Monatsarchiv: April 2013

TARGET-Nachlese

spider cubeWenn man ein bißchen länger darüber nachdenkt, ist die Geschichte mit den TARGET-Salden nicht ganz so schlimm wie sie sich üblicherweise darstellt. Denn zunächst sind sie eigentlich nur Verrechnungsposten zwischen nationalen Zentralbanken, die demselben EURO-Währungsverbund angehören, in dem es 17 nationale Zentralbanken gibt, die alle dasselbe Recht haben EURO zu emittieren. Das eigentliche Problem dieser Salden besteht ja daraus, daß z. B. die Bundesbank für die Geldemission einer anderen Zentralbank einstehen muß als hätte sie es selbst getan. Daß damit die geldpolitische Strategie der Bundesbank unterlaufen wird muß man in Frankfurt nicht lustig finden, man kann aber dort auch nichts dagegen tun!

Was dabei auffällt ist der Umstand, daß es aufgrund der bei z.B. deutschen Banken entstehenden Erhöhung des Basisgeldbestandes nicht zu den viel beschworenen inflationären Entwicklungen kommt, die üblicherweise davon erwartet werden müßten. Das wird von mehr oder weniger informierten Meinungsproduzenten üblicherweise damit begründet, daß sich die „Ökonomie“ in einer „Liquiditätsfalle“ befinden und von daher eine Wirkung auf das Preisniveau ausbleiben würde. Das mag so sein, heißt aber nicht, daß es nicht noch andere Gründe dafür geben könnte. Denn das was bei einer TARGET-Überweisung passiert ist, daß eine Forderung einer „Süd“-Geschäftsbank zu einer Forderung einer „Nord“-Geschäftsbank gegen die jeweilige Zentralbank wird. Was dabei nicht klar ist, ist die Frage, inwieweit diese Transaktion auch zu einer entsprechenden zusätzlichen Emission von Basisgeld führt, von der ja stets angenommen wird, daß sie Preisauftriebstendenzen Nahrung gibt.

Nun gibt es ja den berühmten „Geldmengenmultiplikator“, den es zwar nicht(!) als theoretisches aber dennoch als statistisches Konzept gibt. Dieser besagt, daß das Kreditvolumen einer Ökonomie ein Vielfaches der Basisgeldmenge ist. Letztere besteht aus dem Banknotenumlauf sowie den Forderungen der Geschäftsbanken gegen die zuständige Zentralbank.

Wenn also eine „Süd“-Geschäftsbank eine „Auslandsüberweisung“ vornimmt, reduziert sich automatisch das Volumen des Basisgeldes im sendenden Land, während es sich im Empfängerland dementsprechend erhöht. So weit, so gut!

Nun ist es ja so, daß im Senderland nicht nur Basisgeldmenge insgesamt geschrumpft ist sondern auch das Kreditvolumen und die Geschäftsbanken deswegen einen geringeren Bedarf an Basisgeld haben, so daß, auch wenn der Bestand des Basisgeldes teilweise wieder aufgefüllt werden muß, das ursprüngliche Volumen nicht mehr erreicht wird. Das liegt daran, daß die Wahrscheinlichkeit eines Abflusses von Basisgeld bei den „Süd“-Geschäftsbanken entsprechend geschrumpft ist. Diesen Effekt kann man auf etwa 10% bis 15% einschätzen, was einen endgültigen Nettoverlust an Basisgeld im betreffenden Land bedeutet.

Was passiert demgegenüber in einem Empfängerland wie Deutschland? In Deutschland verzeichnen die Geschäftsbanken einen Zufluß an Basisgeld, der ihr Kreditvolumen unmittelbar erhöhen müßte. (Zumindest dann, wenn man die Theorie der „fraktionellen Geldschöpfung“ ernst nehmen würde – was man nicht muß.) Die Frage ist: was passiert tatsächlich in einem Land, welches einen Nettozustrom von Basisgeld realisiert? Nehmen wir realistischerweise mal an, daß der Bedarf an Basisgeld nicht vorhanden ist, dann besteht auch kaum ein Bedarf an irgendwelchen zusätzlichen Reserven. Der Grund dafür könnte z.B. der sein, daß in Deutschland nach den LTRO-Operationen der EZB die Liquidität der deutschen Banken ohnehin einen Status erreicht hat, der in Bezug auf den Bedarf an Basisgeld als redundant bezeichnet werden kann.

