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Das Geldpuzzle

Daß ein excellenter Hinweis darauf, wie denn nun das moderne Geld entstanden ist, sang- und klanglos in den Tiefen der Bearbeitungshistorie eines Wikipedia-Eintrages verschwunden ist, ist nicht ganz ohne Kuriosität. Nun, nicht ganz verschwunden, denn immerhin kann man sich noch einige Zeit ansehen, welche Glanzleistung (keine Ironie) hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des Geldes dort abgeliefert wurde. Dies findet sich zu allem Überfluß auch nicht unter dem Stichwort „Geld“, sondern unter dem Eintrag „Wechsel“. Dort kann man u.a. folgendes lesen:

„Durch Einführung des Blankoindossaments, das heißt Wegfall der Übertragung des Wechsels auf eine konkrete Person, also pauschale Übertragung der Rechte auf Bareinlösung am Fälligkeitstag auf die Person, die den Wechsel zu diesem Zeitpunkt vorlegt, wurde der Wechsel faktisch zu einem Inhaberpapier. Damit war ein anonymes Papiergeld entstanden, ein Schritt des Wechsels auf dem Weg zur Banknote. Ein weiterer Schritt war die Standardisierung der Wechsel. Banken stellten immer öfter pauschal Wechsel aus und verkauften diese an Kreditsuchende gegen Wechselgebühr. Parallel dazu übernahmen sie auch die Bareinlösung von Wechseln auch schon vor dem Fälligkeitstag, gegen Abzug einer Diskontgebühr. Diskont kommt von diskontieren (stückeln), da beim Diskontieren der unteilbare Wechselbetrag in kleine Zahlungseinheiten zerlegt wird. Mit Gründung der Bank von England im Jahr 1694 konnte diese Diskontierung nicht mehr nur in Münzen, sondern auch in Banknoten erfolgen, die ihrerseits in Münzen einlösbar waren und somit eine Zwischenform zwischen Wechsel (Kreditgeld) und Münze (Bargeld) darstellten. Banknoten sind faktisch standardisierte (auf einheitliche Beträge lautende) Sichtwechsel (d. h. fällig bei Vorlage in der Bank, also bei Sicht).“
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wechsel_(Urkunde)&direction=next&oldid=171241857#Die_Geschichte_des_Wechsels

Nicht verständlich bei dem Zitat ist die Behauptung, die Banken würden die Wechsel gegen Wechselgebühr verkaufen. Denn eine Gebühr ist (hier) ein Nutzungsentgelt und kein Verkaufspreis. Außerdem hatte auch in diesen Zeiten ein Wechsel einen Forderungsinhalt und begründete bei der Ausgabe eine Forderung gegen die Bank, so daß ein Verkauf gegen eine Gebühr für die Bank ein ganz schlechtes Geschäft wäre. Aber seis drum, das Wichtige an dieser Geschichte ist ja, daß ein Wechsel ein Wertpapier ist und als solches auf die Aktivseite gehört. Es liegt also durchaus nahe zu vermuten, daß der Wechsel ein Vorläufer der heutigen Banknote bzw. heutiger Zentralbanknoten ist, so daß die Emission von Geld moderner Prägung ebenso wie die Auflage eines Wertpapiers durch dessen Aktivierung als Vermögensgegenstand erfolgt.

Das Ganze beginnt mit einem Schuldverhältnis, wobei man einfach mal unterstellen kann, daß die Aufbewahrung von Wertgegenständen als Geschäft betrieben wurde und diese Schuldverhältnisse zu Beweiszwecken durch einen Schuldschein schriftlich niedergelegt wurden. Nun ist ein Schuldschein schlecht übertragbar, so daß es in dieser Konstellation im wesentlichen bei dem zweiseitigen Schuldverhältnis blieb. Das änderte sich, als auf einmal die Klausel eingefügt wurde, daß zur Herausgabe der hinterlegten Sache die Präsentation des Papiers, auf dem die herauszugebende Sache aufgeführt war, genügte. Diese Verpflichtungen, bei denen es nicht darauf ankam, wer den „Einlegeschein“ vorlegte sind unter der Bezeichnung Lagerschein bekannt, wobei sich Lagerscheine dadurch auszeichnen, daß nur der Besitz des Lagerscheines das Anrecht auf Aushändigung der gelagerten Sache durchsetzbar macht. Fachlich wird das durch die Formel: „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier.“ ausgedrückt. Im Klartext: nur der Besitz des Papiers erlaubt den Zugriff auf das hinterlegte Gut! Bei dieser Geschichte handelt es sich damit um ein sog. Inhaberpapier, bei denen auch ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten möglich ist. Aber das nur nebenbei.

