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Was ist Giralgeld?

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Dieser Text erschien erstmals am 29. 8. 2020 auf der Website von Dr. Daniel Stelter
think-beyondtheobvious.com .

1. Erste Annäherung an den Giralgeldbegriff

Möchte man wissen, was es mit dem Giralgeld oder Buchgeld auf sich hat, findet man bei der Deutschen Bundesbank in der Broschüre „Geld und Geldpolitik“ einen eigenen Abschnitt. Dort ist eine Aussage zu lesen, daß Buchgeld Geld ist, „was man nicht anfassen kann“. Man kann es zwar nicht berühren, aber es wird als „tägliche fällige Einlagen“ identifiziert, welche „in einer Art Kreislauf weitergegeben“ werden können. Auch wenn das, was da weitergegeben wird kein gesetzliches Zahlungsmittel ist, erfüllt es die Funktionen von Banknoten und Münzen, wobei die Funktionen aus der Dreifaltigkeit Tausch-, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel bestehen. FN11

Angesichts dieser nicht ganz eindeutigen Darstellung darf natürlich die Frage danach gestellt werden, was es ist, was da zwischen den Konten umläuft. Denn wenn etwas umlaufen oder weitergegeben werden kann, muß man davon ausgehen, daß es sich dabei um eine konkrete Sache handelt, welche bei einem Kaufvertrag als Gegenleistung in Frage kommt. Da eine Sache als Gegenleistung im Sinne des Sachenrechts nur dann gegeben ist, wenn eine sachenrechtliche Verfügung, d.h. die Übertragung des Eigentums an dieser Sache möglich ist, ergibt sich als Konsequenz die Frage, mit welcher Sache es man bei dem Buchgeld oder Giralgeld zu tun hat. (Daß eine Überweisung „an Erfüllung statt“findet verhindert nicht die Frage danach, was es nun genau ist, was da „in einem Kreislauf weitergegeben“ wird.)

2. Die Rechtsbeziehung im Girovertrag

Möchte man nun den Begriff „Giralgeld“ noch genauer fassen, kommt man nicht umhin, sich mit der Rechtsebene, auf der sich das Giralgeld befindet, auseinanderzusetzen. In der ersten Annäherung an das Thema ist der Begriff des Zahlungsdiensterahmenvertrages zu untersuchen, welcher den meisten auch als Girovertrag bekannt ist. Dies ist der Vertrag, den jeder, der bei einer Bank einen Kontoeröffnungsantrag stellt, (neben einigen anderen Nachweisen) unterschreiben muß, um dort ein Konto eröffnen zu können. Die Definition dessen, was einen Zahlungsdiensterahmenvertrag ausmacht, findet sich im §675f (2) BGB:

Darin heißt es:

„Durch einen Zahlungsdiensterahmenvertrag wird der Zahlungsdienstleister verpflichtet, für den Zahlungsdienstnutzer einzelne und aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen sowie gegebenenfalls für den Zahlungsdienstnutzer ein … Zahlungskonto zu führen.“

Zunächst fällt auf, daß die Bank als Zahlungsdienstleister verpflichtet ist für den Kunden Zahlungen durchzuführen, was im Umkehrschluß bedeutet, daß der Kunde als Zahlungsdienstnutzer von der Pflicht befreit ist, die (von ihm beauftragte) Zahlung selbst vorzunehmen. Daneben führt die Bank für den Kunden ein Zahlungskonto:

„Zahlungskonto ist ein auf den Namen eines oder mehrerer Zahlungsdienstnutzer lautendes Konto, das für die Ausführung von Zahlungsvorgängen genutzt wird.“

§ 1 (17) ZAG.

Ein wenig klarer wird dies, wenn man sich eine andere Definition des Girovertrages ansieht:

„Durch den Girovertrag wird ein Kreditinstitut verpflichtet, (1) für den Kunden ein Konto einzurichten, (2) eingehende Zahlungen auf dem Konto gutzuschreiben mit Wertstellung unter dem Datum, an dem der Betrag dem Kreditinstitut zur Verfügung gestellt worden ist, und (3) einen Zahlungsauftrag zulasten dieses Kontos abzuwickeln.“ FN22

Denn hier wird ausdrücklich klargestellt, daß bei einem Zahlungseingang das eingehende Geld der Bank zur Verfügung gestellt wird und nicht dem Empfänger der Überweisung. Dieser bekommt lediglich eine Information darüber, daß für ihn ein Geldbetrag eingegangen ist, und daß sich der Saldo des Kontos um diesen Betrag erhöht hat. (Vgl: § 1 (22) ZAG.) Das bedeutet, daß die Bank einen Geldeingang verzeichnet, welcher ursächlich dem begünstigten Kontoinhaber zuzurechnen ist, welcher aber dennoch im Besitz bzw. im Verfügungsbereich der Bank verbleibt. Der Eingang besteht dabei aus Zentralbankgeld, welches üblicherweise der Bank über eine Gutschrift der Zentralbank zuwächst, wobei es sich hier um den Zugang eines Aktivums handelt. Aufgrund dieses Zuganges erstellt die Bank eine Gutschriftsmitteilung an den Kunden, welche als Information aber nicht irgendwie „zirkuliert“ wäre, sondern ganz schnöde von der Bank erstellt und dem Kontostand zugerechnet wird. So heißt es in dem Kommentar zu 675t BGB:

„Satz 1 regelt die Verfügbarkeit von Beträgen, die für den Zahlungsempfänger eingegangen sind. Sie entspricht materiell dem aus der bisherigen Terminologie bekannten „Anspruch aus der Gutschrift“, der dem Zahlungsempfänger unverzüglich nach Mittelzufluss an dessen Zahlungsdienstleister zusteht. Selbstverständlich kann der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers den Geldbetrag nur in dem rechtlichen Umfang verfügbar machen, in dem er ihn seinerseits im Clearing oder vom Zahlungsdienstleister des Zahlers erhalten hat.“ FN33

Im Klartext: für den Zahlungsanspruchsberechtigten ist der Kontostand ein in Geldeinheiten ausgedrücktes Maß für die „Ansprüche aus der Gutschrift“ aufgrund eines Geldeinganges bei dem Zahlungsdienstleister. Damit muß gefragt werden, wie die Ansprüche gestellt werden, bzw. sich zu Forderungen oder Überweisungen transformieren.

3. Was ist der Gegenstand der Anweisungen gegenüber einer Bank

Das Rechtsverhältnis eines Girokonteninhabers gegenüber seinem Zahlungsdienstleister ist also dergestalt, daß die Bank gewissermaßen Erfüllungsgehilfe ist und verantwortlich für den Zentralbankgeldtransfer zeichnet, wobei das zu Übertragende sich in dem Verfügungsbereich der Bank befindet, weil diese nur mit Hilfe von Aktiva, die sich in ihrem Verfügungsbereich befinden, den angewiesenen Transfer durchführen kann. Die Vorstellung, daß eine Bank den Status als Erfüllungsgehilfe innehat, ist erst einmal gewöhnungsbedürftig, findet sich denn auch nur ziemlich verklausuliert in den Vertragsbedingungen eines Girovertrages. Grundlage dafür ist der §675f BGB, wo die Rechte des Zahlungsdienstnutzers enthalten sind, welche im wesentlichen aus der „Beauftragung“ von Zahlungen bestehen. §675f BGB spezifiziert in Absatz (4) die Dreifaltigkeit der Zahlungsvorgänge als da sind: „Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrages“. Daß die Beauftragung dieser Vorgänge für die Bank eine Verpflichtung darstellt, wird dann noch einmal in §675o(2) BGB klargestellt, wo es heißt:

„Der Zahlungsdienstleister des Zahlers ist nicht berechtigt, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen, wenn die im Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt.“

Mit dieser Passage wird aus einem „Auftrag“ eine (An)Weisung:

„Der Zahlungsauftrag ist eine rechtliche Erklärung (sog. Weisung) des Zahlers an den Zahlungsdienstleister einen Zahlungsvorgang auszuführen.“ FN44

Damit handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen Zahlungsdienstnutzer und Zahlungsdienstleister um einen sog. Geschäftsbesorgungsvertrag, welcher dem Zahlungsdienstnutzer gegenüber dem Zahlungsdienstleister ein Weisungsrecht einräumt, mit Hilfe dessen Zahlungsvorgänge angeordnet werden können und somit ein Zahlungskonto im Haben nicht irgendein (Was-auch-immer-für)“Geld“ ist, sondern sich als eine Verfügungsmacht entpuppt, die dem Zahlungsdienstnutzer eine Dispositionsmöglichkeit über das zwar ihm im Prinzip gehörende, aber sich weder in seinem Besitz noch in seinem Eigentum befindende Geld gewährleistet.

4. Giralgeld ist der Hebel, mit dem Zentralbankgeld in Bewegung gesetzt wird

Mit diesem Befund wird auch letzten Endes klar, daß sich Zahlungsvorgänge nicht auf der Passivseite der Bankbilanzen oder zwischen den Konten von Zahler und Zahlungsempfänger abspielen.

„Bei „Zahlung“ mit Buchgeld wird keineswegs eine Forderung übertragen oder zediert, sondern unter Mitwirkung einer oder mehrerer Banken eine neue Forderung zugunsten des Begünstigten begründet…“ (Giovanoli 1993 S. 98f)

Denn nach dem vorstehend gesagten ist der Rechnungsempfänger als der eigentlich Zahlungsverpflichtete nicht der Zahlende, sondern der Zahlungbeauftragende, welcher seine Rechtssetzungsmacht gegenüber der Bank ausübt und der aufgrund seiner Zahlungsanweisung eine Verringerung seiner Rechtssetzungsmacht erfährt. Spiegelbildlich dazu erhält der eigentliche Zahlungsempfänger keine Zahlung, weil der überwiesene Geldbetrag i.d.R. als Zugang auf dem Zentralbankkonto der Bank des Empfängers landet und die Bank ihrem Kunden dafür einen Zuwachs an Rechtsetzungsmacht verschafft, indem sie ihm eine Gutschrift erteilt. (Vgl: §1 (22) ZAG) Es erweist sich somit, daß das Einzige, was zirkuliert das Zentralbankgeld ist, welches zwischen den beteiligten Banken hin- und hergeschoben wird, indem sie zum Zweck des Zentralbankgeldverkehrs die in ihrer Verfügungsmacht stehenden Weisungsrechte gegenüber der Zentralbank ausüben. Ursächlich für diesen „Kreislauf“ sind die Anweisungen der Girokonteninhaber, die ihre ihnen zur Verfügung stehenden Dispositionsrechte nutzen, um diejenigen Zahlungen durch die Bank ausführen zu lassen, die sie selbst nicht ausführen können oder wollen. In dieser Annäherung ist Giralgeld für den Girokontoinhaber ein in Währungseinheiten bemessenes Weisungsrecht (und für die Bank eine Verpflichtung, diesen Weisungen Folge zu leisten), so daß es schwerlich vorstellbar ist, daß dieses Rechtsverhältnis auch nur ansatzweise „zirkulieren“ würde. Darüber hinaus haben Rechtsverhältnisse – soweit sie nicht verbrieft sind – die Eigenschaft, an die beteiligten Parteien gebunden zu sein, so daß sich damit auch die Vorstellung, es würde etwas „Substanzgleiches“ von einer virtuellen Geldfee von einem Konto auf ein anderes Konto transferiert, in einem logischen Rauchwölkchen verflüchtigt. Die Passivseite der Banken enthalten Informationen darüber, woher ein Geldbetrag gekommen oder wohin bzw. für welchen Zweck ein Geldbetrag „reserviert“ ist, während die Aktivseite diejenigen Dinge auflistet, die tatsächlich für Zahlungs- oder Ertragszwecke zur Verfügung stehen – hier ist auch dasjenige angesiedelt, was bei den Banken als Erfüllungsgehilfe ihrer Kunden für Transfer- (oder Zirkulations-)zwecke zur Verfügung steht: Zentralbankgeld – als Bargeld oder Reserven! Im Unterschied zu dem Geld „was man nicht anfassen kann“ haben Reserven die nette Eigenschaft in Bargeld eingelöst werden zu können, ohne daß es dabei ein Liquiditätsrisiko gibt – weswegen diese Übung auch i.d.R. unterbleibt. (vgl. Giovanoli 1993 S. 108)

Giralgeld ist somit der Hebel bzw. das genuine Instrument, mit dessen Hilfe der eigentliche Zweck des elektronischen Zahlungsverkehrs – der Transfer von Verfügungsmacht – erreicht werden kann. Man kann also mit Hilfe von Giralgeld zahlen – indem man den Zahlungsdienstleister anweist, eine Zahlung mit richtigem Geld durchzuführen. Notabene: man kann mit Hilfe von Giralgeld zahlen – nicht mit Giralgeld selbst! (Wer jetzt denkt, daß Giralgeld kein Geld und die Speisenkarte keine Speise ist, denkt richtig…!)

5. Zum Verhältnis von Basisgeld und Dispositionsrechten

Nun mag man sich fragen, wenn „Giralgeld“ für Zahlungsprozesse nicht zur Verfügung steht, womit denn eigentlich die Zahlungsvolumina abgewickelt werden, da doch der Anteil des Basisgeldes auch nur an der „Geldmenge M1“ vergleichsweise gering ist. Dazu kann man sich ein „Jubiläumszitat“ ansehen, welches schon vor mittlerweile 100 Jahren formuliert wurde:

„Die moderne Wirtschaft ist nicht, wie bisher unterstellt, eine bargeldlose Wirtschaft. Sie ist eine bargeldsparende Wirtschaft. Zwar finden auf weiten Gebieten des Verkehrs überhaupt keine Geldzahlungen, und anderen nur zu gewissen Zeiten oder zu gewissem Prozentsatz Geldzahlungen statt. Immerhin besteht unleugbar auch in der bestorganisierten modernen Wirtschaft das, was man am richtigsten als „Geldbedarf“ bezeichnen wird.“ Hahn (1920) Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits S. 71

Am „verschwenderischsten“ sind dabei die Zahlungen im Barverkehr, welcher sich im wesentlichen außerhalb der Banken abspielt, wo Zahlungen 1:1 mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel abgewickelt werden. Immerhin werden in Deutschland noch 40%-50% der privaten Käufe mit Bargeld beglichen, was auch angesichts der kontinuierlich steigenden Bargeldemission der Bundesbank den angekündigten Tod des Bargeldes schlichtweg im Regen stehen läßt. FN55

Sparsamer hinsichtlich der Basis-/Bargeldnutzung sind dagegen die Banken, bei denen sich der Zahlungsausgleich in zwei Stufen vollzieht. Zum einen gibt es das Instrument des „clearing“, was nichts anderes bedeutet, als daß gleichartige aber gegenläufige Zahlungsansprüche im Zuge der Aufrechnung bezahlt werden. Dies kann sowohl bankintern als auch bankextern erfolgen: bankintern erfolgt der Transfer von Verfügungsmacht im Grunde durch eine papierlose Barzahlung, bei der die Abbuchung vom Konto des Zahlenden und die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers über ein Transferkonto abgewickelt wird:

„Alle Zahlungen einer Bank bzw. Zahlungen, die über eine Bank getätigt werden, laufen über die „Kasse“. In diesen liegt heute natürlich kaum mehr Bargeld im nennenswerten Umfang, auch wenn Banker auch heute noch vom „Barvermögen“ einer Bank sprechen. Es handelt sich vielmehr im Wesentlichen um die Sichtguthaben auf den Girokonten, die die Banken bei der jeweils für sie zuständigen Zentralbank unterhalten. Diese werden auch „Zahlungsreserven“ genannt.“ FN66

Auch bankextern werden gegenläufige Zahlungsansprüche zwischen Banken im Zuge des clearing miteinander verrechnet, wobei auch hier die Buchungen über ein Transferkonto geleitet werden, welches faktisch den Austausch von Basisgeld unnötig macht. Man sollte sich dabei klarmachen, daß Aufrechnung tatsächlich eine Zahlung darstellt, bei der lediglich die überflüssige gegenseitige Übergabe von Basisgeld entfällt bzw. durch eine Buchungsoperation ersetzt wird.

