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Nüchterne Anmerkungen zu einer hysterischen Debatte

Es gibt mal wieder einen „Brandbrief“ deutscher Ökonomen. Kernthese dieses Briefes ist die Warnung vor einer Bankenunion, die eine Vergemeinschaftung der Risiken des Bankensystems in EURO-Land zur Folge haben soll. Das klingt erstmal nach einer weiteren Erweiterung der Haftung Deutschlands hinsichtlich der insolvenzgefährdeten Südländer in EURO-Land.

Nun ist ja eine Vergemeinschaftung von Risiken eine altehrwürdige Technik, um die Betroffenen einer Risikoklasse vor dem Eintreten eines Risikos, wenn schon nicht zu schützen, so doch die üblicherweise desaströsen Folgen weitgehend zu mildern. Dieses Prinzip nennt sich Risikoversicherung und ist ein bestens eingeführter Bestandteil der Daseinsvorsorge. Von daher gibt es eigentlich keinen Grund, eine gemeinsame Risikovorsorge in einem euroweiten Risikosicherungsfonds abzulehnen.

Das Mißtrauen gegen eine Vergemeinschaftung des Risikos einer Bankeninsolvenz kann eigentlich nur in einer impliziten Annahme stecken, die von der Theorie der Risikovorsorge in keiner Weise gedeckt wird. Denn normalerweise würde jede Versicherung die Risiken nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit bewerten und demgemäß die Prämien für den jeweiligen Teilnehmer des Risikopools in entsprechender Höhe festsetzen. Das hätte dann schlichtweg zur Folge, daß die Banken der „Südländer“ salopp gesagt die 100-fache Risikoprämie zahlen würden wie die Banken aus Deutschland oder Finnland. Das wäre für letztere Banken durch einen Griff in die Portokasse erledigt, während es für die hoch risikobehafteten „Südbanken“ ein Finanzaufwand wäre, der von ihnen wahrscheinlich kaum geschultert werden könnte. In einer derartigen Konstellation von einer Haftung deutscher Sparer für die betroffenen Problembanken zu sprechen ist schon ziemlich weit hergeholt.

Dieses Mißtrauen hat aber einen realen Kern. Der besteht nämlich daraus, daß die Konstruktion des ESM auf einem Solidaritätsgedanken beruht, der wie beim steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip die Lasten der Krisenbewältigung auf die vermeintlich finanzstarken Länder umlegt. Nun wird man sich in Südeuropa nicht einbilden, daß die Einzahlungen in einen derartigen Fonds dergestalt erfolgen, daß Deutschland gemäß seiner Wirtschaftskraft für 23% dieses Sicherungsfonds einsteht, sondern es wird zu einer Vorstellung kommen, daß alle Banken die gleichen Beitragslasten zu erfüllen haben. Das klingt fair, ist vom Standpunkt der Risikoverteilung jedoch nichts, was ein anständiger Risikokalkulator für angemessen halten würde. HIER lauert die Bananenschale, die zu einer Subvention von „Südbanken“ führen würde, welche noch nicht mal durch die Richtlinien der europäischen Wettbewerbsbehörde gedeckt sein dürfte. Man erinnere sich an die Kritik der EU-Wettbewerbsbehörde im Zusammenhang mit der Gewährträgerhaftung von Landesregierungen zu Gunsten deutscher Landesbanken und Sparkassen.

An dieser Stelle muß man mal wieder an die Erkenntnisse von Stiglitz/ Weiss erinnern, weil eine Kreditvergabe an Schuldner, die keine nachvollziehbaren Zukunftsaussichten darstellen können selbst bei dem Angebot exorbitanter Zinsen keine positive Kreditzusage zu erwarten haben. (Das hat auch was damit zu tun, daß man Vertrauen nicht mit dem Versprechen höchster Geld-/ Zinszahlungen erkaufen kann.) Übertragen auf eine Risikogemeinschaft würde ein derartiges Risiko von einer ordentlich wirtschaftenden Versicherung schlicht und einfach abgelehnt, weil die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikofalls durch noch so hohe Prämien nicht gedeckt werden könnte. Und selbst unter politischen Zwangsgesichtspunkten (Zwangsmitgliedschaft bzw. Zwangsaufnahmeverpflichtung kennen die AOKs zur Genüge) müßten die Risikoprämien für „Südbanken“ demnach derart hoch sein, daß sie von alleine von der Idee eines europäischen Bankensicherungsfonds Abstand nehmen würden.

Das heißt auf gut Deutsch: würde man diesen Bankensicherungsfonds nach versicherungsüblichen Kriterien bepreisen, wäre die ganze Idee sowieso schon begräbnisreif. Wenn Politiker sich aber zu solchen Ideen bekennen, ist das Mißtrauen insofern berechtigt, weil zu erwarten ist, daß auch die Lastenverteilung der Finanzierung dieses Fonds NICHT nach ökonomischen Kriterien erfolgt.

Und das wäre tatsächlich ein Desaster, weil sich Politik über Ökonomie stellt und das Prinzip Risikogemeinschaft zugunsten eines oktroyierten Solidaritätszwangs beiseite gewischt wird. In diesem Fall ist der professorale Aufruf nur zu berechtigt!

Update:

Der SVR hat in seinem jüngsten Gutachten ebenso darauf hingewiesen, daß er nicht damit rechnet, daß die Anpassung der Versicherungsprämien die notwendige Höhe aufweisen wird. Das ist natürlich dort etwas höflicher ausgedrückt:

„Daher müsste eine Versicherungsgebühr so an die Risiken einer Bank angepasst werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Schieflagen bei den Banken tatsächlich sinkt. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, könnte eine Einlagensicherung auf europäischer Ebene zu einem Transfermechanismus werden und Anreize zur Verschuldung tendenziell erhöhen.“

http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/publikationen/sg2012.pdf  Ziffer 55

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