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Skizze einer Konjunkturtheorie des Kreditgeldes

Magnolie StrukturMan wundert sich manchmal darüber, daß es so etwas wichtiges wie eine monetäre Konjunkturtheorie anscheinend nicht mal im Ansatz gibt, obwohl nichts so sehr die Funktionsweise einer modernen Wirtschaft steuert wie das Geld. Dagegen gibt es reale Konjunkturtheorien wie Sand am Meer was wohl daran liegen dürfte, daß sich in diesem Feld jeder mit irgendwelchen mehr oder weniger kruden Ideen präsentieren kann und es mehr darum geht eine spannende Story zu erzählen als darum eine theoretisch saubere und methodisch stichhaltige Analyse zu konstruieren. Was gibt es da nicht alles: angefangen von der „schöpferischen Zerstörung“ durch Pionierunternehmer (die sich mehr als häufig vom Staat sponsorn lassen) über die Sprunghaftigkeit von Unternehmern, wenn ihnen die „Mehrwertrate“ nicht mehr gefällt (die aber nicht wissen, woher denn der monetäre Profit kommen soll) bis hin zu den „Pendeltheorien“ der Neoklassik, für die eine Konjunktur lediglich daraus besteht, daß eine ansonsten sich im Gleichgewicht befindende Ökonomie durch einen externen Impuls (man darf „schockiert“ sein über diese unbotmäßige Einflußnahme nicht-ökonomischer Faktoren – meistens der Staat) ins Schlingern gerät, aber durch ihre heroischen Selbstheilungskräfte selbstverständlich nach einiger Zeit wieder zu ihrem ursprünglichen Gleichgewicht zurückkehrt. Für letztere Phantasie kann man sogar Preise gewinnen und niemand hätte die Absicht dem zuständigen Komitee unterstellen zu wollen die Sache nicht ernsthaft geprüft zu haben.

Monetäre Theorien setzen üblicherweise an zwei verschiedenen Punkten an, einmal der wie auch immer definierten Geldmenge und andererseits dem wie auch immer definierten Zinssatz. Die Vermutung, daß es zwischen der „Geldmenge“ und dem Niveau der wirtschaftlichen Aktivität einen engen Zusammenhang gibt ist die Grundlage dafür, daß solche kruden Konzepte wie die wie auch immer definierte Quantitätstheorie bis zum heutigen Tage überhaupt Bedeutung genießen. Die Suche nach der blauen Blume der Ökonomie, d.h. nach der stabilen Geldnachfrage ist seit Jahrzehnten noch geheimnisumwittert, weil es sich immer wieder herausgestellt hat, daß die Schätzungen kaum ihren Veröffentlichungszeitpunkt erreichen konnten und bei Erscheinen meist schon veraltet waren. Über die Geldmenge Einfluß auf die Konjunktur zu nehmen ist unter diesen Auspizien mehr ein Kaffeesatzlesen als ordentliche Wissenschaft. Dagegen ist die Instrumentalisierung des Zinses als konjunktursteuerndes Element schon von vornherein mit dem Makel behaftet lediglich aus einer einzelwirtschaftlichen Perspektive geboren zu sein. Wie man aus der Diskussion um das Föhl´sche Gewinnparadoxon weiß ist der Schluß von steigenden Zinsen auf sinkende Investitionen an Annahmen gekoppelt, die an die schlimmsten in der Nach-Keynes Zeit stattgefundenden Elastizitätsdebatten erinnern. Entscheidend ist, daß nicht der Zins per se Investitionen weniger rentabel macht, sondern die mit der Einkommensentwicklung veränderte Konsum- bzw. Sparneigung, was wiederum ein Aspekt der unsäglichen Suche nach der Geldnachfragefunktion darstellt. Nun kann man ja durch beliebige Hosentaschenargumente versuchen diesen Theorien etwas abzugewinnen, was man jedoch nicht kann ist damit den zentralen Defekt dieser Theorie zu überdecken, daß sie nämlich nicht aus den Funktionsbedingungen eines validen ökonomischen Modells abgeleitet sind. Die Funktionsbedingungen des zugrundeliegenden neoklassischen Modells sind jedoch die Optimierung des persönlichen Güterbündels unter Beachtung der Opportunitätskosten. Opportunitätskosten ist aber ein reales Konzept bei denen der „Wert“ von Hummer durch den „Wert“ von Gesichtscreme gemessen wird, d.h. es handelt sich hierbei gerade nicht um ein monetäres Konzept sondern um relative Preise. Die Vermutung, man könne heutiges Papiergeld mit diesem analytischen Konzept angemessen analysieren ist nicht anders als heroisch zu bezeichnen. Da es aber bislang keine andere anerkannte Theorie zu diesem Thema gibt, wird der Schluß von der realen auf die monetäre Ebene einfach geglaubt. So einfach und so dumpfbackig ist es – leider.

Man könnte sich noch länger darüber lustig machen, dann wäre jedoch das Thema verfehlt. Wie schon erwähnt müßte eine angemessene Theorie aus den Funktionsbedingungen einer Geldwirtschaft heraus erklärt werden. Die hier zu skizzierende Überlegung setzt an einem Punkt an, der in dem Post „Geldschleife, nicht Geldkreislauf“ adressiert wurde. Denn der Punkt, daß Geld nicht einfach so da ist, sondern im besten Falle als Mittel zur Durchführung von Investitionen zur Verfügung gestellt wird macht es plausibel die monetären Vorgänge zur Grundlage einer Konjunkturtheorie zu machen. Der zentrale Ansatzpunkt ist der Lebenszyklus einer Investition, die grundsätzlich mit einer Investitionsausgabe beginnt (Kruschwitz), um dann häppchenweise mit Fortschritt der Kredittilgung (das Pendant der Abschreibungen) aus dem Wirtschaftsgeschehen wieder zu verschwinden. Sobald man diese Sichtweise einmal begriffen hat und berücksichtigt, daß das monetäre Volumen mit fortschreitender Zeitdauer des Investitionsprojektes abnimmt ergibt sich folgender stilisierter Kreditverlauf:

Isolierter Kreditverlauf

Kredit Einzel
Dabei ist zu beachten, daß der zackenförmige Verlauf der Kombination des gesamten Tilgungsverlaufs mit dem kurzperiodigen Lohnkreislauf geschuldet ist, ohne daß jedoch das grundlegende Argument an diesem Feature hängen würde. Ein derartiger Verlauf liegt auch dem Simulationsmodell aus dem Post „Dynamische Einsichten zu Geld und Zins“ zugrunde, wo ein zeitversetzter zweiter Verlauf zu einem (gesamtwirtschaftlichen) Kreditvolumen führt, dessen Verlauf wie folgt illustriert werden kann:

Asynchroner multipler Kreditverlauf

Kredit Multipel

Der dort geführte Nachweis, daß es zu einem kontinuierlichen gleichgewichtigen Entwicklungspfad kommen kann bedeutet jedoch nicht, daß es auch so kommen muß, weil die Aktionsparameter der Haushalte und Unternehmen diesem Kriterium nicht entsprechen müssen. Auch und insbesondere vor dem Hintergrund, daß es üblicherweise zu Investitionsschüben kommt macht es vergleichsweise unwahrscheinlich, daß es zu einem derartigen Pfad kommen wird, weil durch die konzentrierte Kreditvergabe die zu einem Gleichgewicht erforderliche Gleichverteilung der Investitionsprozesse nicht befördert wird. Es ist eher so, daß der Herdentrieb schlußendlich zum Lemming-Absturz führt, weil es keine koordinative Instanz gibt, welche eine Gleichmäßigkeit von Investitionen – verstanden als kompensatorische Erhöhung der Kreditvolumina – sicherstellen könnte. Wie man weiß ist das Konzept der Globalsteuerung, wo genau dies versucht wurde, daran gescheitert, daß die staatlichen Stützungskredite als ‚windfall‘-Profite in privaten Taschen gelandet sind und den erwünschten Effekt vermehrter Investitionen nicht mal im Ansatz generieren konnten.

Die Eigenheit ständig gegen Zerfallstendenzen ankämpfen zu müssen liegt denn auch in einem Spezifikum von Kreditverträgen begründet, welcher aus deren genuinen Konstruktion resultiert durch eine (planmäßige) Abnahme des ursprünglichen Kreditvolumens geprägt zu sein. Dadurch entsteht für den (hypothetisch) einzelnen Kredit das Problem, daß dessen Bedienung zum Ende der Laufzeit zunehmend schwerer bis unmöglich wird, weil die Verhaltensparameter von Haushalten sich üblicherweise nicht daran orientieren, ob die Unternehmen einen Kredit tilgen müssen oder nicht. (Denn dann müßten sie erst recht konsumieren, damit eine Neuauflage des Kredits aussichtsreich würde.) Wenn man so will ist dann, wenn das Kreditvolumen so weit geschrumpft ist, daß die pinkfarbene Linie der ersten Graphik erreicht ist der „Geldkreislauf“ (die Geldschleife) so weit geschrumpft, daß die (lohnbedingt) zyklische Bedienung des Kredits kaum noch möglich ist, von der Erzielung eines Gewinns ganz zu schweigen. Nun mag man einwenden, daß die Beendigung eines einzelnen Kredits in der Menge aller Kreditverhältnisse nicht ins Gewicht falle, weil das Nachfragepotential durch noch laufende Kredite quasi unverändert bestehen würde. Ein derartiges Argument mag im Einzelfall richtig sein, schließt jedoch nicht a priori aus, daß das Zusammenfallen mehrerer refinanzierungsbedürftiger Kreditverhältnisse in einem Zeitpunkt genau diese Situation einer Ertragsklemme erzeugt, ohne!!! daß hierfür eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse erforderlich wäre. Die Mengen-„Produktivität“ von Realkapital mag noch so toll sein, sobald sich die monetären Bedingungen verschlechtern ist Mengen-„Produktivität“ nicht mehr entscheidend. Die Rationalisierungstrottel sind dann nur noch der Sargnagel auf eine nicht notwendigerweise zu einem Desaster führende monetär-systemimmanente Entwicklungspanne.

Was hier wie eine technische Finesse aussieht läßt sich jedoch jedesmal beobachten, wenn es zu kontraktiven Entwicklungen kommt, wenn also Krisenerscheinungen entstehen, die in keiner Weise mit irgendeiner Unlust zum Konsum zu tun haben müssen, sondern einzig und allein an dem Umstand liegen, daß die wellenartige Kreditschöpfung ebenso wellenartig zurückgeführt wird. So sind auch Banken üblicherweise daran interessiert bei auftretenden Krisenanzeichen ihre Kreditlinien zu reduzieren oder wahlweise die Anforderungen an die Sicherheiten in unermeßliche Höhen zu schrauben, was das zeitliche Zusammenfallen von auslaufenden Krediten noch zusätzlich befördert. Und auf einmal entsteht der Effekt, daß ehemals „produktive“ – d.h. im monetären Sinne rentable Investitionsprojekte – sich aus nicht(!) technologischen Gründen als defizitär entwickeln, sondern allein deshalb, weil die monetäre Prozeßschleife sich ihrem Ende zuneigt – und zwar nicht nur einzelne sondern viele.

Ich gebe ja zu, daß das eine äußerst technische Variante über das Entstehen von Konjunkturentwicklungen ist, die nicht mit den schöngeistigen Erzählungen von Technologie und unternehmerischem Erfindergeist zu vergleichen ist. Es ist allemal angenehmer sich die Welt durch menschliche Faktoren erklären zu lassen, als durch schnöde temporal strukturierte und mehr oder weniger zufällige Koinzidenzen von Kreditlaufzeiten. Das Ärgerlichste an dieser Geschichte ist, daß man die Gezeiten der Konjunktur nicht mehr auf bewußte Aktionen von weitsichtigen Unternehmern zurückführen muß, sondern einsehen muß, daß die Zufälligkeit des Zusammentreffens von Kreditlaufzeiten sich dem planerischen Intellekt von Unternehmenslenkern schlichtweg entzieht. Das kann man bedauern, ändern wird man es durch den Glauben an die Gestaltbarkeit von Wirtschaft nicht.

Man kommt nicht umhin festzustellen, daß die schöngeistigen Lehrbuchgeschichten von einer umlaufenden Geldmenge, die nichts anderes zu tun hat, als die ganzen Tauschvorgänge zu erleichtern an sich in den Mülleimer der Theoriegeschichte gehören, wo der gnädige Mantel des Schweigens drüber ausgebreitet werden könnte. Denn das eigentliche Charakteristikum des Kreditgeldkapitalismus, daß nämlich arbeitsteilig organisierte Prozesse von zwei Geldschleifen – die Lohnschleife sowie die Kredit(tilgungs)schleife – begleitet bzw. gesteuert werden, geht bei den ganzen Geldmengenphantasien völlig verloren. Wenn man so will ist kreditgeldgesteuerte Produktion durch einen permanenten Kontraktionsprozess geprägt, der nur dann kompensiert werden kann, wenn durch „neues Vertrauen“ neue Kreditkontrakte vereinbart werden, welche die kontraktiven Tendenzen der Kredittilgung konterkarieren können. Diese Erkenntnis ist sicherlich nicht neu sondern reflektiert eher den monetären Aspekt von Keynes mit seiner Betonung auf die „Neigung zur Investition“ der Unternehmer, die wie eine Mimose auf kleinste Unannehmlichkeiten mit größter Zurückhaltung reagieren.