Soweit nach dem Abschluß des clearing noch Zahlungsdifferenzen bestehen, werden die entsprechenden Salden üblicherweise auf dem Wege des „settlement“ ausgeglichen. Dies erfolgt über die Guthaben bei der Zentralbank (die Girozentralen machen auch nichts anderes), welches seitens der Zentralbank durch eine Umbuchung zu Lasten bzw. zu Gunsten des Zahlers/Empfängers erfolgt, wobei auch hier die papierlose Barzahlung zur Anwendung gelangt. Es mag gewöhnungsbedürftig erscheinen, eine interne Umbuchung über ein Transferkonto – was letzten Endes ein Kassenkonto sein muß (s.o.) – als papierlose Barzahlung zu sehen. Da Banken sich verpflichtet haben, für den Anweisenden Zahlungen durchzuführen, müssen sie auch einen Zahlungsvorgang einleiten, welcher dann zu korrespondierenden gegenläufigen Zahlungen führt, die im Zuge der Aufrechnung die Zahlungspflicht erfüllen. (Vgl.: Fn3)

Insgesamt läßt sich feststellen, daß das einzige, was zu Zahlungszwecken umläuft das Basisgeld ist, ob als Bargeld, interne papierlose Bargeldübertragung, externes clearing oder als Zentralbank-/Girozentrale-settlement, wobei auch die übergeordneten Institute dasselbe Prinzip der (Aktiv-)Verrechnung anwenden. Es erweist sich somit, daß die Zahlungsmitteltechnologie ihre zentrale Aufgabe, das Volumen des zur Zahlungsabwicklung notwendigen ultimativen Zahlungsmittels zu minimieren, über die Zeit hinweg beibehalten hat. In früheren Zeiten wurden Wechsel (die Vorläufer der Banknoten) benutzt, um die Verwendung des ultimativen Zahlungsmittels Gold entbehrlich zu machen. Heute wird mit (Online-)Überweisungen, girocard, Kreditkarten und haufenweise Fintech-Gimmicks hantiert, um die Verwendung des gesetzlichen Zahlungsmittels so weit wie möglich zu reduzieren. Die Abrechnung über Girokontostände markiert quasi die Fortsetzung dieses Bestrebens, weil die Verwendung von Bargeld ein nicht unerheblicher Kostenfaktor ist. Die Girokontostände sind dabei lediglich der Indikator für das Volumen der Weisungsbefugnisse der Kundschaft, aufgrund deren Anweisungen die Banken zum Transfer dieser Verfügungsrechte verpflichtet sind. Die Vielzahl dieser Weisungen führt zur Zahlungsmitteloptimierung mit Hilfe der genannten Techniken, die letzten Endes das geforderte Ergebnis erzeugen. Wenn aber nach Abschluß aller Aufrechnungsoperationen nur noch der „Restsaldo“ tatsächlich ausgeglichen werden muß wird klar, warum das Volumen der effektiven Zahlungsmittel im Verhältnis zum Volumen der Weisungsbefugnisse derart gering sein kann: Zentralbank-/Basisgeld ist ein Saldenausgleichsstandard…

Literatur:

Mario Giovanoli, Bargeld — Buchgeld — Zentralbankgeld: Einheit oder Vielfalt im Geldbegriff? in: Festschrift für Beat Kleiner, Banken und Bankrecht im Wandel, Zürich 1993

L. A. Hahn, Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits, Tübingen 1920

Abkürzungen:

BGB: Bürgerliches Gesetzbuch
ZAG: Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten

  1. Vgl.: https://www.bundesbank.de/resource/blob/606038/c0364dd6034eb7e0c9230b77ed995c06/mL/geld-und-geldpolitik-data.pdf S. 50f ↩︎
  2. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/girovertrag-36182 ↩︎
  3. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/116/1611643.pdf S. 112 ↩︎
  4. https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:2fnd6OmrY40J:lexikon.jura-basic.de/aufruf.php%3Ffile%3D4%26find%3DZahlungsdiensterahmenvertrag__Zahlungsauftrag+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox (outdated) ↩︎
  5. https://www.bundesbank.de/resource/blob/737876/40094ed787ec5b0dd1f968dcd7eda7e9/mL/zahlungsverhalten-in-deutschland-2017-praesentation-data.pdf ↩︎
  6. http://www.mem-wirtschaftsethik.de/index.php?id=1156&tx_ttnews[tt_news]=248&cHash=53e68c62e07169c17ae31f9b61b29a77 ↩︎

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Kommt die „Draghi-Volte“ über Oberammergau…

Neuerdings findet auch die Debatte um die TARGET2-Salden wieder Eingang in die Diskussionsforen. Aus der letzten Auseinandersetzung wurde eine „Friedensformel“ gefunden, die in etwa lautet, daß die TARGET2-Salden zwar ein gefährliches Ungleichgewicht darstellen, aber solange wie die EURO-Zone intakt bliebe, seien ja die drohenden Verluste nicht zu befürchten. Erst dann, wenn es zu einem Ausscheiden eines EURO-Mitgliedes käme, müßten die dann entstehenden Verluste auf die übrig bleibenden Zentralbanken und von dort auf die jeweiligen öffentlichen Hände verteilt werden, womit dann der oft kolportierte Tatbestand erfüllt wäre, daß der Steuerzahler dafür zur Kasse gebeten werden müßte.

Eine diesbezügliche Diskussion fand unlängst auch bei BTO statt, wo in den Kommentaren ein guter Vortrag über das Aktivvermögen der Banca d´Italia gehalten wurde der mich dazu motivierte zur Klärung der Angelegenheit einige einfache Fragen aufzuwerfen:

„1. Die Banca Italia weist in ihrer Bilanz eine Passivposition gegenüber der EZB aus. Was ist der Inhalt dieser Passivposition bzw. auf was lautet die korrespondierende Aktivposition? Salopp ausgedrückt: was ist der „Schuldgegenstand“?

2. Hat die Banca Italia im Zuge der Entstehung dieser Passivposition Zentralbankgeld erhalten welches sie verpflichtet wäre zurückzuzahlen? Man erinnere sich daran, daß T2-Salden aus Verfügungen von Nicht-Zentralbanken entstehen, die dazu ein entsprechendes Guthaben bei der Banca Italia besitzen müssen.

3. Ist es sinnvoll die Verbindlichkeiten einer Zentralbank (in ihrer eigenen Währung) zu besichern? Oder anders gefragt: erwartet eine italienische Bank, die bei der Banca Italia einen Kredit aufnimmt, daß die Banca Italia ihre daraus entstehende Verbindlichkeit mit Sicherheiten „unterlegt“?

4. Muß die Bundesbank der Banca Italia einen Kredit geben, damit die Banca Italia gegenüber der Bundesbank in EURO zahlungsfähig ist? Müßte dieser besichert sein?“

Man könnte den Eindruck bekommen, daß – wenn es um ökonomische Überzeugungen geht – es nicht statthaft ist jemanden dazu aufzufordern sachlich ein paar einfache Fragen zu beantworten. Das zeigte sich daran, daß statt auch nur eines entsprechenden Antwortversuchs ein Referat über die Buchungszusammenhänge einer T2-Transaktion präsentiert wurde. Wiewohl dieses auch sachlich richtig war wurde ohne auf die gestellten Fragen einzugehen schon daraus rubriziert, daß die T2-Salden eben doch ein Schuldenproblem darstellen würden.

Beginnen wir mal mit Frage 1:
Ein passiver T2-Eintrag der BI korrespondiert nach der gegenwärtigen Verfahrensweise mit einem aktiven T2-Eintrag bei der EZB, welcher dann ergänzt wird durch sein Gegenstück, nämlich dem passiven T2-Eintrag der EZB mit dem korrespondierenden aktiven T2-Eintrag der BB. Diese Buchungskette ist ja auch nicht kontrovers und die Frage nach dem durch diese verknüpften Aktiv-Passiv-Paare geforderten Schuldgegenstand läßt sich auch recht leicht beantworten: der zu leistende Gegenstand (wenn es dann doch mal zu einem ‚margin call‘ der BB bzw. der EZB – die „Draghi-Volte“ – kommen sollte) ist Zentralbankgeld – allerdings nicht im Sinne einer Forderung gegen eine Zentralbank, sondern das Schuldentilgungsmittel sui generis: Zentralbankgeld in Form von Banknoten. Wie schon vor einiger Zeit angesprochen ist die Übergabe von Bargeld die wichtigste Option einer Zentralbank, wenn sie sich von ihren Verbindlichkeiten befreien will oder muß. Im Grunde genommen würde eine Begleichung eines passiven T2-Eintrages durch die BI an die BB bedeuten, daß das Zentralbankgeld „Forderung gegen die BI“ gegen das Zentralbankgeld „EURO-Banknote“ getauscht würde. Im Ergebnis hätte die BI statt eines passiven T2-Eintrags einen entsprechend höheren Banknotenumlauf in der Bilanz. Spiegelbildlich dazu hätte die BB einen höheren Kassenbestand, den sie aufgrund der Gepflogenheiten jedoch mit ihrem Banknotenumlauf verrechnen würde, so daß der aktive T2-Eintrag sowie der Banknotenumlauf der BB abnehmen würde. (Manche Leute würde bei einer derartigen Umstrukturierung auf die Idee kommen, die BB hätte nun weniger „Schulden“… bzw. weniger „faule“ Forderungen… Und wieder andere würden nach wie vor steif und fest behaupten, daß die BI ja immer noch „Schulden“ hätte…)

Frage 2 läßt sich anhand des Referats recht schön beantworten und die entscheidende Erkenntnis, welche dem Kommentator „Bagehot“ anscheinend entgangen ist, ist hier versteckt:

„Der Kredit entsteht vollautomatisch: Bei Target2 wird mit der technischen Übermittlung der Überweisungsdaten die Transaktion im gleichen Moment auch „rechtlich finalisiert“ (wie mir dies neulich ein Bundesbank-Vorstand erläutert hat). Es muss also kein Sachbearbeiter oder Vorstand eine Genehmigung für den Kredit erteilen.“

Im Grunde genommen steht hier klipp und klar, daß man besser von der Ansicht Abstand nehmen sollte, daß es sich bei den T2-„Überweisungen“ um „normale“ Banküberweisungen handelt, bei denen von der sendenden Bank Zentralbankguthaben abgezogen werden, während diese der empfangenden Bank entsprechend gutgeschrieben werden. Daß es zu diesem Irrtum kommen kann liegt wahrscheinlich daran, daß die an sich überflüssige Einbeziehung der EZB in die Transaktion zwischen der BI und der BB diese Operation so erscheinen läßt, als würde es sich hierbei in gleicher Weise um einen Transfer von Zentralbankgeld handeln wie in dem Überweisungsverkehr zwischen Geschäftsbanken auf nationaler Ebene. Wäre das der Fall müßten die NZBen bei der EZB Zahlungsverkehrskonten führen, deren Verwendbarkeit von der EZB kontrolliert würde mit der Maßgabe, daß die EZB gegebenenfalls eine Transaktion untersagen könnte wenn z.B. die Überschuldung einer NZB drohen würde. (Der zweite Insolvenzgrund – die Illiquidität – kann bei einer Zentralbank in der von ihr emittierten Währung niemals eintreten, es sei denn man ignoriert aktiv, daß eine Zentralbank eine Zentralbank eine Zentralbank ist. Es soll solche Leute geben…)

Offensichtlich genügt aber eine einseitige Erklärung einer NZB wie der BI um eine T2-Transaktion in Gang zu setzen, so daß der deutsche Empfänger des Geldes eine Gutschrift seiner Geschäftsbank erhält, wobei die Geschäftsbank diese Gutschrift erst dann erteilt, wenn sie ihrerseits von der BB eine Gutschrift über den in Frage stehenden Geldbetrag erhalten hat. Die Bundesbank fragt offenbar weder bei der EZB noch bei der Banca d´Italia nach, ob letztere in Höhe des fraglichen Betrages bei der EZB über ein entsprechendes Guthaben verfügt. Möglicherweise wird das daran liegen, daß es in der Bundesbank tatsächlich Leute gibt die wissen, daß eine Forderung gegen eine Zentralbank, die auf das Bargeld lautet, welches diese Zentralbank berechtigt ist zu emittieren, eben – Zentralbankgeld ist.

Nun ist ja vergleichsweise bekannt, daß Geschäftsbanken lieber mit unbarem Zentralbankgeld arbeiten und einiges unternehmen, um von dem lästigen und kostenträchtigen Bargeldverkehr wegzukommen. Der Grund dafür, daß keine Geschäftsbank auf die Idee kommt ihre Forderungen gegen die Zentralbank in Bargeld halten zu wollen ist, daß sie wissen, daß eine Zentralbank alle gegen sie existierenden Forderungen, die auf das Bargeld lauten, welches sie selbst emittieren darf, in unbeschränkter Höhe in Bargeld auszahlen kann. Der Clou an der ganzen Sache hängt an dem kleinen und unschuldigen Wörtchen „unbeschränkt“! Denn unbeschränkt heißt, daß für eine Zentralbank für die bei ihr bestehenden Verbindlichkeiten keine Grenze existiert, die sie nicht mit von ihr selbst emittierter BAR-Liquidität begleichen könnte – in der Wirtschaftsgeschichte gibt es einige Beispiele davon. Das bedeutet jedoch umgekehrt, daß es für Geschäftsbanken keine Veranlassung gibt ihr Guthaben bei der Zentralbank aus Sicherheitsgründen in Bargeld umzuwandeln (womit schon an dieser Stelle Frage 3 beantwortet wäre) und daher die einzige Einlösung, die überhaupt möglich wäre (siehe Frage 1) aus Kostengründen schlicht und einfach unterbleibt.

Für die Beantwortung von Frage 2 heißt das jedenfalls, daß das Entstehen des passiven T2-Eintrages gegenüber der EZB nicht an irgendwelche Kreditwürdigkeitsprüfungen geknüpft ist, weil die BI ja nicht in irgendeiner Weise selbst Kredit aufnimmt, sondern ein von ihr emittiertes Zentralbankgeldvolumen (dessen Entstehung auf Operationen zurückgeht, die bereits vor der fraglichen T2-Transaktion abgeschlossen worden waren) auf die BB überschreibt. Denn die Verbindlichkeit, welche sie vorher gegenüber der „Cinque Stelle“ hatte, welche ihr Guthaben genutzt hat um für ihren Kunden eine Überweisung an einen Empfänger in GER durchzuführen, hat die BI nunmehr gegenüber der EZB, wodurch die EZB von der BI – Zentralbankgeld erhält. Durch Gutschrift zu Gunsten der BB erhält die BB von der EZB ebenfalls – Zentralbankgeld. Und durch Gutschrift zu Gunsten der Bank A&T erhält der Empfänger in GER ebenfalls seine Gutschrift von der Bank A&T – die jedoch im Unterschied zu den anderen Gutschriften kein Zentralbankgeld mehr ist.

Das Entfallen der Kreditwürdigkeitsprüfung hat natürlich seinen Grund darin, daß eine Zentralbank als Quelle allen Zentralbankgeldes nicht wirklich auf Kreditwürdigkeit geprüft werden muß, zumal das von ihr übertragene Zentralbankgeldvolumen aus einer i.d.R. den Bonitätskriterien des ESZB genügenden Kreditgewährung an den Bankensektor entstanden ist. Sobald jedoch die Kreditgewährung der BI an die Banca „Cinque Stelle“ erfolgt ist hat diese die uneingeschränkte Möglichkeit das ihr zur Verfügung stehende Zentralbankgeldvolumen für Überweisungszwecke ins Ausland zu nutzen, ohne daß dabei seitens der BI geprüft wird welche Beweggründe dieser Überweisung zu Grunde liegen. Das einzige was sie tut ist dem Begehren nach Überweisung stattzugeben wobei für die BI der Fall mit der „technischen Übermittlung der Überweisungsdaten“ endgültig abgeschlossen ist. Für die BI besteht die Änderung der Bilanz daraus, daß nicht mehr die Banca „Cinque Stelle“ die Forderung auf Bargeldlieferung innehat, sondern die EZB bzw. eine Stufe weiter die BB. Das ist jedoch eine grundlegende Änderung des Charakters dieser „Verbindlichkeit“, denn solange diese Verbindlichkeit der BI gegenüber der Banca „Cinque Stelle“ bestand existierte immer noch die Wahrscheinlichkeit, daß diese Verbindlichkeit mit einer Lieferung von Bargeld erfüllt werden müßte. Diese Wahrscheinlichkeit schrumpft mit der Entstehung des T2-Eintrages auf quasi Null, weil es so gut wie keinen Fall gibt, daß die EZB die „Draghi-Volte“ ernstnimmt und an die BI herantritt und von ihr die Begleichung der bestehenden T2-„Verbindlichkeiten“ fordert. Der Grund ist natürlich der, daß die EZB sowie die BB dasjenige, was sie aus der T2-Foderung gegenüber der BI erhalten könnten genau dasjenige ist, was sie selbst zur Tilgung ihrer eigenen Verbindlichkeiten in unbeschränkter Höhe selbst emittieren können. Und wenn die BI auf die Idee kommen sollte ihre T2-„Schulden“ mit der Übergabe von Bargeld begleichen zu wollen wäre auf einmal der T2-Eintrag bei der EZB gelöscht, während die Bundesbank einen Zugang an Banknoten realisieren würde, welche sie praktisch nicht gebrauchen kann und aufgrund der Tatsache, daß eine Zentralbank keinen Kassenbestand bilanziert, gegen den eigenen Banknotenumlauf saldieren müßte. Dies hätte zur Folge, daß der von der BB ausgewiesene Banknotenumlauf erheblich zurückgehen würde (das Pendant zur Erhöhung des Banknotenumlaufs in der Bilanz der BI) wodurch praktisch ausgedrückt wird, daß der Beitrag der BB zur Emission von Zentralbankgeld geringer ist als derzeit noch ausgewiesen.

