensein von Schatztruhen, deren Inhalt dann nichts besseres zu tun hat, als „auf Märkten zu zirkulieren“.

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Logische Typenlehre III – Überschuß und Gewinn

Puppi02Die  Sozialisation von Ökonomen fängt wie bei den meisten Menschen mit einem Sparschwein an. Mit der Unterstützung diverser Spartage sowie einer Orientierung an eine zu planende Zukunft gerät der werdende Mensch in eine Interpretationsfalle, die ihn üblicherweise sein Leben lang verfolgt. Mit der Akzeptanz einer moralisch sanktionierten Erwartung, daß sich Geld auf der Bank durch Zinsen wie von selbst vermehrt wird die felsenfeste Vorstellung erzeugt, daß das erlernte Wissen – das vermeintlich Bestehende – auch das Natürliche sei, was sich dann auch postwendend im Bewußtsein als gesichertes Wissen festsetzt.

Die Frage ist jedoch: auf welchen Steintafeln steht eingemeißelt, daß nicht ausgegebenes Geld sich auch zu vermehren hätte? Nun immerhin wird diese Vorstellung auch durch eine Wirtschaftstheorie rationalisiert, die das Sparen zu einer ‚conditio sine qua non’ der Investition definiert so daß damit eventuelle kognitive Dissonanzen hinsichtlich des „Wertes“ des Sparens von vornherein neutralisiert werden.

Dazu kommt noch, daß die Ableitung des Zinses aus einer Produktivität, wie es bei Ricardo angelegt ist wieder mal die Ebenen vermischt, die zwischen der monetären und der realen Ebene zu verorten sind. Die Identifikation von realen Überschüssen und monetären Gewinnen macht eines der größten Probleme der Wirtschaftstheorie aus. Denn das was zu zeigen wäre ist, daß das Prinzip der Erzielung eines Überschusses das gültige Prinzip der monetären Ebene abbildet. Das genau ist jedoch bisher nicht passiert. Auch deswegen nicht, weil die Existenz eines monetären Profites an einer spezifischen Institutionalisierung hängt, die sich mit der volkswirtschaftlichen Finanzierungsrechnung hinreichend bezeichnen läßt. Letztere besitzt als Grundprinzip die gesamtwirtschaftliche Identität von Forderungen und Verbindlichkeiten, welche nicht mit der Bildung realer Überschüsse kommensurabel ist. Zumindest ist dieser Nachweis bisher nicht erfolgt.

Aus einer systemtheoretischen Perspektive liegt ein derartiger Schluß auch nicht nahe, weil die Geldsphäre das kommunikationstheoretische Pendant (das Dual) der Erwirtschaftung realer Überschüsse darstellt, welches aber nur eine indirekte Abbildung darstellen kann, weil das zugrundeliegende Prinzip völlig andere Grundlagen besitzt. [Warum das Geldsystem mit der Postulierung eines Gewinnes quasi einer Phantasie hinterherjagt, ist ein weitaus schwierigeres Problem als die Einsicht in die theoretische Unvereinbarkeit von Überschuß und Gewinn.] Die Frage wie gesamtwirtschaftlich ein Gewinn – und damit ein Zins – entstehen kann, läßt sich nicht mit einem Verweis auf einen realen Kornüberschuß erklären. Da hilft auch kein Hinweis auf die Mehrergiebigkeit der Produktionsumwege, wie es von einschlägigen Schulen postuliert wird. Das monetäre Simulationsmodell, welches diesen Nachweis führen kann ist davon geprägt, Gewinn als temporäre Differenz monetärer Geldvermögensumschichtungen zu definieren. Dieses kann man jedem Buchhalter erklären – ob das auch bei Ökonomen funktioniert ist zumindest zweifelhaft.

Das liegt daran, daß die gesamtwirtschaftliche Identität von Forderungen und Verbindlichkeiten sich als beschränkende Klammer temporärer Geldvermögensüberschüsse erweist. Daß ein bilanzieller Gewinnausweis darüberhinaus durch die Bewertung von Realvermögen scheinbar eine Abweichung von diesem Prinzip ermöglicht ist jedoch ein Irrtum, weil – ausschüttungsfähige – Gewinne an Liquidität und nicht an Bewertungsdifferenzen gekoppelt sind. Die müssen gezahlt (!) werden und nicht nur in einer bilanziellen Position sich „ausweisen“!

