Verirrungen zwischen Giralgeld und Zentralbankgeld

Man könnte es eigentlich wissen: sobald Promisternchen versuchen zu einem wirtschaftspolitischen Thema Stellung zu beziehen, geht das ganz schnell in die Hose. So auch der Vorstoß von Herrn Ulvaeus, der besser unter Björn und ABBA-Barde bekannt geblieben wäre. Aus irgendeinem unerfindlichen Grunde setzt sich Herr U. in Schweden dafür ein das Bargeld abzuschaffen.

http://www.welt.de/finanzen/article106169026/Schweden-wollen-ihr-Bargeld-abschaffen.html

Die Argumente, die an genannter Stelle vorgebracht werden, erinnern ganz fatal an die Begründungskampagne zugunsten des EURO. Dort wurde beispielsweise die Ersparnis bei Wechselgebühren für Bargeld als sensationelle Neuerung hervorgehoben und schlichtweg unterschlagen, daß man mit ein bißchen Glück bei der Kreditkartenabrechnung sogar noch einen besseren Kurs bekommen konnte, als zur Zeit des Kreditkarteneinsatzes. (Das hatte natürlich auch mit der quasi-permanenten Aufwertung der DM zu tun, aber das nur am Rande.)

Als generelle Motivation für die Abschaffung des Bargeldes drängt sich das Interesse der Zahlungsabwicklungswirtschaft auf, den Menschen in die schöne neue Welt der digitalen Zahlung hineinzuzwingen. Dabei mag man zwar den Rückgang der Banküberfälle feiern und als Beitrag zur allgemeinen Sicherheit interpretieren. Daß dem auf der anderen Seite eine monströse Steigerung der „computergestützten Betrugsfälle“ gegenübersteht wird von der Bankenlandschaft wohl deswegen (wohlwollend) hingenommen, weil die Verwaltung dieser Betrügereien ihrerseits ein sattes Gebührenpotential versprechen dürfte. Die Einsparung der Kosten für Sicherheitsvorkehrungen dürfte ebenfalls die Sinnlichkeit von
Controllern ansprechen!

Viel interessanter ist jedoch die nicht kommunizierte (und irrige) Motivation der Bankenlandschaft sich von dem Beschränkungspotential der Bargeldhaltung zu befreien. Dahinter steht die unsubstantiierte Vermutung, daß die Abschaffung des Bargeldes für die Banken die Beschränkungen der Kreditvergabe aufheben würde, weil ja dann – so die fehlerhafte Geldtheorie – der „Kreditmultiplikator“ gegen unendlich streben würde. Dieser Denkfehler, der sich durch so gut wie alle Lehrbücher der Geldtheorie zieht stellt tatsächlich in Aussicht, daß sich Banken von ihrer Abhängigkeit von der Zentralbank emanzipieren könnten. (Etwas Ähnlich Dummes findet gerade bei den „bitcoins“ statt!) Denn für die „masters of the universe“ könnte es nichts schöneres geben, als aus eigenen Gnaden den Umfang der Kreditvergabe steuern zu können, ohne auf so lästige Dinge wie Bankenaufsichten und Zentralbanken Rücksicht nehmen zu müssen. Und: Rücksicht auf die Kunden? Pfui Deibel!

Das Witzige an der ganzen Sache ist eigentlich, daß man sicherlich auf der einen Seite versuchen kann durch technische Spielereien die niemand braucht den Kunden noch mehr Gebühren für den Zahlungsverkehr abzuzocken. Diese Strategie der Banken ist ja allseits bekannt.