Wenn man so will ist der T2-Eintrag auf der Aktivseite der BB quasi eine Art „Kassenbestand“ in der BB Bilanz, welcher nur dann so erhalten bleibt, wenn er nicht in Bargeld umgewandelt wird. Der Vergleich mit einem Kassenbestand ist u.a. deswegen so originell, weil genau dieser Verwendung findet, wenn ein deutscher Käufer in Italien Waren oder Dienstleistungen bezahlen will. In diesem Fall reduzieren sich die aktiven T2-Einträge bei der BB als würden diese Beträge für die „Bezahlung“ dieser Käufe genutzt. (Natürlich kann der T2-Eintrag auch genutzt werden, wenn italienische Pizzabäcker von Deutschland aus in Palermo ihre Luxusvilla bezahlen…)

Frage 4 ist inzwischen soweit geklärt, daß es keine Restriktionen resp. Kreditwürdigkeitsvorbehalte gibt, die einer T2-Transaktion entgegenstehen, die wie zitiert quasi durch eine einseitige Willenserklärung der BI gegenüber der EZB bzw. der BB ausgelöst wird. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei einer Kreditvereinbarung stets um einen Vertrag, bei dem zwei sich deckende Willenserklärungen vorliegen müssen, wobei der Vertragsgegenstand Zentralbankgeld zunächst vom Kreditgeber an den Kreditnehmer übertragen werden muß, da sonst der Kreditgeber nicht zum Gläubiger wird. Bei einer T2-Transaktion verhält es sich jedoch so, daß bereits existierendes Zentralbankgeld von der BI an die EZB bzw. BB übertragen wird, wodurch ja gerade der T2-Eintrag der BB steigt. (Es handelt sich hierbei im Ergebnis bei der BI um einen sog. „Passivtausch“ auch wenn aus formalen Gründen keine Passiva „getauscht“ werden.) Eine normale Geschäftsbank wäre mit einer Gutschrift auf ihrem Zentralbankkonto völlig zufrieden und würde nicht noch darüber nachdenken, ob das „Guthaben“ bei der Zentralbank auch ausreichend „sicher“ ist. In gleicher Weise hat ja die BB den Ausgleich für die von ihr eingegangene Verpflichtung gegenüber der Bank A&T erhalten, weil sie ja durch den aktiven T2-Eintrag quasi einen Zugang an Zentralbankgeld erhalten hat. Man könnte es so pointieren: was für die Banca „Cinque Stelle“ Zentralbankgeld ist, ist auch für die BB Zentralbankgeld – auch wenn letztere nicht wirklich weiß, was sie damit anfangen soll, da es sich hierbei um das berühmte „Eulen nach Athen tragen“ handelt.

Bleibt als Fazit nur noch festzuhalten, daß man dann, wenn man mit aller Gewalt ein Problem aus den T2-Salden machen möchte notwendigerweise sein Gesichtsfeld auf die aktienrechtlichen Bilanzierungsvorschriften einengen muß. In gleicher Weise muß man komplett ignorieren, daß Operationen zwischen Zentralbanken aus logischen Gründen anders beurteilt werden müssen, als Operationen von Zentralbanken mit den ihr angeschlossenen Geschäftsbanken. Vermutlich ist es die Vorstellung, die EZB sei eine Art übergeordnete Bank in Bezug auf die NZBen die zu dem Fehlschluß verleitet, es würde sich bei den T2-Operationen um analoge Vorgänge handeln wie im nationalen Zahlungsverkehr. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die EZB ist für die NZBen nicht die Clearing- bzw. Settlement-Instanz wie es eine Zentralbank gegenüber den angeschlossenen Geschäftsbanken ist. Im Grunde genommen könnte der RTGS-Zahlungsverkehr auch komplett ohne die EZB abgewickelt werden, was lediglich den vertretbaren Mehraufwand bedeuten würde für jede andere dem EURO angehörende NZB ein eigenes Konto zu führen – soviel Speicherplatz sollte dann doch schon vorhanden sein…

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Griechische Austerität – das deutsche Muster

National Bank of GreeceEs gibt eine merkwürdige Asymmetrie in der Sicht auf das griechische Problem: auf der einen Seite die europäischen Beauftragten für schwäbische Hausfrauen, deren Bestreben darin besteht das Versprechen einzuhalten, daß das Griechenland Desaster „dem Steuerzahler“ (vulgo: den für die Bankenkredite eingesprungenen und nach Maastricht-Kriterien sowieso schon überschuldeten Staaten) nicht zur Last fällt. Auf der anderen Seite steht eine verzweifelte griechische Regierung, die versucht wenigstens einen kleinen Teil ihrer Wahlversprechen einzuhalten und dabei darauf hofft, daß noch irgendwoher das dazu notwendige Kleingeld herkommen möge. Während also die eine Seite alles daransetzt die aus Verzweiflung geborenen Forderungsbestände zu sichern geht es der anderen Seite darum die Einkommen-/ Nachfrageströme zu stabilisieren und das in der Hoffnung, daß sich daraus ein selbsttragender Aufschwung entwickeln würde, der das Austeritätsregime etwas weniger desaströs machen würde. Letzteres ist unschwer als das oft versuchte ‚deficit spending‘ zu identifizieren, welches unter bestimmten Voraussetzungen klappt, unter anderen jedoch nicht. Dies soll hier aber nicht Thema sein.

Man braucht nicht lange, um sich darüber klar zu werden, daß diese einseitige Fokussierung beider Kontrahenden einer defizitären Sicht des grundlegenden Problems geschuldet ist, was auf der Seite der EU noch insofern erklärlich wäre, als diese sich lediglich (wie in anderen Fällen auch) mit Verwaltungsfragen beschäftigen möchte – nicht gerade befriedigend aber was soll man von Verwaltern einer Misere auch schon anderes erwarten?

Schwerer wiegt der Fall auf griechischer Seite, denn dort geht es ums Eingemachte: es geht um nicht mehr oder weniger als das Überleben der griechischen Wirtschaft – und das unabhängig davon, welche lustige Regierungskonstellation dort gerade am werkeln ist. Denn hier wird ein Versagen in ökonomischer Hinsicht zum Desaster und zwar für alle Beteiligten und auch und insbesondere für alle diejenigen, die sich zwangsweise mit den Folgen einer dumpfbackigen Austeritätspolitik herumschlagen müssen.

Dabei ist das zentrale Problem der griechischen Wirtschaft nicht so schwer zu identifizieren: es besteht daraus das Portfolio der griechischen Banken auf ein akzeptables Bonitätsniveau zu bringen. Ein derartiger Ansatz hat zwei verschiedene Komponenten: zum einen müssen die Besicherungen der vergebenen Kredite verbessert werden, zum anderen muß das griechische Rentabilitätsproblem gelöst werden, damit sich daraus eine gesunde Verbreiterung des Bankenportfolios ergibt, welches es den griechischen Banken ermöglicht die noch zu erwartenden Verlustabschreibungen ohne ‚default‘ tragen zu können.

Der erste Aspekt wird üblicherweise damit versucht zu erreichen, daß Forderungen nach einer höheren Eigenkapitalquote gestellt werden. So sinnvoll diese Forderung auch sein mag entbehrt sie jedoch nicht einer rührenden Naivität, denn die Entscheidung über die unternehmerische Eigenkapitalquote pflegt üblicherweise nicht salbungvollen Ansprachen sondern nüchterner Kalkulation zu entsprechen.

Aus durchaus bekannten Gründen wird eine derartige Entscheidung nur dann revidiert, wenn handfeste Gründe für eine Veränderung vorliegen. Dazu gibt es nur einen Ansatzpunkt, nämlich die Veränderung des relativen Preises zwischen Eigen- und Fremdkapital und zwar dadurch, daß die Absetzung von Zinsen als Kosten ersatzlos gestrichen wird. Denn solange wie es möglich ist die Eigenkapitalrendite durch Verschuldung zu hebeln, wird sich eine Verbesserung der Besicherungslage der Banken nicht einstellen. Gerade im Hinblick auf die internationale Verankerung griechischer Unternehmer ist eine Finanzierung über Banken die angenehmste Art sich der eigenen Verantwortung „elegant“ zu entledigen. Eine Veränderung dieser Sachlage würde nicht einmal durch gesetzliche Handlungsvorschriften erreicht, sondern nur dann, wenn der Grund für diese Handlungsweise wegfällt.

Der zweite Aspekt geht demgegenüber an das Grundprinzip des EU-Projekts: es geht darum, den ‚cash drain‘ aus Griechenland hinaus einzudämmen. Das hat zum Teil dahingehend geklappt, als der griechischen Importsucht durch das Regime der Austerität ein heftiger Riegel vorgeschoben wurde. Dabei wurde nur eine Geschichte vergessen, nämlich die ganzen Importe, die in Griechenland unterhalb des offiziellen Radars erfolgen und zwar dergestalt, daß dort beispielsweise immer noch EU-subventionierter Schafskäse gekauft werden kann und die dabei erzielten Gewinne still und klammheimlich hinaustransferiert werden – was ganz nebenbei bewirkt, daß die heimische Produktion mehr oder weniger zurück- oder gleich eingeht. Das häßliche Prinzip dahinter ist, daß Griechenland aufgrund der Zugehörigkeit zum Euroraum zu einem Müllabladeplatz für Agrar-Industrieabfall der „Nordländer“ geworden ist – was allerdings kein griechisches Privileg ist. (Weitere Beispiele findet jeder selbst!)

Aber genau aus diesem ‚cash drain‘ entsteht ein virulentes Zahlungsbilanzproblem, welches gelöst werden muß. Die Blaupause für diese Geschichte liefert ausgerechnet die Strategie der deutschen Regierung im Zuge der Zahlungsbilanzkrise Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Das einschlägige Stichwort dazu lautet: Suspendierung der Importliberalisierung! (Das war überhaupt der Grund dafür, daß Siemens Waschmaschinen seinerzeit überhaupt erfolgreich verkäuflich waren – sonst wäre das Gleiche wie mit der Handysparte passiert!) Dieser eklatante Verstoß gegen sämtliche schöngeistigen Vorstellungen von Freihandel war der entscheidende schnöde Grund dafür, daß Deutschland zu den seitdem unsittlich wachsenden Exportüberschüssen kam und darüber hinaus zu (einer) der stärksten Währungen der Welt gelangte. Die erfolgreiche merkantilistische Politik der Bundesbank, die sich hinter „monetaristischen Lehren“ versuchte zu verstecken, sollte dabei nicht unterschätzt werden. Ihren Auftrag der Sicherung der Währung hat sie mit diesem Konzept in vorbildlicher Weise erfüllt – und das nicht wegen einer albernen pseudoökonomischen Freihandelstheorie – was das angeht ist eher F. List einschlägig! Wenn man das einmal verstanden hat kann man nur noch Mitleid mit der aktuellen Vorgehensweise der griechischen Regierung haben, die lediglich versucht ein Faß zu füllen und darüber vergißt das Loch zu stopfen, welches durch den „gemeinsamen Markt“ aufgerissen wird, wobei man nicht vergessen sollte, daß dieser wesentlich durch EU-subventionierte Produkte geprägt ist – eine Geschichte, die auch außerhalb von Europa, vornehmlich in Afrika – zu einem vielfachen ökonomischen Desaster führt.

So gesehen ist die Strategie des „Löcher stopfens“ ein verständlicher aber falscher Ansatz, der zu allem Überfluß auch noch mit dem Aufrühren von Kriegsschuldenfragen einhergeht. Dabei ist das „deutsche Erbe“ nicht in kaum eintreibbaren Altforderungen zu verorten, sondern in monetär fundierten Maßnahmen, die geeignet sind, zu einer Entwicklung eines Binnenmarktes zu führen, welcher sich aus der Wieder-Etablierung der einheimischen Produktionslinien speisen würde. Sicherlich muß man nicht versuchen eigene Smartphones zu entwickeln, aber die Reetablierung eigener Produktionszweige läßt sich ohne die List´sche Erziehungszoll-Strategie nicht bewerkstelligen. (So gesehen ist auch das chinesische Wirtschaftswunder ein Ergebnis einer angemessenen Protektionspolitik á la F. List – das sagen die aber nicht so laut!)

Eine politische Berechtigung dazu ließe sich einmal aus den desaströsen Folgen der IWF/EU/EZB-Politik ableiten, weil der angerichtete Schlamassel (nun ja, für deutsche Politiker ist diese Katastrophe ein „guter Weg“) dringend geheilt werden muß, zum anderen liefern die Erfahrungen Deutschlands mit der Bewältigung von Zahlungsbilanzkrisen die ideale Blaupause dafür, wie man mit Tendenzen zur externen Verschuldung erfolgreich umgehen kann.

Wenn man so will verkehrt sich der Aufgabenschwerpunkt zwischen Griechenland und der EU: die Aufgabe der EU wäre es sich darum zu kümmern, daß die ‚bail-out‘-Kredite zugunsten der „Nord-Banken“ – die inzwischen zum größten Teil zu latent ausfallgefährdeten Staatsschulden geworden sind – auf jeden Fall bedienbar bleiben, um Forderungsabschreibungen, welche die Staatsschulden in dem Fall auch offiziell weiter steigen lassen würden, zu vermeiden. Das entspricht der alten Regel, daß der Gläubiger den Schuldner solvent zu halten hat, wenn ein Forderungsausfall als nicht tragbar erscheint. (Was sind nämlich Forderungen an einen insolventen Schuldner? Richtig: ein Vermögensverlust bzw. ein Verschuldungszuwachs beim sowieso schon verschuldeten Staats-Gläubiger!) Spiegelbildlich müßte sich Griechenland vorrangig um die Sicherung der internen Bankenforderungen kümmern, um der eigenen Wirtschaft wieder die Chance zu eröffnen profitabel wirtschaften zu können – wobei ein Verstoß gegen die Freihandelsprinzipien des „gemeinsamen Marktes“ eine vergleichsweise vernachlässigbare Sünde darstellen würde. Im Gegensatz zu den vernagelten Markttheoretikern, deren einzige pseudointellektuelle Zuckung aus „Löhne senken“ besteht, gibt es in Deutschland sogar ernstzunehmende Wirtschaftshistoriker, von denen man lernen könnte, daß der Erfolg Deutschlands in keiner Weise ein Ergebnis irgendwelcher segensreichen Folgen von „Freihandel“ war. (Daß man sich unter diesen Auspizien hinstellen kann um lustige Investitionsschutzabkommen á la TTIP etc. als segensreiche Abkommen zur Wirtschaftsförderung zu deklarieren, überschreitet jedes tolerierbare Maß an öffentlicher Selbstverblödung!)

Die Grundprinzipien, wie man eine Ökonomie auf einen erfolgreichen Pfad führt sind im Grunde genommen nicht so schwer zu verstehen, sobald man die Grundregel von Samuelson von den „zwei Augen“ beherzigt. Dabei geht es natürlich nicht um die Anfängernummer von Angebot und Nachfrage, sondern um den geldtheoretisch validen Unterschied von Strömen und Beständen. Solange allerdings geldtheoretische Geisterfahrer, die einen ausschließlich auf ‚flows‘ basierenden Vulgärkeynesianismus für eine erfolgversprechende Politik halten nichts anderes tun, als sich selbst in Szene zu setzen, wird es mit dem griechischen Wirtschaftswunder nichts. Was soll man dazu sagen, außer: wieder eine verpaßte Chance?

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Schatten ist nur dann, wenn Sonne ist

SirmioneSeit einigen Jahren geistert ein Begriff durch die Finanzwelt, der sich bis heute einer zutreffenden Charakterisierung entzieht. Man findet zu dem Begriff „Schattenbank“ lediglich eine Vielzahl von Beschreibungen, deren gemeinsamer Nenner darin besteht zu konstatieren, daß eine Schattenbank von einer normalen Geschäftsbank dadurch zu unterscheiden wäre, daß die eine einer staatlichen Regulierung unterliegen würde und die andere eben nicht. Die regulierten Banken hätten daher das Privileg des Zugangs zur Zentralbank, während den anderen der Zugang zur Zentralbank verweigert bleibt. Interessanterweise wird dabei meist darauf Bezug genommen, daß die Einlagen, die von den Schattenbanken angenommen werden sich keiner staatlichen Besicherung erfreuen und somit irgendwie die Unsicherheit der Einlagen die Bezeichnung als im „Schatten“ liegend nahelegt, was wohl irgendwie bedeuten soll, daß die staatliche Sicherung von Einlagen denen einen „Platz an der Sonne“ garantiert.