Was wird also passieren? Eben, die deutschen Banken werden nichts anderes tun als das ihnen zugeflossene Basisgeld dahingehend zu verwenden, um frühere z.B. Wertpapierpensionsgeschäfte aufzulösen, was die kühle Folge hat, daß das Basisgeldvolumen um eben diesen Betrag schrumpft! Was ist das Ergebnis? Zum einen schrumpft das Basisgeldvolumen im Senderland aufgrund sinkender Liquiditätserfordernisse, zum anderen sinkt das Basisgeldvolumen im Empfängerland aufgrund des mangelnden Bedarfs an Basisgeld in den Empfängerländern, weil die LTRO Operationen der EZB eine Liquiditätsvorsorge für „Nord“-Länder quasi entbehrlich gemacht haben.

Also was denn nun? Ganz einfach: man kann davon ausgehen, daß die durch Kapitalflucht bedingten TARGET-Salden dazu führen, daß die Basisgeldmenge in EURO-Land insgesamt gesehen SINKT! (Das könnte ein wesentlicher Grund dafür sein, daß sich deutsche Banken noch nie wirklich über die TARGET-Salden beschwert haben. Warum? Weil sie daran verdienen! Eine Liquiditätsrente muß niemand vehement ablehnen!) Inflation? Fehlanzeige!

Lustig, nicht?

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Pitticoin die Lieben – und Platsch

rouletteNun muß man sich ja nicht als kompletter Laie outen, indem man in Bezug auf das Phänomen Bitcoin von einer Währung spricht. Es ist eher angemessen von einem künstlichen Tauschmittel oder künstlichem „Wertgegenstand“ oder meinetwegen von einer „virtuellen Sache“ zu reden, welche es zu einer gewissen Prominenz gebracht hat. Genau dasselbe ist auch schon bei Kunstwerken, Tulpenzwiebeln und einer Unzahl anderer Modeobjekte passiert, ohne daß die Kommentatorenwelt sich entblödet hätte, dabei von einer Währung zu faseln.

Das liegt daran, daß sich kaum jemand darum Gedanken macht, was eine Währung tatsächlich auszeichnet. Eine Währung des modernen Typs ist dadurch gekennzeichnet, daß sie nicht das Tauschverhältnis von Hirsch und Biber, sondern das Stecknadelbeispiel von Adam Smith adressiert. (Dazu gibt es demnächst einen weiteren Post!) Es ist nicht der Tausch, der die Grundlage für das Denken über Ökonomie legen sollte, sondern die Arbeitsteilung, welche auch das Rezept für das Reüssieren moderner Gesellschaften liefert. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß die operative ökonomische Elite instinktiv den Fokus der Bedeutung nicht auf die sogenannten flows, sondern auf die Qualität der stocks legt! Das heißt zwar auch, daß es gelegentlich auch zu Pannen kommt wo Bestände entwertet werden müssen, was dann unproblematisch ist, wenn diese auch einer entsprechenden Abschreibung unterzogen werden (können). Das jüngste Beispiel ist nicht von ungefähr die ‚dotcom‘-Blase, die deswegen so glimpflich verlaufen ist, weil die durchgeknallten „Investitionen“ vorwiegend mit Eigenkapital (IPOs) finanziert wurden und sich niemand darum schert, ob eine Abschreibung von Aktieninvestments erforderlich ist oder nicht.

Letzteres hat natürlich mit Bitcoins nichts zu tun. Denn Bitcoins sind ja nichts anderes als eine Phantasie, deren Bedeutung sich aus einer Vorstellung speist, die sich daraus ergibt, daß ein Glaube existiert, daß sie deswegen, weil sie aus einem „realen“ Prozeß entstanden sind auch einen „Wert“ haben müßten. Das kann man ja glauben, nur: das hat nichts mit irgendeiner Realität zu tun! (Ich habe ja eher den Verdacht, daß dieser Hype eine Marketingmaßnahme von Hardwareherstellern war.)

