Monatsarchiv: Juli 2012

Graeber: schon wieder eine Sackgasse

Es ist doch wirklich zum wimmern, da schafft es jemand schon mal in die Schlagzeilen zu kommen und dabei noch den Kapitalismus zu kritisieren, schreibt ein Buch über hunderte Seiten, welches ebenso zu einem Erfolg wird, und dann? Versagt er bei der ersten Gelegenheit erklären zu können, was die akuten Probleme des Kapitalismus seien und wie man sie beheben könne. Das Problem des Kapitalismus sei was? Ein Moralisches!
Aha, so hatten wir uns immer eine sachkundige Kritik vorgestellt!

Nein Geselle Graeber, die Konstruktion des Kapitalismus hat nichts mit Moral zu tun, sondern damit, daß es für Menschen eben vorteilhafter ist zu kooperieren, denn als Einzelkämpfer durch die Welt zu streifen. Und die Erkenntnis ist viel jünger und bereits bei Adam Smith zu finden, der mit seinem Stecknadelbeispiel viel mehr an Inhalt zu bieten hat, als Sie mit Streifzügen über 5000 Jahre. Es ist zwar richtig, daß der Mainstream der ökonomischen Theorie von Adam Smith nur die Geschichte mit dem Tauschverhältnis von Hirsch und Biber aufgegriffen hat, was uns über 200 Jahre danach immer noch mit einer Tauschtheorie des Wirtschaftens dastehen läßt. Hätten Sie aber das Arbeitsteilungskonzept der Stecknadeln mit dem Schuldenkonzept in Verbindung gebracht, wäre uns eine weitere peinliche Kritik des Mainstream erspart geblieben. Aber nein, Sie mußten ja Schulden mit Moral verknüpfen, dabei ist es erforderlich und notwendig, Schulden als soziale Interaktion zu sehen, d.h. als ein Teil der Wirtschaft, welcher Kooperationsbeziehungen möglich macht, die über die gemeinsame Erbeutung eines Mammut hinausgehen.

Was heißt das?

Von Adam Smith kann man entweder die Tauschidee aufgreifen und kommt so zu einer Tauschtheorie des Wirtschaftens, bei der das Geldwesen ein Appendix der Lösung der Tauschtheorie bleibt. Das heißt, erst wird die Lösung der allgemeinen Gleichgewichtstheorie – die Menge der relativen Preise – bestimmt und dann die Geldmenge ins Spiel gebracht, die je nach Benutzungshäufigkeit dann die absoluten Preise (Tauschgeldpreise) erzeugt. Es klingt lächerlich, aber genau das ist die Grundlage der heutigen Volkswirtschaftstheorie, die sich immer stärker der Herausforderung gegenübersieht auf Probleme des Geldsystems Antworten geben zu müssen, für die sie aufgrund der Konstruktion ihrer Theorie überhaupt keine haben kann! Was bleibt ist Versuch und Irrtum – so hatten wir uns das schon immer vorgestellt mit der Wissenschaft.

Oder man greift die Kooperationsidee von Adam Smith auf, die sich in dem Stecknadelbeispiel wiederfindet und analysiert daraufhin die Funktionsbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit sich dieses Ordnungsprinzip zu einem allgemeinen ökonomischen Verfahrensstandard entwickelt, der dann in den Kreditgeldkapitalismus heutiger Prägung mündet. Auf diese Weise landet man bei einer Theorie sozialer Ordnung, in der die Fundamentalbedingung der Geldwirtschaft – der Kredit – nicht als Ausbeutungsinstrument, sondern als Entwicklungpotentialität, die über die Fähigkeiten des Einzelnen hinausgeht, begriffen werden kann.

Letzteres heißt aber auch, daß ein Kreditgeldsystem den Einzelnen auch in eine Gemeinschaft bindet, die sich aufgrund der höheren Strukturierungskraft zu Entwicklungsstufen fähig ist, die durch den Einzelnen nicht mehr steuerbar ist. Man kommt damit in Theoriebereiche, die das Kreditgeldsystem nicht als ein Tauschsystem begreift, sondern als ein soziales Kooperationssystem. Wie ich es mal geschrieben hatte: „(Kreditgeld)-Kapitalismus ist eine geldwirtschaftlich organisierte Form von sozialer Arbeitsteilung.“

DAS ist moderne Sozialtheorie!