Dabei wird üblicherweise keine grundsätzliche funktionale Differenzierung beider Banktypen vorgenommen, denn in beiden Fällen wird das zentrale Geschäftsfeld darin gesehen Kreditintermediation zu betreiben. Es wird dann versucht diese fehlende Differenz wird dann durch viele Einzelaspekte zu motivieren, indem die Art der Bankgeschäfte zum zentralen Kriterium wird, obwohl es keineswegs naheliegt, diese Unterscheidung für maßgeblich zu halten. Es sieht eher so aus als würde das Kriterium Nicht-Regulierung dazu benutzt zu begründen, daß in diesem Sektor Geschäfte abgewickelt würden, die mit einem „normalen“ Bankbetrieb nicht vereinbar seien. Man hat das unbestimmte Gefühl in einer Einführungsvorlesung für Geldtheorie zu sein, wo nach der Deklaration der vermeintlich wesentlichen Eigenschaften von Geld ohne weitere Diskussion zu den diversen Geldmengenaggregaten übergegangen wird, obwohl man sich durchaus mal fragen könnte, was es denn ist, was da so alles „aggregiert“ werden soll. Auch hier wird der eigentliche Erklärungsnotstand durch eine künstliche Verkomplizierung (oder behauptete Verkomplexierung) überspielt und durch phänomenologische Detaildiskussion der Eindruck erzeugt, man wisse ja durchaus, womit man es dabei zu tun hätte.

Dabei liegt eigentlich eine Differenzierung nahe, die sich auf das Kriterium „Zugang zur Zentralbank“ orientiert, selbst wenn vordergründig die Regulierung durch die Zentralbank das vermeintliche Kriterium zur Unterscheidung liefert. Der essentielle Unterschied liegt nämlich darin, daß normale Banken mit einer Kreditvergabe gleichzeitig in gewissem Umfang einen Zuwachs an Zentralbankgeld generieren, mit dem sie den gewährten Zahlungsvolumina durch Zahlung in Zentralbankgeld nachkommen können – und müssen.

Dies müssen die Banken im „Schatten“ natürlich auch, der Unterschied besteht eben darin, daß diese ihre Zahlungsverpflichtungen aus vorgegebenen Beständen begleichen müssen, die ihnen von privaten Anlegern zufließen und insofern hier genau das stattfindet, was die Bankbetriebslehre nicht müde wird als Funktion des Bankgewerbes zu postulieren. Denn die traditionelle Liste der Bankfunktionen ist es ja gerade „Einlagen“ (die man sonst in den Schuhen hat) zu Krediten zu transformieren, sei es als Fristen-, Losgrößen- oder Risikotransformation.

Es sieht demnach eher so aus als hätte sich die Bankbetriebslehre ausschließlich der Funktion der Schattenbanken gewidmet und den wesentlichen Aspekt des Bankensystems, nämlich tatsächlich Geldschöpfung generieren zu können, komplett übersehen. Das wird vermutlich damit zusammenhängen, daß die Differenz von dem was als „Bankgeld“ bezeichnet wird und dem, was Zentralbankgeld wirklich ist weitgehend ignoriert wird. Es ist ja heutzutage chic geworden zu behaupten Banken könnten „Geld“ schaffen was auch schon dazu führt zu fordern den Banken das Privileg der Geldschöpfung zu entziehen. Jeder Kommentar dazu erübrigt sich – eigentlich. Doch in einer Publikation der Bundesbank zu diesem Thema versteigen sich die Verfasser zu der sachlich unhaltbaren Aussage:

„Im Vergleich zu Geschäftsbanken weisen Schattenbanken einige grundsätzliche Unterschiede auf. So können sie im Gegensatz zu Geschäftsbanken keine Giralgeldschöpfung betreiben…“ (Seite 3 PDF; Seite 17 Seitenzählung)

Offenbar unterliegen auch Bundesbank-Ökonomen der Falschvorstellung, daß Bank-Forderungen etwas anderes sind als „normale“ Forderungen, nämlich Geld. Das wird daran liegen, daß die ständig verwendete fehleranfällige Bezeichnung von Bankschulden als „Giralgeld“ auch dort geeignet ist das analytische Verständnis des grundsätzlich vorhandenen Unterschieds von Forderung und Forderungserfüllung zu vernebeln. Denn da die Einräumung eines Kredites gleichbedeutend mit einer Bilanzverlängerung ist, wobei dann die Bankschulden entstehen, die dann irgendwie „Geld“ bedeuten sollen, ist nicht zu sehen, was der kategoriale Unterschied sein soll, ob eine Bank an der Sonne oder eine Bank im Schatten eine Schuldzusage macht. Denn soweit diese Schuld beglichen werden muß (nennt sich Überweisung oder Auszahlung) sind Schattenbank und Sonnenbank gleichermaßen dazu gezwungen ihre Zahlungsverpflichtung in einem Standard zu leisten, den sie eben nicht selbst schaffen können – nämlich in Zentralbankgeld.

Viel spannender als diese Fehlleistung ist an dieser Stelle jedoch der Umstand, daß schon vor bald 100 Jahren diese Differenz zwischen Banken, welche die Möglichkeit zur passiven Generierung von Zentralbankgeld besitzen und Banken, die auf vorhandene Geldvolumina zurückgreifen müssen in klar differenzierender Weise funktional aufgegriffen wurde. Dies ist umso interessanter, als hier die übliche oberflächliche Betrachtungsweise anhand der „Eigenschaften“ von „Schattenbanken“ durch eine Sichtweise ersetzt wird, die das strukturell entscheidende Merkmal eines hierarchisch aufgebauten zweistufigen Bankensystems nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern auch als valides Strukturmerkmal erkennt:

„Rein deduktiv, aus dem Wesen der Krediteinräumung in der modernen Wirtschaft, ergibt sich sonach, daß es zweierlei Arten von Banken geben muß: Solche Banken, die man als Primärbanken oder als Kreditschöpfungsbanken bezeichnen kann und solche Banken, die man am besten Sekundärbanken oder auch Krediterscheinungsbanken nennen wird.“ Denn es ist immer möglich, daß es „doch eine gewisse Anzahl von Fällen gibt, in denen die Sekundärbanken direkt mit dem kreditsuchenden Publikum in Berührung kommen und in denen sie zweifellos krediteinräumend auftreten. … Die Hypothekenbanken, Sparkassen … schöpfen nämlich keine neuen Forderungsrechte zum Zwecke der Krediteinräumung, sondern benutzen hierzu die ihnen zufließenden bereits bestehenden. Da nun dieser Zufluß wiederum abhängig davon ist, daß in der Volkswirtschaft etwelche Subjekte ihnen gehörige Überweisungsguthaben nicht mehr für den eigenen Bedarf verwenden, sondern darauf verzichten, d.h. also sparen, so bedeutet dies, daß die krediteinräumend auftretenden Sekundärbanken insoweit von dem – von der herrschenden Meinung mit Unrecht bei allen Krediteinräumungen für maßgeblich gehaltenen – Vorhandensein von Ersparnissen abhängen.“ (Hahn, A. 1920)

Damit man nun nicht meint, das sei eine Einzelmeinung eines abgedrehten Bankiers hier die analoge Formulierung eines Lautenbach, dessen Diktion ähnlich wie bei Hahn nahezulegen scheint die stets als unschuldig und solide auftretenden Sparkassen als gerade diejenigen zu charakterisieren, die heutzutage quasi die unsittliche Art der Bankgeschäftsführung als Geschäftsmodell für sich erfunden hätten:

„Wir haben nun in unserem Kreditsystem eine Funktionsteilung, nämlich Geschäftsbanken … auf der einen Seite und Sparkassen auf der anderen Seite. Für die Sparkasse gelten dabei etwas andere Spielregeln, andere Liquiditätsgrundsätze; für eine Sparkasse ist die Zunahme des Einlagenbestandes immer erwünscht und Zeichen ihrer Kraft und Gesundheit; allerdings wird sie bei wechselndem Einlagenbestand auch entsprechend mehr Liquiditätsvorsorge treffen, immer eine gewisse Quote der zufließenden Mittel liquide anlegen. … Die Art, wie eine reine Sparbank ihr Geschäft betreibt, führt in der Tat dazu, daß der Zufluß von Einlagen bei ihr den Grad ihrer Anlagetätigkeit bestimmt. Bei ihr gehen also wirklich die Einlagen den Anlagen voraus. Es sieht mithin so aus, als wenn hier das Sparen tatsächlich die Investition nach sich zieht.“ (Lautenbach, W. 1952)

Dabei sollte an dieser Stelle nochmal darauf hingewiesen werden, daß diese Unterscheidung in einem funktionalen Sinne zu verstehen ist, denn natürlich können auch „Kreditbanken“ Sparvolumina annehmen und diese für eine Kreditvergabe verwenden. Entscheidend ist jedoch der Umstand, ob eine Kreditvergabe zu einer Schöpfung von Zentralbankgeld führen kann oder nicht. Und an genau dieser Stelle befindet sich der blinde Fleck der traditionellen Bankbetriebslehre die stets davon ausgeht, daß das Geld für die Kredite über die „Einlagen“ schon immer da ist. Denn anders kann man die ganze „Transformationstheorie“ von Banken seitens der Bankbetriebslehre nicht interpretieren, so daß von vornherein eine Erkenntnis genau des funktionalen Kriteriums, welches eine Differenzierung von Sonnen- und Schattenbank möglich machen würde letzten Endes durch den Glauben an eine Quantitätstheorie, welche die Existenz von Geld als exogene Komponente setzt, vollends verhindert wird.

Man kann diesen ganzen Schlamassel so zusammenfassen: die Bankbetriebslehre hat mit ihrer Transformationstheorie das letzte halbe Jahrhundert über die Finanzierungsbedingungen des Schattenbankensystems diskutiert und tut heute so, als wäre die Existenz von Banken, die sich tatsächlich aus Einlagen von Sparern finanzieren müssen, eine Angelegenheit neueren Datums. Denn wenn irgendwo Risiko-, Fristen- und Losgrößentransformation betrieben wird, dann genau in diesem Schattensektor, weil die weitgehende Abwesenheit von Regulierung ihm überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet Risiko zu übernehmen, ohne deswegen bei eintretenden Verlusten mit dem Entzug einer Lizenz rechnen zu müssen. Von daher ist es auch nicht mehr schwer zu begreifen, warum für die Sonnenbanken umgekehrt das Instrument der Verbriefung so wichtig ist: es geht darum, daß diese Banken, die der geballten Regulierungswut staatlicher Stellen ausgeliefert sind, auf jeden Fall verhindern müssen in irgendeiner Weise größere Verluste aus Kreditengagements zu realisieren. Das heißt aber, daß hier überhaupt nur noch Risiken übernommen werden die entweder staatlich mit einer Bürgschaft abgesichert sind oder die notfalls geräuschlos an eine angegliederte Zweckgesellschaft verschoben werden können.

Und dann kommt frei nach der Morgensternschen Pseudologik der Regulierer um die Ecke, weil ja nicht sein kann, daß in einem Bereich, der ja auch und gerade zur Risikotransformation da ist, gelegentlich auch mal Verluste anfallen, deren Ausmaße dann die üblichen Schönwetter-Vorstellungen sprengen. Geht man nun aber an die „Regulierung“ des Sektors Schattenbanken mit der Begründung heran, die Anleger müßten vor unseriösen Angeboten geschützt werden, was regelmäßig darauf hinausläuft, daß es Regreßmöglichkeiten bei „nicht vollständiger Beratung“ oder ähnlichen Ausreden gibt sobald ein Kreditengagement Verluste einfährt, wird damit genau der Puffer zerstört, der es den Sonnenbanken erlaubt in puncto Verluste eine weiße Weste zu behalten. Man kann es auch anders sehen: irgendwo müssen die Verluste ja anfallen und das Ansinnen per Regulierung das Verlustrisiko einzudämmen gleicht dem Versuch die ausgedrückte Zahnpaste wieder in die Tube zu bekommen.

Und genau hier liegt der Grund dafür, daß die Diskussion um das System der Schattenbanken so verquer gestaltet ist, da man durch die „Regulierung“ die Sonnenbanken der Möglichkeit beraubt hat ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen zu können, nämlich über die Einnahme von Versicherungsprämien – wozu primär die Zinsen (auch) da sind – die aus der allgemeinen Zukunftsunsicherheit resultierenden Verluste aus Kreditabschreibungen tatsächlich neutralisieren zu können. Doch auch wenn es inzwischen anders strukturiert ist: an der „Schatten“-Instanz, die es vermag Verlustabschreibungen auch abfedern zu können, geht kein Weg vorbei. Regulierung hin oder her!

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Kleine bits und Große bytes

Le Grand MosqueEines der größten Mißverständnisse in der geldtheoretischen Diskussion betrifft den Fragenkreis rund um das sogenannte „elektronische Geld“. Denn es hat sich eingebürgert den (positiven) Kontoauszug dahingehend zu interpretieren, daß dieser bereits Geld darstelle. Weiter wird häufig argumentiert, daß ja der Umstand, daß die Forderungen gegen die Zentralbank auch – wie auch das vermeintliche „Bankengeld“ – lediglich in bits und bytes existieren, es sich hierbei um gleichartige Dinge handeln würde, so daß der populäre Fehlschluß, es handele sich bei den Forderungen gegen eine Geschäftsbank ebenfalls um Geld, neue Nahrung erhält. Dies ist umso bedenklicher, weil durch die alberne Propaganda von Gruppen wie ‚positive money‘ dieser intellektuelle Kurzschluß zu einer viralen Seuche wird.

Der Grundirrtum bei dieser Geschichte beginnt bei den meisten im Kindesalter, wenn am Weltspartag das Sparschwein geschlachtet wird und der durchgezählte Inhalt dann auf der Bank auf einem Sparbuch eingezahlt wird, wobei ja damit immer das Versprechen einhergeht, daß ein Jahr später noch mehr Geld auf dem Sparbuch ist, welches dann zusätzlich verwendet werden kann. Aus dieser Erfahrung wird dann später geschlossen, daß das Geld auf dem Sparbuch und noch später auf dem Konto das „eigene Geld“ vorhanden sei, welches sich dort auf wundersame Weise vermehrt. Mal abgesehen davon, daß die Geschichte mit der „Geldvermehrung“ auch ein weit verbreiteter Trugschluß ist, wird hierbei der Eindruck erzeugt, es handele sich bei dem Sparbuch oder dem Kontoguthaben um ein Eigentumsrecht. Denn schließlich hat man ja als Kind selbst Geld auf die Bank getragen (oder tragen müssen) und somit sein Eigentum am Bankschalter abgegeben. Was man im Gegenzug jedoch bei dieser Transaktion erhält ist lediglich ein Anspruch auf die Herausgabe von Geld und zusätzlich einen nach Zeitablauf – bedingt durch den anfallenden Zinsertrag – zusätzlichen Geldbetrag. (Hinweis: man kann sich keinen Ertrag auszahlen lassen, sondern nur Geld!) Dabei fangen an dieser Stelle die Fehlinterpretationen schon an, denn mit der Übergabe von Geld an einem Bankschalter wird das Eigentum an diesem Geld aufgegeben, so daß durch diese Übergabe das Eigentum an diesem Geld auf die Bank übergeht, d.h. daß dadurch das Eigentum(srecht) an diesem (im naiven/ infantilen Glauben: eigenen) Geld nicht mehr existiert. (Sonst könnte ja eine Bank damit auch nicht „arbeiten“ – was auch immer das bedeuten soll!)

In analoger Weise wird dann die Vorstellung gepflegt, daß das, was auf dem Kontoauszug als Guthaben erscheint auch schon „Geld“ sei, weil man ja z.B. mit der Bankkarte bargeldlos bezahlen könne. Das ist nur insofern richtig, als der Zahlungsprozeß für den bargeldlos Zahlenden damit zu Ende ist und lediglich noch kontrolliert werden muß, ob die Abbuchung von dem Konto die korrekte Höhe hat. Die Vorgänge, welche sich danach auf der Banken- bzw. Zentralbankebene abspielen, müssen den zahlenden Käufer i.d.R. auch nicht interessieren. Dabei fängt die Geschichte damit jedoch erst an, weil ja nun die Bank einen Auftrag zu erfüllen hat, der darin besteht, daß sie zu Lasten des Zahlenden und zugunsten des Zahlungsempfängers einen Transfer durchzuführen hat, der essentiell aus einem Transfer von Zentralbankgeld besteht. Denn die Vorstellung, eine andere Bank würde ihrem Kunden eine Gutschrift erteilen, wenn sie in dieser Höhe keinen Zentralbankgeldeingang zu verzeichnen hat, ist schlichtweg gegenstandslos, weil sie damit eine zusätzliche Verpflichtung übernimmt, ihrem Kunden die Verfügung über Zentralbankgeld zu gestatten. Die Banken sind nicht bekannt dafür Verpflichtungen zu übernehmen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten oder fordern zu können.