Das Lustige dabei ist, daß sich die Vertreter des Bitcoin dazu versteigen dessen Existenz als Alternative zu einer Währung zu stilisieren, obwohl dahinter nichts weiter ist, als daß ein Schaumprodukt zu einem Popanz hochdefiniert wird, was letztlich nichts anderes bedeutet, als daß eine lustige Truppe von Nerds sich einen Spaß daraus macht die versammelte Elite der Geldtheorie vorzuführen! Denn wenn irgendwer „Tauschmittel“ ruft, stürzen sich orthodox indoktrinierte Ökonomen sofort auf diese vermeintliche Bestätigung ihrer Vorstellungswelt. Wer dabei an Schande denkt, liegt richtig!

Der entscheidende Unterschied besteht daraus, daß ein Tauschmittel kein Zahlungsmittel ist!  Das eine ist ein fiktiver Wert, während das andere ein Medium ist, welches „nur“ dazu da ist, Schulden zu tilgen. An dieser Stelle wird nämlich klar, daß das hochgelobte „Vertrauen“ in eine Währung nämlich nur dann vonnöten ist, wenn es niemanden gibt, der darauf angewiesen ist, diese Währungseinheiten deswegen zu erwirtschaften, weil er in dieser Währung Schulden zu tilgen hat. Das viel gescholtene Schuldgeldsystem bezieht nämlich seine Funktionsfähigkeit daraus, daß Unternehmer einem Schuldendruck unterliegen und das der einzige Grund für ihre Bereitschaft ist, gegen (substanziell wertloses) Geld reale Leistungen (i.e. für den Konsumenten werthaltige Waren) zu verkaufen.

Im Gegensatz dazu ist ein Bitcoin als „schuldfrei“ (immer wieder lustig) geschöpfte „Währung“ auf Vertrauen angewiesen, weil es für niemanden eine wesentliche Motivation gibt, diese virtuellen Zahlenkolonnen durch ein Leistungsangebot erwirtschaften zu müssen. Die Pannen, die demgegenüber mit Währungen passieren können sind immer dann möglich, wenn es nicht gelingt für die fraglichen Währungseinheiten ein ausreichendes Interesse zu generieren. Im Kreditgeldsystem wird dieses „Interesse“ dadurch erzeugt, daß die Durchsetzung des Schuldendienstes(!) das „Verdienen“ dieser Scheinchen zur „conditio sine qua non“ des Wirtschaftslebens macht. Das ominöse „Vertrauensproblem“ existiert für ein Kreditgeld, wo Kredite effizient eingetrieben werden, schlichtweg nicht! (Das ist übigends der eigentliche Grund dafür, daß Deutschland vergleichsweise geringe Probleme mit der Finanzkrise hat, auch wenn die Bewältigung der ’subprime‘-„Investitionen“ eine deutliche Scharte in die Qualität deutscher Banken geschlagen hat. Von den USA lernen heißt heutzutage eben abschreiben zu können und nicht siegen zu lernen! So ändern sich die Zeiten! Das werden die Chinesen auch noch lernen – sorry folks!)

Der wesentliche Unterschied zwischen Bitcoins und einer Währung ist jedoch der, daß in der modernen Welt hauptsächlich die Referenz(!) auf das Zahlungsmittel zur Abwicklung von Zahlungen Verwendung findet und nicht das Zahlungsmittel selbst. Der ganze Überweisungsverkehr ist davon geprägt durch Anweisungen auf Zahlungsmitteltransfers die Verwendung des Zahlungsmittels in der Interaktion von Zahlendem und Zahlungsempfänger entbehrlich zu machen. Der Transfer des Zahlungsmittels nämlich wird durch die beteiligten Banken abgewickelt, woraus sich auch deren Bezeichnung als Zahlungsverkehrdienstleister herleitet. Im Gegensatz dazu werden Bitcoins selbst hoch wohl persönlich übertragen, so wie es sich für ein Tauschmittel gehört. Was die Eigenschaften eines Tauschmittels angeht: man kann sich sogar bei den Austrians davon überzeugen, daß die Bitcoins als „Konkurrenzwährung“ zu interpretieren sind – ein wirtschaftstheoretischer Kopfschuß sondergleichen!

Wenn Bitcoins zur Währung werden wollen müßten Kredite in Bitcoins ermöglicht werden, womit auch bei Bitcoins die üblichen Probleme entstehen wie sie bei konventionellen Banken existieren. Dann ist es auch mit der Dezentralisierung vorbei, denn dann besteht auch postwendend der Bedarf nach einer Bitcoin-Zentralbank. Dann ist es insbesondere mit der hochwohlgelobten währungspolitischen Anarchie endgültig vorbei, die sowieso nie existiert hat! Als süchtigmachendes „Investment“ und zur Entsorgung jeglicher ökonomischer Vernunft sind sie jedoch ein hervorragendes Spielzeug. Kommt gleich nach Gold!