Vgl.: http://dr-menendez.de

Die logische Differenz zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem gilt auch hier. Denn eine Erklärung für Kornüberschüsse ist das eine – die Erklärung eines monetären Gewinnes bzw. Zinses ist das andere. Im Gegensatz zu dem Konzept eines Überschusses auf der realen Ebene ist der Gewinn auf der monetären Ebene angesiedelt, deren Grundformel aus der permanent gültigen Identität von Forderungen und Verbindlichkeiten besteht, was die Konzeption eines Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben eigentlich nicht nahelegt. Anders gesagt ist ein Gewinn im Sinne eines positiven Nettogeldvermögens nur dann möglich, wenn an einer anderen Stelle des Kreditgeldsytems ein negativer Nettogeldvermögenssaldo existiert. Insofern wie Schuldsalden im Zeitablauf einer Tilgung unterliegen sind Gewinne prinzipiell gesehen von diesen negativen Vermögensbeständen abhängig. Dieser Dualismus wird stets dann ignoriert wenn Schulden als das zentrale Problem einer Krise interpretiert werden. Denn die Umwandlung einer Nettoakkumulation von Schulden in Einkommen ist genau das was von der empirischen Wirtschaftsforschung als Wachstum gemessen wird. Aus diesem Grund ist es auch fehlerhaft zu argumentieren, daß die Steigerung von Produktivität zu einer Gewinnsteigerung im volkswirtschaftlichen Sinne führen muß. Dieses ist deswegen nicht der Fall, weil die Entstehung von Gewinn an monetären Geldvermögensbeständen hängt und nicht an reale Mengen gekoppelt ist. Das Ignorieren dieser Differenz führt dann auch postwendend zu den falschen Therapien einer Krise, die immer wieder die Steigerung von Produktivität als Lösung der Krise anzubieten versuchen.

Man kann sich natürlich Gedanken darüber machen an welcher Stelle diejenigen Schulden gemacht werden, die ein nachhaltiges Wachstum begründen. Im Allgemeinen läßt sich Schuldenwachstum dann als volkswirtschaftlich gesund bezeichnen, wenn dadurch vermehrt Güter und Dienstleistungen auf dem Markt angeboten werden, weil damit eine gesellschaftliche Wohlfahrtsteigerung einhergeht. Dies steht bei Staatsschulden sowie Krediten für die Spekulation auf den Finanzmärkten zumindest in Frage.

Im Hinblick auf die Eingangsfrage läßt sich jedoch zweifelsfrei feststellen, daß die unbesehene Übernahme der Vorstellung der natürlichen Vermehrung biologischer Sachverhalte auf die Ebene monetärer Gewinne zu eben den Fehlschlüssen führt, wie sie in wirtschaftstheoretischen Abhandlungen immer wieder vorkommen. Die Akzeptanz der Tatsache, daß Gewinne eine monetäre Grundlage besitzen führt dazu für die Zukunft der Wirtschaftstheorie zu postulieren, zu einer konsistenten „monetären Theorie des Gewinnes“ resp. des Zinses zu kommen. Leider ist das in einem ökonomischen Umfeld alles andere als selbstverständlich.

Der Fehlschluß der Ökonomie, biologische Reproduktionsbedingungen unbesehen auf die ökonomische Ebene zu transponieren läßt sich auch hinsichtlich des physikalischen Energieerhaltungssatzes als nicht sachgerecht qualifizieren. Denn letztlich ist auch ein Kornüberschuß in einem weiteren Kontext nur unter Ignoranz gegenüber ökologischen Grundkonstanten als „Überschuß“ darstellbar. (Die positive Sonnenenergiebilanz ist ja wenigstens ein Hinweis darauf, daß es auch in biologischen Reproduktionszusammenhängen eines „Netto-Inputs“ bedarf, damit die Vorstellung eines Netto-Überschusses wenigstens phänomenologisch darstellbar wird.) Unter diesem Aspekt gesehen sollte es nicht verwundern, daß die Übertragung einer isolierten phänomenologischen Betrachtung auf die Ökonomie zu den gleichen intellektuellen Kurzschlüssen führen muß, die bereits in der Ausgangskonstellation enthalten sind. Die einschlägige logische Grundformel dafür lautet: ‚ex falso quodlibet’!