Es gibt im Prinzip zwei Optionen wie Banken Zentralbankgeld transferieren können: einmal durch den Transfer von Banknoten, was allerdings heutzutage aus Kostengründen nur noch selten passiert. Zum anderen wird ein Transfer von Zentralbankgeld zwischen Banken regelmäßig durch Kontobewegungen bei der Zentralbank abgewickelt. Dabei wird das Konto der zahlenden Bank belastet und dann der Betrag der empfangenden Bank gutgeschrieben. Durch diese Transaktion wird es möglich, daß zwischen den beteiligten Banken der Zentralbankgeldtransfer zum Zweck der Erfüllung einer Überweisung zwar ohne Bargeld aber nicht zentralbankgeldlos ausgeführt werden kann. Ein Zentralbankgeldtransfer einer Bank erfordert daher einen Datensatz, der von der zahlenden Bank an die empfangende Bank gesendet wird (Empfänger, Kontonummer, Betrag), einen Datensatz, der von der zahlenden Bank an die Zentralbank gesendet wird (empfangende Bank, Betrag), sowie einen Datensatz der Zentralbank an die empfangende Bank, dessen Inhalt die erfolgte Gutschrift auf dem Zentralbankkonto der empfangenden Bank ist. Erst wenn letzterer Datensatz bei der empfangenden Bank eingegangen ist, wird dem eigentlichen Zahlungsempfänger mit der Buchung des letzten Datensatzes der Überweisungsbetrag auch tatsächlich gutgeschrieben – sonst nicht.

Im wesentlichen besteht eine bargeldlose Überweisung aus zwei Ebenen, auf denen jeweils unterschiedliche Vorgänge ablaufen. Auf der Ebene der Banken wird eine Information gesendet, die sich auf die Ausführung des Überweisungsauftrages bezieht, während es sich auf der Zentralbankebene um die letztgültige Zahlung handelt, welche vom Käufer an der Kasse nicht vorgenommen wurde. Was dabei besonders hervorzuheben ist, ist der Umstand, daß erst die Umbuchung bei der Zentralbank die Buchungen auf den jeweiligen Bankkonten vollendet, die Sollstellung auf dem Konto des Zahlenden wie die Habenstellung auf dem Konto der Zahlungsempfängers. Die Quintessenz aus der Betrachtung dieser Informationsketten ist, daß es zwar einen bargeldlosen Überweisungsverkehr zwischen den Banken gibt, insofern als sie den Zentralbankgeldtransfer ohne Zuhilfenahme von Banknoten durchführen können, dieser jedoch durch die Umbuchung auf dem jeweiligen Zentralbankkonto ausgeführt wird, was schlichtweg bedeutet, daß die bargeldlose Zahlung dann doch keine zentralbankgeldlose Zahlung ist, obwohl der Übertrag des Zentralbankgeldes auch bargeldlos stattfindet.

Das fundamentale Mißverständnis, welches von vielen Gruppen wie ‚positive money‘ propagiert wird besteht daraus, daß die Theorie, Banken könnten untereinander autonom einen Transfer von Zentralbankgeld vornehmen, von dem infantilen Glauben getragen wird, daß das „Geld auf dem Konto“ eigenes Eigentum darstellt, welches die Banken benutzen können, um ihrerseits Zahlungen bzw. Überweisungen vorzunehmen. Denn schließlich wurde ja dieses Geld vorher auf der Bank zugunsten einer verzinslichen Forderung auf Geld abgegeben. An dieser Vorstellung ist nur eines richtig: daß die Banken prinzipiell tatsächlich einen Geldtransfer durch eine Übergabe von Banknoten durchführen können. Was dabei wesentlich schlimmer ist, ist die Ignoranz gegenüber dem Erfordernis, daß Geld ansonsten nur über den Weg per Zentralbank auf bargeldlosem Wege zur Bank des Empfängers gelangen kann. Damit einher geht die Unkenntnis der Tatsache gegenüber, daß der Datenaustausch zwischen den Banken lediglich eine Absichtserklärung beinhaltet, daß ein Transfer von Zentralbankgeld stattfinden soll. Hierbei wird weitläufig übersehen, daß der Austausch von bits und bytes zwischen den Banken etwas anderes ist, als der Austausch von bits und bytes auf den Konten der Zentralbank.

Der Unterschied besteht daraus, daß eine elektronische Umbuchung bei der Zentralbank einen Transfer von Zentralbankgeld darstellt, da Zentralbankforderungen gleichbedeutend mit Zentralbankgeld sind, was sich nicht mit dem Datensatz, den die Banken austauschen, als gleichwertig ansehen läßt. Denn die Übermittlung eines Datensatzes von Bank zu Bank bedeutet, daß damit ein Schuldverhältnis definiert wird, dessen Erfüllung sich nicht mit der bloßen Absichtserklärung, daß man zahlen wolle, erledigen läßt. Denn auch hier wie bei allen anderen Schuldverhältnissen auch, bedingt die Etablierung einer Schuld auch eine Erfüllung, die auf einer anderen Ebene erfolgen muß – nämlich auf einer Übertragung von Sachen (als juristischer Begriff). Die Anerkennung einer Schuld erfordert eine Leistung, die bei Banken aus dem Zentralbankgeldtransfer „Umbuchung auf den Konten der Zentralbank“ besteht. Und eine Umbuchung auf einem Zentralbankkonto ist tatsächlich Zentralbankgeld – und das selbst dann, wenn es „nur“ als elektronischer Buchungseintrag existiert!

Das bedeutet, daß es ein elektronisches Geld ausschließlich auf der Ebene einer Zentralbank gibt und geben kann. Aus diesem Grund ist auf der Interbankenebene die Bezeichnung „elektronisches Geld“ einer oberflächlichen Betrachtungsweise geschuldet, die sich langsam in die Köpfe frißt, insofern als das elektronische Geld als gleichbedeutend für tatsächliches Zentralbankgeld angesehen wird. Der tiefere Grund für diese Verwechslung besteht darin, daß es sich sowohl bei den Banken sowie bei der Zentralbank um abstrakte Referenzen (Forderungen) handelt. Dabei ist jedoch die Referenz in Bezug auf die Zentralbank tatsächlich Zentralbankgeld, weil diese über das Recht verfügt unbeschränkt Banknoten zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten emittieren zu können. Über dieses Recht verfügen die Banken aber nicht, so daß die Referenz (Forderung) gegen eine Bank lediglich ein (von der Bank zu erfüllendes) Verfügungsrecht darstellt. Dieses Verfügungsrecht bezieht sich einmal auf die Auszahlung von Banknoten sowie darauf die Bank veranlassen zu können, einen Transfer von Zentralbankgeld durchzuführen. Eigentumsrechtlich gesehen sind diese Forderungen kein gesichertes Geld – deswegen sind und bleiben es Forderungen!

Die Hierarchie des zweistufigen Geldsystems erzeugt damit eine Differenz zwischen den abstrakten Referenzen, die – vordergründig gleichartig – sowohl bei Banken als auch der Zentralbank bestehen. Der menschliche Intellekt ist jedoch fähig Differenzierungen vorzunehmen. Es ist daher schwer zu erklären, warum dies bei der Differenz von Zentralbankgeld und Forderungen auf Geld nur den wenigsten gelingt. Daß die Banken erklären, daß Forderungen, die gegen sie selbst gerichtet sind, als Geld anzusehen sind, kann man ja noch verstehen, weil sie diese Scheinheiligkeit als Geschäftsprämisse ansehen (vielleicht auch müssen). Warum eine Bundesbank sich auch auf diesen geldtheoretischen Blindflug begibt, insofern als sie sich nicht zu einer klaren Differenzierung zwischen Bankengeld und Zentralbankgeld bekennt, ist außerhalb jeglichen Begriffshorizontes.

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EZB und BVG: Romanze mit Hindernissen

BastionWenn Ökonomie auf Jura trifft geht es meistens um Auslegungsfragen, die sich daraus ergeben, daß Wirtschaft sich zwar in einem juristischen Korsett befindet, die ökonomischen Lebenslagen jedoch vielfältiger sind, als es sich die juristischen Regeln gemeinhin vorstellen können. Vorbildlich in dieser Hinsicht ist das BGB, welches ökonomische Sachverhalte in abstrakter Weise regeln konnte, ohne mit wirtschaftlichen Realitäten in Konflikt zu geraten. (Daß die ökonomische Kommentatorenwelt den Unterschied zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in Zusammenhang mit Geld und Kredit immer noch nicht auf die Reihe bekommt, wird wahrscheinlich daran liegen, daß die Grundkurse „Bürgerliches Recht“ und „Buchhaltung“ den meisten als vernachlässigbare Esoterik-Themen erscheinen.)

Anscheinend ist diese noble Tradition in Verruf gekommen, was sich seit geraumer Zeit in dem Konflikt zwischen der EZB und dem BVG zeigt. Dabei zeichnet das Gesetz über die EZB verantwortlich, weil das eindimensionale Mandat zwar den Konflikt der FED vermeidet,  auch noch für einen hohen Beschäftigungsstand sorgen zu müssen, jedoch keinen mandativen Spielraum für krisenähnliche Aktionen bietet, die es erlauben würden, auf das Phänomen zu reagieren, was hier schon mal unter dem Label „europäische Geldspaltung“ diskutiert wurde. Dieses besteht essentiell daraus, daß es zwar eine einheitliche europäische Geldpolitik geben soll, diese jedoch auf der anderen Seite mit divergierenden Philosophien zu tun hat, was die Frage der Qualität der Behandlung von notleidenden Kreditforderungen zu tun hat. (Konsolidierung vs. Weiterfinanzierung!) Dazu müßte sie eigentlich ein Mandat haben, für unterschiedliche nationale Zentralbanken auch unterschiedliche Zinssätze einzufordern – eine Option, die gerade der ursprünglichen Intention bei der Errichtung der EZB widersprechen würde, schließlich wollte man damit dem „Zinsdiktat der Bundesbank“ entkommen.

Dabei gibt es zwei Szenarien: das eine, welches vermeintlich von 2000 bis 2007 bestand, wo die Refinanzierungsbedingungen EURO-weit einheitlich waren, obwohl es (für Bankiers, nicht für Banker) vergleichsweise bekannt ist, daß ein durch Immobilien oder Infrastruktur induzierter „Wirtschaftsaufschwung“ stets zu folgeschweren Konsequenzen führen kann – und meistens ist das so. Zum anderen ist dann, wenn es wie gegenwärtig um die Bewältigung „leichtfertiger“ Kreditvergabe geht – was mit dem Begriff „Bilanzrezession“ umfassend beschrieben ist – die Handlungsweise der EZB davon geprägt, daß sie dringend Ersatzmaßnahmen dafür erfinden muß, weil sie um die Restriktion „einheitliche Geldpolitik“ herumkommen muß! Dabei ist die vieldiskutierte Maßnahme, die Zinsen in der EURO Zone zu senken, vergleichsweise wirkungslos, weil Konsolidierungsbemühungen sich durch sinkende Zinsen noch nie haben beeindrucken lassen, während auf der anderen Seite die sinkenden Zinsen in keiner Weise – insbesondere bei den „Sparernationen“ – als Segen empfunden werden.

Vor diesem Hintergrund ist die Kontroverse zwischen der EZB und dem BVG von einer unnachahmlichen Kuriosität geprägt.  Denn aus juristischer Perspektive entscheiden zu wollen, ob die EZB im Rahmen ihres Mandats handelt, ist letztlich keine richterlich zu entscheidende Frage, sondern eine Frage der Gültigkeit sozialer Relationen, die auch unter den Label Kreditvertrag bekannt sind. Nun sollen juristische Normen soziale Fragen regeln, das können sie allerdings nur dann, wenn sie abstrakt genug formuliert wurden, um genügend Flexibilität aufzuweisen, um unterschiedliche Sachverhalte auch entsprechend adressieren zu können. Das ist bei der Gesetzgebung hinsichtlich der EZB nie der Fall gewesen. Wen wundert das, die Handschrift der Bundesbank hinsichtlich der ungeliebten EZB ist ja mehr als deutlich!

Damit wird aber auch das Problem der EZB mit der Verhandlung des BVG hinsichtlich der Bewertung der Staatsanleihenkäufe der EZB in Bezug auf das deutsche Grundgesetz deutlich, denn Art. 88 GG ist eindeutig ausformuliert:

„Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.“

So gesehen müßte die EZB eigentlich für nichts mehr sorgen, denn ihr Ziel der „2%-Stabilität“ ist mit Hilfe merkwürdiger statistischer Verfahren zumindest offiziell eingehalten. Nun kommt ihr aber das Phänomen der „europäischen Geldspaltung“ in die Quere. Denn wenn EURO-weit die Vermögenssicherungsqualität der „Nord“-Banken als höher eingeschätzt wird, als die der „Süd“-Banken, wird automatisch die Finanzierungsfähigkeit der „Süd“-Banken in einer Weise beschränkt, die an sich nur die „normale“ Folge der mangelhaften Kreditqualität der  „Süd“-Banken widerspiegelt, womit(!) das „Konkurrenzfähigkeitsproblem“ der „Süd“-Länder manifestiert wird, was es sonst nicht geben würde – der Kapitalverkehrsfreiheit sei Dank(!?). Sichtbar wird dies bei den TARGET-Salden, die im wesentlichen lediglich die „Verteilung des Zentralbankgeldes“ in der EURO-Zone widerspiegeln, womit angezeigt wird, daß die Einkommen, die in den „Süd“-Ländern während des „Süd“-Booms erzielt worden sind, keine Lust darauf haben, wegen irgendwelcher Bankenpleiten in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Das Zypern-Beispiel ist dabei nur die Bestätigung der schon lange gehegten Befürchtungen, daß Geldvermögen in den „Süd“-Ländern vor einem Zugriff der staatlichen Behörden nicht so wirklich sicher ist.

Richtig witzig wird die Geschichte aber dann, wenn die EZB sich anschickt, die „Verteilung des Zentralbankgeldes“ alias die „TARGET-Salden“ als Begründung dafür heranzuziehen, daß ihre Handlungsweise hinsichtlich der bisher nur angekündigten OMT-Käufe geldtheoretisch geboten ist. Denn obwohl die „Verteilung des Zentralbankgeldes“ lediglich eine Vermögensbestandshalteentscheidung privater Akteure ist, wird damit für die EZB eine geldpolitische Zwangslage erzeugt, die sie aufgrund der eigentlich prizipiell gleichen Geldpolitik für die gesamte EURO-Zone an sich nicht durchhalten kann. Natürlich muß sich die EZB um die Zinsunterschiede im EURO-Raum kümmern, allein durch die eindimensionale juristische Aufgabenstellung hat sie dazu eigentlich kein Mandat.

Was macht sie also? Richtig! Da die in Deutschland vorherrschende Meinung über die TARGET-Salden dahin geht, diese als Forderung an die „Süd“-Länder zu interpretieren, rechtfertigt sie ihre Handlungsweise damit, daß sie ja dafür sorgen würde, daß es den befürchteten Austritt eines EURO-Landes aus der EURO-Zone damit nicht gibt, der ja dem allgemeinen Dafürhalten nach zu einer Abschreibung der TARGET-Salden führen müßte. Das läßt sich leicht aus folgendem herauslesen:

„Entscheidend ist, daß die TARGET2-Salden für ein sehr geringes Risiko stehen. Die TARGET2-Salden sind Buchpositionen, die weder fällig werden noch einer Neubewertung unterliegen. Das Ansteigen der TARGET2-Salden hat daher keine Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken. Eine Neubewertung der TARGET2-Salden wäre allenfalls dann erforderlich, wenn ein Mitgliedstaat aus dem EURO-Währungsraum ausschiede.“ (S. 50 EZB-Gutachten)

Wenn die TARGET-Salden aber Ausdruck der grenzüberschreitenden Verteilung von Zentralbankgeld sind, können sie auch dann kein Risiko darstellen, wenn ein Mitgliedstaat ausscheidet. Daher wird auch die Formulierung „…für ein sehr geringes Risiko stehen…“ und nicht, wie es eigentlich richtig wäre, „…kein  Risiko sind“ verständlich! Das geringe Risiko bezieht sich hier auf das Ausscheiden eines Landes, nicht auf eine etwaige Umbewertung der TARGET-Salden! Denn die müssen nicht umbewertet werden, da ja ein TARGET-Saldo anzeigt, daß eine Zentralbank das fragliche Zentralbankgeld ja tatsächlich erhalten hat, was am besten dadurch erkannt werden kann, daß sie die entsprechenden Verbindlichkeiten gegenüber den anspruchsberechtigten Privaten ja vollumfänglich akzeptiert! Denn z.B. die Bundesbank würde eine Forderung gegen die EZB niemals als Zahlung akzeptieren, wenn die EZB keine Zentralbank wäre. Da muß man sich schon entscheiden: ist die EZB nun eine Zentralbank oder nicht?