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Das vergangene Märchen der ’seigniorage‘

KrötchenEs gibt wohl kaum ein besseres Beispiel für die Ignoranz der Wirtschaftstheorie dem monetären Komplex gegenüber als die Tatsache, daß ein Überwintern historischer Konzepte bis in die Gegenwart möglich ist, obwohl sich die Rahmenbedingungen in der Zwischenzeit fundamental geändert haben. So ist das Konzept der ‚seigniorage’ in einer Zeit entstanden, als es tatsächlich noch Zahlungsmittel gab, die aus Gold gefertigt wurden. Aus diesem Grund ist der historische Teil des oben verlinken Artikels insoweit korrekt.

Was danach folgt kann man nur noch mit Grausen betrachten. Die folgende Begriffserklärung bezieht sich einmal auf einen „Zuwachs des nominalen Bestandes an Zentralbankgeld“, womit bereits völlig naiv eine Gleichsetzung von Goldgeld mit dem heutzutage verwendeten Kreditgeld insinuiert wird. Ganz so als hätte es die Aufhebung des Goldstandards durch Nixon 1971 nie gegeben – mal abgesehen davon, daß der Goldstandard im Wesentlichen bereits seit Bretton Woods Toast war, denn seitdem regierte de facto der Dollar-Standard, auch wenn es danach noch ein paar Verwicklungen wegen einiger Goldbarren gab.

Die nachfolgende Definition von Issing ist es jedoch wert genauer unter die Lupe genommen zu werden. Das Erste was dabei auffällt ist, daß dort über „reale Erträge“ gesprochen wird, ganz so, als sei es nicht angebracht diese Erträge vielleicht mal monetär zu definieren. (Herzlichen Glückwunsch an die Geldtheorie, die sich über „reale Erträge“ definieren soll!) Und woraus bestehen diese nun? Daraus, daß „Private zinslos Zentralbankgeld halten“. Dazu muß man eines wissen: für Ökonomen ist der „Wert“ einer Sache stets durch die Opportunitätskosten definiert, welche deswegen entstehen, daß mit der Wahl einer Alternative stets der Verzicht auf eine andere Verwendung einhergeht. Das ist im Wesentlichen eine werttheoretische „was wäre wenn“ Argumentation, die sich in vielen Argumentationen wie auch z. B. in der Konzeption der Liquiditätsprämie wiederfindet. (Übrigends auch in der „wertstiftenden“ Arbeitskraft von Marx, die angeblich durch „Ausbeutung“ zu einer monetären Akkumulation Anlaß geben soll – selten so gelacht, was allerdings die Versuche, die Neoklassik geldtheoretisch nutzbar zu machen genauso betrifft. Klassik ist halt Klassik! Zur Ehrenrettung: das hat Marx selber gesehen, seine ‚follower‘ dann schon nicht mehr! Ja, ja, R. Luxemburg ist ein anderes Kapitel!) Nun ist an dieser Stelle die relevante Alternative eine zinstragende Anlage des Geldes, so daß eigentlich eine monetäre Begründung gegeben scheint. Bei dieser Geschichte bleibt allerdings die Frage offen, ob und inwieweit der entgangene Zinsertrag auf der einen Seite auch auf der anderen Seite zu einem Zinsgewinn führt – wofür nicht mal im Ansatz eine Begründung geliefert wird. Das ist jedoch, wie der weitere Inhalt des Artikels zeigt, nicht die ‚seigniorage’ die gemeint ist, denn in einer folgenden Formel wird sie doch tatsächlich als der um das Preisniveau bereinigte Zuwachs der „realen“ Geldmenge formuliert. Was damit suggeriert wird ist, daß der Zuwachs an Zentralbankgeld tatsächlich zu einem Vermögenszuwachs bei den monetären Autoritäten und letztlich beim Staat führt.