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Logische Typenlehre II – das Basisgeld

MagnolieGeld ist eine Entität der Schuldkommunikation aber selbst keine Schuld.

Die Theorie, daß Geld eine Forderung an die Zentralbank sei ist einer zu oberflächlichen Betrachtungsweise geschuldet. Denn die Ebenen des Geldsystems sind hierarchisch gesehen derart gestrickt, daß die Forderungen der übergeordneten Ebene gerade keine Forderungen für die nachgeordnete Ebene darstellen. Deswegen ist auch eine Vorstellung, daß Geld eine Forderung gegen die Zentralbank sei nichts weiter als gegenstandslos.

Das gleiche Ergebnis gilt aber auch auf der Ebene der Vermittlung aka „Emission“ von Zentralbankgeld. Denn die Forderung einer Bank gegen die Zentralbank ist gerade eine Forderung auf – Zentralbankgeld. Damit ergibt sich eine logische Differenz, die sich darin manifestiert, daß Geld ein Objekt der Schuldkommunikation ist – und nicht das Subjekt!

Der Unterschied zwischen Bezeichnung und Bezeichnendem ist gerade dabei von außerordentlicher Bedeutung, weil inzwischen die Zuschreibung an Geld, ein ‚asset‘ zu sein, die Diskussion beherrscht. Genau das ist jedoch nicht der Fall. Denn ein Schuldvertrag beinhaltet eine Leistung, die auf eine Sachübertragung gerichtet ist. Aus diesem Grunde kann Geld nicht eine Forderung oder eine Verbindlichkeit sein, weil die logische Differenz von Schuld und geschuldetem Sachgegenstand nicht übersprungen werden kann. Mit der Vorstellung von Geld als Schuld wird eine logische Grenze überschritten, die einen groben Verstoß gegen die Grundsätze der logischen Differenz von Element und Klasse darstellen. Das klassische Problem der Mengenlehre besteht ja gerade daraus, daß die Klasse aller(!) Klassen sich selbst nicht als Element enthalten kann. Umformuliert: die Klasse aller Kredite kann sich selbst nicht als Element enthalten, d.h. übersetzt, daß die verbindende Klammer, welche Kredite operationsfähig machen kann, nicht selbst ein Element der Klasse der Kredite sein kann. Damit wird aber das Objekt der Schuldbeziehungen zwischen Banken und Zentralbank auf einmal zu einem Subjekt der Schuldbeziehungen von Banken zu Nicht-Banken. Heißt auf gut Deutsch: Zentralbankgeld ist im Zentralbankverkehr die Handelsware, die durch Schuldbeziehungen erschaffen oder vernichtet wird, Zentralbankgeld ist im Geschäftsverkehr demgegenüber das ultimative Schuldentilgungsmittel, welches die derivativen Schuldbeziehungen von Banken und Nicht-Banken entweder etabliert oder eben neutralisiert.

Damit verliert aber Zentralbankgeld seine üblicherweise kolportierte Eigenschaft ein Mittel zur Erleichterung von Tauschbeziehungen zu sein. Und dennoch: mit einer für eine Wissenschaft beispiellosen methodologischen Inkonsequenz versucht die Ökonomie dieser Kalamität seit 200 Jahren dadurch zu entkommen, daß sie vermeintlicherweise über den realen und „richtigen“ ökonomischen Kern der Tauschwirtschaaft einen Schleier der monetären Undurchsichtigkeit stülpt, obwohl es gerade dieser „Schleier“ wäre, der es möglich machte, dem Geheimnis des Geldes auf die Schliche zu kommen.

Mit dieser Präformierung klebt sich die Ökonomie auf eine systemtheoretische (Prä-) Ebene fest, die sie außerhalb der sich als systemtheoretisch verstehenden Wissenschaften stellt, so daß ihre Stellung innerhalb des Wissenschaftsbetriebes als äußerst prekär einzuschätzen ist. Diese Ignoranz gegenüber den eigenen methodologischen Grundlagen kann dann auch durch eine noch so intensive statistische Ausrichtung nicht aufgefangen werden. Denn wie man weiß, wird durch statistische Methoden nur das erkennbar, was bereits als Konzeption gedanklich vorliegt – durch statistische oder ökonometrische Untersuchungen können, im Gegensatz zu einem weitverbreiteten Missverständnis (Friedman), keine originären Erkenntnise gewonnen werden.