Es ist schon lustig: ein Nicht-Problem wird zu einer zentralen Verteidigungslinie der EZB, weil sie sonst nicht weiß, wie sie ihre Aktionen, die niemals durch ihr Mandat gerechtfertigt wären, überhaupt begründen sollte. Warum muß sie so handeln? Weil die „Einheitlichkeit der Geldpolitik“ im EURO-Raum ihr die Einwirkungsmöglichkeiten versagt, die eigentlich angebracht wären – eine differenzierende Zinspolitik, die auf die regionalen Besonderheiten der jeweiligen Länder abgestimmt wäre – diese Möglichkeit ist durch juristische Verklausulierungen gründlich vernichtet worden. Mal sehen, ob diese Bauernschläue vor dem BVG Bestand hat. Wahrscheinlich hat sie! Schließlich sitzen da ja bloß Juristen…

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TARGET-Nachlese

spider cubeWenn man ein bißchen länger darüber nachdenkt, ist die Geschichte mit den TARGET-Salden nicht ganz so schlimm wie sie sich üblicherweise darstellt. Denn zunächst sind sie eigentlich nur Verrechnungsposten zwischen nationalen Zentralbanken, die demselben EURO-Währungsverbund angehören, in dem es 17 nationale Zentralbanken gibt, die alle dasselbe Recht haben EURO zu emittieren. Das eigentliche Problem dieser Salden besteht ja daraus, daß z. B. die Bundesbank für die Geldemission einer anderen Zentralbank einstehen muß als hätte sie es selbst getan. Daß damit die geldpolitische Strategie der Bundesbank unterlaufen wird muß man in Frankfurt nicht lustig finden, man kann aber dort auch nichts dagegen tun!

Was dabei auffällt ist der Umstand, daß es aufgrund der bei z.B. deutschen Banken entstehenden Erhöhung des Basisgeldbestandes nicht zu den viel beschworenen inflationären Entwicklungen kommt, die üblicherweise davon erwartet werden müßten. Das wird von mehr oder weniger informierten Meinungsproduzenten üblicherweise damit begründet, daß sich die „Ökonomie“ in einer „Liquiditätsfalle“ befinden und von daher eine Wirkung auf das Preisniveau ausbleiben würde. Das mag so sein, heißt aber nicht, daß es nicht noch andere Gründe dafür geben könnte. Denn das was bei einer TARGET-Überweisung passiert ist, daß eine Forderung einer „Süd“-Geschäftsbank zu einer Forderung einer „Nord“-Geschäftsbank gegen die jeweilige Zentralbank wird. Was dabei nicht klar ist, ist die Frage, inwieweit diese Transaktion auch zu einer entsprechenden zusätzlichen Emission von Basisgeld führt, von der ja stets angenommen wird, daß sie Preisauftriebstendenzen Nahrung gibt.

Nun gibt es ja den berühmten „Geldmengenmultiplikator“, den es zwar nicht(!) als theoretisches aber dennoch als statistisches Konzept gibt. Dieser besagt, daß das Kreditvolumen einer Ökonomie ein Vielfaches der Basisgeldmenge ist. Letztere besteht aus dem Banknotenumlauf sowie den Forderungen der Geschäftsbanken gegen die zuständige Zentralbank.

Wenn also eine „Süd“-Geschäftsbank eine „Auslandsüberweisung“ vornimmt, reduziert sich automatisch das Volumen des Basisgeldes im sendenden Land, während es sich im Empfängerland dementsprechend erhöht. So weit, so gut!

Nun ist es ja so, daß im Senderland nicht nur Basisgeldmenge insgesamt geschrumpft ist sondern auch das Kreditvolumen und die Geschäftsbanken deswegen einen geringeren Bedarf an Basisgeld haben, so daß, auch wenn der Bestand des Basisgeldes teilweise wieder aufgefüllt werden muß, das ursprüngliche Volumen nicht mehr erreicht wird. Das liegt daran, daß die Wahrscheinlichkeit eines Abflusses von Basisgeld bei den „Süd“-Geschäftsbanken entsprechend geschrumpft ist. Diesen Effekt kann man auf etwa 10% bis 15% einschätzen, was einen endgültigen Nettoverlust an Basisgeld im betreffenden Land bedeutet.

Was passiert demgegenüber in einem Empfängerland wie Deutschland? In Deutschland verzeichnen die Geschäftsbanken einen Zufluß an Basisgeld, der ihr Kreditvolumen unmittelbar erhöhen müßte. (Zumindest dann, wenn man die Theorie der „fraktionellen Geldschöpfung“ ernst nehmen würde – was man nicht muß.) Die Frage ist: was passiert tatsächlich in einem Land, welches einen Nettozustrom von Basisgeld realisiert? Nehmen wir realistischerweise mal an, daß der Bedarf an Basisgeld nicht vorhanden ist, dann besteht auch kaum ein Bedarf an irgendwelchen zusätzlichen Reserven. Der Grund dafür könnte z.B. der sein, daß in Deutschland nach den LTRO-Operationen der EZB die Liquidität der deutschen Banken ohnehin einen Status erreicht hat, der in Bezug auf den Bedarf an Basisgeld als redundant bezeichnet werden kann.

Was wird also passieren? Eben, die deutschen Banken werden nichts anderes tun als das ihnen zugeflossene Basisgeld dahingehend zu verwenden, um frühere z.B. Wertpapierpensionsgeschäfte aufzulösen, was die kühle Folge hat, daß das Basisgeldvolumen um eben diesen Betrag schrumpft! Was ist das Ergebnis? Zum einen schrumpft das Basisgeldvolumen im Senderland aufgrund sinkender Liquiditätserfordernisse, zum anderen sinkt das Basisgeldvolumen im Empfängerland aufgrund des mangelnden Bedarfs an Basisgeld in den Empfängerländern, weil die LTRO Operationen der EZB eine Liquiditätsvorsorge für „Nord“-Länder quasi entbehrlich gemacht haben.

Also was denn nun? Ganz einfach: man kann davon ausgehen, daß die durch Kapitalflucht bedingten TARGET-Salden dazu führen, daß die Basisgeldmenge in EURO-Land insgesamt gesehen SINKT! (Das könnte ein wesentlicher Grund dafür sein, daß sich deutsche Banken noch nie wirklich über die TARGET-Salden beschwert haben. Warum? Weil sie daran verdienen! Eine Liquiditätsrente muß niemand vehement ablehnen!) Inflation? Fehlanzeige!

Lustig, nicht?

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Vom Schlachten heiliger Kühe

sharkMan darf sich durchaus an der Stelle, wo innerhalb der EURO-Zone das erste Mal Beschränkungen des Kapitalverkehrs eingerichtet werden daran erinnern, daß es mal hieß: „Scheitert der EURO, scheitert Europa.“ Wenn es ein Anzeichen des Scheiterns gibt, dann dieses! Man kann sich zwar Gedanken darüber machen, warum diese Entwicklung hinsichtlich der Beschränkungen des Kapitalverkehrs in Bezug auf zyprische Geldvermögen maßgeblich von den deutschen Verhandlungsführern so gepusht wurde. Das ist leider zwecklos! Man darf aber dahingehend durchaus einsehen, daß derartige Verlautbarungen nicht viel mehr sind als hilflose Sprechblasen, deren Nutzwert noch nicht einmal dazu dienen können, die Orientierungslosigkeit der leistungstragenden Entscheidungsfinder zu kaschieren. Das Schlachten einer heiligen Kuh fällt jedoch immer auf die (angeblich) prinzipientreuen Inauguratoren zurück!

Das Problem ist: eine Beschränkung des Kapitalverkehrs bedeutet essentiell, daß eine Forderung gegen eine Bank in Zypern nicht dasselbe bedeutet wie eine Forderung gegen eine Bank des anderen EURO-Gebietes. Salopp gesagt heißt das, daß zyprisches Geld nicht mehr dasselbe Geld ist wie „normales“ Geld. Das wirft postwendend auch die eklige Frage auf, ob damit auch eine zyprische Banknote noch dasselbe ist, wie eine EURO-Note der anderen EURO-Länder. Heißt: kann eine z.B. griechische Bank eine „größere“ Einzahlung von Banknoten der Zentralbank Zyperns annehmen? Das ist deswegen virulent, weil durch einen kleinen Törn übers Mittelmeer eine Verbringung von Banknoten von interessierten Kreisen vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen ist. Angesichts dieser Möglichkeit könnte es leicht passieren, daß es in Kürze zu gesetzlichen Beschränkungen des europäischen Bargeldverkehrs kommen könnte, deren Bedeutung es ist, das zyprische Bargeld zu diskriminieren wenn nicht sogar zu kriminalisieren.

Wie es auch in der Presse vielfach kritisiert wird ist inzwischen der Fall eingetreten, daß die Sicherheit von Geldforderungen in Europa bei jeder „Rettungsaktion“ unter Vorbehalt steht und damit eine erhebliche Schramme in die Vermoegenssicherungsqualität von Geldforderungen hinsichtlich von EURO-Guthaben in EURO-Land geritzt wurde.  Es wird spannend sein zu sehen, ob die Rolle des EURO als Weltreservewährung durch diese Geschichte unter Druck gerät oder nicht. Die zukunftsleitende Frage ist dabei, wann es den „Deutschland-Moment“ gibt, an dem die Sicherheit von Geldforderungen auch in Deutschland in Zweifel steht. Es geht ja nicht darum ob er kommt – sondern wann! Warum ist das so? Weil die moralisch verbrämte Selbstbeschränkung in Form der „Schuldenbremse“ sich selbst der Instrumente beraubt, die in derartigen Situationen erforderlich wären. (Der Vorhang für dieses Kino braucht auch nicht mehr so lange.)

Aber ob oder ob nicht: die Frage, ob eine zyprische Banknote unter diesen Bedingungen noch dieselbe Schuldentilgungsfähigkeit bzw. Kontraktfähigkeit hat wie andere Banknoten aus EURO-Land wird die schlauen Entscheidungsträger noch länger beschäftigen, als es ihnen lieb sein kann. Denn obwohl gilt: ‚money is not earmarked’ könnte auf einmal die Tatsache eine Rolle spielen, daß EURO-Banknoten anhand ihrer Registriernummer als zyprische Banknoten identifizierbar sind. Die alte Regel, daß Banknoten aus Ländern, die ihre Währung einer Kapitalbeschränkung unterwerfen, außerhalb des betreffenden Währungsraumes eine ziemlich niedrige Wertschätzung aufweisen und deswegen nicht wirklich als vollgültiges Zahlungsmittel angesehen werden, sollte eigentlich zu denken geben. Die lächerlichen Devisenbestimmungen der DDR waren ja auch nicht gerade dazu nützlich, der „Mark der DDR“ eine anständige Zahlungsfähigkeit außerhalb des eng definierten Zwangsannahmeraumes zu verleihen.

Dabei wäre die Geschichte eigentlich am besten damit aufzulösen, indem den zyprischen Banken jede beliebige Liquidität zur Verfügung gestellt würde, allerdings zu einem erheblich erhöhten Zinssatz, ganz so wie es nach Bagehot zu erfolgen hätte. Das würde natürlich bedeuten, daß damit das heilige Prinzip der EZB durchbrochen würde, stets einen einheitlichen Zinssatz für alle Banken der EURO Zone anzuwenden.

Vielleicht dient diese Krise, welche ein heiliges Prinzip – oder auch Illusion – der EURO-Zone ausgemacht hat nun auch dazu, das falsche Prinzip der Einheitlichkeit des Zinssatzes aufzubrechen. Das wäre die nachträgliche Korrektur der politischen Illusion, Zinssätze per Verordnung festzusetzen und nicht als Marktergebnis interpretieren zu wollen. (Möglicherweise ist diesem Desaster dadurch Vorschub geleistet worden, daß sich Heerscharen von mikroökonomisch indoktrinierten „Ökonomistas“ dem Glauben verschrieben haben, daß Lohnerhöhungen eine verteilungspolitische Relevanz besäßen. Nichts könnte falscher sein, denn was ein Lohn wert ist entscheidet sich nicht in Lohnverhandlungen, sondern auf dem „Markt“, wenn sich aufgrund von lohnbedingten Kostensteigerungen die Preise verändern – also erhöhen. Bei Zinsen gilt zudem noch, daß sie von Bewertungsänderungen d.h. von Bestandsänderungsgrößen abhängig sind. Gesamtwirtschaftliches Denken ist offensichtlich nicht jedermanns Sache und daß man dieses im VWL-Studium lernt gehört auch zu einer gepflegten Legende, deren Auswirkung in vielerlei Hinsicht zu beobachten ist.)

Vielleicht ist das Zypern-Desaster der Schlüssel dazu von der Allmachtsvorstellung europäischer Politiker mal Abstand zu nehmen und einzusehen, daß monetäre Ertragsraten sich immer noch einer politischen Einflußnahme entziehen. Denn wie sich das Verhältnis von Ertrag und Risiko einpendelt ist nicht in das Belieben derjenigen gestellt, die immer wieder davon schwadronieren, daß eine einheitliche Währung auch einen einheitlichen Zinssatz bedingen würde. Das Gegenteil ist der Fall, getreu dem (auch wenn´s schwerfällt: juristischen) Prinzip, daß unterschiedliche Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Eine europaweite Zinsnivellierung gehört jedenfalls nicht zu einer gesunden Geldpolitik! Daß die EZB mit ihren LTRO-Krediten genau dieses Prinzip ausgehebelt hat, macht denn auch ihr besonderes Versagen aus. Denn damit etabliert sie sich als Nicht-Zentralbank, weil damit die Emission von Liquidität in das Belieben von Privatbanken gestellt wurde. Anders gesagt: die europäische Geldspaltung, die sich jetzt sogar in der Etablierung von Kapitalverkehrskontrollen etabliert, ist eine Folge nicht der niedrigen Zinspolitik, sondern der gleichmacherischen Geldpolitik, der sie sich anscheinend verpflichtet fühlt.

Es geht einfach kein Weg daran vorbei: Liquidität muß zwischen den Banken europaweit in einem Auktionsverfahren emittiert werden, wodurch sich die Refinanzierungszwänge der jeweiligen Bieterbanken sofort widerspiegeln und nicht nach der Maßgabe irgendeiner Bedürftigkeit! Das hat seinen Grund darin, daß die Emission von Liquidität keinen demokratischen Prinzipien folgen darf. Die Bundesbank hat das noch gewußt – diese Geldpolitik hat stets funktioniert!

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4 Tage im Dezember

Mühle01Nun ist ja die Weltgeschichte nicht arm an bedeutungsvollen Daten, ob nun die Iden des März oder ‚the 5th of November‘, aber ob nun die ‚…four-day period in mid-December…‘  (von 2012) dieses Potential hat in die (ökonomische) Geschichtsschreibung einzugehen, muß zwar abgewartet, darf aber in der Zwischenzeit bezweifelt werden. Obwohl: es geht immerhin um nichts Geringeres als einen umgekehrten „Volker-Moment“, der in der Rückschau durchaus als Sieg der US-Notenbank gegen die Inflation gesehen werden muß.

Zur Erinnerung: 1979 wurde P. Volcker zum ‚chairman‘ der FED ernannt und wurde in der Folgezeit durch eine geldpolitische Strategie bekannt, die durch eine strikte Geldmengenverknappung geprägt war. Dies erfolgte vor dem Hintergrund steigender Inflationsraten in den 70er Jahren, deren Höchststände durch das deutliche Überschreiten der 10% Marke geprägt waren. Der Verlauf der ‚disinflation‘ war durch so schöne Dinge wie Rezession, steigende Arbeitslosigkeit und Unternehmenszusammenbrüche, ganz zu schweigen von den Insolvenzen etlicher 3.Welt-Staaten geprägt. Der „Lohn“ dieser Politik wird in den 20 Jahren ‚great moderation‘ gesehen, eine Phase, die mit Globalisierung, niedriger Inflation und steigender „Weltprosperität“ in Verbindung gebracht wird. So weit der Kinderkram!

Nun ist die Diskussion um den „Volcker-Moment“ schon etwas älter und betrifft eher die Diskussion um das sogenannte ‚NGDP-targeting‘, wo als inzwischen nicht mehr neuester Schrei der ökonomischen Hexenküche allen Ernstes vorgeschlagen wird, die Zentralbank möge doch eine Steuerung des nominalen Was-auch-immer-Sozialprodukts vornehmen. Dies deswegen, weil ja das ‚real GDP‘ sich durch monetäre Maßnahmen angeblich nicht verändern ließe, da ja nach Dafürhalten der Theorie der rationalen Erwartungen die Individuen durch Geldmengenveränderungen nicht getäuscht werden können, sie mithin frei von Geldillusion seien. Heiliger Bimbam – dagegen ist ja Bimbes was Reales!