Die normale Version eines Lagerscheines läuft derart, daß zu Anfang bei der Ausstellung des Wertpapieres das bezeichnete Gut hinterlegt wird und somit von dem Besitzer des Wertpapiers jederzeit (zu Geschäftszeiten) herausgefordert werden konnte. Aufgrund der Abstraktion des Wertpapiers, den Gläubiger namentlich nicht bezeichnen zu müssen, konnten auch Lagerscheine schon zu Zahlungszwecken weitergereicht werden. Mit dem Wechsel entwickelte sich ein Zahlungsinstrument, welches die Koinzidenz von Ausstellung des Wertpapiers und Einlage des Wertgegenstandes auseinander dividierte. Um das zu verstehen, muß man sich mal mit dem Begriff der „Kreditleihe“ beschäftigen. Dabei ging es darum, daß eine Bank einen Wechsel auf sich selbst ausstellt (oder eine Tratte akzeptiert) und diesen an ihren Kunden überträgt, ganz so, als hätte sie den Wertgegenstand, zu dessen Herausgabe der Wechsel sie verpflichtet, bereits erhalten. Der Kunde kann diesen Wechsel dann erfüllungshalber an einen Gläubiger weiterreichen und sich so die Bonität der Bank für seine Käufe zunutze machen. Zu diesem Zeitpunkt mußte der Kunde lediglich die Kosten für die Ausstellung des Wechsels begleichen, die Hauptforderung wurde ihm bis zur Fälligkeit des Wechsels gestundet. (Der Lagerschein wird also insofern abgeändert, als der gegen den Lagerschein forderbare Wertgegenstand nicht wie üblich zu Beginn, sondern erst zum Ende der Laufzeit des Papiers vom Empfänger des Lagerscheines „eingelegt“ werden muß. Hier handelt es sich tatsächlich noch um „Einlagen“!) Es handelt sich also um einen Kredit der Bank an den Kunden, obwohl der Kunde kein gültiges Zahlungsmittel erhält, sondern die Forderung gegen die Bank aus dem Wechsel, die sich quasi für seine Zahlungsfähigkeit verbürgt. Damit die Bank den Wechsel ohne auf ihre eigenen Wertgegenstände bzw. Zahlungsmittel zurückgreifen zu müssen bezahlen konnte war der Kunde gemäß dem „Kreditleihevertrag“ dazu verpflichtet dafür zu sorgen, daß einen Tag vor Fälligkeit des Wechsels die Schuldsumme bei der Bank eingeht, so daß die Bank am nächsten Tag damit den präsentierten Wechsel an den Wechseleinreicher bezahlen konnte. Dies ist übrigens die Konstruktion, die begründet, warum auf den Banknoten teilweise bis heute die Formel „Der Aussteller zahlt dem Einlieferer den Betrag von xxx Werteinheiten.“ aufgedruckt ist, obwohl heutzutage diesem Versprechen nichts mehr entspricht.

Diese Konstruktion erwies sich offensichtlich als ziemlich erfolgreich, so daß die Banken dazu übergingen auch kleinere Denominationen in Form eines Solawechsels auszustellen, wobei ein Solawechsel ein auf sich selbst gezogener Wechsel ist, ohne daß dabei ein Gläubiger eingetragen wird. Hinzu kam, daß die Rechtsprechung das (Nicht-)Instrument des Blankoindossaments ermöglichte, so daß diese Papiere durch einfache Einigung und Übergabe übertragbar wurden. Ein Solawechsel muß, solange er nicht weitergegeben worden ist, als eine Forderung gegen sich selbst aufgefaßt werden. Das bedeutet nichts anderes, als daß Aktiv- und Passivseite in gleicher Weise verlängert werden, weil der Forderung an sich selbst die Verbindlichkeit an sich selbst gegenübersteht. Daß das nicht nur eine Übung in Buchhaltungsfinessen darstellt, sondern als Vorläufer der heutigen Bargeldemission angesehen werden muß, wird dann ersichtlich, wenn diese Wechsel zur Kreditleihe weitergegeben werden und nun außerhalb der Bank eine Vielzahl von Wertpapieren kursiert, aus denen sie bei Vorlage zur Zahlung verpflichtet ist. Diese Zahlung muß durch das in dem Wechsel festgelegte Zahlungsmittel geleistet werden, d.h. daß z.B. 2 Goldmünzen bei Einreichung des Wechsels zu zahlen waren. Der Zahlungsausgleichstandard war also nicht der Wechsel, sondern ein Warengeld, welches das ultimative Schuldentilgungsmittel darstellte.