Auf der anderen Seite wird bei der ganzen Sache schlichtweg übersehen, daß die Banken zwar die Kosten für den Bargeldverkehr einsparen (und diese sind nicht unerheblich), jedoch sich durch diesen „Trick“ nicht unabhängig von der Zentralbank machen können, denn selbst wenn es kein Bargeld mehr gäbe, wird immer noch das Zentralbankgeld existieren! Das liegt daran, daß Zahlungen zwischen Banken NUR in Zentralbankgeld erfolgen können. D.h. den Zahlungsmittelstandard „Zentralbankgeld“, welcher dann den privaten Nutzern nicht mehr zur Verfügung steht gibt es dann für die Banken immer noch! Wenn man konsequent ist, wäre damit die Abschaffung der Zentralbank(en) der nächste Punkt auf der Agenda.

Was lernt man daraus? In einem zweistufigen Geldsystem kann man zwar die Banknote abschaffen, der Unterschied zwischen Zentralbankgeld und Sichtforderungen (fälschlicherweise auch als Giralgeld oder Einlagen bezeichnet) bleibt dennoch bestehen. Das heißt aber auch, daß der Kreditmultiplikator keineswegs gegen unendlich gehen wird, die Geschäftsbanken immer noch in einem Zahlungsmittelstandard zahlen müssen, den sie nicht selbst schaffen können und daß sich die Geldtheorie endlich mal darüber klar werden könnte, daß die Funktion des Geldes als Tauschmittel einer falschen Legende über die Geldentstehung geschuldet ist!

4 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Wirtschaftstheorie

4 Antworten zu “Verirrungen zwischen Giralgeld und Zentralbankgeld

  1. „Daß dem auf der anderen Seite eine monströse Steigerung der “computergestützten Betrugsfälle” gegenübersteht wird von der Bankenlandschaft wohl deswegen“

    Der Punkt ist interessant, da ich vor einiger Zeit auf die Frage „Wie verhindert man eigentlich, dass ein Hacker selbsterzeugtes (gehacktes) „Geld“ (z.B. Bitcoin…) in eine Bank einschleust?“ versucht habe ein Missverständnis auszuräumen (Ich habe dabei noch den Begriff Giralgeld verwendet obwohl ich in der Zwischenzeit weiß das er falsch gedeutet werden kann…).

    Geantwortet habe ich sinngemäß so: Ein (Giral)Geld-Hacker, der einer Bank sein selbsterzeugtes „Geld“ per Überweisung andrehen will, muss in gleicher Höhe Zentralbank(buch)geld mitüberweisen, sonst nimmt die Bank die Überweisung gar nicht erst an. [Und er bräuchte eine Kontonummer bei der Zentralbank etc. …]

    Oder meinten Sie eine andere Art von Betrug? Aber dieser könnte doch auch heute schon stattfinden? Werden wir wirklich von digitalen Horden mongolischer Online Barbaren überrannt, wenn wir das Bargeld abschaffen? Ich finde mit den neuartigen TAN-Generatoren, die man an den Monitor hält, ist eine recht hohe Sicherheit gegeben. Oder meinen Sie etwas anderes?

    • Über derartige Dinge, die Sie beschreiben, habe ich an dieser Stelle nicht nachgedacht, sondern eher über die Problemlagen, die sich einstellen, wenn Menschen, die halbwegs gelernt haben, mit Bargeld einigermaßen zweckmäßig umzugehen, damit konfrontiert werden, daß sie auf einmal mit „Plastikgeld“ hantieren müssen. Dazu gehört die Geschichte, daß bei der Aufforderung, die Geheimzahl einzutippen, diese lautstark, der gesamten Warteschlange zum Trotz, in die Welt hinausposaunt wird. Man muß nicht weit recherchieren, um derartige Fehlleistungen als „normale Verfahrensfehler“ zu diagnostizieren. Und das sind wohl noch die harmlosen Dinge.

      Wenn ein Hacker versucht, auf sein eigenes Konto! – denn nur darüber bekommt er eine Verfügungsmöglichkeit über Bargeld – einen Eingang „hinzuzubuchen“ wird er sich wohl mit der versammelten Kontrollsoftware auseinandersetzen müssen, deren Aufgabe es ist, Inkonsistenzen in den Buchungsvorgängen zu identifizieren. Wer einmal mit einem Buchhaltungsprogramm gearbeitet hat wird wissen, daß manche der größten Haßorgien dadurch entstehen, daß aus irgendeinem (meist nichtigen) Grund die Saldenprüfung einen Saldenfehler ausgegeben hat. Heißt: fünf Stunden Arbeit werden in 1 Sekunde zu 2 1/2 Stunden manuellem Prüfungsaufwand!