Dagegen führt die methodologische Differenz von Element und Klasse zu der Erkenntnis, daß Geld als Erfüllungsmedium von Schuldverhältnissen selbst kein Schuldverhältnis sein kann. Die klassische Allegorie für diese Verwechslung von Bezeichnung und Bezeichnetem ist der Schizophrene, der nach dem Studium der Speisekarte völlig überzeugt von der Richtigkeit seines Tuns herzhaft in die Speisekarte beißt. Mit dieser fehlerhaften Identifikation von Geld und Kredit wird zu allem Überfluß von der Ökonomie völlig unbekümmert die Definition der Geldmenge zu einer Vermengung inkommensurabler Entitäten hochstilisiert. Damit wird der Blick dafür verstellt, daß Geld seine Funktion darin findet Schuldverhältnisse zu etablieren oder auszugleichen, die damit wieder aus dem gesellschaftlichen Beziehungsgeflecht entfernt werden können. So ist letztlich auch der Irrglaube zu erklären, daß die Ausweitung der Geldmenge M0 zu einer Lösung des Problems einer mangelhaften Rentabilität beitragen könnte. Das ist denn aber auch nicht der Fall. So sind z.B. die LTRO Aktionen der EZB überhaupt nicht geeignet das Problem der mangelnden Rentabilität der Realwirtschaft zu lösen, da sie lediglich dazu beitragen können das Liquiditätsproblem (aber eben nicht das Rentabilitätsproblem) von Unternehmen und damit auch der Banken zu konsolidieren. Gewinne entstehen dadurch nicht!

Das methodische Desaster der Vermengung von Element und Klasse wird nur noch dadurch übertroffen, daß das Postulat einer (quasi) theorielosen und von statistischen Spitzfindigkeiten überfrachteten Ökonometrie zu Erkenntnis führen soll. Natürlich sind statistische Untersuchungen per se nicht falsch nur kann nur dann eine Erkenntnis daraus gezogen werden, wenn damit auch eine Vorstellung verbunden ist, welche das Ergebnis der Analyse der Daten auch in einen sinnvollen Zusammenhang stellen kann. So wie es derzeit aussieht wird es allerdings nicht mehr dazu kommen, daß die Ökonomie sich auf eine andere Formulierung ihrer angestammten Vorurteile einlassen wird.

Damit vergibt sie sich der Möglichkeit zu einer Wissenschaft zu werden welche die methodischen Grundlagen der logischen Typenlehre ernst nehmen kann und will.
Diese Art von Konzeption ist der Grund dafür, warum es für die Ökonomie so schwer ist zu einer akzeptierten Wissenschaft zu werden. Die permanente Ignoranz gegenüber den methodischen Prinzipien der ’scientific community‘ macht es fast unmöglich zu einer allgemein akzeptierten Definition des eigenen Erkenntnisobjektes zu kommen, die den Normen der allgemein akzeptierten Wissenschaft entspricht.

Man kann diese Prinzipienlosigkeit der Ökonomie als ein ‚feature‘ interpretieren aber eigentlich ist es ein Versagen davor, die Objekte, welche die eigene Erkenntnis darstellen sollten auf eine Weise zu ordnen, welche eine Anspruch erheben kann, eine saubere methodologische Grundlage zu haben. Es ist zwar nicht wirklich so, daß allein die Grundlagen der logischen Typenlehre zu einer akzeptablen ökonomischen Theorie führen können, welche das ökonomische Problem lösen könnte, wie die Frage von Knappheit gelöst werden kann. Dennoch ist das Zentralproblem der Ökonomie ohne die substanzielle Unterscheidung von Bezeichnung und Bezeichnetem nicht auf eine saubere wissenschaftstheoretische Art zu bewältigen, indem man sich den eignen Grundlagen gegenüber ignorant zeigt.