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INET und Deutsch? Mal sehen!

So, so, es soll also in der vermeintlichen EURO-Krise mehr getan werden, sagt eine Gruppe von Ökonomen, die sich unter dem Dach des INET zusammengefunden haben. Diese Gruppe wird nicht lange genug zusammenbleiben, bis es so weit wäre, daß „man sie an ihren Früchten erkennen“ könnte. So ist z.B. die Dauer der von ihnen vorgeschlagenen kurzfristigen Anpassungsmaßnahmen schon mal auf bis zu 5 Jahre terminiert.

 

Dieser Text beansprucht weder eine Übersetzung noch eine inhaltliche Zusammenfassung zu sein, er beansprucht auch nicht neutral oder ausgewogen zu sein. Hier steht, was der Verfasser in dem oben verlinkten Text gesehen hat. Sollten sich womöglich irgendwelche Fehler eingeschlichen haben, sind diese meinem Verständnis der englishen Sprache zuzurechnen.  (Wer´s glaubt…)

 

Und überhaupt: wahrscheinlich habe ich das alles falsch verstanden. Egal!

 

Aus der Sackgasse, ein Weg aus der Krise

 

I. Der EURO driftet in den Zusammenbruch mit unkalkulierbaren Kosten

 

Zunächst mal wird einem Glauben Ausdruck verliehen, daß ohne die Befolgung ihres Rates der EURO ‚disintegrieren‘ würde. Das zu verhindern gehe nicht ohne ’some burden sharing across countries‘. Angeblich sei der Grund für diese dramatische Situation ein ’systemic failure‘, der irgendwie dafür verantwortlich sein soll, daß der Boom der internationalen Finanzströme bei seiner Umkehrung zu noch erheblicheren Problemen führe, als es ohne dieses Systemfehler zu erwarten sei. Auf jeden Fall sind alle Schuld, die an dieser Konstruktion mitgewirkt hätten (fast hätte ich gewürgt geschrieben). S.1 No.1

 

Zumindest sei eine gemeinschaftliche Krisenlösung eine ‚win-win‘-Option, wobei das gegenseitige Mißtrauen eine einvernehmliche Lösung verhindere. Das sei deswegen kaum möglich, weil Reformzusagen von Schuldnerländern jedesmal durch eine Neuwahl gekippt werden könnten. (Das wird wohl auf Daniel Gros zurückzuführen sein.) Das könne nur durch „faire“ Konditionalitäten – die natürlich streng sind – gesichert werden. S.2 No.3

 

Der EURO-Gipfel vom 29. Juni sei nicht ausreichend, es müsse ein enger Zeitplan für die EURO-Bankenaufsicht und einer direkten Finanzierung der Banken durch den ESM formuliert werden. Es sei auch keine gemeinsame Vision erkennbar, die über die gemeinsame Bankenaufsicht hinausgehen würde. S.2 No.4

 

II. Eine neue Strategie mit großen gemeinsamen Gewinnen

 

Die neue Strategie bestehe

– aus dem Glauben an den EURO

– aus der Stabilisierung der Zinskosten und dem Ankurbeln der rezessionsgeplagten Länder

– aus einer Reduktion der Schuldenstände und der Außenhandelsungleichgewichte

und

– aus der Heilung der strukturellen Fehler der Währungsunion.