Dennoch kann man dies als die Geburtstunde der heutigen Banknote ansehen, auch wenn immer noch die Einlösung in eine andere Sache Grundbedingung der Emission war. Es ist nicht wirklich überliefert, wie es passiert ist, aber irgendein Bankier muß die Idee gehabt haben, daß man das Schuldverhältnis auch auf eine höhere Stufe heben kann, indem man die Schuldurkunde (die ja auf Gold oder Silber lautete) selbst zum Schuldgegenstand definierte. Möglich wurde dies, weil ein Wechsel als abstraktes Schuldversprechen bzw. als verbriefte Forderung rein rechtlich gesehen eine Sache ist, die grundsätzlich übertragbar ist, womit der Standard-Sola-blankoindossamentierbare Wechsel als Zahlungsmittel verwendet werden konnte. Somit war das Prinzip des Banknotenkredits erfunden, bei dem sich der Schuldner verpflichtete, entweder die Banknote selbst oder den verbrieften Gegenwert bei Fälligkeit zurückzuerstatten. (Möglicherweise entstand diese Entwicklung auch nur zufällig deshalb, weil ein Schuldner zum Fälligkeitstermin nicht das vereinbarte Zahlungsmittel zur Verfügung hatte, aber dafür eine ausreichende Menge an Wechselforderungen gegen die Bank, die dann in einem Akt der Aufrechnung zur Begleichung der ausstehenden Wechselsumme führte.) Durch die Übergabe gleichhoher Wechselforderungen erspart man sich auch noch das Hantieren mit dem eigentlichen Schuldgegenstand, mal abgesehen davon, daß die Verbringung, Lagerung und Echtheitsprüfung von Gold einen erheblichen Aufwand darstellen, den man sich damit schlichtweg sparen konnte. Begünstigt wird diese Verfahrensweise durch die kleine Stückelung, sowie die einfache Art der Übertragung, so daß es auf einmal unwesentlich wurde, welches der emittierten Schulddokumente bei Fälligkeit eingereicht wurde – fortan wurde die Banknote – wie man so sagt – „vertretbar“, was soviel heißt, wie jede Schuldurkunde kann jede Schuldurkunde ersetzen.

Wenn man so will handelt es sich hierbei um eine Schuldhierarchie oder Schuldverschachtelung- einmal die (Basis-)Schuld, die Übergabe der Banknote gegen Gold, zum anderen die (Meta-)Schuld, bei Fälligkeit die Rückübertragung der Schuldurkunde „Wechsel-Banknote“ zu gewährleisten – wobei für die Funktionsfähigkeit der übergeordneten Schuld (die Wechsel-Banknotenschuld) die Existenz der „Basisschuld“ (Banknote gegen Gold) entbehrlich geworden ist. Für die Bank ist es letztlich sogar angenehmer, wenn der Schuldner zur Begleichung seiner Verbindlichkeit das Forderungspapier gegen die Bank präsentiert, so daß schon seinerzeit die Tendenz, die Verwendung des eigentlichen Zahlungsmittels zurückzudrängen, ausgesprochen deutlich zum Vorschein kam.

Die Kleinststückelung der Solawechsel machte es in praktischer Hinsicht auf einmal möglich diese Banknoten zur Lohnzahlung zu verwenden, was eine Verschuldung der Unternehmen in einem Standard impliziert, die sie nur dadurch auffangen können, indem sie reale Güter und Dienstleistungen gegen eben diese Wertpapiere auf dem „Markt“ anbieten, wo diese Wertpapiere als „Konsumausgaben“ erhältlich sind. Das was also in der Perspektive des Geldverwenders, des Konsumenten, als „Wert“ des Geldes erscheint ist in Wahrheit nichts anderes, als die Notwendigkeit der Schuldentilgung – eine nüchterne Kategorie, die aber den Vorteil hat, arbeitsteilige Prozesse in einem bislang ungekanntem Maßstab möglich zu machen.