Doch jenseits aller möglichen ökonomischen Phantasiewelten scheint sich inzwischen anzudeuten, daß Zentralbankpolitik zur letzten verbliebenen Politikoption geworden ist, was sich an dem Widerspruch zeigt, einerseits die Unabhängigkeit der Zentralbank aufs Innigste zu beteuern, während auf der anderen Seite die Zentralbanken zunehmend das Geschäft der Konjunkturpolitik zwar nicht de jure, aber immerhin de facto übernehmen, zu der die Politik aufgrund vielfältigster Selbstbindungen immer weniger in der Lage ist. Im Gegensatz zu der damaligen Volcker-Politik der Inflationsdämpfung hat die Geldpolitik heutzutage jedoch die ungleich undankbarere Aufgabe eine ökonomische Verhaltensänderung, und zwar hinsichtlich einer Steigerung der Investitionsneigung hervorzurufen, deren Ergebnis ein möglichst fühlbarer Wirtschaftsaufschwung sein möge.

Dabei werden zwei Dinge entweder übersehen oder als selbstverständlich gegeben betrachtet:

a) Zum einen kann eine Zentralbank, wenn sie expansiv wirken möchte, lediglich ein Angebot machen, um eine Steigerung des „Geldumlaufs“ zu bewirken, im Gegensatz zu einer Restriktionspolitik ist sie dabei jedoch stets auf die Mitwirkung ihrer ‚counterparts‘ angewiesen. Immerhin besitzt eine Strategie der Liquiditätsausweitung aufgrund der unbeschränkten Liquidität der Zentralbank eine vergleichsweise hohe Erfolgswahrscheinlichkeit.

und

b) Zum anderen ist die Vorstellung, daß die Senkung eines möglichst langfristigen Zinses eine wesentliche Voraussetzung für Investitionen sei, aus einer Theorie geboren, welche einmal voraussetzt, daß sich aufgrund von Preissenkungen für ein Wirtschaftsgut eine korrespondierende Steigerung der Nachfrage nach eben diesem Gut (quasi-per-definitionem) einstellt, sowie daß eine Zinssenkung – wenn schon keine hinreichende – so doch wenigstens eine notwendige Bedingung für die (mehr oder weniger marginale) Steigerung der Rentabilität von Investitionen sei. Daß es sich dabei um eine mikroökonomische Betrachtung handelt, die durch die allgemeinen Umsatzerwartungen der Unternehmer in keiner Weise gedeckt sein muß, läßt diesen Aspekt des hochwohlgelobten Transmissionsmechanismus als schwächstes Glied erscheinen.

Das Frappierende an der ganzen Angelegenheit ist jedoch, daß in diesen 4 Tagen, in denen die FED, die BOJ und die BoE zu einem Doppelmandat hinsichtlich des Ziels „Arbeitslosenrate“ eingestimmt wurden, die EZB in keiner Weise – zumindest offiziell – gewillt ist, eine multipolare Zielstellung – Geldwertstabilität plus Arbeitslosenrate, das Revival der „Phillips-Kurve“ – überhaupt auch nur anzudeuten.

Der Knaller ist also: die EZB ist die einzige (wenn man China mal ausnimmt) bedeutende Zentralbank, die immer noch ein monodimensionales Ziel verfolgt, da offenbar der Einfluß der Bundesbank immer noch groß genug ist, um in Europa das Primat der Politik der Strukturveränderungen durchsetzen zu können. Das erinnert an die Situation nach der Wende, als auch nicht klar war, wie sich die BRD hinsichtlich der „Kosten der Vereinigung“ positioniert. Das Ergebnis ist bekannt. Statt zwei Prozent Mehrwertsteuer (Wahlkampf CDU) wurden drei Prozent (Koalitionsbeschluß CDU-SPD) zusätzlich erhoben und damit die Staatsverschuldung auf ein erträgliches Maß begrenzt. Das gleiche Muster kündigt sich auch hier an. Die Schäuble-Nummer beruht auf dem gleichen Spiel – nur eine Nummer größer!

Man mag zwar sagen, daß die Politik der EZB auch nicht den Statuten, wie sie in Maastricht vereinbart wurden, entspricht, aber unter den Blinden ist die EZB genau dann einäugige Königin, wenn sie sich der Versuchung versagt, die Frage der Förderung einer nachhaltigen, industrielastigen Ökonomie mit einer Ausweitung des Liquiditätspotentials beantworten zu wollen. Die viel kolportierte Binsenweisheit, daß mit Zentralbank-Geld(-Politik) keine nachhaltige Konjunkturentwicklung  erzeugt werden kann ist ja insofern richtig, als es immer der Kooperation der Unternehmen (und nicht der Liquidität saugenden „Finanzmärkte“) bedarf, um „anständige“ Resultate hervorzubringen.

Das macht aber die 4-Tage-Geschichte auch so kurzläufig: der Irrglaube der FED etc. besteht darin, mit Hilfe der Zinsbeeinflussung aus der vermeintlichen(!) einzelwirtschaftlichen Steigerung der Rentabilität schlußfolgern zu wollen, daß damit auch eine gesamtwirtschaftliche Rentabilität erzeugt wird – und damit das seit Jahren virulente Krisenphänomen des Kapitalismus adressiert werden kann. Das ist aber nicht der Fall, denn die Erhöhung des Volumens der Zahlungsmittel – was anderes kann eine Zentralbank nicht – macht noch keine Konjunktur aus. (Wer an die Schwalbe und den Sommer denkt, denkt richtig!) Konjunktur ist dann, wenn die Leute kaufen wie blöde – sonst nicht, das hat aber mit Zentralbankpolitik nichts zu tun – Ricardo-Barro-Neutralitätstheorem hin oder her!

Wäre es so, dann würden die Unternehmen auch so reagieren, wie es die anglo-Ökonomie es vorsieht – allein so ist es nicht und wird es auch nicht mehr werden – allen treuherzigen Beteuerungen seitens der Wirtschaftsforschungsinstitute und der versammelten Presse und leider auch der GfK zum Trotz.

Verfluchte Makroökonomie!

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Die Rüstung der Bundesbank

Die Geldtheorie ist immer wieder eine goldige Spielwiese für „was wäre wenn“ Überlegungen, deren Vorteil es ist, niemals in eine ernsthafte Realitätsdimension vorzustoßen zu können. Darum eignet sie sich auch hervorragend dazu, Ängste vor Eventualitäten zu schüren, die nur dann einzutreten pflegen, wenn Juristen versuchen, ökonomische Sachzusammenhänge entscheiden zu wollen. Der letzte Versuch, Juristen dazu zu bringen, ökonomische Sinnfragen zu entscheiden, blieb an der (aus der Sicht der Kläger) Intransigenz bzw. der Professionalität der Verfassungsrichter hängen. Zum Glück!

Das Neueste an Verwirrung liefert die „Was wäre wenn“-Philosophie in Bezug auf die Schadenfolgeabschätzung in Bezug auf den Fall, daß es zu einem Zusammenbruch der EURO-Währung kommen würde. Das erfolgt mit dem Hintergrund, daß das deutsche Selbstverständnis – nachdem es, mehr oder weniger erfolgreich, von jedem völkischen Denken „bereinigt“ wurde – sich in dem Erfolg des Nachkriegs-Wirtschaftswunders wiederfinden konnte. Dabei wurde die Stabilität der D-Mark, welche mit der Zusatzbeschreibung „Härte“ doch eher an Krupp-Stahl denn an erfolgreiche Kooperation erinnert, das abstrakte(!) Paradepferd, welches als Ausweis überlegener Wirtschaftskraft erfolgreich darstellbar war.

Umso mehr trifft es dieses Selbstverständnis, wenn nun der EURO ins Zwielicht gestellt wird, indem Zweifel daran gesät werden, ob sich der Wechsel von D-Mark zu EURO nicht doch zu einem unabsehbaren Desaster auswachsen könnte oder nicht. Leitlinie dieser Hysterie ist die Insinuierung, daß „unser schönes Geld“ bei einem fehlschlagenden Versuch in Sachen EURO lediglich für ein irreales EURUNION-Traumgebilde verbrannt worden wäre, wobei die Verantwortung für dieses Desaster selbstverständlich in einer nicht-deutschen Arbeitsethik gesucht werden müsse. (Dieses Argument ist zur Hälfte richtig, allerdings geldtheoretisch nicht stichhaltig – was es umso problematischer macht, es abzuwehren!)

Was also bereitet der deutschen Seele – made in USA – die größten Unannehmlichkeiten? Richtig: die Sorge um den Erhalt des „schönen Geldes“! Und wer ist der Retter? Wiederum richtig: die Bundesbank!

Das „Was-wäre-wenn“-Szenario findet sich in diesem Fall in der Frage, was passieren würde, wenn es zu einem Zusammenbruch des EURO käme und welche Stellung dann einer Bundesbank zukäme, die ja dann wieder in Deutschland zu der alleinigen Hüterin der Währung reavancieren würde. Dabei soll es an dieser Stelle erstmal nicht um die anscheinend immer noch nicht verstandenen TARGET-Salden gehen, welche ja inzwischen dazu herhalten müssen, jegliche Kritik an der Krisenpolitik der Bundesregierung abzuwehren, weil das Argument, die Krisenpolitik sei deswegen alternativlos, weil sonst mehr als eine halbe Billion EURO (je nach Phantasie auch gerne mehr) als Verlust zu befürchten seien, ohne eine fundierte Kenntnis der tatsächlichen Sachverhalte nur schwer abgewehrt werden kann. Daß die TARGET-Salden natürlich von sachunkundigen Juristen zu einem gesamtwirtschaftlichen Verlust umdefiniert werden können, muß man ja nicht bestreiten – richtig ist jedoch, daß diese Verrechnungssalden unter Zentralbanken eben das sind: nämlich Verrechnungssalden und eben weder Forderungen noch Verbindlichkeiten darstellen. Und damit auch kein Forderungsausfallgegenstand.

Aber nehmen wird mal an, es käme tatsächlich zu einem Forderungsausfall, welcher für die Bundesbank zu einer Bilanzkonstellation führte, wo der Posten „Eigenkapital“ auf der „falschen“ nämlich auf der Aktivseite stünde. Denn das ist zumindest für normal wirtschaftende Unternehmen der Punkt, an dem die Insolvenz qua Überschuldung beantragt werden muß. Denn ein Eigenkapitalsaldo auf der Aktivseite bedeutet, daß das Vermögen nicht mehr die Schulden deckt und somit – wie auch bei dem Kriterium Illiquidität – das Ereignis Überschuldung den Gang zum Insolvenzrichter notwendig macht.

Doch das gilt natürlich nicht für die Bundesbank. Die steht natürlich in alter Nibelungentreue für die Prinzipien der „harten“ D-Mark (die nicht mehr wiederkommen wird) und stellt sich dem Drachen „Forderungsverluste“ gegenüber der untergegangenen EZB heldenhaft entgegen, indem sie trotz des Makels eines negativen Eigenkapitals die Zukunft des deutschen Geldwesens in verantwortungsvoller Weise zu führen imstande wäre und damit eine wiedergewonnene D-Mark-Freiheit mitgestaltete!

Aber nun mal ernsthaft: soweit eine Zentralbank hinsichtlich desjenigen Zentralbankgeldes, welches sie selbst emittieren kann, in Anspruch genommen wird, gibt es kein Vertun: sie ist immer und unbedingt zahlungsfähig. Das liegt an einer kleinen Geschichte im Zentralbankrecht, daß die Geschäfte auf eigene Rechnung von einer Zentralbank mit Zentralbankgeld bezahlt werden könnten. Heißt: Zentralbanken können Gehälter oder sogar Luxusbauten mit selbst emittiertem Geld bezahlen. (Nur das ist das, was mit „inflationsfördernder Geldschöpfung“ bezeichnet wird. Das hat was mit der Frage der Integration von Zentralbankgeld zu tun – ein verwickeltes Problem.) Das heißt, das Zentralbanken laufende Kosten mit einer Bestandsveränderung des Bilanzpostens Zentralbankgeld ausgleichen können und nicht dazu gezwungen sind, entsprechende Einnahmen erzielen zu müssen. Obwohl die Bundesbank in ihrer Geschichte noch nicht zu dieser Zuflucht greifen mußte und jegliche Zahlungsanforderung aus den ihr zufließenden Zinserträgen finanzieren konnte, gibt dieser Aspekt die Antwort auf die Frage, ob eine Zentralbank mit einem negativen Eigenkapital weiterhin eine geldwertstabilisierende Funktion wahrnehmen kann: JA, sie kann es!

Das gilt immer und unbedingt. (Das gilt nicht insoweit eine Zentralbank Zahlungsanforderungen in einer Währung zu erfüllen hat, welche sie selbst nicht emittieren kann.) Es ist daher nicht notwendig, daß die Bundesbank irgendwelche anderen Tricks anwendet, es ist auch nicht nötig, daß „die Bürger ihr Vertrauen in die Zentralbank“ aufrechterhalten. Denn solange eine Zentralbank die Möglichkeit hat den Umlauf an Zentralbankgeld derart zu steuern und sie damit die Kreditkonditionen der Geschäftsbanken, die sich als allererstes auf den Interbankenmarkt auswirken, beeinflussen kann, ist ihrer Gestaltungsmacht keine Grenze gesetzt.

Auf das Vertrauen der Bürger kann sie getrost verzichten!

Denn eine Zentralbank ist nicht deswegen mächtig, weil sie Erträge erwirtschaftet, sondern weil sie das ihr angeschlossene Banksystem dazu veranlassen kann, einen soliden Bonitätsstandard einzuhalten. Das macht sie dadurch, daß sie die Verfügbarkeit von Zentralbankgeld so knapp hält, so daß sich die Geschäftsbanken stets einem Liquiditätsproblem ausgesetzt sehen, was letztere postwendend durch eine solide Geschäftspolitik honorieren müssen.

Das Problem mit den TARGET-Salden ist, daß – richtig betrachtet – das Einflußpotential der Bundesbank bei einem EURO-Zusammenbruch dadurch reduziert würde, daß sie einen Kassenbestand ausweisen müßte, welcher das latente Forderungsvolumen der Geschäftsbanken widerspiegelt. Auf die Verwendung dieser „Schuldpositionen“ hat die Bundesbank keinen Einfluß! (Denn ein positiver TARGET-Saldo bedeutet, daß die Bundesbank eine Geldschöpfungsposition übernimmt, die sie selbst nicht geschaffen hat!) Darauf hat als einziger Ökonom bisher H.-W. Sinn hingewiesen – trotz seiner teilweise abstrusen geldtheoretischen Vorstellungen! Respekt!

Dieser Verpflichtungsanteil ist es, welcher der Bundesbank für einige Zeit die „Herrschaft“ über den deutschen Geldmarkt entziehen würde. Denn der Abbau der TARGET-Salden wird erst dann passieren, wenn die EURDM (so es sie jemals geben würde) zu einer Weltleitwährung wird und damit die Knappheitsdoktrin der Bundesbank wieder zu einer bindenden Restriktion wird. (Für Buchhalter: Kassenbestand gegen Auslandsforderung – simpler Aktivtausch!)

Es ist nicht zu erwarten, daß das der bisherigen Leitwährung gefällt!

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Die schwäbischen Hausrichter

Normalerweise ist ja Ambrose Evans-Prichard (wo hat der eigentlich den Doppelnamen her?) ungefähr so sachlich und neutral wie die ehemalige DDR-Postille „Neues Deutschland“. Aber wenn er nicht aufpaßt, rutscht ihm doch mal etwas Sinnvolles heraus:

„Germany’s ESM share is capped at €190bn, so what happens if Spain and Italy are forced to step out of the rescue machinery because they themselves are in too much trouble to fund the mechanism?

The Court made it clear that Germany will not automatically pick up the slack.“

Der entsprechende Twitter-Sprech:  s.o.

Was dann passiert ist klar: der ESM kann dann nicht seinen vorgesehenen Umfang von 750 Mrd. € erreichen, es sei denn, der Bundestag und -rat usw. stimmt einer diesen Ausfall kompensierenden Erhöhung des Haftungsbetrages zu. Das führt natürlich zu einer lustigen Situation, wenn eine Erhöhung des Haftungsbetrages damit begründet werden muß, daß ein Haftungsträger seine Haftungsaufgaben nicht wahrnehmen kann und deswegen die verbleibenden Haftenden ein entsprechend höheres Haftungsvolumen beschließen müssen. Ich freue mich schon auf die kreativen Darstellungen, warum derartige „alternativlose“ Beschlußvorlagen „einen wichtigen Beitrag zu einer gemeinsamen Rettung des EURO“ sein sollen. Well: gemeinsam kann man auch allein sein, schon lustig!
Das sind aber noch die harmlosen Aspekte.

