Schlagwort-Archive: clearing

Was ist Giralgeld?

Photo by Sebastian Palomino on Pexels.com

Dieser Text erschien erstmals am 29. 8. 2020 auf der Website von Dr. Daniel Stelter
think-beyondtheobvious.com .

1. Erste Annäherung an den Giralgeldbegriff

Möchte man wissen, was es mit dem Giralgeld oder Buchgeld auf sich hat, findet man bei der Deutschen Bundesbank in der Broschüre „Geld und Geldpolitik“ einen eigenen Abschnitt. Dort ist eine Aussage zu lesen, daß Buchgeld Geld ist, „was man nicht anfassen kann“. Man kann es zwar nicht berühren, aber es wird als „tägliche fällige Einlagen“ identifiziert, welche „in einer Art Kreislauf weitergegeben“ werden können. Auch wenn das, was da weitergegeben wird kein gesetzliches Zahlungsmittel ist, erfüllt es die Funktionen von Banknoten und Münzen, wobei die Funktionen aus der Dreifaltigkeit Tausch-, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel bestehen. FN11

Angesichts dieser nicht ganz eindeutigen Darstellung darf natürlich die Frage danach gestellt werden, was es ist, was da zwischen den Konten umläuft. Denn wenn etwas umlaufen oder weitergegeben werden kann, muß man davon ausgehen, daß es sich dabei um eine konkrete Sache handelt, welche bei einem Kaufvertrag als Gegenleistung in Frage kommt. Da eine Sache als Gegenleistung im Sinne des Sachenrechts nur dann gegeben ist, wenn eine sachenrechtliche Verfügung, d.h. die Übertragung des Eigentums an dieser Sache möglich ist, ergibt sich als Konsequenz die Frage, mit welcher Sache es man bei dem Buchgeld oder Giralgeld zu tun hat. (Daß eine Überweisung „an Erfüllung statt“findet verhindert nicht die Frage danach, was es nun genau ist, was da „in einem Kreislauf weitergegeben“ wird.)

2. Die Rechtsbeziehung im Girovertrag

Möchte man nun den Begriff „Giralgeld“ noch genauer fassen, kommt man nicht umhin, sich mit der Rechtsebene, auf der sich das Giralgeld befindet, auseinanderzusetzen. In der ersten Annäherung an das Thema ist der Begriff des Zahlungsdiensterahmenvertrages zu untersuchen, welcher den meisten auch als Girovertrag bekannt ist. Dies ist der Vertrag, den jeder, der bei einer Bank einen Kontoeröffnungsantrag stellt, (neben einigen anderen Nachweisen) unterschreiben muß, um dort ein Konto eröffnen zu können. Die Definition dessen, was einen Zahlungsdiensterahmenvertrag ausmacht, findet sich im §675f (2) BGB:

Darin heißt es:

„Durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein … Zahlungskonto zu führen.“

Zunächst fällt auf, daß die Bank als Zahlungsdienstleister verpflichtet ist für den Kunden Zahlungen durchzuführen, was im Umkehrschluß bedeutet, daß der Kunde als Zahlungsdienstnutzer von der Pflicht befreit ist, die (von ihm beauftragte) Zahlung selbst vorzunehmen. Daneben führt die Bank für den Kunden ein Zahlungskonto:

„Zahlungskonto ist ein auf den Namen eines oder mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Konto, das für die Ausführung von Zahlungsvorgängen genutzt wird.“

§ 1 (17) ZAG.

Ein wenig klarer wird dies, wenn man sich eine andere Definition des Girovertrages ansieht:

„Durch den Girovertrag wird ein Kreditinstitut verpflichtet, (1) für den Kunden ein Konto einzurichten, (2) eingehende Zahlungen auf dem Konto gutzuschreiben mit Wertstellung unter dem Datum, an dem der Betrag dem Kreditinstitut zur Verfügung gestellt worden ist, und (3) einen Zahlungsauftrag zulasten dieses Kontos abzuwickeln.“ FN22

