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Der Krönchen-Wechsel

Es gibt derzeit gerade das Problem, daß vertraglich vereinbarte Zahlungen zu leisten sind, die aufgrund der Freiheitsbeschränkungen durch die Politik nicht mehr leistbar sind. (Die Beispiele findet jeder selbst.) Nun beruht aber dieses Wirtschaftssystem auf Zahlungen (und nicht, wie es manche Romantiker haben wollen, auf kapitalistischen Wertvorstellungen), so daß eine Aufrechterhaltung der Zahlungsströme darüber entscheidet, ob dieser ökonomische Schock auf eine angemessene Art verarbeitet wird, oder nicht.

Es geht salopp gesagt um die Frage, wie man Zahlungsströme aufrecht erhalten kann, ohne daß sofort die Liquidität, die normalerweise einen Zahlungsstrom begleitet, benötigt wird. Die Blaupause, die man dazu braucht, ist das Wechselgesetz. Denn die Verbriefung einer Zahlung durch einen Wechsel ermöglicht es dem aktuellen Wechselgläubiger, die im Wechsel verbriefte Liquidität indirekt nutzbar zu machen, indem der Wechsel an Zahlung statt weitergegeben werden kann. Sollte tatsächlich Liquidität benötigt werden, kann ein Wechsel auch bei einer Bank diskontiert werden, so daß die Annahme eines Wechsels nicht dazu führt, daß eine Verfügung über Liquidität bis zur Fälligkeit ausgeschlossen ist.

Die Anwendung dieses Konzepts ist ziemlich straightforward: nehmen wir mal an, der Geschäftsinhaber eines Restaurants darf sein Geschäft für 8 Wochen nicht öffnen, so daß während dieses Zeitraums ein Umsatzausfall von 100% eintritt. Die variablen Kosten mögen zwar viel geringer sein, aber es gibt Dinge, an denen geht nichts vorbei – Miete, Nebenkosten und sogar das eigene Leben, you name it. Nun gibt es zwar ein Programm, welches dazu gedacht ist, die Umsatzausfälle gerade dieser Selbständigen zu kompensieren, aber man braucht nicht viel Phantasie um sich vorstellen zu können, daß die Verwaltung, die ja auch durch krankheitsbedingten Mitarbeitermangel geplagt ist, in der Kürze der Zeit nicht die Kapazität besitzt, um die entsprechenden Anträge bearbeiten zu können – ob sie es bürokratisch oder unbürokratisch nicht bearbeiten, ist vergleichsweise unerheblich.

Es braucht also ein Instrument, welches es ermöglicht, Zahlungen in die Zukunft verschieben zu können, wobei der Empfänger der „Nicht-Liquidität-Zahlung“ die Möglichkeit hat, dieses Instrument seinerseits als Mittel „an Zahlung statt“ weitergeben zu können. Wenn man also ein derartiges Instrument hätte – nennen wir es mal den Krönchen-Wechsel – würde einerseits der Schuldner seiner Verpflichtung zur Zahlung (zunächst mal) nachkommen können, der Gläubiger könnte über ein Wertpapier verfügen, welches entweder transferiert oder diskontiert wird, wobei die Deklarierung als Krönchen-Wechsel dieses Wertpapier als „eligible“ für eine spätere Erstattung durch öffentliche Ausgleichszahlungen definiert.

Die Vorteile durch eine derartige Konstruktion sind vielfältig: durch einen Krönchen-Wechsel bleibt der Schuldner verpflichtet, auch wenn durch die Deklaration als Krönchen-Wechsel vor einer Fälligkeit dieses Wechsels eine Prüfung zu erfolgen hat, ob dieser Wechsel für eine Erstattung durch die öffentliche Hand in Frage kommt. Es ist also eine Änderung erforderlich, nämlich in Abwandlung der Klausel „ohne Einrede der Vorausklage“ (ist bei einem Wechsel ohnehin selbstverständlich) müßte eine „Einrede der Krönchen-Prüfung“ hinzutreten, welche bewirkt, daß die Fälligstellung eines Wechsels von der Prüfung über dessen Erstattungsfähigkeit blockiert wird. Um das zu gewährleisten, kann man eine automatische Wechselprolongation vorsehen, die den Zweck hat, den Prüfungsaufwand für den Einzelfall nicht unter Zeitdruck leisten zu müssen. Für diesen Fall kann man den Wechselzins über das erste Fälligkeitsdatum hinaus verlängern, womit die Banken angeregt werden, den Wechsel im eigenen Portefeuille zu halten und nicht bei der Bundesbank zum Rediskont einzureichen.