Dann wäre weniger wahrscheinlich, daß sich eine derartige Krise wie derzeit noch mal wiederholen könne. S.2/3 No.5

 

Die Erhöhung von Beschäftigung und Produktion sei nur erreichbar, wenn die Anpassungsmaßnahmen zeitlich gestreckt würden und noch größere Hilfen auf den Weg gebracht würden. Es gebe aber zu bedenken, daß diese Maßnahmen in den Geberländern zu dem Eindruck führen könnten, daß damit eine permanente Transferunion gegründet würde. S.3 No.6

 

Der ‚council‘ gibt seinem Glauben daran Ausdruck, daß kurzfristig ein großes ‚burden sharing‘ nötig ist, während langfristig daraus nicht folge, daß dieses auch danach so sein muß – so der Glaube. S.3 No.7

 

Die Politik solle ihren Wählern klarmachen, daß ein jetzt immerhin schon ’significant burden sharing‘ nicht nur notwendig sei, sondern auch gerecht:

– es sei nötig, um die aktuelle Wirtschaftskrise bewältigen zu können

– es sei gerecht, weil ja rücksichtsloses Borgen und rücksichtsloses Verborgen eine gemeinsame Schuld trügen

und

– es würden Anreize gesetzt, indem die Gläubiger der Banken ihren Anteil an den Lasten zu tragen hätten und erst dann die Steuerzahler die Einladung zur Mitbezahlung der Krisenlasten bekommen würden. S.3 No.8

 

Bezüglich der langfristigen Lösung würden keine Maximalforderungen erhoben, sondern es würden nur die Mindestanforderungen an die zu schaffenden Institutionen präsentiert werden. S.4 No.9

 

Zunächst wird die langfristige Perspektive, dann die kurzfristig notwendigen Maßnahmen dargestellt. S.4 No. 10

 

III. Eine langfristige Lösung mit begrenzter Vereinheitlichung ist möglich und ausreichend

 

Es gibt drei Problemkomplexe:

– in einer Währungsunion muß es auch eine einheitliche Bankaufsicht geben, um Kreditblasen zu verhindern

– in einer Währungsunion sei die Zuflucht zur Notenpresse nicht mehr gegeben

– in einer Währungsunion sei eine reale Überbewertung nur durch eine lange und „schmerzhafte“ Anpassung zu korrigieren.

Das bedeute, daß die Fiskalpolitik die Geldpolitik zu korrigieren habe, weil die Geldpolitik nur für den Durchschnitt der EURO-Zone gemacht würde; „makroprudenzielle“ Regulierung sei in der EURO-Zone nötiger denn je und durch zusätzliche Maßnahmen, wie „antizyklische Immobiliensteuern“, könne die Geldpolitik wirkungsvoll unterstützt werden. S.4 No.11

 

Diese Diagnose erfordere Maßnahmen in 5 Bereichen:

– Banking union: Zur Begründung wird die „Teufelskreistheorie“ angeführt, wo Staat und Banken sich gegenseitig stützen, wenn die Investoren wegrennen(!). Dazu muß eine gemeinsame Aufsicht geschaffen werden. Ein europäischer Bankensicherungsfonds müsse ‚industry premiums‘ erheben, darüberhinaus müsse ein Fonds für ’systemically important institutions‘ geschaffen werden, der durch eine ’systemic risk levy‘ finanziert werden soll.

– Finanzreformen: Jenseits der – besseren – Regulierung von Banken ist eine dringende Frage zu beantworten: Welches Finanzsystem ist das beste, um die Realwirtschaft am besten zu unterstützen? Ist die Antwort erst mal da, würde diese zu Strukturveränderungen führen, um die Probleme niedriger Wachstumsraten und finanzieller Instabilität in den Griff zu bekommen.

– Fiskalische Kontrolle: Der Fiskalpakt sei der äußerste Kompromiß, der politisch durchsetzbar sei. Jenseits einiger Einzelmaßnahmen sei er aber zu eng, wenn antizyklische Politik erforderlich sei und müsse durch das europäischen Parlament beaufsichtigt werden.

– Lender of last resort: Solle idealerweise die EZB sein oder der ESM, der dazu mit einer Bankenlizenz auszustatten sei.