Interessant bei dieser Geschichte ist der Umstand, daß inzwischen einzelne Investmentfonds sich an der Frage orientieren, welches „Alter“ der Kreditzyklus in einer Region aufweist. Es scheint, als könne man mit Hilfe derartiger Analysen ganz gut Geld verdienen wie man aus diesem Artikel herauslesen kann. Das ist natürlich auch nicht so erstaunlich, weil sich in einem Investitionsboom die Positiv-Hysterie gegenseitig auf Hype aufschaukelt, während die Analyse, wie lange die positiven Ertragserwartungen noch vorhalten, üblicherweise etwas für akribische Analysten ist, die aus gutem Grunde nicht so sehr im Rampenlicht der Informationsverwurster stehen möchten. Denn dann geht es um so „langweilige“ Dinge wie Kreditlaufzeiten, Ausfallraten, Abschreibungsverluste bei Banken (igitt) und vielleicht sogar mal wirtschaftspolitische Weichenstellungen, auch wenn bei letzteren auf die privatwirtschaftliche Hochstimmung üblicherweise der öffentliche Katzenjammer folgt – für den natürlich niemand verantwortlich ist. Diese „langweiligen“ Dinge geben anscheinend doch angemessene Informationen darüber, wann man aus einem Engagement aussteigen sollte, was auch wenig erstaunlich ist, weil Investitionsentscheidungen dann irgendwie doch an dem unvorhergesehenen Umstand hängen, ob es eine zufriedenstellend positive monetäre Rendite gibt oder nicht. Und da sind die Phantasien von Altweiber-Sommern, die durch überteuerte Zukäufe allen Ernstes auch noch Traumrenditen herausrechnen wollen eher etwas für die seichte Zuschauerschaft… na ja, der Krug geht zum Brunnen bis er bricht! Obwohl: auch wenn diese Trottelnummer zig Milliarden verbrannt hat ist der ’spirit‘, der derartige Entwicklungen in Gang setzt die Quelle von Wohlstand und Prosperität. Man muß halt nur darüber nachdenken, wie der monetäre ‚catch-22‚ neutralisierbar ist – dazu müßte man allerdings erst mal erkennen, daß er existiert!

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Das Multiplikator-Mysterium

Hic RhodosRegelmäßige Leser dieses Blogs haben wahrscheinlich schon gerochen, daß das Thema des vorangegangenen Beitrags noch nicht die ganze Geschichte gewesen ist. Denn die Tatsache alleine, daß manche Kreditvergaben mit einer Schöpfung von Zentralbankgeld einhergehen und manche nicht, erzeugt noch keinen großen Erkenntnisgewinn. Dies ergibt sich schon alleine aus dem Umstand, daß das Volumen der Sichtforderungen das Volumen des ausgewiesenen Zentralbankgeldes bei weitem übersteigt. Dieser Umstand findet seine Entsprechung in dem sogenannten „Geldschöpfungsmultiplikator“, der das Verhältnis von Zentralbankgeld zu den verschiedenen „Geldmengenaggregaten“ M1, M2 etc. numerisch ausweist.

Nun braucht wohl jede ökonomische Theorie einen Multiplikator, dessen Funktion es ist auf einer rudimentären Ebene die Verschachtelungen des ökonomischen Prozesses abzubilden. Dabei braucht man nicht zum x-ten Mal die Funktionsweise des üblichen Geldschöpfungsmultiplikators zu diskutieren, es sei lediglich darauf hingewiesen, daß die Bestimmungsgrößen Bargeldquote und Mindestreserve lediglich als technische und weniger als ökonomische Beschränkungen des „Geldangebotes“ fungieren. (Daß der Begriff „Geldangebot“ bereits eine finstere Verwechslung ökonomischer Kriterien darstellt, steht auf einem anderen Blatt.) Demgegenüber soll hier ein Multiplikatorbegriff abgeleitet werden, der sich daran orientiert, ob die Struktur der Kreditvergabe eine „reibungslose“ Funktionsweise für die Ökonomie erlaubt. Es geht also hierbei um die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit der monetäre ökonomische Prozeß, der von Geldausgabe und Geldeinnahme geprägt ist, ohne Störung ablaufen kann. Das Kriterium ist dabei, daß einem Kredit auch ein Tilgungsplan zugrundeliegt, was unmittelbar bedeutet, daß stets ein bestimmter Betrag „frei verfügbar“ sein muß, um die Umsatzerwartungen, die mit diesem Kredit verknüpft sind, auch erfüllen zu können.

Im Gegensatz zu dem normalen Multiplikator, welcher auf Einkommen abstellt muß ein Multiplikator aus kreditgeldtheoretischer Perspektive an Kreditbeständen anknüpfen. Die Aufgabe ist also herauszufinden wie hoch das (Kruschwitz)-Investitionspotential ist, welches sich aus einem primären (Zentralbankgeld)-Kreditvolumen ergeben könnte. Soweit man einmal das Gedankenexperiment durchführt was passiert, wenn die Haushalte genau zeitstrukturkonform zu der unternehmerischen Liquiditätsplanung (temporäre) Ersparnisse bilden und diese wiederum bei einer (anderen) Bank „einlegen“ und diese von einer (anderen) Bank zeitstrukturkonform ausgeliehen werden, gelangt man zu folgender Übersicht:

ZBG-Multip

In diesem 3-Perioden Beispiel kreditiert die Zentralbank an die Bank 1 einen Betrag von 600, den die Bank für einen Kredit an die Unternehmung 1 verwendet, die damit eine Produktion über 3 Perioden vornimmt. Dazu kauft sie sich bei (irgendwelchen) Haushalten Produktionsfaktoren, die sogleich bezahlt werden, während die Amortisations-/ Tilgungsphase sich wie gesagt über 3 Perioden erstreckt. Würden die Haushalte also 200 als „Transaktionskasse“ zurückhalten (die Umsatzerwartungen der Unternehmung 1 in Periode 1) und 400 bei der Bank 2 einzahlen, könnte diese einer Unternehmung 2 die 400 für 2 Perioden zur Verfügung stellen. Behält Haushalt 2 wiederum 200 für die „Transaktionserfordernisse“ von Unternehmung 2 und zahlt diese 200 bei einer Bank 3 ein, kann diese Bank noch diese 200 für eine Periode als Kredit zur Verfügung stellen. Haushalt 3 bildet daraus keine „Ersparnisse“ mehr, sondern hält diese 200 für die laufende Periode 1 – denn das alles spielt sich idealtypischerweise zu Anfang von Periode 1 ab – als „Transaktionskasse“.