      Da Computer in puncto Saldenabgleich nicht zu schlagen sind, ist der Versuch, die Kontrollsoftware durch Einzelbuchungen zu überlisten, für meine Begriffe der dümmste Versuch, die Banken zu manipulieren. Möglicherweise kann ein Insider das tun, der hat aber dann auch geräuschlosere Möglichkeiten. Dazu fällt mir die Geschichte ein, daß sich vor 20 Jahren mal jemand die Rundungsdifferenzen bei der Zinsberechnung zunutze gemacht hat und diese auf sein Konto überschrieben hatte. Nachdem das rausgekommen war, wurde er nicht etwa deswegen verknackt, weil er jemandem einen Vermögensschaden zugefügt hätte – nein, die Arbeitsleistung der Computer für nicht autorisierte Aktivitäten wurde ihm dann zur Last gelegt! 🙂

  2. „denn selbst wenn es kein Bargeld mehr gäbe, wird immer noch das Zentralbankgeld existieren!“

    Den Satz fand ich etwas missverständlich. Bargeld wird doch begrifflich unter Zentralbankgeld subsumiert?

    Bisher ist mir auch noch kein gutes Wort über den Weg gelaufen, wie man das „Zentralbankbuchgeld“ nennen könnte, also den Teil des Zentralbankgeldes, der nicht Bargeld ist. Wie würden sie eine Sprachregelung treffen? Issing nennt es „Sichtguthaben bei der Notenbank“ oder „Guthaben der Geschäftsbanken bei der Zentralbank“.

    Ich habe es manchmal „digitales Bargeld“ genannt, was natürlich auch Fehlinterpretationen auslösen kann, da Leute heute ihr Online-Banking-Konto bereits als „Digitales-Geld“ empfinden, was das Geschäftsbankenkontoguthaben aber (juristisch) nicht sein kann.

    • „Eigentlich“ sollte dieses Mißverständnis nicht aufkommen, denn wenn man aus einer Menge eine Teilmenge entfernt, ist diese Menge (als Menge) trotzdem noch vorhanden. D.h. daß die (Ober-)Menge Zentralbankgeld auch dann existiert, wenn die Teilmenge des Bargeldes daraus entfernt wird.

      Aber Sie haben schon Recht damit, daß sich damit Mißverständnisse einschleichen können. Insofern kann man Issing halbwegs folgen, wenn man den „unbaren Teil der Menge des Zentralbankgeldes“ als „Sichtforderungen gegen die Notenbank“ bezeichnet. Daß selbst Issing von „Guthaben“ spricht muß wohl daran liegen, daß für konventionelle Geldtheoretiker der Focus der Betrachtung auf der Transaktionsfunktion von Geld, sowie auf der Substituierbarkeit von Geld gegen zinstragende Titel (assets) und damit als Aktivum im Vordergrund steht. Da paßt es natürlich nicht sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, daß dieses „Buchgeld“ letztlich lediglich aus den Schulden von Banken bestehen, daß quasi die „Guthaben“ bloß durch die Schulden der Banken „gedeckt“ sind.

      Digital und bar würde ich als Widerspruch empfinden, auch wenn der suggerierte Sinngehalt durchaus einen gewissen ‚appeal‘ aufweist. Leider manövriert man sich bei „digitalem Geld“ ärgerlicherweise in die Nähe des „Vollgeldes“, wo ja essentiell versucht wird, aus einer Passivposition eine Aktivposition hervorzuzaubern.

      Kurz gesagt: ich würde die Bezeichnung „Sichtforderungen gegen die Zentralbank“ bevorzugen.

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