Die Deklaration als Krönchen-Wechsel hat also die Funktion, fällige Zahlungen, die aufgrund des Geschäftsausfalls nicht geleistet werden können, liquide zu halten. Der Wechselschuldner wird auch nur dann, wenn die berechtigte Aussicht darauf besteht, daß eine Erstattung durch das Krönchen-Programm der öffentlichen Hand zu erwarten ist, einen derartigen Wechsel ausstellen, denn die Kosten des Wechsels sind hochgerechnet keine „quantité négligeable“, so daß eine mißbräuchliche Verwendung nicht wirklich attraktiv erscheint. Dagegen stehen schon die Konditionen, die das konventionelle Wechselgesetz vorsieht.

Fazit:
Der Krönchen-Wechsel

a) erlaubt die Erfüllung von Verpflichtungen, ohne daß es aktuell zu einer Belastung des Liquiditätstatus kommt

b) hält den Gläubiger liquide, indem er das Wertpapier weitergeben oder diskontieren kann

c) erlaubt der öffentlichen Verwaltung, eine sorgfältige und angemessene Prüfung der Anspruchsgrundlagen

d) erspart ganz nebenbei den Zentralbanken eine vergleichsweise undifferenzierte Strategie des wahllosen Aufkaufs von Schuldpapieren (auch wenn die Verwaltung der eingereichten Wechsel einen ziemlichen Arbeitsaufwand darstellen), weil durch den Krönchen-Wechsel die tatsächlichen (und nicht die vermuteten) Problemfälle sich als Wertpapier im Laufe der Zeit automatisch bei der Zentralbank sammeln und von dort an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden können.

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Risikorückstellungen – eine ungeliebte Notwendigkeit

succsessfeeMan lebt ja von der Successfee des Vertragsabschlusses und nicht von der Erfüllung des Vertrages.

Eine herrliche Formulierung, die mich dazu bringt laut darüber nachzudenken, warum es in der heutigen Bankenlandschaft offenbar keine Möglichkeit gibt Banken dazu zu bringen auf eine nachhaltige Art und Weise zu operieren. Dabei ist erst mal das Kriterium fraglich, was Nachhaltigkeit in der Führung eines Bankbetriebes ausmachen soll.

Daß Nachhaltigkeit hier natürlich nicht bedeutet, daß es um ökologische Fragen geht, soll ausdrücklich von vornherein betont werden, weil ein Ausufern der Diskussion auf ‚peak‘-xyz sofort von dem eigentlichen Problemkern ablenken würde – mal abgesehen davon gibt es für dieses Thema genügend Spielwiesen, wo man sich in diesem Sinne austoben kann. Demgegenüber ist Nachhaltigkeit im Sinne einer Dauerhaftigkeit von Finanzbeziehungen eine Angelegenheit, die ältere Bankiers noch kennen werden, eine Sache, die den heutigen Bankern als unwesentlicher Schnee von gestern vorkommen wird.

Fragt man sich also an welcher Stelle die Bankiers zu Bankern mutierten, so kann man vermuten, daß es mit dem Aufkommen der Technik der Verbriefung mit der früher gepflegten Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehungen zu Ende gegangen ist. Denn Verbriefung ist letzten Endes ein Begriff dafür, daß eine Kreditbeziehung zwischen zwei Vertragsparteien einseitig durch den Kreditgeber aufgelöst werden kann, in dem Sinne, daß der ursprüngliche Kreditgeber aus seiner Verantwortung für die Krediterteilung entlassen wird und dafür der (ABS/Wertpapier-) Kreditkäufer sowohl Risiko als auch die möglichen Erträge aus der ursprünglichen Kreditbeziehung übernimmt.

An dieser Stelle kommt das eingangs angeführte Zitat zum Tragen. Denn solange Kredite an Kreditübernehmer abgegeben werden können, ist es mit der Motivation, eine Geschäftsbeziehung auch bis zu ihrem (hoffentlich) erfolgreichen Ende zu führen, auf einmal vorbei. Der Hänger an der Sache ist, daß Banken genau aus diesem Grund ihre Risikorückstellungen nach ihrem eigenen Gutdünken gestalten und aus naheliegenden Gründen keine Lust haben über eine minimale Vorsorge hinaus eine angemessene Risikovorsorge zu betreiben.

Woran liegt das?

Im Grunde genommen ist das Kreditieren von Geld eine Angelegenheit, die zusehen muß, daß dabei kein Vermögensschaden entsteht, der dazu führt, daß Zinseinnahmen mit Verlusten aus Kreditabschreibungen aufgerechnet werden müssen. Sobald man das einmal realisiert hat ist es nur noch ein kurzer Schritt festzustellen, daß Banken die Risikoanteile aus den Zinseinnahmen als Rückstellungen solange passivieren müßten, bis diese (zusammen mit den Tilgungszahlungen) die Höhe des ausstehenden Betrages erreicht haben. Erst an diesem Punkt sollte es erlaubt sein die dann folgenden Zins- und Tilgungszahlungen gewinnwirksam buchen zu können. (Ja, auch Tilgungszahlungen würden dann teilweise gewinnerhöhend sein. Warum? Weil das Geschäft erst dann effektiv Gewinne abwirft! Das kann bei 30-jährigen Immobilienkrediten dann schon mal 15 Jahre dauern!)