„Schiebt“ man diese Aufstellung etwas zusammen und bildet die Summen aus den verschiedenen Transaktionen ergibt sich folgende Übersicht:

ZBG-Multip Summe

Die sektoralen Salden ergeben sich unmittelbar aus den Einzelpositionen, was man auf den ersten Blick sieht ist, daß sich das ursprüngliche Zentralbankgeldvolumen durch diese (in diesem Beispiel: 3-periodige) Kreditkaskade verdoppelt hat. Was man demgegenüber nicht unmittelbar sieht (mit ein bißchen Nachdenken bekommt man das aber heraus) ist die allgemeine Formel, welche den Multiplikator in Abhängigkeit von der Periodenanzahl ( n )  des „ersten“ Kreditengagements ausdrückt. Dieser lautet nämlich:

Multiplikator Formel

so daß im Zusammenhang mit der anfänglichen Emission von Zentralbankgeld die vollständige Formel so lautet:

(Gesamtwirtschaftliches Kreditpotential Kpot)

Kpot = M0 * ∑ i/n
(im obigen Beispiel daher: 1200 = 600 * 1/3 + 600 * 2/3 + 600 * 3/3)

Wegen der Abhängigkeit eines derartigen Multiplikators von der Periodenzahl ergibt sich, daß das daraus resultierende potentielle gleichgewichtige Kreditvolumen linear mit der Investitionsdauer steigt. Wie man leicht nachrechnet ergibt sich die folgende Kreditmultiplikator-Funktion (wobei der „0;0,5“ Achsenpunkt auch nicht als „autonome Investition“ fehlinterpretiert werden muß 🙂 ):

Kpot (n) = 0,5 + 0,5 * n

Multiplikator Funktion

 

Nun ist natürlich die „Schöpfung“ von Kredit zu (realwirtschaftlichen) Investitionszwecken auch mit einer entsprechenden Erschaffung von Einkommen verbunden, so daß man hiermit auch einen Einkommen-Multiplikator erhält, womit auch gleichzeitig die Höhe der „Ersparnis“ festgelegt ist – in dieser Reihenfolge und das auch nur nebenbei. Und daß es sich hierbei nicht um eine 45°-Linie, sondern „nur“ um eine 22,5°-Linie handelt, muß einen nicht bekümmern – das Prinzip ist dasselbe!

Falls sich noch jemand fragt, worin der Sinn dieser Übung besteht: mit diesem Ansatz kan man nun z.B. ohne Mühe erklären, wann konjunkturelle Entwicklungen langfristig angelegt sind und wann nicht. Langfristige Investitionen haben danach langfristige Einkommenseffekte, wie sie nach jedem Infrastrukturboom erkennbar sind – Kondratiev läßt grüßen. Umgekehrt, umgekehrt!

(Und falls das alles jemandem zu simpel erscheinen will: auch das Mandelbrot-Apfelmännchen wird „nur“ durch die Iteration der Formel Zn+1 = Zn^2 + C erzeugt…)

Und was ich noch zu sagen hätte… Frohe Weihnacht!

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42 – die Linkliste

SpecklesHier die Linkliste der verwendeten Blogposts, die im Überblicksartikel „42 – das Große Ganze und so…“ verwendet wurden:

https://soffisticated.wordpress.com/2012/06/20/die-buddelkasten-wirtschaftspolitischer-kommentatoren/

Unser ökonomischer Mainstream: Aufzucht und Hege

Homo Oeconomicus – Mißverständnisse der Erklärbären

Ist Ökonomie ein System?

Grundsätze ökonomischer Paradigma

Jesse James oder die Abstraktheit sozialer Verpflichtungsrelationen

Geldschleife – nicht Geldkreislauf!

Paradigmatische Aspekte von I und S

Verirrungen zwischen Geld und Forderungen

Wozu sind Banken da?

Verirrungen zwischen Giralgeld und Zentralbankgeld

Warum Zentralbanken Zentralbanken sind

Können Zentralbanken das Preisniveau beeinflussen?

Logische Typenlehre III – Überschuß und Gewinn

Paradigmatische Nachdenkliste

Zinsen – Individual- oder Gemeinschaftskonzept?

Das Geldsystem braucht keinen Wert sondern Bonität

Dynamische Einsichten zu Geld und Zins

Die Wunder geldpolitischer Hierarchien

Stufen von Geldsystemen – ein Kurzdurchlauf

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Fraktaler Konstruktivismus

treefractalDie Theorie der Fraktale ist davon geprägt, daß sie äußerst vielschichtige Formen erzeugt, welche aus der vielfachen Anwendung einer im Grundsatz einfachen Formel entstehen. Dieser Ansatz ist durchaus geeignet dazu beizutragen eine Vorstellung von Ökonomie zu entwickeln, die nicht a priori davon ausgeht, daß Ökonomie wie in den Lehrbuchdarstellungen durch einen Kreislauf zu beschreiben ist, sondern durch eine Abfolge einzelner Kreditgeldschleifen, deren kontinuierliche Abfolge den Eindruck! erweckt, als handele es sich um einen Kreislauf. Damit stellt sich die Frage, wie es sich in einem Modell darstellen läßt, daß ein derartiges Phänomen konstruierbar wird. Die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens kann einmal dadurch motiviert werden, daß natürliche Phänomene sich ebenso aus einer Zusammenstellung von Zufluß und Abfluß darstellen lassen, so ist z.B. das Phänomen eines Sees von dem Zusammenspiel von zwei Komponenten darstellbar, deren Einfluß je nach Stromstärke einen unterschiedlichen Pegelstand erzeugen. Zum anderen wird diese Konstruktion auch deswegen nahegelegt, weil Wirtschaften ein ‚ongoing concern‘ ist, dessen Kontinuität den Blick auf das entscheidende Grundelement, die Kreditgeldschleife, die als individualisierte Entität lediglich eine begrenzte Existenz besitzt, verstellt.

Eine fraktale Struktur wird dadurch erzeugt, daß eine im Grunde einfache Formel eine Vielzahl von Iterationen durchläuft und dabei Formen erzeugt, die in keiner Weise aus der zugrunde liegenden Formel ersichtlich sind. Das entspricht etwa der Tatsache, daß das Grundmuster der Funktionsweise von Computern aus der Kombination von zwei Zuständen besteht. In gleicher Weise kann man sich vorstellen, daß das vielfältige und ineinander verwobene Finanzgeflecht durch einen einfachen Prozeß erzeugt wird, welcher durch vielfältige Reproduktion zu dem führt, was gegenwärtig zu den Verflechtungen auf den Finanzmärkten führt, deren Charakter meistens mit der Modevokabel „komplex“ beschrieben wird. Dabei muß gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß Fraktale zwar eine hohe Variabilität der Struktur sowie eine hohe Sensitivität gegenüber den Anfangsbedingungen aufweisen, ohne daß dadurch der einfache Charakter ihrer Entstehung irgendwie in Frage gestellt würde.