Dieser Sachverhalt ist jedoch durch nichts gedeckt, denn die Emission von Zentralbankgeld erfolgt im Kreditgeldsystem im Wesentlichen im Zuge einer Kreditgewährung der Zentralbank gegenüber einer Geschäftsbank, was zwar die Bilanz der Zentralbank verlängert, aber keineswegs zu einem „Wohlfahrtszuwachs“ der Zentralbank führt. Denn das Einzige was eine Zentralbank davon hat ist eine Forderung, von der sie hofft, daß diese auch bedient wird. Wie man aus einer derartigen Transaktion schließen kann, daß damit ein Realtransfer stattfinden würde muß eigentlich auf ewig unerfindlich bleiben. (Man kann es auch anders ausdrücken: diese Sichtweise postuliert kraft eigener Wassersuppe, daß die Vergabe eines Kredites bereits einen monetären Nettovermögenszuwachs bedeuten würde – was jedem halbwegs erfahrenen Buchhalter Magenkrämpfe bescheren würde.)

Der Grund dieser Verwirrung liegt wohl eher darin, daß auch hier wieder der klassische Irrtum über das Verhältnis von Geld und Forderungen bei der Formulierung dieser Definition Pate gestanden hat. Denn obwohl jeder, der schon mal einen Kredit bedienen mußte weiß, daß Geld das Geschuldete ist, krallt sich der Irrtum über die Eigenschaft des Geldes entweder Forderung oder Verbindlichkeit zu sein wie eine fixe Idee in den Köpfen von Ökonomen – und vielen die sich dafür halten – fest.

Und es geht weiter: unter fiskalischer ‚seigniorage’ wird diese definiert aus der monetären ‚seigniorage’ was nichts anderes heißt, daß das defekte Konzept der monetären ‚seigniorage’ nun auch für die Formulierung eines weiteren Kunstbegriffs verwendet wird, was die Sache natürlich nicht besser macht. Da die Voraussetzung schon nicht stimmt, muß man sich darüber erst garkeine Gedanken machen. Obwohl: richtig witzig wird die ganze Sache dadurch, daß man sich daraufhin darüber Gedanken machen kann, warum nicht erzielte Zinseinnahmen zu einem zinsbedingten fiskalischen Ertrag führen sollen. Man kann es nur so sehen: auf eine fehlerhafte Fragestellung gibt es keine sinnvolle Erklärung! Und: die Erklärung, daß die ‚seigniorage’ durch den Gewinn der Notenbank gemessen werden kann, steht mal einfach so im Widerspruch zu der formelpräsentierten Darstellung, die sich ein paar Zeilen weiter oben findet, daß nämlich die ‚seigniorage’ aus einer Bestandsveränderung der monetären Entität „Zentralbankgeldzuwachs“ entstammen soll. (Wie soll man sich eigentlich über einen Artikel lustig machen, wenn er sich sogar schon selbst zerlegt?)

Die Katastrophe dabei ist, daß diese Definition von ‚seigniorage’ von einem Ökonomen stammt, der bis vor ein paar Jahren noch Chefökonom der EZB war. Das ist schon schlimm genug, aber es ist ja nicht so, daß sich nicht irgendwelche ‚follower’ der Sache verschrieben hätten und solche Dinge raushauen, wie z.B.: die „Opportunitätskosten-Seigniorage“ ist „der Zinsertrag, der erzielbar ist, wenn der Gegenwert der Zentralbankgeldmenge zum Marktzins angelegt wird.“ Fragt sich eigentlich von diesen „Ökonomen“ überhaupt einer, wo der „Gegenwert“ der Zentralbankgeldmenge steht? Richtig, auf der Passivseite der Zentralbank, wobei der Posten des Zentralbankgeldumlaufs in der Zentralbankbilanz letztlich nur einen Merkposten darüber darstellt, wieviel Zentralbankgeld von der Zentralbank im Zuge irgendwelcher Kreditvergaben ausgegeben (geliefert) worden ist. Aus einem Merkposten über geliefertes Zentralbankgeld abzuleiten, daß daraus ein „realer Wert“ entstünde, überstrapaziert selbst den geduldigsten Menschenverstand. (Wer meint eine buchhalterische Begründung dafür zu haben, daß diese Argumentation richtig sei, mag sich in einem Kommentar melden. Falls es tatsächlich jemand tut: das wird nicht jemand sein, der in buchhalterischen Dingen auch nur halbwegs bewandert sein kann!) Aber gemach: auch die Theoretiker der „Liquiditätspräferenz“ sind nicht davor gefeit, die intrinsischen Gefühle der Geldbesitzer als Argument für knallharte Sachfragen zu verwenden. So hat jeder sein Kuckucksnest! Man kann es auch anders ausdrücken: wenn ein Wirtschaftssubjekt sich für eine Sache entscheidet heißt das nicht, daß die Nichtentscheidung für die Alternative für jemand anderes einen (monetären) Gewinn bedeutet. Noch einfacher: wenn ich auf etwas verzichte, hat ein anderer erst recht nichts davon! (Kennt man aus dem Sparparadoxon! Und: ’school-shootings‘ mal ausgenommen!)