Diese Geschichte spielte sich bislang noch auf der Ebene der Banken ab, womit sich die etymologische Herkunft des Begriffs „Banknote“ erklären läßt. Die sich dadurch ergebenden Entwicklungen hatten jedoch ihre eigenen Probleme geschaffen, die daraus bestanden, daß es eine Vielzahl von „Banknoten“ gab, die zwar alle auf demselben Standard – Gold – aufbauten, bei denen die Frage der Zahlungsfähigkeit der Bank in dem „Basisstandard“ jedoch jeweils individuell herausgefunden werden mußte. Das lag daran, daß die Emission von Wechsel-Banknoten auf einmal das sog. „Teilreservesystem“ erzeugte, weil gemessen an dem Volumen der emittierten Banknoten das zugrundeliegende „Basisgut“ nicht zur Bedienung aller emittierten Wechsel-Banknoten ausgereicht hätte. Das ist auch solange kein Problem, wie es keine Wirtschaftskrise gibt, in der typischerweise die von den Banken vergebenen Kredite notleidend werden und sie von den Schuldnern weder die emittierten Banknoten noch das zugrundeliegende „Basisgut“ in ausreichendem Maße zurückerhalten. Während also sonst die Banknoten der Banken untereinander mehr oder weniger 1:1 getauscht wurden, entsteht nun eine Art „Sortenmarkt“, in dem nur spekuliert werden kann, welche Bank noch zahlungsfähig ist und welche nicht. Um diese Verwundbarkeit durch einen in solchen Situationen stets drohenden „bank run“ in den Griff zu bekommen, wurde es attraktiv das Risiko der Zahlungsunfähigkeit zu poolen, was dann postwendend zur Einrichtung einer Zentralbank führte, welcher dann auch die Aufgabe übertragen wurde, einen Standard für die bisher individuell von den Banken emittierten Banknoten zu gestalten. (So gesehen ist eine Zentralbank eine Ausrede der Banken, die sich mit den Folgen ihrer eigenen Disziplinlosigkeit nicht konfrontieren wollen.)

Nun führt das Pooling von Risiken vielleicht dazu, daß man punktuelle Ereignisse, wie die (temporäre) Zahlungsunfähigkeit einer einzelnen Bank, mit einem vertretbaren Aufwand auffangen kann. Nur wird dadurch, daß man nun eine globale Instanz hat, welche die Einhaltung der Teilreserveregelungen überwachen soll, das damit verbundene Risiko nicht zum Verschwinden gebracht, sondern nur auf eine Superebene verlagert. Wie man aus der Geschichte weiß, sind auch hier die Risiken nicht vollständig zu bewältigen gewesen, was sich an den diversen Zusammenbrüchen von Zentralbanken, oder auch den diversen Suspendierungen der Goldeinlösepflicht, ablesen läßt. Denn es ist ziemlich egal, ob nun die einzelnen Banken oder die übergeordnete Zentralbank die Teilreserveregelungen einzuhalten hat, denn ein Teilreservesystem ist gegenüber Krisen immer anfällig. Eine einzelne Bank, die sich mit ihrer Banknotenausgabe überexponiert hat, kann durch die (Gold-)“Reserven“ der Zentralbank noch aufgefangen werden, wenn es sich dabei um eine Zentralbank handelt, welche die Goldanforderungen in einer Krise nicht bedienen kann, ist das ganze Risikopooling für die Katz. Bei dem Zusammenbruch einer einzelnen Bank geht es nur um handhabbare Größenordnungen, wird das gesamte Bankensystem in Mitleidenschaft gezogen, ist auch eine Zentralbank schnell überfordert. Das Verschieben von Risiko hat halt nur einen Verschiebe- aber keinen Risikoneutralisierungseffekt.