Auf diese Weise würde auch der Vermögensschaden aus einer notwendigen Kreditabschreibung erheblich gemindert, weil in diesem Fall der Risikoanteil der Zinsen tatsächlich! zu dem Zweck verwendet werden würde, für den er eigentlich vorgesehen ist, nämlich als Kompensation für eingetretene Verluste. Worüber man sich natürlich noch Gedanken machen könnte und müßte ist die Frage, wie der (virtuelle) Schaden aus dem entgangenen Ertrag zwischen der Bank und dem Schuldner aufgeteilt werden soll – auf jeden Fall ist ein derartiges Arrangement sowohl für die Bank als auch für den Schuldner eine Verbesserung in mehrfacher Hinsicht:

Der Schuldner hat für den Ertragsausfall durchaus einzustehen – die Mitverantwortung der Bank für ihren Ertragsausfall läßt jedoch den ausstehenden Kredithauptbetrag deutlich schrumpfen und verhindert gelegentlich sogar, daß die außerordentliche Beendigung des Kreditvertrages zu einer langjährigen Angelegenheit wird.

Die Bank hat auf eine langfristige Funktionsfähigkeit des Kreditverhältnisses zu achten, was es ihr verbietet, den bloßen Abschluß eines Kreditgeschäftes bereits als erfolgswirksam zu behandeln. Um die Einhaltung dieses Prinzips zu gewährleisten müßte in Verbriefungsgeschäfte eine Restitutionsklausel eingefügt werden, die es dem Käufer eines z.B. ABS erlaubt dieses dem ursprünglichen „Aussteller“ dieser Kreditforderung wieder rückübertragen zu können. Wer dabei an die Funktionsbedingungen eines Wechsels denkt, denkt richtig!

Der Effekt einer derartigen Konstruktion ist auch der, daß automatisch aufgrund eines Kredites diejenige Eigenkapitalposition gebildet wird, die von vielen Seiten für das Banksystem immer wieder angemahnt wird. Wenn man so will wird damit ein risikobedingter (kreditbedingter) Eigenkapitalpuffer erzeugt, der es unnötig macht, die Grundkapitalgeber dazu zu verdonnern für einen angemessenen Risikopuffer zu sorgen. Der Grund dafür ist, daß die Risikorückstellungen sofort aus den laufenden Einzahlungen gebildet werden müssen und nicht gleich für Ausschüttungen und Boni verwendet werden können. Das ist deswegen sinnvoll, weil ein Risikopuffer aus Grundkapital lediglich einen Bestand darstellt, der aufgrund seiner Natur nur einen begrenzten Risikoschutz bieten kann. Denn ist der (begrenzte) Bestand aufgebraucht geht die Suche nach dem ‚bailout‘ immer in Richtung Staat, wo sie überhaupt nicht hingehört!

Daß damit das Bankgeschäft auf einmal eine langfristige Note bekommt ist nicht schädlich, sondern intentional gewollt und verweist eher darauf, daß es ziemlich schwachsinnig ist, sich alle drei Monate darum zu kümmern, wie es mit dem aktuellen Vermögensstatus einer Bank aussieht – Jahresberichte reichen allemal! (Man könnte durchaus auf die Idee kommen, daß Quartalsberichte nur dazu da sind, um Forderungen nach Boni frühzeitig motivieren zu können.) Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen, daß Banken, die mit vieljährigen Kontrakten hantieren sich alle drei Monate damit beschäftigen für ihre Geschäftssituation eine neue Legende zu erfinden. Sinnvoll ist was anderes!

Wenn man das regulierungsbedingte! (und steuerbedingte) Verschuldungsproblem irgendwann mal auf die Reihe bekommen will geht kein Weg daran vorbei Banken dazu zu zwingen den wahren (sic!)  Risikoanteil an den erhobenen Zinsen als Rückstellung zu buchen, weil sie diese Risikoabsicherung in diesem Ausmaß niemals freiwillig, und wenn, dann nur nachträglich (gezwungenermaßen)  umsetzen werden. Gesund wäre es allemal! Das was derzeit als Risikorückstellung von den Banken angesetzt wird ist mit der Bezeichnung „lächerlich“ noch viel zu zart ausgedrückt!

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