Daß irgendwelche Leute, die derart lustige Theorien vertreten, ob sie nun beanspruchen das (angeblich) maßgebliche Internetlexikon zu repräsentieren, oder ob sie nun derart krude Theorien über eingebildete „Erträge“ vertreten, auch noch Einfluß auf die europäische Geldpolitik hatten (haben), kann man nur noch mit Humor ertragen.

Ich möchte an dieser Stelle noch Michael Gunczy dafür danken mir die Inspiration für diesen Post vermittelt zu haben! (Ach so, die Vollgeldler sind diesmal noch glimpflich davongekommen!)

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Von Pulverfässern und ungeplanten ökonomischen Einsichten

springDirk Elsner hat in seinem Post über die Konsequenzen aus der Zypern-Krise eine interessante Schlußfolgerung gezogen, die es wert ist noch ein wenig untersucht zu werden:

„Aber man kann Herrn Dijsselbloem und die ganze EU dafür kritisieren, dass sie auf dem Pulverfass sitzend mit dem Feuer spielt, den Sprengstoff herangeschafft hat Dijsselbloem jedenfalls nicht.“

A) Das ist richtig!
Es gilt aber auch:
B) Auch die EU hat den ganzen Sprengstoff nicht herangeschafft!

Und wo kommt der nun her?

Man muß sich dabei überhaupt erst mal klarmachen, woraus der Sprengstoff besteht. Üblicherweise wird eine „übermäßige“, „exzessive“ oder „überbordende“ Verschuldung dafür verantwortlich gemacht und dann so getan, als wäre der Grund für diese sicherlich nicht nachhaltige Verhaltensweise in einem moralischen Defekt der „Couponschneider“, in einer „Gier“ der „Anleger“ oder in einem genetischen Defekt des Finanzkapitalismus zu verorten. Mit einer derart moralisch aufgeplusterten Keule wird dann zum Feldzug gegen „die Bankster“, „die Spekulanten“ oder – damit es moralisch noch mehr trieft – „die Ausbeuter“ und „Bezieher leistungsloser Einkommen“ aufgerufen, womit der Empörung der Gerechten dann Genüge getan worden ist.

Nun, mit Verschuldung hat das Ganze schon was zu tun, es nützt aber nichts, wenn man über eine „zu hohe“ Exposition klagt, denn „zu hoch“ setzt ja bereits voraus, daß irgendetwas „zu viel“ ist, ohne daß ein Kriterium dafür existieren würde, an dem man das „zu viel“ messen könnte. Leider ist man in Bezug auf die Finanzmärkte immer erst hinterher schlauer, so daß es ohne weiteres passieren kann, daß ein „normales“ oder „solides“ Kreditengagement auf einmal zu einem „unkalkulierbaren Risiko“ wird. Die Gründe der Schieflage der zypriotischen Banken sprechen Bände.

Wenn man sich nun die nicht mehr so ganz taufrische Option ansieht, wie in Zukunft in Europa die Sanierung einer Bankbilanz ablaufen soll gewinnt man auch schon das erste Gefühl dafür was passieren müßte, wenn man den Fall der Fälle schon mal von vornherein verhindern wollte. Denn dieser ‚bail-in’ der unbesicherten Bankgläubiger, welcher im wesentlichen auf einer Umwandlung von nominal fixierten Forderungen in nominal variabel taxierte Eigentumsrechte beruht, hat ja offenbar seinen Grund darin, daß die Entscheidung zwischen nominal fixierten und nominal nicht fixierten Wertpapieren „normalerweise“ eindeutig zugunsten der nominal fixierten Kredite ausgeht.