Denn hier wird ausdrücklich klargestellt, daß bei einem Zahlungseingang das eingehende Geld der Bank zur Verfügung gestellt wird und nicht dem Empfänger der Überweisung. Dieser bekommt lediglich eine Information darüber, daß für ihn ein Geldbetrag eingegangen ist, und daß sich der Saldo des Kontos um diesen Betrag erhöht hat. (Vgl: § 1 (22) ZAG.) Das bedeutet, daß die Bank einen Geldeingang verzeichnet, welcher ursächlich dem begünstigten Kontoinhaber zuzurechnen ist, welcher aber dennoch im Besitz bzw. im Verfügungsbereich der Bank verbleibt. Der Eingang besteht dabei aus Zentralbankgeld, welches üblicherweise der Bank über eine Gutschrift der Zentralbank zuwächst, wobei es sich hier um den Zugang eines Aktivums handelt. Aufgrund dieses Zuganges erstellt die Bank eine Gutschriftsmitteilung an den Kunden, welche als Information aber nicht irgendwie „zirkuliert“ wäre, sondern ganz schnöde von der Bank erstellt und dem Kontostand zugerechnet wird. So heißt es in dem Kommentar zu 675t BGB:

„Satz 1 regelt die Verfügbarkeit von Beträgen, die für den Zahlungsempfänger eingegangen sind. Sie entspricht materiell dem aus der bisherigen Terminologie bekannten „Anspruch aus der Gutschrift“, der dem Zahlungsempfänger unverzüglich nach Mittelzufluss an dessen Zahlungsdienstleister zusteht. Selbstverständlich kann der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers den Geldbetrag nur in dem rechtlichen Umfang verfügbar machen, in dem er ihn seinerseits im Clearing oder vom Zahlungsdienstleister des Zahlers erhalten hat.“ FN33

Im Klartext: für den Zahlungsanspruchsberechtigten ist der Kontostand ein in Geldeinheiten ausgedrücktes Maß für die „Ansprüche aus der Gutschrift“ aufgrund eines Geldeinganges bei dem Zahlungsdienstleister. Damit muß gefragt werden, wie die Ansprüche gestellt werden, bzw. sich zu Forderungen oder Überweisungen transformieren.

3. Was ist der Gegenstand der Anweisungen gegenüber einer Bank

Das Rechtsverhältnis eines Girokonteninhabers gegenüber seinem Zahlungsdienstleister ist also dergestalt, daß die Bank gewissermaßen Erfüllungsgehilfe ist und verantwortlich für den Zentralbankgeldtransfer zeichnet, wobei das zu Übertragende sich in dem Verfügungsbereich der Bank befindet, weil diese nur mit Hilfe von Aktiva, die sich in ihrem Verfügungsbereich befinden, den angewiesenen Transfer durchführen kann. Die Vorstellung, daß eine Bank den Status als Erfüllungsgehilfe innehat, ist erst einmal gewöhnungsbedürftig, findet sich denn auch nur ziemlich verklausuliert in den Vertragsbedingungen eines Girovertrages. Grundlage dafür ist der §675f BGB, wo die Rechte des Zahlungsdienstnutzers enthalten sind, welche im wesentlichen aus der „Beauftragung“ von Zahlungen bestehen. §675f BGB spezifiziert in Absatz (4) die Dreifaltigkeit der Zahlungsvorgänge als da sind: „Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrages“. Daß die Beauftragung dieser Vorgänge für die Bank eine Verpflichtung darstellt, wird dann noch einmal in §675o(2) BGB klargestellt, wo es heißt:

„Der Zahlungsdienstleister des Zahlers ist nicht berechtigt, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen, wenn die im Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt.“

Mit dieser Passage wird aus einem „Auftrag“ eine (An)Weisung:

„Der Zahlungsauftrag ist eine rechtliche Erklärung (sog. Weisung) des Zahlers an den Zahlungsdienstleister einen Zahlungsvorgang auszuführen.“ FN44

Damit handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister um einen sog. Geschäftsbesorgungsvertrag, welcher dem Zahlungsdienstnutzer gegenüber dem Zahlungsdienstleister ein Weisungsrecht einräumt, mit Hilfe dessen Zahlungsvorgänge angeordnet werden können und somit ein Zahlungskonto im Haben nicht irgendein (Was-auch-immer-für)“Geld“ ist, sondern sich als eine Verfügungsmacht entpuppt, die dem Zahlungsdienstnutzer eine Dispositionsmöglichkeit über das zwar ihm im Prinzip gehörende, aber sich weder in seinem Besitz noch in seinem Eigentum befindende Geld gewährleistet.

4. Giralgeld ist der Hebel, mit dem Zentralbankgeld in Bewegung gesetzt wird

Mit diesem Befund wird auch letzten Endes klar, daß sich Zahlungsvorgänge nicht auf der Passivseite der Bankbilanzen oder zwischen den Konten von Zahler und Zahlungsempfänger abspielen.