Damit wird wieder die Ausgangsfrage angesprochen, warum das Insistieren auf der vermeintlichen Eigenschaft von Geld als Kredit immer noch dergestalt die Sinne vernebelt, daß diese Gleichsetzung weitere Fehlschlüsse generiert, die sich darin zeigen, daß monetäre Problemlagen immer noch mit einem Konzept analysiert werden, welches selbsterklärterweise auf einer Tauschphilosophie (Hirsch und Biber – A. Smith) aufbaut, und gleichzeitig die strukturellen Differenzen – allein innerhalb des Geldwesens – mit einer präpotenten Ignoranzattitüde aus dem ökonomischen Sachzusammenhang wegdefiniert werden.

Man kann das ja alles machen und auch vertreten, man darf sich dann nur nicht wundern, warum ökonomische Prognosen aus grundsätzlichen Gründen (derzeit) lediglich beliebig sind. Die grausame Konsequenz daraus ist, daß dann, wenn irgendein „Ökonom“ mal einen Zufallstreffer gelandet hat, der (wiederum) logische Grundsatz gilt: ‚ex falso quodlibet‘!

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Wird aus Geld „Mehr-Geld“?

Prolegomena zu einer strittigen Systemtheorie des Finanzmarktes

Es kann in einem Blogbeitrag natürlich nicht darum gehen einen Abriß der Systemtheorie darzustellen, so daß zum Verständnis der folgenden Zeilen ein Abschnitt eines Glossars eines Lehrbuches genügen muß.

„System … bezeichnet einen ganzheitlichen Zusammenhang von Teilen, deren Beziehungen untereinander quantitativ intensiver und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu anderen Elementen. Diese Unterschiedlichkeit der Beziehungen konstituiert eine Systemgrenze, die System und Umwelt des Systems trennt. Komplexe Systeme sind durch die Merkmale Selbstorganisation, Grenzerhaltung, Selbstreferenz und Generativität charakterisiert. Die Besonderheit der Klasse der … sozialen Systeme liegt darin, daß ihre Grenzen nicht physikalisch-räumlich bestimmt sind, sondern symbolisch-sinnhaft.“ (Willke, Systemtheorie)

Relevante Kriterien zur Analyse der Frage, was den Systemcharakter des Finanzmarktes ausmacht, können demnach folgende Aspekte sein:

  • die Frage nach der Systemgrenze, die den Finanzmarkt von anderen marktwirtschaftlichen Aktionsformen unterscheidet;
  • die Kommunikationsmuster, welche eindeutig zum Finanzmarkt zu rechnen sind;
  • das Kommunikatonsmedium, welches das Kriterium für die Zugehörigkeit zum Finanzmarkt bildet;
  • – und –
  • der Sinn des Ganzen, wobei „Sinn“ für den Komplex gemeinsam verstehbarer und systemzugehöriger Handlungsweisen steht, die zur Erreichung der Systemzwecks – nicht Systemziels(!) – eingesetzt werden!

Und die Frage nach der Emergenz von Systemstrukturen innerhalb des Finanzmarktes kann an dieser Stelle erst recht nicht angesprochen werden! (Das Thema ist viel zu umfangreich, um dieser Stelle behandelt werden zu können – mal abgesehen davon, daß es sich nicht auf den Finanzmarkt begrenzen läßt!)
Ich möchte mich an dieser Stelle darauf beschränken die Bedingungen anzusprechen, die gegeben sein müssen, damit der Finanzmarkt sein zentrales Versprechen – aus Geld „Mehr-Geld“ zu machen – erfüllen kann. Irgendwo muß man ja schließlich mal anfangen, dieses vielfältige Thema aufzugreifen.