Offenbar ist der doppelte Teilreservestandard – von Banken einerseits und der Zentralbank andererseits – nicht geeignet, um die Stabilität des Finanzsystems ausreichend sichern zu können, denn auch eine Zentralbank kann das „Basisgut“, auf das die nunmehr „Zentralbanknoten“ lauten, nicht autonom erschaffen. Die Lösung für dieses Problem lag dann auch darin, die Goldeinlösepflicht für die Zentralbanknoten häppchenweise schlichtweg abzuschaffen, so daß nur noch die Banken die Probleme des Teilreservestandards bewältigen müssen. (Interessanterweise bezieht sich die Einhaltung des Teilreservestandards irgendwann nicht mehr auf das der Einlösung früher zugrundeliegende Zahlungsmittel Gold, sondern auf den gemeinsamen Zahlungsmittelstandard „Zentralbanknote“.) Daß die Abschaffung der Goldeinlösepflicht nicht aus einer rationalen Entscheidung entstand, sondern aus der schnöden Notlage, eine Bankrotterklärung der FED und damit des US-Staates abzuwenden, entbehrt nicht einer gewissen Komik, weil es sich hier zeigt, daß Entwicklungssprünge doch häufiger durch Zufälligkeiten entstehen, als durch menschliche Mehr-oder-weniger-Genialität. (Daß im Zuge dieser weggeschwafelten Bankrotterklärung die US-Politik daran ging, die Dollarnachfrage dadurch zu stabilisieren, indem sie die Dollarverwendung für die Abrechnung von Erdöllieferungen festklopften, steht auf einem anderen Blatt.)

Wenn man so will, besteht derzeit ein Finanzsystem, bei dem nur noch die Banken unter dem Regime eines Teilreservesystems operieren müssen, während die Zentralbank das Recht zur Emission der Reserven ausübt und darüberhinaus nicht mehr unter dem Druck steht, die emittierten Zentralbanknoten in einem externen Standard einlösen zu müssen. Im Gegenteil: die Zentralbank erschafft genau das Zahlungsmittel, welches den Standard für die Tilgung von Schuldverhältnissen darstellt. Diese „Schöpfung“ erfolgt auf dieselbe Art und Weise, wie früher die Kreditwechsel zur Kreditleihe erschaffen wurden: das nunmehr von der Goldeinlösepflicht befreite Geld wird statt durch die Buchung
Standardisierte Solawechsel an Solawechselumlauf
nunmehr in der Form
Kasse an (Zentral-)Banknotenumlauf
erzeugt, womit der Zahlungsmittelstandard (Bar-)Geld seine Spuren zur einstigen Kreditleihe zunehmend verwischt.

Die Entwicklung vom Warentauschmittel zum Geld beginnt mit einer juristischen Initialzündung, nämlich als die Verbriefung einer Goldeinlieferung den (eigentlich persönlichen) Lagerschein zu einer handelbaren Sache macht – weswegen Banknoten auch niemals Schuldscheine gewesen sind, u.a. weil das Verfahren zur Übertragung der von den Schuldscheinen dokumentierten Schuldverhältnisse – die Zession – viel zu umständlich ist. Die Weiterentwicklung des Lagerscheins zum (Kredit-)Wechsel, dessen standardisierte Kleinststückelung als Solawechsel, das Blankoindossament und schließlich die zentrale Emission durch eine Zentralbank macht auf einmal ein Finanzsystem unabhängig vom zugrundeliegenden Basisgut, wobei die Stabilität dieser Konstruktion erst dann vollständig gesichert ist, wenn die Zentralbanknote als „gesetzliches Zahlungsmittel“ kodifiziert ist und nicht mehr einer Umtauschverpflichtung in ein anderes Gut unterliegt. (Das ist dann auch der eigentliche Sinn der „Gesetzlichkeit“: dem Empfänger eine Einlösung dieses Zahlungsmittels in z.B. Gold verweigern zu können – das ist so wie Brücken hinter sich abbrechen.)

So entsteht Geld – erst als Kommunikationsinstrument über ein Warengeld, dann als Kommunikation über das Kommunikationsinstrument, wobei die Meta-Kommunikation der heutige (Geld-)Kredit ist!

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Das vergangene Märchen der ’seigniorage‘

KrötchenEs gibt wohl kaum ein besseres Beispiel für die Ignoranz der Wirtschaftstheorie dem monetären Komplex gegenüber als die Tatsache, daß ein Überwintern historischer Konzepte bis in die Gegenwart möglich ist, obwohl sich die Rahmenbedingungen in der Zwischenzeit fundamental geändert haben. So ist das Konzept der ‚seigniorage’ in einer Zeit entstanden, als es tatsächlich noch Zahlungsmittel gab, die aus Gold gefertigt wurden. Aus diesem Grund ist der historische Teil des oben verlinken Artikels insoweit korrekt.