Das hat natürlich seinen Grund der darin besteht, daß die nicht mehr so ganz moderne Hebelung von Finanzkapital es unattraktiv macht mit Eigenkapital zu wirtschaften und sich somit ganz zwanglos eine Schlagseite zugunsten wertfixierter Forderungen ergibt. Dazu kommt noch der Umstand, daß Fremdkapitalzinsen steuerlich als Kosten absetzbar sind und von daher der Einsatz von eigenem Geldvermögen sich noch weniger lohnt.

Nun mag man den Hang zur Bildung von Spareinlagen mit Hilfe von Erwägungen hinsichtlich deren vermeintlicher Sicherheit für „natürlich“ halten. Für diese Gegebenheiten stehen die inzwischen angekratzten Vorstellungen von der Sicherheit der Spareinlagen Pate, welche von der Finanzwirtschaft immer wieder in den höchsten Tönen beschworen wird. Das ist aber noch nicht alles: auch die Vorstellungen, die hinsichtlich der „normalen“ Finanzierung von Unternehmen existieren sind davon geprägt, daß Sparer über die Transformation der Banken die Investitionen der Unternehmen finanzieren und damit die moralische Rechtfertigung für die Bildung nomineller Forderungen alias Sparguthaben auch einen ökonomischen theoretischen Heiligenschein aufgesetzt bekommt. Dieser Heiligenschein resultiert letztlich aus der Quantitätstheorie, deren Sinn es ist die Bildung absoluter Geldpreise abzuleiten, ohne mit dem System relativer Preise, die sich aus einem allgemeinen Gleichgewicht ergeben, ins Gehege zu kommen. Getreu dem Erstausstattungskonzept ist in dieser theoretischen Sichtweise auch Geld eine Erstaustattung, die über Losgrößen- und Fristentransformation den Unternehmen zur Ökonomisierung zur Verfügung gestellt werden soll.

Woran liegt das?

Der theoretische Hintergrund ist dergestalt, daß im Grundmodell der Ökonomie – der allgemeinen Gleichgewichtstheorie – die Allokation der Ressourcen durch die Fiktion des Erstausstattungsprinzips ausgestaltet wird. Aus dieser Anlage der ökonomischen Orthodoxie hat eine ganze Forschungsrichtung den Schluß gezogen, daß auch in Bezug auf Geld dieses Prinzip als theoretische Grundforderung bei der Formulierung einer Geldtheorie Pate zu stehen habe. Das Ergebnis dieser methodologischen (!) Zwangslage ist die Quantitätstheorie, die seit 200 Jahren ihr Unwesen in der Ökonomie treibt. Denn dadurch wird Geld als ein Bestand definiert, der durch die Anwendung der üblichen Allokationsmechanismen seine Funktion zur Finanzierung von Investitionen erhält. (Sinnbildlich steht dafür Friedmans Bild von dem Abwurf von Geld aus einem Hubschrauber heraus!) Nun ist es natürlich nicht so, daß damit überhaupt kein ökonomischer Tatbestand eingefangen werden würde, denn die Relativität dessen, was den „Geldwert“ ausmacht ist durch dieses Konzept durchaus eingefangen. Was allerdings großflächig die Sinne vernebelt ist das damit verbundene ominöse Konzept der Umlaufgeschwindigkeit, welches lustige Vorstellungen von einer umherhetzenden „Geldmenge“ erzeugt, die nichts anderes zu tun hätte, als wie wild von einem Kauf zum anderen zu eilen. Wenn dann aus derart infantilen Vorstellungen heraus auch noch daraus geschlossen wird, daß man „nur“ die Umlaufgeschwindigkeit „erhöhen“ müsse, um Inflation oder die Konjunktur zu stimulieren, ist der intellektuelle Kopfschuß perfekt.

Das hat etwas damit zu tun wie man die Frage beantwortet was Geld ist. Ich drücke das immer so aus, daß Geld ein relatives Maß der Produktion ist, welches seine Funktion darin findet, daß es ein Verbindungsglied zwischen Kosten und Preisen darstellt. Anders gesagt: die kapitalismustypische Form der Arbeitsteilung erfordert eine Modalität der Abrechnung, die nicht das jeweilige Arbeitsergebnis zum Gegenstand hat, sondern eine abstrakte Form der Abrechung alias Entlohnung, die es ermöglicht, eine Vielzahl von produktiven Prozessen miteinander zu koordinieren. Wie man auf die blöde Idee kommen konnte das mit einer inkonsistenten Trivialgleichung einzufangen wird zukünftigen Generationen von Ökonomen ewig unerfindlich bleiben.