„Bei „Zahlung“ mit Buchgeld wird keineswegs eine Forderung übertragen oder zediert, sondern unter Mitwirkung einer oder mehrerer Banken eine neue Forderung zugunsten des Begünstigten begründet…“ (Giovanoli 1993 S. 98f)

Denn nach dem vorstehend gesagten ist der Rechnungsempfänger als der eigentlich Zahlungsverpflichtete nicht der Zahlende, sondern der Zahlungbeauftragende, welcher seine Rechtssetzungsmacht gegenüber der Bank ausübt und der aufgrund seiner Zahlungsanweisung eine Verringerung seiner Rechtssetzungsmacht erfährt. Spiegelbildlich dazu erhält der eigentliche Zahlungsempfänger keine Zahlung, weil der überwiesene Geldbetrag i.d.R. als Zugang auf dem Zentralbankkonto der Bank des Empfängers landet und die Bank ihrem Kunden dafür einen Zuwachs an Rechtsetzungsmacht verschafft, indem sie ihm eine Gutschrift erteilt. (Vgl: §1 (22) ZAG) Es erweist sich somit, daß das Einzige, was zirkuliert das Zentralbankgeld ist, welches zwischen den beteiligten Banken hin- und hergeschoben wird, indem sie zum Zweck des Zentralbankgeldverkehrs die in ihrer Verfügungsmacht stehenden Weisungsrechte gegenüber der Zentralbank ausüben. Ursächlich für diesen „Kreislauf“ sind die Anweisungen der Girokonteninhaber, die ihre ihnen zur Verfügung stehenden Dispositionsrechte nutzen, um diejenigen Zahlungen durch die Bank ausführen zu lassen, die sie selbst nicht ausführen können oder wollen. In dieser Annäherung ist Giralgeld für den Girokontoinhaber ein in Währungseinheiten bemessenes Weisungsrecht (und für die Bank eine Verpflichtung, diesen Weisungen Folge zu leisten), so daß es schwerlich vorstellbar ist, daß dieses Rechtsverhältnis auch nur ansatzweise „zirkulieren“ würde. Darüber hinaus haben Rechtsverhältnisse – soweit sie nicht verbrieft sind – die Eigenschaft, an die beteiligten Parteien gebunden zu sein, so daß sich damit auch die Vorstellung, es würde etwas „Substanzgleiches“ von einer virtuellen Geldfee von einem Konto auf ein anderes Konto transferiert, in einem logischen Rauchwölkchen verflüchtigt. Die Passivseite der Banken enthalten Informationen darüber, woher ein Geldbetrag gekommen oder wohin bzw. für welchen Zweck ein Geldbetrag „reserviert“ ist, während die Aktivseite diejenigen Dinge auflistet, die tatsächlich für Zahlungs- oder Ertragszwecke zur Verfügung stehen – hier ist auch dasjenige angesiedelt, was bei den Banken als Erfüllungsgehilfe ihrer Kunden für Transfer- (oder Zirkulations-)zwecke zur Verfügung steht: Zentralbankgeld – als Bargeld oder Reserven! Im Unterschied zu dem Geld „was man nicht anfassen kann“ haben Reserven die nette Eigenschaft in Bargeld eingelöst werden zu können, ohne daß es dabei ein Liquiditätsrisiko gibt – weswegen diese Übung auch i.d.R. unterbleibt. (vgl. Giovanoli 1993 S. 108)

Giralgeld ist somit der Hebel bzw. das genuine Instrument, mit dessen Hilfe der eigentliche Zweck des elektronischen Zahlungsverkehrs – der Transfer von Verfügungsmacht – erreicht werden kann. Man kann also mit Hilfe von Giralgeld zahlen – indem man den Zahlungsdienstleister anweist, eine Zahlung mit richtigem Geld durchzuführen. Notabene: man kann mit Hilfe von Giralgeld zahlen – nicht mit Giralgeld selbst! (Wer jetzt denkt, daß Giralgeld kein Geld und die Speisenkarte keine Speise ist, denkt richtig…!)