Ärgerlich wird der aktuelle Richterspruch deswegen, weil die jüngst erweiterten Kriterien für einen Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB offensichtlich auf der Abschußliste des Bundesverfassungsgerichts stehen. Denn was für Richter in Frage steht ist nicht, ob ein gegenwärtiger EZB-Präsident eine kreative Begründung dafür hat, weshalb die EZB einen Kauf von Staatsanleihen vornimmt, sondern ob der Vorgang des Kaufs an sich bereits eine Überschreitung der vertraglichen Kompetenzen der EZB darstellt.

„An acquisition of government bonds on the secondary market by the European Central Bank aiming at financing the Members’ budgets independently of the capital markets is prohibited as well, as it would circumvent the prohibition of monetary financing.“

Das heißt im Klartext, daß auch Käufe von Staatsanleihen der EZB auf dem „Sekundärmarkt“ verboten sind. Offenbar haben die Richter die Nase voll davon, daß unter dem Deckmantel der „Unabhängigkeit der EZB“ inzwischen Dinge passieren, welche durch die EU-Verträge in keiner Weise gedeckt sind. Die Drohung ist damit offensichtlich: sollte sich die Bundesregierung nicht langsam dazu durchringen, die EZB/ESM-bedingten potentiellen Haftungsrisiken durch klare Ausschlußklauseln hinsichtlich einer möglichen Haushaltswirksamkeit abzuwenden, würde das Bundesverfassungsgericht dazu übergehen müssen, die – in Bezug auf die Handlungen der EZB – permissive Handlungsweise der Bundesregierung als nicht verfassungskonform zu rügen! Das sieht aus wie eine Einladung an die Kläger, ihre Klageschriften auf die richtigen Punkte auszurichten.

Man kann es aber auch andersherum sehen: die Richter haben mit ihrem gestrigen Spruch der Bundesregierung in ihren Bemühungen, die Staatsanleihenkäufe der EZB zu verhindern, den Rücken gestärkt, indem sie latent die Mitgliedschaft im EURO in Zweifel gezogen haben. Denn auch wenn die Meinung vorherrscht, daß das Urteil im Hauptsacheverfahren keine größeren Änderungen erbringen werden, läßt sich dennoch absehen, daß die Richter in Bezug auf eben diese Staatsanleihekäufe sich eine juristische Schranke einfallen lassen werden, welche deren „Unbegrenztheit“ wiederum beschränkt. Das könnte zu einem späten Erfolg Gauweilers führen, dessen Eil-Eilantrag zwar im Höchsttempo abgeschmettert wurde, was im Umkehrschluß ja nicht heißt, daß damit nicht ein justiziables Thema berührt würde.

Es scheint so, als würde der Vorstoß der EZB hinsichtlich der angekündigten OMTs vom vergangenen Donnerstag vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert werden. Wenn man so will kann man das auch als eine Stärkung der Bundesbank sehen, die den EZB-Kurs schon lange nicht mehr mitträgt. Die Definition dessen, was die EZB als mit ihrem Mandat als vereinbar ansieht, dürfte vor den juristischen Argumenten des Bundesverfassungsgerichtes letztlich zerplatzen. Der Punkt bleibt spannend, es wird ja schon spekuliert, ob das Bundesverfassungsgericht (resp. die Bundesregierung) die EZB wegen der OMTs vor den EuGH zitiert.

Und nun? Bringt dieser ganze Zauber etwas hinsichtlich der Lösung der Haushalte-/ Banken-/ Staatenschuldenkrise? So richtig nicht, denn was damit festgeklopft wird ist die Troika-Austerität, deren segensreiche Wirkungen man in den betroffenen Ländern vergeblich sucht. Das ist jedoch nur der kurzfristige desaströse Aspekt, denn auf der anderen Seite könnte man erkennen, daß säkulare finanzpolitische Entwicklungen – um die es sich bei der „Multipolaren Schuldenkrise“ handelt – nicht mit albernen „Strukturreformen“ bewältigt werden können. Denn wenn es um Finanzfragen geht muß man auch eine adäquate Antwort drauf haben. Wie man weiß, kann man als Schuldner eine fällige Zahlungs nicht durch die Lieferung einer Gütermenge substituieren.

Insofern ist auch der Jubel der Politik über die Errichtung des ESM ein bißchen verfrüht. Denn welches Problem wird damit gelöst, die Handlungsfreiheit der EZB mit Hilfe verfassungsrechtlicher Gründe zu beschränken? Lag nicht auch ein wesentlicher Grund für den ESM darin, die Spekulation an den Finanzmärkten mit bonds einzudämmen? War nicht die EZB der letzte Joker, wenn es um die Abwendung von Refinanzierungskrisen – sowohl bei Banken, als auch bei Staaten – ging (LTRO)? Man wird den Eindruck nicht los, daß die schwäbischen „Sparvorschriften“ der Richter wieder diejenigen Effekte hervorbringen, die mit der Ankündigung der EZB hinsichtlich der Durchführung „unbegrenzter“ OMTs als beherrschbar gegolten haben.

So wird auch der Jubel der Finanzmärkte verständlich, denn sie haben nicht deswegen gejubelt, weil eine Lösung für das EURO-Überschuldungsproblem in Sicht ist, sondern weil es in der EURO-Zone jetzt wieder mit Spekulation was zu verdienen gibt! Wozu schwäbische Sparsamkeit doch alles gut ist!

 

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EZB: Was ist eigentlich passiert?

Die lustigen Verlautbarungen der horroraffinen veröffentlichten Presse zur EZB können eigentlich nur noch als ‚running gag‘ angesehen werden. Man kann sich natürlich auch Gedanken machen, was wirklich passiert ist: ‚business as usual‘!

Der Kauf von ‚bonds‘ ist nämlich ein normaler Vorgang für eine Zentralbank. Das ist auch der Bundesbank passiert. Man muß sich fragen, welche Ziele damit erreicht werden sollen. Die offizielle Begründung ist, daß die geldpolitischen  Impulse offensichtlich nicht mehr wirken. Das kann ja durchaus sein, nur dann muß man sich fragen, aus welchem Grund sie ihre Wirksamkeit verloren haben. Die Geschichte mit den ‚bonds‘ ist dabei nur vordergründig von Wichtigkeit. Denn die säkulare Entwicklung der Zinsen ist großflächig im Sinken begriffen. Daher sind steigende Zinsen an sich ein Anachronismus. Nur: als Alarmsignal reicht das!

Der eigentliche Grund für die europäische Geldspaltung liegt darin, daß die Banken ein Rentabilitätsproblem haben, aus dem sie sich nicht selbst befreien können. Das Problem ist, daß die EZB nur Liquidität zur Verfügung stellen kann, aber keine Rentabilität. Ein bißchen geht das zwar, indem sie den Leitzins senkt, aber das hilft nicht viel. Denn das wirkliche Problem ist die mangelhafte Rentabilität der Unternehmen, welche die Rentabilität der Banken untergräbt. Das bekommt man nur hin, wenn die Unternehmen wieder den erforderlichen Schuldendienst selbst erwirtschaften können. Damit handelt es sich bei den ‚bond‘-Käufen um ein klassisches Nachfrageprogramm.

Das kann man machen, die Frage ist, warum ist das nötig? Die Antwort ist: ein Bauboom verändert die relativen Preise zwischen den Bestandspreisen und den Preisen der allgemeinen Lebenshaltung. Denn die Übersteigerung der Baupreise müßte an sich eine dementsprechende Steigerung der Lohneinkommen nach sich ziehen, damit der cash-flow der Bauunternehmen das erforderliche Volumen aufweist. Dabei kann es auch Pannen geben, die den (armen) „Investoren“ vor Augen führen, daß sie sich nicht auf temporäre Konjunkturen verlassen können. Das Ärgerliche ist: die Einkommen aus Bautätigkeit können sich verdünnisieren. Das äußert sich entweder in Kapitalflucht oder in Konsum- oder Investitionsverweigerung. Und davon sind auch ‚bonds‘ betroffen. So einfach ist das.

Niemand braucht dabei zu argumentieren, daß ja eigentlich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ja da sein müßte. Weit gefehlt: Kapitalverkehrsfreiheit bedeutet eben auch, sein Geld nicht dort ausgeben zu müssen, wo es erwirtschaftet wurde. Das ist so!

Was kann man als Zentralbank dagegen tun? Eben das! Warum? Weil Geldspaltung nicht nur was mit Zinsen zu tun hat, sondern auch mit Ertragsraten! Diese sind dann platt, wenn die erzeugten Einkommen nicht mehr demjenigen Wirtschaftskreislauf zugeführt werden, wo sie ursprünglich entstanden sind. Und wie steigert man Ertragsraten? Richtig: indem dort Geld ausgegeben wird, wo es eine Renditeklemme gibt! Kapitalverkehrsfreiheit hin oder her!

Daß die EZB damit Dinge macht, die nicht zu ihrem legalistischen Auftrag gehören – sicherlich! Das kann man kritisieren: Nur: warum kann sie es dennoch tun? Eben: weil die wesentlichen(!) geldvermögensvernichtenden Wirkungen der Finanzierung von Staatsschulden nur dann eintreten, wenn man einen Krieg verloren hat!

 

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Die Illusionen der EURO-Bond Jünger

Die Hysterie der persönlich nicht haftenden Schuldenverbürger wird immer schriller. Da ist mal eine nicht offizielle Ansage seitens der Bundesregierung erfolgt und schon wird der Chor derjenigen, die sich mit einer vermeintlichen Progressivität schmücken wollen, indem sie einer nicht endenden Schuldenorgie das Wort reden, immer zickiger. Denn wie soll man es interpretieren, daß eine Absage an eine generelle Bürgschaftserklärung dazu Anlaß gibt, davon zu reden, daß die aktuelle Bundesregierung „den EURO zerstört“? Und das vor allem vor dem Hintergrund, daß die USA als weltgrößte „bail-out“-Nation inzwischen selber einen Schreck davor bekommt, daß das Staatsschuldenwachstum anscheinend nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. Und das sogar und vor allem bei der Nation, die aufgrund der Tatsache, daß es sich hierbei um die – noch – aktuelle Weltreservewährung handelt, sich derzeit noch nicht einmal wirklich um derartige Dinge kümmern muß? Will man aus der Geschichte fehlgeschlagener Staatsinterventionen nichts lernen? Oder ist die Paranoia und die latente Großmannssucht bei dieser Staatsschulden affirmierenden Fraktion schon so weit fortgeschritten, daß das simple Einhalten von Grundregeln einer nachhaltigen staatlichen Haushaltspolitik schon als Ausdruck vermeintlich hinterwäldlerischer „Schwabenökonomie“ diffamiert wird?

Man muß sich bei dieser ganzen Diskussion mal eine Geschichte wieder klarmachen: Staatsschulden sind im Grundsatz nicht dazu da, um eine Investitionsunlust der Unternehmen wettzumachen, genausowenig wie private Gewinnprojektionen, die sich aus irgendwelchen Gründen nicht erfüllt haben, durch staatliche Schuldenaufnahme wieder zu reparieren. Es gab natürlich Zeiten, in denen die Staatsschuld als Gegenposten privater Geldvermögensbildung herhalten konnte, weil die Wachstumsraten der privaten Investitionsneigung dies zugelassen haben. Mit der Abschwächung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums gerät aber auch die staatliche Schuldenaufnahme in eine Klemme. Unter anderem auch deswegen, weil es inzwischen Usus geworden ist, Staatsschulden eine zeitliche Befristung zu geben, obwohl jeder, der sich mit der Materie ein bißchen auskennt weiß, daß Staatsschulden nicht dazu da sind, jemals zurückgezahlt zu werden. (In den Zeiten der ‚consols‘ was das alles noch ehrlicher!) Das liegt an dem blöden Hauptsatz der Kreditgeldökonomie, daß positives Nettogeldvermögen nur dann existiert, wenn auch das entsprechende negative Nettogeldvermögen vorhanden ist. Das negative Nettogeldvermögen besteht aus Staatsschulden, ob es sich nun bei den Gegenposten um die „mündelsicheren“ Anlagen handelt, ob es die „risikolosen“ Repo-Papiere sind, oder ob es um den Großteil der privaten „Lebensversicherungen“ geht: der größte Teil der gesellschaftsinternen Verschuldung alias privates Geldvermögen hängt an der Sicherheit der Staatsschuld – ob einem das nun gefällt oder nicht!

Wenn man dies mal im Kopf hat, wird auch klar, warum die Vergemeinschaftung der Staatsschulden, ausgerechnet bei den Staaten, die damit inzwischen ein substanzielles Problem haben, so attraktiv ist. Denn das Versprechen, welches durch einen Staatsschuldtitel gegeben wird ist so viel wert, wie es im Weltmarktmaßstab bewertet wird. Berücksichtigt man diesen kleinen aber wesentlichen Umstand wird klar, warum sich in Vor-EURO-Zeiten kein einziger Staat unmittelbar und freiwillig dazu bereit erklärt hat, eine Abwertung der eigenen Währung zuzulassen. Denn im Gegensatz zu der landläufigen und falschen Meinung, daß die Hauptzielrichtung einer Abwertung die Wiederherstellung einer imaginären „Konkurrenzfähigkeit“ auf dem Weltmarkt ist, muß der eigentliche Effekt einer Abwertung darin gesehen werden, daß das Wert- und Wohlstandsversprechen der Staatsschuld durch eine Abwertung eine empfindliche Einbuße erleidet. Denn wenn der Wert von Geldvermögensansprüchen auf einer internationalen Ebene durch die Devisenreserven einer Zentralbank nicht mehr gewährleistet werden kann, sind die Würfel für eine Abwertung zwangsweise gefallen. Daß das Geldvermögensbesitzern nicht gefällt, kann man sich ziemlich leicht vorstellen. (Spiegelbildlich dazu kommt der Widerstand gegen eine Aufwertung nicht von Geldvermögensbesitzern, sondern tatsächlich von der Exportwirtschaft, die ihre Weltmarktstellung gefährdet sieht – ob das tatsächlich stimmt oder nicht, steht auf einem anderen Blatt.)

An dieser Stelle liegt der Hase im Pfeffer: positive Geldvermögensbestände sind immer dann gefährdet, wenn die entsprechenden negativen Geldvermögensbestände in die Schieflage geraten. Heißt: geraten die Wertpapiere, welche die Grundlage für die „Guthaben“ bilden unter Druck, werden die damit korrespondierenden Ansprüche entsprechend geringer. Doch sobald der Wechselkurs – als Ausdruck der Änderung der Bewertung von Geldvermögensansprüchen – nicht mehr zur Verfügung steht, geht im Grunde kein Weg daran vorbei, den Vorgaben desjenigen zu folgen, der den höchsten Bonitätsstandard setzt. Man ahnt es schon: der höchste Bonitätsstandard wird in EURO-Land durch Deutschland gesetzt! (Das war auch schon in VOR-EURO-Zeiten so, obwohl die relative Stärke der deutschen Mark seinerzeit noch hauptsächlich der Deutschen Bundesbank zugeschrieben wurde, wobei deren Verdienste um die Aufrechterhaltung eines überdurchschnittlichen Bonitätsniveaus durchaus beträchtlich gewesen sind.) Daß das durch ein Zusammenspiel von Bundesbankpolitik, gewachsener vorausschauender Bankenstrategie, zuzüglich einer effektiven Durchsetzung von Geldansprüchen seitens der Justiz sowie einer implizite Affirmierung der Berechtigung von Schulddurchsetzungsmaßnahmen seitens der Bevölkerung zustande kam, wird bei der platten Frage, wie geldwerte Versprechen in „Pleitestaaten“ garantiert werden können, geflissentlich übersehen!

Und das ist das Desaster der Schuldenverbürger: von denen wird tatsächlich behauptet, daß allein eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme – wie es seit Jahren in den Köpfen der EURO-Bond Befürworter herumspukt – dazu führt, daß dieses soziale Geflecht bzw. die soziale Operationsweise, welche Schulden als soziale und verantwortungsvoll operierende Interaktionsform pflegt, auf einmal automatisch in bislang schuldentechnisch verantwortungslos handelnden Gesellschaften zur Blüte gelangen könnte. Das ist in etwa genauso naiv, wie die Vorstellung, daß man durch ein bißchen Anleitung und ein paar Wahlgänge in klientelistisch strukturierten Staaten eine Demokratie einführen könnte. Die desaströsen Erfolge des ’nation building‘ lassen für den Erfolg der Einführung von EURO-Bonds nichts anderes erwarten, als eine Hypertrophierung verantwortungsloser Verschuldungsbereitschaft.

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