Schon von Marx stammt die Einsicht, daß Geld ein soziales Verhältnis ist. Und auch wenn Marx diskreditiert erscheint ist dennoch sein Hinweis auf den sozialen Charakter des Geldes immer noch als aktuelle theoretische Einsicht zu bewerten. Denn letztlich orientiert sich die gesamte Buchhaltung an diesem Konzept. An anderer stelle habe ich mal geschrieben: Kapitalismus ist eine Form geldwirtschaftlich organisierter Form der Arbeitsteilung. Diese Einsicht ist in der Ökonomie bisher noch nicht angekommen! Die Konsequenz daraus wäre Geld als Medium der Organisation produktiver Veranstaltungen zu interpretieren und nicht als „Schatz“, dessen Akkumulation für die Bewältigung menschlicher Versorgungsphasen immer weiter vorangetrieben werden muß. Diese Motivation mag ehrenwert sein, allein ist nominelles Geldvermögen dennoch stets von der Funktionsfähigkeit der gesellschaftlichen Produktionspotenz abhängig und wird es auch immer bleiben – irgendwelchen albernen politischen Garantien zum Trotz!

Man kann der Sichtweise von Geld als absolutem „Schatz“ einen gewissen Spaßfaktor sowie eine gewisse historische Bedeutung nicht absprechen, jedoch hat sie mit den Funktionsbedingungen einer modernen Geldwirtschaft nichts zu tun. (Warum das so ist, ist eine etwas längliche Geschichte.) Die Folgen einer derartigen Konzeptionalisierung von Geld durch die herrschende „Erstausstattungstheorie des Geldes“ sind jedoch anhand des EURO-Schlamassels ausgiebigst zu besichtigen.

Was läßt sich als Lehre aus der neuesten Entwicklung ziehen, wo doch gerade die Sicherheit von Spareinlagen zur Disposition gestellt wurde? Es geht darum, daß die Einsicht sich durchsetzt, daß Geldforderungen nicht aus einer Einzahlung von Bargeld am Bankschalter entstehen, sondern sich aus einer Akkumulation von Nettogeldvermögen heraus bilden, die ihre Begründung in einer Einkommensbildung findet, die sich aus Rentabilitätserwägungen von Unternehmen speist. Daß diese Rentabilitätserwägungen sich nicht dadurch ergeben, daß Einkommen großflächig gespart wird, kann zumindest einen Unternehmer nicht überraschen, denn die Wirtschaft lebt davon, daß Einkommen auch ausgegeben werden. Was sagte Norma Jean doch gleich: ‚money makes the world go round‘! Oder weiter östlich: der Rubel muß rollen!

Die Schlußfolgerung hinsichtlich der Akkumulation von Spareinlagen bzw. der Drohung, daß sie für die Sanierung von Bankbilanzen herangezogen werden, ist eigentlich ganz einfach: würden die Sparer schon von vornherein ihr Geld in Sachwerten – wozu in allererster Linie Aktien zählen – investieren, und nicht durch entgegengesetzte steuerliche Anreize und dem Moralappell des ökonomischen ‚mainstream‘ auf eine falsche Fährte geführt werden, würden sich derartig eklige Konsolidierungsprozesse, wie sie gerade in Zypern ablaufen, schon im Vorfeld vermeiden lassen. (Witzigerweise findet sich sogar im aktuellen Koalitionsvertrag eine Passage, welche das steuerliche Problem zwischen Eigen- und Fremdkapital adressiert!) An sich ist es ganz leicht es gleich richtig zu machen!

Was folgt aus alledem? Man muß Herrn Dijsselbloem attestieren irgendwie eine höhere Einsicht in geldtheoretische Funktionsbedingungen aus den aktuellen Sachzwängen gezogen zu haben, auch wenn es vermessen wäre ihm zu unterstellen, daß er diese aus einer theoretischen Einsicht heraus gezogen hätte. Darauf kommt es aber auch nicht an! Man kann auch ‚right for the wrong reasons‘ sein!

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