– Schuldenrestrukturierung von Ländern ohne ESM-Zugang zur Vermeidung von ad-hoc bail-outs

– Gemeinschaftliches risikofreies Wertpapier ohne nationale Bindung: Dieses sei zur Erfüllung finanztechnischer Aufgaben erforderlich. Außerdem sei die EZB für die absolute Sicherheit verantwortlich, da sie diese jederzeit zu diskontieren habe. Das hätte auch wieder einen einheitlichen europäischen Zinssatz zur Folge. Und: dieser niedrige Zinssatz sei eine Quelle neuen Einkommens. S.5 No.13

 

Das Ganze würde nicht auf EURO-Bonds oder eine Transferunion hinauslaufen, sondern nur für die Errichtung des ESM und die Bankenunion erforderlich sein. S.7 No.14

 

IV. Dringende kurzfristige Maßnahmen

 

Dazu seien fiskalische Reformen erforderlich, welche die Anpassungskosten minimieren sowie Geld vom EFSF/ ESM sowie den Überschußländern bereitstellen; darüber hinaus beinhalten sie einen freiwilligen Forderungsverzicht der Gläubiger und das Ganze solle im Verbund mit einer freizügigen EZB-Politik, die auch alle außerordentlichen Notmaßnahmen mittrüge, erfolgen.

– Schuldentilgungsfonds nach dem Vorschlag des SVR

– Freiwillige Schuldenrestrukturierung, z.B. Verlängerung von Laufzeiten der Staatsschulden. Der ’sweetener‘ solle eine direkte Finanzierung von Staatsschulden ermöglichen.

– Strukturreformen wie Pensionsgrenze, Arbeitsmarktreformen, Verschlankung des Staatsapparates und last not least die Senkung der Arbeitskosten – Lohnsteuer runter, Mehrwertsteuer rauf!

– Interventionen der EZB im Markt für Staatsanleihen für Länder, die ihre Strukturanpassungsmaßnahmen vorbildlich leisten!

– Sonstige Notfallmaßnahmen: alles was das nominelle BIP stabilisiert und steigert soll von der EZB versucht werden – die Geldpolitik soll noch viel expansiver werden. S.7 No.15

 

Der Zeitraum für diese kurzfristigen Maßnahmen beträgt ca. 5 Jahre! Nach dieser Phase… „kontinuierliche Schuldenreduzierung“ … „kein Faß ohne Boden“ … „nach 5 Jahren keine Stützungsmaßnahmen mehr“… S.9 No.16

 

Es bleibt die Unsicherheit bei den Immobilienpreisen, können diese nicht national abgefangen werden, solle der ESM direkte Kapitalspritzen setzen. Dieses Modell könne auch für andere Probleme unter der Überschrift „Katastrophenverlustversicherung“ angewandt werden.

 

Wohl bekomm´s! (Das steht da natürlich nicht drin!) 🙂

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Wozu sind Banken da?

Es soll Menschen geben, die tatsächlich glauben, daß über die Frage, welche Aufgaben ein Banksystem zu erfüllen habe, Einigkeit unter Ökonomen herrschen würde. Vordergründig scheint es auch so zu sein, denn in der Regel kommen auf die Frage nach der volkswirtschaftlichen Funktion von Banken die Transformations-Antworten: Fristen-, Losgrößen- und Risikotransformation. Die meist weitschweifigen Erklärungen rund um diese Begriffe überzeugen dann den Wißbegierigen bald davon, daß er es mit einer seriösen Antwort zu tun hatte. Und mit dem wohligen Gefühl, daß sich die halbe Bankbetriebslehre um die Sicherheit seiner Spargroschen kümmert, sowie dem Eindruck, daß es sich dabei um gesichertes Wissen handelt, wendet er sich dann anderen Themen zu.