Was danach folgt kann man nur noch mit Grausen betrachten. Die folgende Begriffserklärung bezieht sich einmal auf einen „Zuwachs des nominalen Bestandes an Zentralbankgeld“, womit bereits völlig naiv eine Gleichsetzung von Goldgeld mit dem heutzutage verwendeten Kreditgeld insinuiert wird. Ganz so als hätte es die Aufhebung des Goldstandards durch Nixon 1971 nie gegeben – mal abgesehen davon, daß der Goldstandard im Wesentlichen bereits seit Bretton Woods Toast war, denn seitdem regierte de facto der Dollar-Standard, auch wenn es danach noch ein paar Verwicklungen wegen einiger Goldbarren gab.

Die nachfolgende Definition von Issing ist es jedoch wert genauer unter die Lupe genommen zu werden. Das Erste was dabei auffällt ist, daß dort über „reale Erträge“ gesprochen wird, ganz so, als sei es nicht angebracht diese Erträge vielleicht mal monetär zu definieren. (Herzlichen Glückwunsch an die Geldtheorie, die sich über „reale Erträge“ definieren soll!) Und woraus bestehen diese nun? Daraus, daß „Private zinslos Zentralbankgeld halten“. Dazu muß man eines wissen: für Ökonomen ist der „Wert“ einer Sache stets durch die Opportunitätskosten definiert, welche deswegen entstehen, daß mit der Wahl einer Alternative stets der Verzicht auf eine andere Verwendung einhergeht. Das ist im Wesentlichen eine werttheoretische „was wäre wenn“ Argumentation, die sich in vielen Argumentationen wie auch z. B. in der Konzeption der Liquiditätsprämie wiederfindet. (Übrigends auch in der „wertstiftenden“ Arbeitskraft von Marx, die angeblich durch „Ausbeutung“ zu einer monetären Akkumulation Anlaß geben soll – selten so gelacht, was allerdings die Versuche, die Neoklassik geldtheoretisch nutzbar zu machen genauso betrifft. Klassik ist halt Klassik! Zur Ehrenrettung: das hat Marx selber gesehen, seine ‚follower‘ dann schon nicht mehr! Ja, ja, R. Luxemburg ist ein anderes Kapitel!) Nun ist an dieser Stelle die relevante Alternative eine zinstragende Anlage des Geldes, so daß eigentlich eine monetäre Begründung gegeben scheint. Bei dieser Geschichte bleibt allerdings die Frage offen, ob und inwieweit der entgangene Zinsertrag auf der einen Seite auch auf der anderen Seite zu einem Zinsgewinn führt – wofür nicht mal im Ansatz eine Begründung geliefert wird. Das ist jedoch, wie der weitere Inhalt des Artikels zeigt, nicht die ‚seigniorage’ die gemeint ist, denn in einer folgenden Formel wird sie doch tatsächlich als der um das Preisniveau bereinigte Zuwachs der „realen“ Geldmenge formuliert. Was damit suggeriert wird ist, daß der Zuwachs an Zentralbankgeld tatsächlich zu einem Vermögenszuwachs bei den monetären Autoritäten und letztlich beim Staat führt.

Dieser Sachverhalt ist jedoch durch nichts gedeckt, denn die Emission von Zentralbankgeld erfolgt im Kreditgeldsystem im Wesentlichen im Zuge einer Kreditgewährung der Zentralbank gegenüber einer Geschäftsbank, was zwar die Bilanz der Zentralbank verlängert, aber keineswegs zu einem „Wohlfahrtszuwachs“ der Zentralbank führt. Denn das Einzige was eine Zentralbank davon hat ist eine Forderung, von der sie hofft, daß diese auch bedient wird. Wie man aus einer derartigen Transaktion schließen kann, daß damit ein Realtransfer stattfinden würde muß eigentlich auf ewig unerfindlich bleiben. (Man kann es auch anders ausdrücken: diese Sichtweise postuliert kraft eigener Wassersuppe, daß die Vergabe eines Kredites bereits einen monetären Nettovermögenszuwachs bedeuten würde – was jedem halbwegs erfahrenen Buchhalter Magenkrämpfe bescheren würde.)

Der Grund dieser Verwirrung liegt wohl eher darin, daß auch hier wieder der klassische Irrtum über das Verhältnis von Geld und Forderungen bei der Formulierung dieser Definition Pate gestanden hat. Denn obwohl jeder, der schon mal einen Kredit bedienen mußte weiß, daß Geld das Geschuldete ist, krallt sich der Irrtum über die Eigenschaft des Geldes entweder Forderung oder Verbindlichkeit zu sein wie eine fixe Idee in den Köpfen von Ökonomen – und vielen die sich dafür halten – fest.