5. Zum Verhältnis von Basisgeld und Dispositionsrechten

Nun mag man sich fragen, wenn „Giralgeld“ für Zahlungsprozesse nicht zur Verfügung steht, womit denn eigentlich die Zahlungsvolumina abgewickelt werden, da doch der Anteil des Basisgeldes auch nur an der „Geldmenge M1“ vergleichsweise gering ist. Dazu kann man sich ein „Jubiläumszitat“ ansehen, welches schon vor mittlerweile 100 Jahren formuliert wurde:

„Die moderne Wirtschaft ist nicht, wie bisher unterstellt, eine bargeldlose Wirtschaft. Sie ist eine bargeldsparende Wirtschaft. Zwar finden auf weiten Gebieten des Verkehrs überhaupt keine Geldzahlungen, und anderen nur zu gewissen Zeiten oder zu gewissem Prozentsatz Geldzahlungen statt. Immerhin besteht unleugbar auch in der bestorganisierten modernen Wirtschaft das, was man am richtigsten als „Geldbedarf“ bezeichnen wird.“ Hahn (1920) Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits S. 71

Am „verschwenderischsten“ sind dabei die Zahlungen im Barverkehr, welcher sich im wesentlichen außerhalb der Banken abspielt, wo Zahlungen 1:1 mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel abgewickelt werden. Immerhin werden in Deutschland noch 40%-50% der privaten Käufe mit Bargeld beglichen, was auch angesichts der kontinuierlich steigenden Bargeldemission der Bundesbank den angekündigten Tod des Bargeldes schlichtweg im Regen stehen läßt. FN55

Sparsamer hinsichtlich der Basis-/Bargeldnutzung sind dagegen die Banken, bei denen sich der Zahlungsausgleich in zwei Stufen vollzieht. Zum einen gibt es das Instrument des „clearing“, was nichts anderes bedeutet, als daß gleichartige aber gegenläufige Zahlungsansprüche im Zuge der Aufrechnung bezahlt werden. Dies kann sowohl bankintern als auch bankextern erfolgen: bankintern erfolgt der Transfer von Verfügungsmacht im Grunde durch eine papierlose Barzahlung, bei der die Abbuchung vom Konto des Zahlenden und die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers über ein Transferkonto abgewickelt wird:

„Alle Zahlungen einer Bank bzw. Zahlungen, die über eine Bank getätigt werden, laufen über die „Kasse“. In diesen liegt heute natürlich kaum mehr Bargeld im nennenswerten Umfang, auch wenn Banker auch heute noch vom „Barvermögen“ einer Bank sprechen. Es handelt sich vielmehr im Wesentlichen um die Sichtguthaben auf den Girokonten, die die Banken bei der jeweils für sie zuständigen Zentralbank unterhalten. Diese werden auch „Zahlungsreserven“ genannt.“ FN66

Auch bankextern werden gegenläufige Zahlungsansprüche zwischen Banken im Zuge des clearing miteinander verrechnet, wobei auch hier die Buchungen über ein Transferkonto geleitet werden, welches faktisch den Austausch von Basisgeld unnötig macht. Man sollte sich dabei klarmachen, daß Aufrechnung tatsächlich eine Zahlung darstellt, bei der lediglich die überflüssige gegenseitige Übergabe von Basisgeld entfällt bzw. durch eine Buchungsoperation ersetzt wird.

Soweit nach dem Abschluß des clearing noch Zahlungsdifferenzen bestehen, werden die entsprechenden Salden üblicherweise auf dem Wege des „settlement“ ausgeglichen. Dies erfolgt über die Guthaben bei der Zentralbank (die Girozentralen machen auch nichts anderes), welches seitens der Zentralbank durch eine Umbuchung zu Lasten bzw. zu Gunsten des Zahlers/Empfängers erfolgt, wobei auch hier die papierlose Barzahlung zur Anwendung gelangt. Es mag gewöhnungsbedürftig erscheinen, eine interne Umbuchung über ein Transferkonto – was letzten Endes ein Kassenkonto sein muß (s.o.) – als papierlose Barzahlung zu sehen. Da Banken sich verpflichtet haben, für den Anweisenden Zahlungen durchzuführen, müssen sie auch einen Zahlungsvorgang einleiten, welcher dann zu korrespondierenden gegenläufigen Zahlungen führt, die im Zuge der Aufrechnung die Zahlungspflicht erfüllen. (Vgl.: Fn3)