Was nicht dazugesagt wird und was den meisten Sachverständigen auch durchaus unbekannt ist, ist der Umstand, daß alle diese Bankfunktionen aufgrund einer Theorie zurechtkonstruiert wurden, die von ihrer Grundanlage überhaupt nichts mit Geld oder Geldfunktionen zu tun hat. Denn die Zentraltheorie des ökonomischen Mainstream, salopp: die Theorie der freien Marktwirtschaft, ist von ihrer Grundanlage her eine Theorie relativer Preise, die per definitionem nichts mit Geld oder Kredit zu tun haben. In dieser Welt der Erstausstattungsökonomie in der die Akteure Wahlentscheidungen aufgrund von Nutzenerwägungen treffen ist es tatsächlich so, daß die privaten Akteure ihre Ressourcen entweder eintauschen oder behalten (horten) und damit darüber entscheiden, ob die Unternehmen Ressourcen für die Produktion bekommen oder nicht. Dieses Prinzip wurde dann unbekümmert im Analogschluß auf die Bankbetriebslehre gestülpt, wo nun der Sparer die bestimmende Zentralfigur für die Handlungsspielräume der Banken geworden ist. Zugegebenerweise klingt die Konstruktion ganz plausibel, aber stimmt sie auch?

Natürlich war das auch wieder mal ein Schuß in den Ofen. Das liegt im wesentlichen daran, daß man die Geldtheorie nicht mit den analytischen Hilfsmitteln einer Produktionstheorie behandeln kann und außerdem daran, daß Geld zwar auch produziert, aber sein Inverkehrbringen nicht nach den Kriterien produzierter Güter, sondern nach festgelegten Emissionsregeln erfolgt. Warum? Klarer Fall, Geld kann man nicht kaufen, sondern muß es sich leihen oder jemanden finden, der es einem für eine Gegenleistung überträgt. Ersteres nennt man Kredit, zweiteres Einkommen. Aus diesem kühlen Grunde verbietet es sich, die Existenz von Geld schlichtweg vorauszusetzen, wie es die ganze Transformationstheorie tut, denn sie verweigert sich der Frage, wie denn nun das Geld auf die Welt kommt. Die umfassende Antwort: durch einen Kredit der Zentralbank an eine an das Zentralbanksystem angeschlossene Bank. Sonst nicht; es wächst nicht auf Bäumen und auch nicht auf den Feldern, sondern ist Ergebnis des Beliebens von Zentralbankern, die einen Kredit gewähren oder auch nicht. Klingt nüchtern, ist es auch und ist natürlich kein Vergleich zu der blumigen Korntheorie des Zinses eines Ricardo, wo (angeblich) Wirtschaft und Natur in Einklang standen (stimmte natürlich noch nie)!

Wenn das aber so ist, was haben dann Banken für eine Funktion? Nun, da das Geld nicht produziert sondern per Kredit emittiert wird, können die Banken nun Unternehmer damit ausstatten, die ihnen glaubhaft darstellen, daß sie mit dem Kredit ordentliche Sachen anstellen und durch den Verkauf der Güter oder Dienstleistungen den Kredit bedienen und ggf. auch tilgen können. Nun weiß die Bank, daß jeder Unternehmer sein Projekt auf jeden Fall für überragend hält, andererseits weiß sie auch, daß ein gewisser Prozentsatz der Kredite irgendwann notleidend wird und teilweise abgeschrieben werden muß. Sie weiß, daß es passiert, sie weiß aber nicht bei welchem Kredit es passiert. Also was tun? Man erhebe eine Versicherungsprämie von allen Kreditnehmern und bemesse sie so, daß in jedem Fall der Abschreibungsaufwand durch den Prämieneingang abgedeckt werden kann. Sollte nach dieser Ausgleichsbuchung noch von den Prämieneinnahmen etwas übrig sein, fällt diese Differenz der Bank zu. Man ahnt es schon: diese Risikoprämien nennt man auch Zinsen!

Was also sind Banken?

A) eine Durchleitstelle von Geld von der Zentralbank an die kreditsuchenden Unternehmer und

B) gleichzeitig eine Versicherung für die Gesellschaft, daß dann, wenn eine Investition fehlgeschlagen ist, die entsprechenden offenen Kreditbeträge durch die Prämien des Risikopools gesellschaftlich neutralisiert werden.

(Die Idee, daß Zinsen auch Risikokomponenten enthalten, scheint den heutigen Banken irgendwie abhanden gekommen zu sein!)