Und es geht weiter: unter fiskalischer ‚seigniorage’ wird diese definiert aus der monetären ‚seigniorage’ was nichts anderes heißt, daß das defekte Konzept der monetären ‚seigniorage’ nun auch für die Formulierung eines weiteren Kunstbegriffs verwendet wird, was die Sache natürlich nicht besser macht. Da die Voraussetzung schon nicht stimmt, muß man sich darüber erst garkeine Gedanken machen. Obwohl: richtig witzig wird die ganze Sache dadurch, daß man sich daraufhin darüber Gedanken machen kann, warum nicht erzielte Zinseinnahmen zu einem zinsbedingten fiskalischen Ertrag führen sollen. Man kann es nur so sehen: auf eine fehlerhafte Fragestellung gibt es keine sinnvolle Erklärung! Und: die Erklärung, daß die ‚seigniorage’ durch den Gewinn der Notenbank gemessen werden kann, steht mal einfach so im Widerspruch zu der formelpräsentierten Darstellung, die sich ein paar Zeilen weiter oben findet, daß nämlich die ‚seigniorage’ aus einer Bestandsveränderung der monetären Entität „Zentralbankgeldzuwachs“ entstammen soll. (Wie soll man sich eigentlich über einen Artikel lustig machen, wenn er sich sogar schon selbst zerlegt?)

Die Katastrophe dabei ist, daß diese Definition von ‚seigniorage’ von einem Ökonomen stammt, der bis vor ein paar Jahren noch Chefökonom der EZB war. Das ist schon schlimm genug, aber es ist ja nicht so, daß sich nicht irgendwelche ‚follower’ der Sache verschrieben hätten und solche Dinge raushauen, wie z.B.: die „Opportunitätskosten-Seigniorage“ ist „der Zinsertrag, der erzielbar ist, wenn der Gegenwert der Zentralbankgeldmenge zum Marktzins angelegt wird.“ Fragt sich eigentlich von diesen „Ökonomen“ überhaupt einer, wo der „Gegenwert“ der Zentralbankgeldmenge steht? Richtig, auf der Passivseite der Zentralbank, wobei der Posten des Zentralbankgeldumlaufs in der Zentralbankbilanz letztlich nur einen Merkposten darüber darstellt, wieviel Zentralbankgeld von der Zentralbank im Zuge irgendwelcher Kreditvergaben ausgegeben (geliefert) worden ist. Aus einem Merkposten über geliefertes Zentralbankgeld abzuleiten, daß daraus ein „realer Wert“ entstünde, überstrapaziert selbst den geduldigsten Menschenverstand. (Wer meint eine buchhalterische Begründung dafür zu haben, daß diese Argumentation richtig sei, mag sich in einem Kommentar melden. Falls es tatsächlich jemand tut: das wird nicht jemand sein, der in buchhalterischen Dingen auch nur halbwegs bewandert sein kann!) Aber gemach: auch die Theoretiker der „Liquiditätspräferenz“ sind nicht davor gefeit, die intrinsischen Gefühle der Geldbesitzer als Argument für knallharte Sachfragen zu verwenden. So hat jeder sein Kuckucksnest! Man kann es auch anders ausdrücken: wenn ein Wirtschaftssubjekt sich für eine Sache entscheidet heißt das nicht, daß die Nichtentscheidung für die Alternative für jemand anderes einen (monetären) Gewinn bedeutet. Noch einfacher: wenn ich auf etwas verzichte, hat ein anderer erst recht nichts davon! (Kennt man aus dem Sparparadoxon! Und: ’school-shootings‘ mal ausgenommen!)

Daß irgendwelche Leute, die derart lustige Theorien vertreten, ob sie nun beanspruchen das (angeblich) maßgebliche Internetlexikon zu repräsentieren, oder ob sie nun derart krude Theorien über eingebildete „Erträge“ vertreten, auch noch Einfluß auf die europäische Geldpolitik hatten (haben), kann man nur noch mit Humor ertragen.

Ich möchte an dieser Stelle noch Michael Gunczy dafür danken mir die Inspiration für diesen Post vermittelt zu haben! (Ach so, die Vollgeldler sind diesmal noch glimpflich davongekommen!)

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