Darüber hinaus besitzen Fraktale noch zwei weitere Eigenschaften: zum einen sind sie selbstähnlich in dem Sinne, daß sie beständig gleichartige Strukturen erzeugen. Zum anderen existiert bei Fraktalen so etwas wie eine Systemgrenze, wo Elemente, die bestimmte Schwellenwerte über oder unterschreiten nicht mehr zu der Fraktalbildung beitragen, weil sie entweder ins Unendliche verschwinden, oder implodieren. Alle diese Eigenschaften lassen sich für den aufmerksamen Beobachter auch in der heutigen Finanzwirtschaft wiederfinden.

Da eine solche Darstellung von vornherein nur in einem dynamischen Kontext sinnvoll ist, was auch dem dynamischen Kontext des Erkenntnisobjekts Ökonomie geschuldet ist, dessen Charakter durch ein statisches Modell ohnehin nicht abgebildet werden kann, läßt es sich nicht vermeiden den wesentlichen Faktor des Kapitalismus, den Kredit, in die Darstellung mit einzubeziehen. Und um den ‚ongoing concern‘ mit einzufangen macht es sich besser, gleich die Zeitverschiebung von mehreren Kreditprozessen mit einzubeziehen. Das ist u.a. deswegen erforderlich, um von vornherein das Problem zu vermeiden, welches sich aus der Beendigung von isolierten Einzelkreditprozessen ergibt. Mit dieser Darstellung ist es ganz nebenbei auch möglich, die vermaledeite Geschichte, daß ein einzelner Kredit niemals komplett zurückgezahlt werden kann, ein für alle Mal zu erledigen. Dabei sollte auch gleich klar werden, daß die prominente Frage nach den „Abteilungen“ der Wirtschaft (Produktionsmittel- bzw. Konsumgüterindustrie) einer spezifischen Auffassung über das Wesen des ökonomischen Prozesses geschuldet ist, die sich in kreditgeldökonomischer Hinsicht lediglich als zeitlich verschobene Kreditprozesse darstellen, die (nur) deswegen auch in einem einheitlichen Modellstruktur ineinander integrierbar werden.

Dann sieht das Modell genau so aus:

Kalecki00

Das Interessante dabei ist, daß sich ein kontinuierlicher Absorptionsprozeß (Konsum) mit sich ständig verändernden Kreditbeständen verträgt, was ein besonderes Licht auf die Tatsache wirft, daß Kreditbeziehungen auf einer längerfristigen Ebene angesiedelt sind und nicht unbedingt den kurzfristigen Schwankungen unterworfen sind wie man es von Konsumprozessen kennt. Besonders interessant ist auch, daß sich der Einkommenskreislauf gewissermaßen als Unterfunktion des Kreditprozesses abspielt und beide gewissermaßen ein Zentrum-Peripherie Verhältnis aufweisen, etwa so, wie man es aus dem Verhältnis von Erde und Sonne kennt. Dabei sollte man sich aus gegebenem Anlaß klar machen, daß die Vorstellung des Sonnensystems als Gebilde von konzentrischen Kreisen auch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, sondern vielmehr das Sonnensystem sich in einer spiralförmigen Weise durch das Weltall bewegt. Die Vorstellung eines statischen Kreislaufes sollte daher ein für alle Mal beerdigt und auch keineswegs wieder mit dem Hinweis auf irgendwelche „didaktischen Erfordernisse“ oder aus bloßer Faulheit heraus exhumiert werden. Denn die Konstruktivierung von Ökonomie als kreditgesteuerter Prozeß erlaubt es nicht, die technischen Grundlagen einer von Kredit gesteuerten Ökonomie zu ignorieren. Denn was im Kapitalismus zählt sind Zahlungen, deren nachhaltiger Zusammenhang den arbeitsteiligen Prozeß der Produktion überhaupt erst möglich macht! Und darüber hinaus sind ebenso die Verbindlichkeitsverhältnisse maßgeblich für die ökonomische Trajektorie, weil diese die Zahlungsmuster für die von ihnen definierte Zukunft bestimmen.

Genau das macht auch die Attraktivität der fraktalen Modellvorstellung aus, denn in einer Geldwirtschaft geht es ebenso um die Frage, welche Prozesse sich behaupten können, insofern als sie genau den Pfad zwischen Implosion (Konkurs) und Explosion (Hypertrophie) (Bei: Mandelbrodt Math -> Sensitivity. Anm. die Sicherheitsabfrage kann man in diesem Fall genehmigen!) einzuhalten in der Lage sind. Und auch dahingehend, daß zwar jedes Element für sich funktionieren muß, aber alle Prozesse Teil eines Gesamtsystems sind, das sich als Ganzes als überlebensfähig beweisen muß. (Cf. „Ist Ökonomie ein System?“) Es geht hierbei also darum, eine konsistente Formulierung des funktionalen Hintergrundes dessen zu denken, was immer so leichthin und unter Auslassung sämtlicher „kapitalismusrelevanten Elemente“ als einfacher Wirtschaftskreislauf in den Lehrbüchern zu finden ist, ohne daß dort die zugrundeliegenden Prozesse des monetären Komplexes ausreichend adressiert würden. Wenn man also den heute vorfindlichen Kapitalismus als Vervielfachung eines isolierten Prozesses versteht, gewinnt man auch eine andere Einstellung zu der Frage, inwieweit Ökonomie als komplex anzusehen ist oder nicht. Das Entscheidende der fraktalen Denkweise ist ja, daß die Grundmuster „sehr überschaubar“ sind, die Vorgabe der Funktionsbedingungen jedoch definiert, ob ein Prozeß zu einem Teil des Gesamtsystems gehört oder ausgesondert wird. Diese Differenz zwischen der Einhaltung der Funktionsbedingungen und ihrer Verletzung bringt das Gesamtbild Ökonomie erst überhaupt zur Erscheinung. Sonst würde auch nie ein Apfelmännchen entstehen können.

Apfelmännchen

Man mag sich darüber wundern, daß hier in keiner Weise über die „realen“ Dinge dieser Welt geredet wird, das hat seinen Grund darin, daß die Probleme des durch Kreditgeld gesteuerten Kapitalismus nicht primär in der Frage bestehen, wie die Eigentumsordnung mit Produktionsmitteln verfährt, eine Fragestellung, die zu Marx Zeiten den Diskurs beherrscht hatte, sondern darin, wie eine Gesellschaft mit der Frage umgeht, was passieren soll, wenn sich Schuldverhältnisse als nicht bedienbar erweisen. Aus einer solchen Perspektive werden die Abstrusitäten, mit denen sich die ökonomische Weltpolitik beschäftigt eher erklärlich, als mit den altbackenen Konzepten wie Wirtschaftskreislauf und Quantitätstheorie.

Sic transit gloria mundi!