Daß die Verwaltung monetärer Angelegenheiten durchaus einen Preis hat ist vergleichsweise selbstverständlich. Ob diese Vergütung jedoch über die Erzielung von Nettozinseinnahmen oder über die Inrechnungstellung von Kosten an die Kunden erfolgt ist nicht nur reine Geschmacksfrage, denn je nach Regulierungsumfeld wird mal das eine oder mal das andere attraktiver sein. (Vielleicht sollte man an dieser Stelle mal darauf hinweisen, daß es keine Bank“gebühren“ gibt, weil der Begriff Gebühren zu den öffentlich-rechtlichen Institutionen gehört.)

Und wo bleiben denn nun die Sparer um die sich doch alles drehen sollte? Im Grunde sind Sparer für die Banken nichts anderes als Ertragsfaktoren bei dem Verkauf von Verwaltungsdienstleistungen und Liquiditätslieferanten, die man so gut wie nicht bezahlen muß. Und wenn es um die Frage der Geschäftsausweitung geht: Sparer sind bereits schon der Reflex einer vorangegangenen Geschäftsausweitung und nicht deren Ursache. In letzter Konsequenz kann zusätzliche Liquidität für ein Bankensystem sowieso nur von der Zentralbank kommen, Sparer sind dafür mit ihren bekannten Zicken denkbar ungeeignet.

Was bleibt also von den ganzen Transformationsantworten und der überragenden Stellung der Sparer übrig? Eben: nichts! Was nicht heißt, daß diese Vorstellungen nicht doch in den meisten Köpfen selbsternannter oder fremdernannter Experten herumschwirren und dafür sorgen, daß es zu einer vernünftigen Diskussion um die Frage der gegenwärtigen Bankenprobleme überhaupt nicht erst kommt.

Aber vielleicht sehe ich das zu schwarz!

Update, muß ich noch loswerden:

Spareinlagen sind gewissermaßen der “Restmüll” der ursprünglichen Kreditvergabe, der nur noch verwaltet werden will.

 

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Privater Ertragsverlust ja – Staatshaftung nein

Nach der wahrheitswidrigen Legende von der fehlenden politischen Union ist der Fokus der Betrachtung der angeblichen Fehler der Konstruktion der EURO-Zone inzwischen auf eine Teufelskreislegende übergegangen. Diese besagt, daß Staatshaushalte stets für die Refinanzierung ihrer systemrelevanten Banken einstehen und andererseits diese Banken einen großen Bestand an Staatsanleihen „ihres“ Staates halten (müssen). Mal abgesehen davon, daß „systemrelevante“ Banken inzwischen kaum noch irgendeinem Staat direkt zuzurechnen sind ist die darin eingebettete Behauptung fragwürdig, welche besagt, daß Staatshaushalte tatsächlich zu einer Haftungsübernahme „ihrer“ Banken verpflichtet sind. Es sieht eher so aus, als wenn es letztlich nur darum geht, daß Staaten „ihren“ Banken mehr Haftungskapital zur Verfügung stellen sollen, als sie selbst am Markt zu vertretbaren Preisen erhalten würden. Essentiell geht es also darum eine Politik zu propagieren, die im Gegensatz zu den vielbeschworenen Segnungen der Marktwirtschaft, gerade darauf abzielt, die relevanten Marktpreise zu verzerren, was unter seriösen Ökonomen schlicht und ergreifend als Fehlallokation von Kapital diagnostiziert würde, die zu subsequenten gesellschaftlichen Wohlfahrtsverlusten führt. Man sieht bereits auf den ersten Blick, daß es nicht darum geht die Effizienz der Marktwirtschaft zu verteidigen, sondern darum, die Banken vor den Bedingungen, welche die Finanzmärkte (Märkte!) setzen, zu schützen! Man kommt nicht umhin an den Zauberlehrling von Goethe zu denken, dessen präpotentes Verhalten eine Katastrophe verursachen würde, wenn nicht der Meister rechtzeitig den Lehrling vor den Konsequenzen seines eigenmächtigen und selbstüberschätzenden Verhaltens bewahren würde.