Insgesamt läßt sich feststellen, daß das einzige, was zu Zahlungszwecken umläuft das Basisgeld ist, ob als Bargeld, interne papierlose Bargeldübertragung, externes clearing oder als Zentralbank-/Girozentrale-settlement, wobei auch die übergeordneten Institute dasselbe Prinzip der (Aktiv-)Verrechnung anwenden. Es erweist sich somit, daß die Zahlungsmitteltechnologie ihre zentrale Aufgabe, das Volumen des zur Zahlungsabwicklung notwendigen ultimativen Zahlungsmittels zu minimieren, über die Zeit hinweg beibehalten hat. In früheren Zeiten wurden Wechsel (die Vorläufer der Banknoten) benutzt, um die Verwendung des ultimativen Zahlungsmittels Gold entbehrlich zu machen. Heute wird mit (Online-)Überweisungen, girocard, Kreditkarten und haufenweise Fintech-Gimmicks hantiert, um die Verwendung des gesetzlichen Zahlungsmittels so weit wie möglich zu reduzieren. Die Abrechnung über Girokontostände markiert quasi die Fortsetzung dieses Bestrebens, weil die Verwendung von Bargeld ein nicht unerheblicher Kostenfaktor ist. Die Girokontostände sind dabei lediglich der Indikator für das Volumen der Weisungsbefugnisse der Kundschaft, aufgrund deren Anweisungen die Banken zum Transfer dieser Verfügungsrechte verpflichtet sind. Die Vielzahl dieser Weisungen führt zur Zahlungsmitteloptimierung mit Hilfe der genannten Techniken, die letzten Endes das geforderte Ergebnis erzeugen. Wenn aber nach Abschluß aller Aufrechnungsoperationen nur noch der „Restsaldo“ tatsächlich ausgeglichen werden muß wird klar, warum das Volumen der effektiven Zahlungsmittel im Verhältnis zum Volumen der Weisungsbefugnisse derart gering sein kann: Zentralbank-/Basisgeld ist ein Saldenausgleichsstandard…

Literatur:

Mario Giovanoli, Bargeld — Buchgeld — Zentralbankgeld: Einheit oder Vielfalt im Geldbegriff? in: Festschrift für Beat Kleiner, Banken und Bankrecht im Wandel, Zürich 1993

L. A. Hahn, Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits, Tübingen 1920

Abkürzungen:

BGB: Bürgerliches Gesetzbuch
ZAG: Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten

  1. Vgl.: https://www.bundesbank.de/resource/blob/606038/c0364dd6034eb7e0c9230b77ed995c06/mL/geld-und-geldpolitik-data.pdf S. 50f ↩︎
  2. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/girovertrag-36182 ↩︎
  3. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/116/1611643.pdf S. 112 ↩︎
  4. https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:2fnd6OmrY40J:lexikon.jura-basic.de/aufruf.php%3Ffile%3D4%26find%3DZahlungsdiensterahmenvertrag__Zahlungsauftrag+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox (outdated) ↩︎
  5. https://www.bundesbank.de/resource/blob/737876/40094ed787ec5b0dd1f968dcd7eda7e9/mL/zahlungsverhalten-in-deutschland-2017-praesentation-data.pdf ↩︎
  6. http://www.mem-wirtschaftsethik.de/index.php?id=1156&tx_ttnews[tt_news]=248&cHash=53e68c62e07169c17ae31f9b61b29a77 ↩︎

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Geldtheorie

Kredit in der realen Welt?

Fabian Lindner hat einen interessanten Artikel geschrieben, in dem er die Frage behandelt, ob „die Ersparnis die Investition finanziert“. Dies ist ein seit langem schwelender Disput zwischen Neoklassikern und (monetären) Keynesianern, der auch bereits als die „loanable funds“-Kontroverse wohlbekannt ist.

Wie ist dieser Disput zu entscheiden? Die von Ökonomen bestens bekannte Antwort ist: es kommt darauf an. Und zwar kommt es darauf an, in welcher Weise man über Ökonomie denkt. Wenn das aber so ist, kann die vordergründige Antwort nur lauten: Beide haben Recht – je nach dem zugrundeliegenden ökonomischen Modell. Denn auch wenn es in Deutschland mindestens genauso viele Ökonomen gibt wie Fußball-Nationaltrainer, die natürlich alle ganz genau wissen wie „Wirtschaft“ funktioniert, ist dennoch die Interpretation der Realität stets daran gebunden, welche Theorie eines verstorbenen Ökonomen bei der Interpretation der Realität Pate steht.

Die eine Fraktion ist die Neoklassik, deren Wirtschaftsmodell hier diskutiert wurde. Diese ist davon geprägt, daß sie versucht „hinter den Geldschleier“ zu sehen um damit alle ökonomischen Phänomene (die „Realität“) auf „reale“ Größen wie Grenzproduktivität, relative Preise oder reale Nutzenerwägungen zurückzuführen. Die Gegenposition nimmt – in Anlehnung an P. Spahn – die Theorie der Geldwirtschaft ein, die das umgekehrte Verständnis aufweist, daß die Ökonomie von der Verfügung über Geld gesteuert wird.