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Dynamische Einsichten zu Geld und Zins

OstseeEs scheint ein Bedürfnis zu geben zu erfahren, ob die Geschichte mit dem „fehlenden Zins“ irgendwie begründet ist oder nicht. Bei dieser Frage ist von vornherein eins klar: selbstverständlich kann man immer irgendwelche Konstellationen finden, die eine Unmöglichkeit erzeugen, mag diese Konstruktion auch noch so skurril sein. So ist die Vorstellung einer Ökonomie, die genau eine Periode dauert, wo anfangs eine verzinsliche Summe Geldes „ausgegeben“ wird und diese am Ende plus Zinsen komplett inclusive Zinsen getilgt werden soll, nicht gerade in der Weise gestrickt, wie man sich die Welt in der wir leben so vorstellt. Sicherlich muß ökonomische Theorie „vereinfachen“, aber davon auszugehen, daß am Ende des Kredits das Leben zum Stillstand kommt, ist dann doch wohl etwas zu kühn.

Da ist es schon besser sich auf Keynes zu beziehen:

If investment is proceeding at a steady rate, the finance (or the commitments to finance) required can be supplied from a revolving fund of a more or less constant amount, one entrepreneur having his finance replenished for the purpose of a projected investment as another exhausts his on paying for his completed investment. Keynes, J.M., (1937)

Und da es sich hierbei um Geldtheorie handelt, sind die Rahmenbedingungen der volkswirtschaftlichen Finanzierungsrechnung und nicht die der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung einschlägig. Das hat zur Folge, daß beispielsweise eine Investition nicht mit einer Gütermenge und schon garnicht einem Güterwert verbunden ist, sondern nach Kruschwitz „eine Zahlungsreihe, die mit einer Auszahlung beginnt“ darstellt. Das hat den Vorteil die gesamten Beziehungen, die sich lediglich auf finanzieller Ebene befinden, mit Hilfe einfacher T-Konten darstellen zu können. Da sich das in Frage stehende Problem allerdings als etwas verwickelt erweisen wird, ist es sinnvoll, die betrachteten Vorgänge mit Hilfe von Software auf Konsistenz zu überprüfen. Daher sehen die Finanzkonten der zu betrachtenden Ökonomie nicht wie ein T aus, sondern so:

Grundmodell01

Dies ist gewissermaßen nichts weiter als ein Lohnkonto mit Eingang und Ausgang, wobei der Saldo sozusagen den „Kontostand“ ausdrückt.

In gleicher Weise wird auch das Schuldkonto der Unternehmen abgebildet, wobei der Zugang zum Schuldkonto eine Erhöhung der Verbindlichkeiten markiert, ein Abgang dagegen eine Reduzierung.

Grundmodell02

Die Eingänge der Konten sind die Lohnzahlungen, der Erlös der Unternehmen sowie die „Pachtzahlungen“ (die in einer erweiterten Version dann zu der Investitionsgüterindustrie werden), die Ausgänge sind die jeweiligen Ausgaben für Konsum, wobei bei den Unternehmen noch die Tilgungszahlungen und die Lohnzahlungen zu Buche schlagen.

Grundmodell03

Der Test auf die Funktionsfähigkeit ist rechts durch den Markt als Ort der Erwirtschaftung von Schuldentilgungsmitteln abgebildet, wo es sich erweisen muß, ob die effektive Nachfrage ausreicht, um den Unternehmen sowohl die Lohnkosten, als auch die Tilgungen des Kredits möglich zu machen. Es erweist sich, daß bei dieser Konstellation die Erlöse auch ausreichen, so daß die Unternehmen sogar aus ihrem Gewinn konsumieren können (was sich in einer anderen Variante als die Grundlage für Zinszahlungen herausstellt).

Eine Simulation dieses Modells ergibt, daß sich alle Variablen im relevanten Bereich befinden können und es – sicherlich bei geeigneter Wahl der Ausgabeparameter, wie z.B. der Konsumquote von 0,8 bei dem Konto Arbeit – in keiner Weise zu Nachfragedefiziten kommen muß, wie sich aus dem Nullsaldo der „Nachfragelücke ergibt.

Grundmodell04
Die Grundidee der Geschichte liegt letztlich darin, daß Wirtschaften, verstanden als dauerhafte Aktivität vom Entstehen und Vergehen von (an dieser Stelle) Kreditprozessen verstanden werden kann, deren Anfangs- und Endpunkte in keiner Weise zusammenfallen müssen. Sobald man das aber akzeptiert wird unmittelbar klar, daß es weder zu einem unvermeidlichen Zusammenbruch aufgrund nicht bezahlbarer Zinsen kommen muß, noch daß es einen Zwang dazu gibt, daß deswegen das Kreditvolumen über die Zeit hinweg exponentiell ansteigen muß. (Das heißt natürlich nicht, daß es nicht doch derartige Entwicklungen geben KANN, gezeigt wurde hier eben nur, daß es nicht so sein MUSS! Die beste Maschine kann durch unsachgemäße Handhabung in kürzester Zeit kaputt gehen – das ist aber nicht die Schuld der Maschine.) Sehr schön sieht man das auch an einer kleinen Excel-Tabelle, bei der jeder Einzelkredit vollständig getilgt wird, obwohl schon bei drei Kreditprozessen das globale Kreditvolumen weder Anzeichen zeigt zu implodieren noch sich exponentiell zu entwickeln, sondern ein im Mittel konstantes Kreditvolumen von 150 markiert. (Das verweist auch auf den Umstand, daß in obigem Simulationsmodell zwei Kreditprozesse dargestellt sind, die sich gegenseitig überlappen.)

KreditVerlauf(K bezeichnet hier die Summe der Schuldenstände von K1 – K3, womit sich erweist, daß das gesamtwirtschaftliche Kreditvolumen kontinuierlich größer als Null bleibt, auch wenn die einzelnen Kreditprozesse bis auf Null herunterfahren.)

Um die ganze Sache nicht auf einmal zu sehr überzustrapazieren an dieser Stelle lediglich einige Anmerkungen:

Das wesentliche ‚feature‘ solcher Modelle ist, daß es die Bedingungen des zeitlichen Ablaufs von Krediten mit dem verknüpft, was üblicherweise als einfacher Wirtschaftskreislauf bekannt ist. Durch diese Verknüpfung läßt sich bei der Wahl geeigneter Verhaltensmuster eine ökonomische Trajektorie erzeugen, die einen kreditgeldökonomischen Prozeß beschreibt, der eine Reihe interessanter Aspekte aufweist:

Zum einen entsteht ein kontinuierlicher Prozeß mit einem konstanten Konsumniveau obwohl der dahinter stehende Kreditprozeß seinem regelmäßigen Auf und Ab folgt. Das ist darin begründet, daß Kredite üblicherweise über mehrere Abrechnungsperioden getilgt werden und damit die erforderlichen Tilgungsbeträge nur teilweise in der Preiskalkulation berücksichtigt werden müssen. Die Einrechnung der Kredittilgung in die Verkaufspreise entspricht der Berücksichtigung von Abschreibungen und stellt gewissermaßen das kreditgeldtheoretische Komplement dar, was auch deswegen erforderlich ist, um nicht mit werttheoretischen Erwägungen ins Gehege zu kommen.