Was macht also ein Finanzsystem – wenn es denn ein System ist – aus? Die Frage nach dem Kommunikationsmedium des Finanzmarktes ist so einfach gestellt wie beantwortet: es geht um Geld, so daß Finanzmarktakteure das Handwerkszeug „Geld“ verwenden, wie Bauarbeiter ihren Hammer. Dazu kommt noch, daß es eine spezifische Semantik gibt, deren Inhalte sich – nicht abschließend – mit Kursbewegungen, Charts und Wertentwicklung charakterisieren lassen, so daß sich ein gemeinsames Merkmal der Finanzmärkte dahingehend herausschälen läßt, was sich mit der „Erzeugung von Mehr-Geld“ beschreiben läßt. Diese Vorstellung findet in der Sozialisation der Menschen ihren Niederschlag in „Spartagen“ und der allgemeinen Vorstellung eines absoluten Berechtigungsanspruchs von Zinsen, die – verbrämt mit einem moralischen Absolution – zu einer unhinterfragten Vorstellung führen, daß Zinsen einen notwendigen Anspruch aus dem Lebensleid „Nichtkonsum“ darstellen.

Dieser Anspruch durchzieht die Finanzmärkte mit dem gemeinsam geteilten Verständnis von Realität, daß das „Anlegen“ von Geld zu einem „Mehr-Geld“ führen muß, so daß sich der kommunikative Charakter des Finanzmarktes durch die „Formel“ G -> G‘ darstellen läßt. Dies ist schon mal insofern kurios, als sich genau diese Vorstellungsweise bei Marx wiederfinden läßt, der dies allerdings in einer Sozialtheorie eingebettet hatte, welche die inhärenten Widersprüche des Kapitalismus erklären wollte. Das soll aber an dieser Stelle nicht Thema sein.

Die Systemgrenze des Finanzmarktes läßt sich idealtypisch durch die Abwesenheit von „W“ – Ware – kennzeichnen, denn Finanzmärkte sind nicht mit realen Produktionsprozessen befaßt. Soweit sie Finanzanlagen in realen Produktionsprozessen durchführen, sind die Bewertungskriterien dennoch nach Maßgabe der Ertragsvorgaben, die sich auf dem Finanzmarkt als Vorstellung durchsetzen, dominant. Es geht also nie um die Sinnhaftigkeit oder gesellschaftliche Erwünschtheit einer Produktion, sondern um deren monetäre Ertragskraft – was im Grunde genommen das einzige Kriterium ist, welches für Finanzmärkte zählt. Das mag man bedauern, ist aber für die hier zu behandelnde Frage das entscheidende Kriterium.

Diese Frage macht übrigends den Unterschied der Theorie des Kreditgeldkapitalismus zu der allgemeinen Gleichgewichtstheorie aus. Denn es ist nicht nebensächlich, ob man denkt, die Menschen würden ja vom Grunde ihres Herzens ja nach realen Gütern streben, oder ob das abstrakte Erfolgskriterium – monetäres „Mehr-Geld“ – zur Leitlinie ökonomischen Handelns wird. Das ist ein weites Feld… Denn damit ist die berüchtigte Kontroverse von I und S verbunden, die allerdings nur eine Scheindebatte ist, weil sich jeder, der einen Buchhaltungskurs verstanden hat, darüber klar ist, daß Ersparnis nur aus Einkommen erfolgen kann, deren Ursprung in einer kreditfinanzierten Unternehmung zu suchen ist. Für die Behandlung dieser Sachfrage ist denn auch Schumpeter (1911) einschlägig.

Ein Rekurs auf Schumpeter klassifiziert jedoch den Finanzmarkt als ein „Sub-System“ des Kreditgeldkapitalismus, wobei naturgemäß offen bleibt, woher die Gewinne des Finanzmarktes resultieren. Die „normale“ Antwort auf derartige Fragen besteht darin, daß ja der „Realsektor“ die Gewinne des Finanzmarktes „verdienen“ muß. Eine derartige Antwort ist aber von dem Mißverständnis geprägt, welches seit Ricardo und seiner „Korntheorie des Zinses“ in der ökonomischen Theorie herumgeistert. Nur kurz gesagt ist es doch so: die „Realwirtschaft“ produziert – hoffentlich – Wohlstand, ist jedoch von ihrer Anlage nicht dazu gemacht, auch die „Sparvolumina“ zu erzeugen, welche dann von einem Finanzmarkt auch noch vermehrt werden könnten. Salopp gesagt: Unternehmen produzieren Güter, aber kein Geld! Insofern ist diese landläufige Vorstellung nicht gut begründet. (Falls jemand meint, daß das doch alles Dummfug sei – ja sicherlich, nur die gegenwärtige ‚mainstream‘ Theorie des Zinses alias Grenzproduktivitätstheorie folgt dem Muster von Ricardo – ein epistemologisches Desaster!)