Fabian Lindner argumentiert aus der Perspektive einer Theorie der Geldwirtschaft (die auch mit dem Namen Keynes verbunden ist), indem er auf die monetären Beziehungen abstellt, welche damit hierarchisch gesehen, die realen Prozesse in der Ökonomie steuern. Daraus folgt, daß sein Sparbegriff sich monetär definiert und somit auf die Bildung von Nettogeldvermögen abstellt. Man sieht sofort, daß dieser Begriff von Ersparnis nichts mit dem neoklassischen Begriff zu tun hat, denn dort ist Ersparnis definiert als realer(!) Nichtkonsum. (So was taucht immer wieder in den Robinson-Geschichten auf.) Das hat was mit der Anlage des neoklassischen Modells zu tun, denn dort sind die Haushalte diejenigen, die darüber entscheiden, welche Produktionsmittel die Unternehmen zur Verfügung gestellt bekommen – auch bekannt als Erstausstattungsökonomie. (Hier liegt die Wurzel des ‚pursuit of happiness‘ der US-amerikanischen Verfassung!)

Fabian Lindner geht im Gegensatz dazu davon aus, daß auch Produktionsmittel, genauso wie Konsumgüter durch Arbeit entstehen, wobei Arbeit durch Geldzahlungen entlohnt wird. Warum das korrekt ist, ist eine komplizierte Geschichte, die aber in sich konsistent ist. (Ob sie wahr ist, ist dagegen eine Frage des Glaubens, nicht der Wissenschaft!) Wenn aber, wie es auch bei Schumpeter angelegt ist, Unternehmer Geld brauchen, um Produktion zu finanzieren, stellt sich die Frage: wo kommt denn das Geld her? Wie hier schon mehrfach besprochen kommt Geld von der Zentralbank – und sonst nirgendwoher anders!

Insofern ist es schlichtweg mißverständlich, wenn Fabian Lindner die Redewendung „Geldschöpfung aus dem Nichts“ verwendet, wenn er die Kreditvergabe von Geschäftsbanken anspricht. Das suggeriert eine falsche Vorstellung, denn Geschäftsbanken erzeugen Schuldverhältnisse, die auf ANSPRÜCHE von Geld lauten! Würde man sich mal mit den juristischen Gegebenheiten von Zahlungen beschäftigen, wird schon mal klar, daß selbst die „Definition“ einer „Geldmenge M1“ darauf hinausläuft, daß dabei inkommensurable Dinge zu einer Einheit zusammengefaßt werden. Denn eine Forderung auf Geld ist kein Geld, denn sonst würde die vielfach perhorreszierte Vorstellung eines ‚bank-run‘ unmöglich sein! Auch diese Fehleinschätzung ist Ausdruck der Tatsache, daß die herrschende Wirtschaftstheorie (die ihr REALmodell als ultimatives Instrument zur Erklärung gegenwärtiger Realität versteht) Geld nur als Appendix einer von realen Größen gesteuerten Welt ansieht.

Da aber Geschäftsbanken „nur“ Schuldverhältnisse erzeugen gilt auch, daß die damit geschaffenen Depositen (eigentlich: Sichtforderungen) ebenso „nur“ Ansprüche auf Geld, aber eben kein Geld darstellen – auch wenn es phänomenologisch gesehen so erscheinen mag. Das hat aber was mit der Frage zu tun, warum Banken „Depositen“ brauchen. Die Antwort ist, daß für eine Geschäftsbank der Zugang von Depositen gleichzeitig einen Zugang von Zentralbankgeld – oder zumindest die Forderung darauf – darstellt, den sie stets zur Abwicklung des laufenden Geschäftsverkehrs benötigen. Siehe: Was ist Clearing?

Wer von Bankwirtschaft was versteht weiß sofort, daß dies das allgemeine Liquiditätsproblem bei Banken darstellt – was daraus resultiert, daß mit einer Kreditvergabe i.d.R. ärgerlicherweise ein Liquiditätsverlust einhergeht. DAS ist das Problem einer Bank, wenn sie einen Kredit vergibt! Warum? Weil sie eben kein Geld „schöpfen“ kann! Insofern ist die Bezeichnung „Geldschöpfung aus dem Nichts“ einfach falsch – und Fabian Lindner weist auch selbst darauf hin.

Wenn das aber so ist, muß man auch mal die Konsequenzen daraus ziehen!

29 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Wirtschaftstheorie, wonkish

Was ist ‚clearing‘?