Weiterhin ist in diesem Modell das Problem verarbeitet, welches sich daraus ergibt, wie Unternehmen Gewinne machen können, ohne daß es zu einer „Ertragsklemme“ kommt, die es verhindern würde, daß es zu einer Unterbrechung des Kreditprozesses kommt. Dies wird dadurch gewährleistet, indem gezeigt wird, daß auch das durch den ‚markup‘ erhöhte Angebotsvolumen kontinuierlich auf eine ausreichende Nachfrage treffen kann, womit sich die Erlöspläne (Erwirtschaftung des Schuldendeckungsmittels) der Unternehmen erfüllen. Daß die effektive Nachfrage dazu ausreicht wird dadurch ersichtlich, daß sämtliche Nachfragekomponenten aus vorhandenen Geldbeständen gezahlt werden können und ein Konsum auf Pump nicht erforderlich ist.

Nicht direkt ersichtlich ist, daß hier, wie es in der ökonomischen Theorie vielfach vermutet wird, eine Umverteilung von Einkommen erfolgt, die gewissermaßen durch die ‚markup‘-Kalkulation erzeugt wird. Wenn man diesen Aspekt etwas weiterdenkt ergibt sich auch gleich die Frage, wie es möglich ist, daß aus den Gewinnen auch ein gleichmäßiger Zinsstrom entsteht, welcher dann auch die Frage klärt, warum Zinsen in keiner Weise ein Grund sind das Kreditgeldsystem zusammenbrechen zu lassen. Wenn man mit Schumpeter die Zinsen als „Steuer auf den Unternehmensgewinn“ sieht wird an dieser Stelle schon klar, daß mit dem Nachweis der Existenz eines kontinuierlichen Gewinnstromes auch ein kontinuierlicher Zinsstrom möglich ist.

Was man bei derartigen Modellkonstruktionen verstehen sollte ist, daß es hierbei um eine Konstruktion geht, deren Erklärungsinhalt die dynamische Konsistenz des Geldprozesses im Rahmen bzw. unter der Nebenbedingung eines realen Produktionssystems ist. Das heißt auch, daß das Geldsystem ausschließlich für sich selbst eine Funktionsfähigkeit aufweist, die von dem Wohlstand schaffenden Produktionssystem unabhängig ist, in dem Sinne, daß die Prozesse des Produktionsystems für das Geldsystem von sekundärer Bedeutung sind. Daher kommt die „Produktionselastizität des Geldes von Null“.

Letzteres mag für die Vorstellung, daß Ökonomie von realen Dingen handeln sollte, eine unangenehme Wahrheit bedeuten. Insbesondere die Illusion, daß Gewinn aus einer möglichst effizienten Produktion entsteht, muß vor diesem Hintergrund in das Reich der Fabeln verwiesen werden. Vielleicht macht man sich besser mit der Vorstellung vertraut, daß es eher die erzeugte Zahlungsbereitschaft (Werbung) ist, die zu Gewinn führt und nicht die romantische Vision von einer gesellschaftlich nützlichen Produktion, die aus moralischen Gründen eine „Belohnung“ verdient hätte. Bedauerlich, ist aber so!

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Die Geldkreisläufe von Privaten und Banken

Desenzano 2013Manchmal gibt es solche Perlen des Internet-Kommentariats, bei denen man sich fragt, wo die anderen sind, die ebensolche Kenntnisse aufweisen, die damit die Diskussionen fruchtbarer machen können, als viele gelehrte Abhandlungen über Dinge, die nicht mal die ‚bits‘ wert sind, die sie als Speicherplatz beanspruchen. Es geht hier um einen Kommentar aus dem Herdentrieb, wo es um die Frage ging, ob und inwieweit „Zombie“-Banken durch geldpolitische Maßnahmen gerettet werden dürfen oder nicht.

http://blog.zeit.de/herdentrieb/2013/05/17/europaische-zombiebanken-verhindern-aufschwung_6074/comment-page-3#comments  (Kommentar Nr. 20)

„Ich habe während meines Studiums gelernt, dass es einen Geldkreislauf mit Zentralbankgeld hauptsächlich zum Saldenausgleich des Interbankenverkehrs gibt und einen zweiten, vollkommen davon getrennten Geldkreislauf zwischen den Geschäftsbanken und dem Publikum (Privatpersonen, Firmen, Institutionen, Staat) mit Giral- und Bargeld gibt. Interbanken-Geldkreislauf und Publikums-Geldkreislauf können sich nicht vermengen.“

Die Bedeutung dieser Passage liegt darin, daß dort eine Zweiteilung der Funktionen des Geldes nahegelegt wird, die bis dato sich in kaum einer Veröffentlichung findet, auch wenn sich gelegentlich jemand dazu verirrt, mal das aufzuschreiben, was tatsächlich richtig ist:

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anleihen-zinsen/geldpolitik-wofuer-die-banken-liquiditaet-brauchen-1118220.html

Darin steht kurz gesagt, daß Banken Zentralbankgeld für 3 verschiedene Bereiche benötigen:

1. Um den Bargeldbedarf des Nichtbanken-Publikums zu befriedigen,
2. um ihre Mindestreserveverpflichtungen zu erfüllen und
3. um die Überweisungen, welche sie als Zahlungsdienstleister ausführen, auch tatsächlich abwickeln zu können, da sie gewissermaßen stellvertretend für den Auftraggeber (Zahler) den Zentralbankgeldverkehr übernehmen.

Auch wenn Punkt 2. üblicherweise eine gewisse Prominenz genießt, die sich aus der fehlkonstruierten „Theorie der multiplen Geldschöpfung“ speist, kann man diesen Beweggrund ruhig als vernachlässigbar behandeln, so daß für die aktuelle Betrachtung Punkt 1. und 3. vornehmlich von Interesse sind. Dabei ist der erste Punkt, der sich üblicherweise mit dem Begriff „Transaktionskasse“ beschreiben läßt im wesentlichen der Bargeldbedarf der Nichtbanken, welcher sozusagen den Geldkreislauf 2 darstellt. (Abbildung unten!) Dieser Geldkreislauf ist dadurch gekennzeichnet, daß dort Zahlungen mit Hilfe desjenigen Teils des Zentralbankgeldes getätigt werden, welches als Bargeld bekannt ist. Hierbei wird bei einem Kauf der Kaufpreis direkt durch Übergabe von Bargeld (einem Teil des gesetzlichen Zahlungsmittels Zentralbankgeld) abgewickelt und die eingegangene Geldschuld sofort – Zug um Zug – beglichen. (Immer dran denken: Geld kann man nur verwenden, wenn eine Geldschuld vorliegt!)