Das kann man sich daran klarmachen, indem man versucht, das in systemtheoretischen Darstellungen gelegentlich gebrauchte „Black Box“-Modell ernst zu nehmen: denn dem Input der Einzahlungen in das Finanzsystem muß auch ein Output entsprechen, welcher dieselbe Eigenschaft aufweist wie der Input: er besteht aus Geld. Das wirft die Frage auf – wie gesagt: es geht hier um die Frage des Finanzmarktes als eigenständiges System – inwieweit der Finanzmarkt seinen eigenen Anspruch einhalten kann, daß aus Geld eben „Mehr-Geld“ wird. Damit kommt man aber zu einer entscheidenden systemtheoretisch motivierten Vermutung: denn wenn es sich erweisen sollte, daß der Finanzmarkt lediglich ein Derivat der „Realwirtschaft“ ist, ist seine Eigenständigkeit als „System“ nicht begründbar.

Besagte Eigenständigkeit hat jedoch noch einen anderen Hintergrund, der aus den Eigenschaften kreditgeldkapitalistischer Ökonomien entspringt: der ärgerliche Hauptsatz der Volkswirtschaftslehre lautet dahingehend, daß nun mal das gesellschaftliche Nettogeldvermögen – d.h. über alle gesellschaftlichen Sektoren gerechnet – den recht übersichtlichen Betrag NULL aufweist! Das ist nun mal eine Konsequenz der Tatsache, daß eine doppelte Buchhaltung keinen Raum für Vermögensansprüche läßt, denen kein negatives Nettogeldvermögen (Nettoschulden) gegenübersteht. Die landläufige Erkenntnis – wo Rauch ist, ist auch Feuer – übersetzt sich in trockenes Buchhalterdeutsch dahingehend, daß die Verbuchung individuellen oder sektoralen Nettogeldvermögens einen ebenso großen Verbindlichkeitseintrag anderer Sektoren zur Voraussetzung hat. (Forderungen und Verbindlichkeiten sind in einer enantiodromischen(!) Weise miteinander verknüpft – das Eine geht nicht ohne das Andere, und zwar ohne wenn und aber. Das bekommt man auch mit Moral nicht weg!)

Wie war es denn in den „goldenen“ Zeiten des wachstumsorientierten Kapitalismus? Da war normalerweise der Unternehmenssektor für die Schaffung von Nettogeldvermögen (Investition) verantwortlich. Dies deshalb, weil der Planungshorizont von Unternehmen in diesen Zeiten über die heute üblichen zwei Quartale hinausging. Letztere Unsitte hat  dummerweise zur Folge, daß rein buchhaltungstechnisch die in den Büchern stehenden Kreditvolumina die sonst notwendigerweise bei den anderen Sektoren als Ersparnis, d.h. nichtkonsumiertes Nettogeldvermögen – quasi als Kollateralschaden – anfallen, inzwischen aufgrund des verkürzten Planungshorizontes seitens der Unternehmen kaum mehr gebildet werden können. Da aber Nettogeldvermögen (=Ersparnis) nur dann gebildet werden kann, wenn jemand auf Kredit (= i.d.R. temporäre Erzeugung von Nettogeldvermögen) kauft, wird es – wenn die Unternehmen sich zunehmend weigern, dieses Prinzip der langfristigen Vorfinanzierung mitzutragen – zu einer virulenten Frage, woher die notwendigen Nettoschulden kommen sollen, die für die Erzeugung von Nettogeldvermögen gebraucht werden! (Wie gesagt, ein Buchhaltungskurs beseitigt viele Fragen!)