Der Verlauf der TARGET-Debatte hat gezeigt, daß es erhebliche Unsicherheit darüber gibt, was als endgültige Zahlung einer NZB gegenüber einer anderen NZB anzusehen ist. Das hat auch was damit zu tun, daß gelegentlich auch im Zusammenhang mit dem Interbankenclearing im Geschäftsbankenbereich darüber Verwirrung herrscht, ob nun die Geschäftsbanken „Geld aus Luft“ schaffen können oder nicht. Angelagert an diese Falschvorstellung ist auch der Irrglaube, daß es eine bargeldlose Zahlung ohne eine korrespondierende Bewegung von Zentralbankgeld (ZBG) gäbe und so der Vorstellung Vorschub geleistet wird, das Geldsystem sei ja doch nur „virtuell“ und nicht real. Dabei ist es nicht so schwer, die Unterschiede auseinanderzuhalten.

Der Grundsatz ist: die Übergabe von ZBG bewirkt eine endgültige Befreiung von einer Geldschuld. Im Grunde genommen ist das trivial, denn sobald das Geforderte übergeben wird, ist eine Schuld erloschen. Denn selbiges gilt auch, wenn das Geforderte nicht ZBG ist, sondern wie beim „Kaufmann von Venedig“ in einem Pfund Fleisch des Schuldners besteht. (Das hindert aber chartalistisch orientierte Geldtheoretiker nicht daran aus dieser Selbstverständlichkeit ein Theoriegebäude zusammenzuzimmern, welches von der Anlage her bereits den Defekt aufweist, auf einer Nullaussage zu beruhen.)

Im Zusammenhang mit dem Überweisungsverkehr zwischen Geschäftsbanken wird dieser Punkt deswegen virulent, weil sich die Üblichkeiten des Bankverkehrs darauf verständigt haben, daß zum Ende eines Banktages offene Salden des Zahlungsverkehrs ausgeglichen werden müssen. Dazu stehen – wenn man sich auf die Frage der endgültigen Zahlungen konzentriert – zwei Möglichkeiten zur Verfügung.

Die beiden Möglichkeiten zum ‚clearing‘ sind durch die beiden Doppelpfeile markiert und betreffen

a) eine Zahlung in ZBG in Banknoten (Kasse)
b) eine Zahlung in ZBG in Forderungen gegen die Zentralbank.

Der erste Fall sieht so aus:

Das Publikum verfügt über seine Forderungen an die Geschäftsbanken per Überweisung und per Saldo schält sich am Ende des Tages ein Saldo von Netto 20€ heraus, der von der Bank B durch einen Griff in die Kasse und den Transport des Geldes zu der Bank A bewerkstelligt werden kann. Damit ist der Saldenausgleich endgültig erfolgt, auch wenn die Verbringung von Geld unpraktisch, teuer und riskant ist. Das Grundprinzip bleibt jedoch so wie es ist. (Letztlich gehören deswegen auch die Kassenbestände der Geschäftsbanken zum Zentralbankgeld – deren Herausrechnung muß man wohl als Kotau gegenüber der Quantitätstheorie interpretieren, welche ebenso auf einer Nullaussage beruht.)

Im Grunde genommen nichts anderes ist es, wenn der Saldenausgleich über ein Konto bei der Zentralbank erfolgt.

Das liegt daran, daß Banknoten und Forderungen an eine Zentralbank, die das Geforderte selbst emittieren kann, identisch sind. Zu beachten ist hierbei, daß diese endgültige Zahlung aus einem „Passivtausch“ der Zentralbank besteht und daß andererseits – ob bei Banknotentransfer oder Zentralbank-‚clearing‘ – dieselbe Bilanzverlängerung bzw. -verkürzung stattfindet.

Ergebnis: ‚clearing‘ ist für die zahlende Bank B stets mit einem ZBG-Abfluß verbunden während die empfangende Bank A einen ZBG-Zufluß realisiert. Das heißt, daß eine bargeldlose Zahlung in keiner Weise auch eine zentralbankgeldlose Zahlung ist. Dieser feine Unterschied wird in der wirtschaftspolitischen Diskussion zu oft schlichtweg ignoriert.

Und TARGET?

Die einfachste Version beim €-TARGET-Zahlungsverkehr ist diejenige, wo es sich bei der z.B. zahlenden Bank um eine Zentralbank handelt, die keine EURO-NZB ist. Denn dort erfolgen Zahlungsverrechnungen bei der EZB nur auf Guthabenbasis (grün unterlegt), d.h. wenn die EZB gegenüber der z.B. dänischen Zentralbank eine Verbindlichkeit aufweist.