Anders ist es im Geldkreislauf 1, dessen Hauptfunktion darin besteht, anstelle des eigentlich Zahlungsverpflichteten (der Käufer) den Zentralbankgeldtransfer durchzuführen – was auch die Bezeichnung Zahlungsverkehrsdienstleister unmittelbar nahelegt. Denn statt der direkten Übergabe des Bargeldes wird im Geldkreislauf 1 der unbare Teil des Zentralbankgeldes verwendet, indem der Zentralbankgeldtransfer von Bank K(äufer) zu Bank V(erkäufer) mit Hilfe von Umbuchungen auf den jeweiligen Zentralbankkonten der beteiligten Banken erfolgt.

Damit ergibt sich schlußendlich, daß sowohl der Geldkreislauf 2, welcher auf Barzahlungsgeschäften beruht, sowie der Geldkreislauf 1, welcher auf Geschäften beruht, welche mit Hilfe einer Überweisung (an Zahlung Statt) abgewickelt werden, eine einheitliche Grundlage besitzen, obwohl das Zentralbankgeld „Bargeld“ und das Zentralbankgeld „Forderungen gegen die Zentralbank“ scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Und doch haben sie die entscheidende Gemeinsamkeit, daß beide „Geldmengen“, die unter der einheitlichen Bezeichnung „Basisgeld“, „Reserven“ oder eben Zentralbankgeld firmieren, exklusiv dasjenige ausmachen, was den gesetzlichen Vorschriften über eine schuldbefreiende Zahlung genügt.

Nun scheint es so zu sein, daß ja die Buchungseinträge der Nichtbanken, die ja unter der schönen Bezeichnung „Giralgeld“ firmieren dasselbe seien wie die Buchungseinträge, welche die Zentralbank für die ihr angeschlossenen Geschäftsbanken führt. Dem ist natürlich nicht so. „Quod licet Iovi, non licet Bovi!“ Denn daß eine Forderung gegen eine Geschäftsbank zwar in der Regel so gut ist wie Zentralbankgeld sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß es genügend Beispiele dafür gibt, daß eine Forderung gegen eine Geschäftsbank eben doch nur eine Forderung ist und kein Zentralbankgeld, was eine Forderung gegen eine Zentralbank demgegenüber ohne wenn und aber ist!

Das hat für eine einzelne Überweisung weitreichende Folgen: denn anstelle der direkten Übertragung des baren Zentralbankgeldes erfolgt die Übertragung des Zentralbankgeldes nun mittels einer zweistufigen Konstruktion, die einmal daraus besteht, daß zwischen den Banken des Käufers und des Verkäufers ein Forderungsübergang erfolgt, der die Konten der beiden Beteiligten verringert (Käufer) bzw. vergrößert (Verkäufer). Damit ist die Sache aber noch nicht zu Ende, denn die Bank des Verkäufers wird den zusätzlichen Herausgabeanspruch ihres Kunden nur dann genehmigen, wenn sie auch das entsprechende Zentralbankgeld dafür erhält. Dieses wird üblicherweise dadurch erledigt, daß bei der Zentralbank der entsprechende unbare Zentralbankgeldübertrag durchgeführt wird, indem die Zentralbank die entsprechenden Zentralbankkonten belastet (Bank des Käufers) bzw. eine dementsprechende Gutschrift erteilt (Bank des Verkäufers).

Zahlungskreislauf

Warum ist die Sache so wesentlich? Es geht darum, daß die landläufige Bezeichnung von der „bargeldlosen Zahlung“ zwar insofern richtig ist, als der Zentralbankgeldübertrag von Bank K(äufer) an Bank V(erkäufer) auf elektronischem Wege und nicht mit Hilfe von Bargeld erfolgt, was wiederum jedoch nicht bedeutet, daß eine bargeldlose Zahlung auch schon eine zentralbankgeldlose Zahlung bedeuten würde. Dennn die Tatsache, daß der größte Teil des Zentralbankgeldausgleichs auf elektronischem Wege erfolgt darf nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß in diesem Fall kein Zentralbankgeld involviert wäre – das ist es wohl, nur nicht nach den Üblichkeiten, welche im Geldkreislauf 2 vorherrschen. Denn der Zentralbankgeldausgleich erfolgt auf den Konten der Zentralbank – und da und nur da ist eine Forderung auf Geld dasselbe wie Zentralbankgeld.

Zum anderen geht es um ein großflächig kolportiertes Mißverständnis, daß es die Banken seien, die zu einer unverhältnismäßigen „Geldschöpfung“ beitragen würden. (Dazu gehört auch der Blödsinn: „Banken schaffen Geld aus Luft!“) Man kann es nicht eindringlich genug betonen: Banken schaffen Schuldverhältnisse, die Privaten die Möglichkeit geben über Zentralbankgeld verfügen zu können, wobei gleichzeitig das Schuldversprechen der Banken dahingehend lautet, daß sie dafür Sorge tragen, daß diese „Guthaben“ – die für sie Verbindlichkeiten sind – auch auf Anforderung des Zahlenden durch sie selbst mit Hilfe von unbarem Zentralbankgeld auch transferiert werden können. Banken müssen – wie alle anderen auch – ihre Schulden, die sie durch Kreditvergabe eingegangen sind auch durch die Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit bedienen können. Nur: womit können Banken schuldbefreiend zahlen? Eben: nur mit der Übertragung von Zentralbankgeld, wobei man sich durchaus klarmachen könnte, daß es in früheren Zeiten auch gelegentlich mal einen Bargeldausgleich per Geldtransporter gegeben haben wird und zwar dann, wenn die Bonität der schuldenden Bank bei der fordernden Bank zu gering für eine Kreditierung des geschuldeten Betrages auf dem Interbankenmarkt ist.

Was lernt man daraus? Kreditschulden sind ein zweiseitiges Schuldverhältnis, was sowohl für den Kreditnehmer eine Verpflichtung zur Bedienung seiner Schulden vorsieht, als auch für den Kreditgeber (Bank) eine Schuld darstellt, die Verfügung über das (von der Bank) geschuldete Geld jederzeit gewährleisten zu können. Das „Liquiditätsmanagement“ der Banken ist also mitnichten ein Luxusproblem, welches sie pflegen können oder auch nicht, sondern eine Überlebensbedingung, wobei die Pannen, die sich in der Einschätzung der voraussichtlichen Liquiditätslage ergeben können, im Verlaufe der letzten Jahre mehr als deutlich sichtbar geworden sind.

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