Damit verbunden ist die Frage der Nachhaltigkeit von Geldvermögen- ja, die gibt es im Kreditgeldkapitalismus auch! Denn (eigentlich) weder der Staat, noch die privaten Haushalte sind diejenigen, deren Verschuldung die Nachhaltigkeit des Kapitalismus markieren könnte – zumindest nicht im Sinne der Nachhaltigkeit eines arbeitsteiligen sozialen Gefüges. Denn frei nach Schumpeter ist die Erzeugung von verkaufsfähigen Gütern diejenige Tätigkeit, welche zu einer – hoffentlich – Wohlstandssteigerung des Sozialwesens führt. Es ist jedoch nicht so, daß – um auf das eigentliche Thema zurückzukommen – temporäre Verschuldung zu einem dauerhaften Nettogeldvermögenszuwachs führen kann, der vom Finanzmarkt auch noch als originäre Leistung für sich reklamiert wird – es sei denn, es handelt sich um einen „fühlbaren“ Wachstumsprozeß. Eine Dauerhaftigkeit der Nettogeldvermögen läßt sich demzufolge nur mit Schuldnern erreichen, wenn diese – im wahrsten Sinne des Wortes – auch Dauerschuldverhältnisse eingehen (können). Dazu ist in der sektoralen Betrachtung bisher aber nur ein Akteur in der Lage gewesen: der Staat – und auch der inzwischen nicht mehr!

Ärgerlich dabei ist: auch der Staat kann den Finanzmärkten heutzutage nicht mehr zu einer nachhaltigen Rentabilität verhelfen, weil das Potential an Nettoneuverschuldung seitens der Staaten inzwischen, zumindest in Europa, zu einer marginalen Größe werden wird. Daher wird das Erfolgskriterium des Finanzmarktes durch die geplante Reduktion der Staatsverschuldung in EURO-Land in massiver Weise behindert. (Das haben die Lobbyisten-Beauftrager nur noch nicht kapiert, sonst wäre kein Fiskalpakt dieser Welt möglich gewesen! Sancta Simplicitas!) Unabhängig von der makroökonomischen Perspektive: die niedrigen Zinsen, die sich im Zuge der vermeintlichen EURO-Krise als normal etabliert haben, sind für die Finanzbranche ein Desaster, welches in wenigen Jahren zu einer „alternativlosen Rettung“ der Geldsammelstellen (Fonds, Lebensversicherer etc.) führen wird. Denn niedrige Zinsen sind Gift für das zentrale Versprechen des Finanzmarktes aus Geld „Mehr-Geld“ zu machen – was noch nicht mal die Frage der sogenannten Realerhalts von Finanzvermögen adressiert. Und letzteres ist inzwischen zu einer wichtigeren Frage des Vermögensmanagements geworden als die landläufig noch geglaubte vermeintliche „Vermehrung“ von Nettogeldvermögen!  Und da helfen auch „garantierte Südländer-Anleihen“ nichts: denn entweder sind die Zinsen so niedrig wie in Deutschland, Japan, GB oder USA, oder die Zinsen sind hoch und ebenso der potentielle Abschreibungsbedarf. Man kann es drehen und wenden wie man will: Geld im Sinne eines Nettogeldvermögen entsteht dabei nie, denn die Summe allen Nettogeldvermögens ist immer Null.

Das heißt auf gut Deutsch: derzeit ist der Kreditgeldkapitalismus in einer Phase, in der ein strategisches Spiel darüber gespielt wird, welcher Sektor noch über ein wesentliches Verschuldungspotential verfügt, was man als ‚conditio sine qua non‘ des Finanzmarktes interpretieren kann, denn nur dann kann er sein zentrales Versprechen des „Mehr-Geld“ aufrechterhalten. (Die unsittlichen „Erfolgshonorare“ der Traumverkäufer sprechen jedoch eine andere Sprache. Witzigerweise ist zwar jeder davon betroffen, aber alle glauben daran, daß es sie nicht betrifft. Gegen diesen Selbstbetrug ist kognitive Dissonanz ein Kinderspaßportal!) Nur unter dieser Voraussetzung können sowohl der Finanzmarkt, als auch die Unternehmen noch Gewinne ausweisen; der Mechanismus G -> G‘ (den es so ohnehin nie gab) funktioniert nicht mehr, weil die Wachstumsraten des Sozialprodukts, die bisher diese Illusion genährt hatten, inzwischen auf mikroskopische Dimensionen zusammengeschnurrt sind! Bei Wachstumsraten um Null Prozent ist eben auch gesellschaftlich kein Nettogeldvermögensaufbau mehr möglich.

Leicht zu verstehen und schwer zu begreifen – so ist das halt mit der Erkenntnis!

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