Auch in diesem Fall verändern sich die Bilanzgrößen wie im nationalen Geschäftsbankenverkehr und das ‚clearing‘ durch die EZB erfolgt wie vorher von der Zentralbank durch einen „Passivtausch“ zwischen den Konten der Bundesbank und der DK-Zentralbank. Das ist deswegen so, weil die DK-Zentralbank kein Mitglied des EURO-Raumes ist und deswegen die Zahlungsfähigkeit der DK-Zentralbank in Bezug auf EURO nicht unbeschränkt gegeben ist. Durch die Umbuchung der Zahlung vom DK-ZBKonto auf das BB-ZBKonto ist die Zahlung endgültig rechtswirksam erfolgt.

In diesem Fall würde sicherlich niemand auf die Idee kommen, daß die TARGET2-Forderung der Bundesbank gegenüber der EZB NICHT Zentralbankgeld darstellt, denn die Umbuchung von einem Guthabenkonto stellt ja wie gehabt eine endgültige Zahlung durch das ‚clearing‘ seitens der EZB dar.

Der Unterschied zu einer Zentralbank des EURO-Raumes besteht darin, daß die EZB für die NZBen keine Guthabenkonten führt bzw. zu führen braucht. Denn die Konstruktion des ESZB als Einheit führt dazu, daß innerhalb des ESZB die Frage des Forderungsausgleichs deswegen keinen Sinn macht, weil davon ausgegangen wird, daß alle NZBen die gleichen Kriterien bei der Emission von ZBG anlegen. (Daß das eine politisch motivierte Schönwettervorstellung gewesen ist, macht das EURO-Desaster aus, interessiert hier jedoch nicht.) Die entsprechenden Buchungen sehen damit so aus:

Man könnte versucht sein zu argumentieren, daß ja der Zahlungsausgang nicht erfolgt sei, da ja die „normale“ Bilanzverkürzung bei der ZB Spanien nicht eintritt. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß eine Zentralbank die Eigenschaft aufweist, daß eine Verbindlichkeit von ihr zum Zentralbankgeld gehört und eine Geltendmachung dieser Verbindlichkeit z.B seitens einer Geschäftsbank bei ihr nicht als ein Kassenausgang gebucht wird, sondern als eine Erhöhung des ZBG-Umlaufs. Durch diesen Vorgang wird zwar ZBG emittiert welches dann tatsächlich in der Kasse der Geschäftsbank landet – einen Kassenausgang kann eine Zentralbank deswegen jedoch nicht buchen! (Gut, wird vielleicht für die logische Sekunde mit der Länge Null gemacht, ändert aber am Prinzip nichts, daß Zentralbanken dafür keine „Kassenbestände“ vorhalten.)

Damit stellt sich jedoch die entscheidende Frage: Ist es gerechtfertigt, eine Forderung der EZB an eine NZB als Zentralbankgeld anzusehen oder nicht? Beantwortet man diese Frage mit JA ist alles gut, denn dann hätte die EZB unmittelbar Zugriff auf das geschuldete Geld. (Das ist wie bei Forderungen der Geschäftsbanken gegen eine Zentralbank, denn auch diese Forderungen gehören zum Zentralbankgeld.) Somit stellt eine TARGET2-Forderung der Bundesbank bzw. der EZB eine schuldbefreiende Zahlung der ZB Spaniens dar, ist mithin das ‚clearing‘ bzw. das ’settlement‘ seitens der EZB endgültig erfolgt.

Beantwortet man diese Frage mit NEIN, müßte geklärt werden wie eine NZB an eine andere NZB zahlen könnte, da ja damit behauptet würde, daß eine Forderung gegen eine NZB eben KEIN Zentralbankgeld darstellt. Somit wird die Frage virulent, WOMIT denn eine NZB tatsächlich schuldbefreiend zahlen kann. Die simple Antwort ist, daß eine NZB einen Passivtausch vornimmt, den TARGET2-Saldo auf den ZBG-Umlauf bucht und dann das emittierte Zentralbankgeld per Koffer – nach Durchleitung über die EZB – an die empfangende NZB (physisch) transferiert. Das hätte zur Folge, daß die empfangende NZB zwangsweise einen Kasseneingang buchen müßte. Damit wäre wohl für jeden Zweifler sichtbar, daß tatsächlich Zentralbankgeld gezahlt worden wäre. Damit wäre man wieder bei dem ‚clearing‘-Verfahren: physische Übergabe von Zentralbankgeld. (Daß die empfangende NZB nicht weiß was sie damit soll, steht auf einem anderen Blatt!)

Ob das ein Fortschritt ist?

35 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Wirtschaftstheorie, wonkish