Ordnungspolitisch gesehen gibt es keine Rechtfertigung dafür, daß die Bundesregierung (mit anderen Regierungen) dafür geradesteht, daß private Vermögen vor einem Verlust zu schützen sind. Einzig kann vorgebracht werden, daß in der Vergangenheit die Richtlinien für die Verwaltung von „schützenswerten“ Anlagen (Pension, Mündel etc.) Staatspapiere zur bevorzugten Anlageform gemacht haben. Insofern wäre der Vorwurf seitens der Banken, daß daraus durchaus eine Mitverantwortung der Regierungen resultiert, durchaus nachvollziehbar und damit die gegenwärtige aktuelle Schieflage bei den Banken auch als Fehleinschätzung über die absolute Sicherheit von Staatsanleihen zu begreifen.

Die Strategie mancher Ökonomen, die herrschenden Verhältnisse dadurch zu „retten“, daß die von den Finanzinstituten nicht adressierten Risiken nunmehr für diese konsequenzlos auf den Staat übertragen werden bedeutet, daß ordnungspolitisch ein Verstoß gegen die Prinzipien marktwirtschaftlicher Üblichkeiten vorliegt, welcher auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, indem das Argument der Systemrelevanz über Gebühr strapaziert wird. Denn systemrelevant sind im Kapitalismus nicht die Akteure, sondern der Ausgleich von Interessen, welche sich über Märkte artikulieren. Wie man weiß, sind Preisverzerrungen aufgrund staatlicher Intervention stets eine Quelle möglicher Fehlallokationen.

Die in diesem Zusammenhang relevante Preisverzerrung ist die steuerliche Benachteiligung des Eigenkapitals gegenüber dem Fremdkapital, welche zu den eingetretenen Überschuldungsentwicklungen maßgeblich beigetragen hat, obwohl die damit einhergehende Fehlallokation von Geldvermögen, bisher in keiner Weise als Ursache für die gegenwärtigen Probleme identifiziert worden wäre. Aber ungeachtet des Fehlens einer angemessenen Ursachenanalyse wird das Verschuldungspotential des Staates durch eine universelle Rettungsphilosophie über Gebühr beansprucht, mit der Folge, daß das eigentlich dem privaten Sektor anheimfallende Problem der Absicherung von Forderungen nun auf die staatliche Ebene verschoben wird.

Die Übernahme von Verbindlichkeiten, die aus Fehlspekulationen von Finanzinstituten resultieren, kann aber nicht Sinn und Zweck der Staatsverschuldung sein. Daher erscheint es legitim, die dem Staat von dem Bankensektor aufgebürdeten Lasten dadurch zu neutralisieren, daß die übernommenen Verbindlichkeiten und Garantien des Staates durch eine Liquidisierung von Forderungen der Privaten kompensiert werden. Dabei ist nicht entscheidend, daß der Wegfall der Verzinsung der liquidisierten Staatspapiere die Geschäftsstrategie der betroffenen Finanzinstitute tangiert. Es ginge also im wesentlichen darum, den Staat im Ausmaß der für den privaten Finanzsektor übernommenen Verpflichtungen zu entlasten, indem entgegen der ordnungspolitisch eigentlich korrekten Verfahrensweise der Nichtfinanzierung des Staatshaushaltes durch die Notenbank eine Finanzierung insofern in Frage kommt, als es in diesem Fall nicht das Verschulden des Staates war, das zu den Überschuldungserscheinungen in vielen Staaten der EURO-Zone geführt hat.

Das Alternativkonzept – Schuldenprobleme mit neuen Schulden zu „bekämpfen“ – bedeutet essenziell, daß es hauptsächlich darum geht, sowohl die Vermögensbestandssicherheit der Staatsanleihen sowie den Zinsertrag für die Gläubiger zu erhalten, nicht aber darum ein Schuldenproblem zu lösen. Es wird zwar insofern gelöst, als ein weiterer Bürge in eine bestehende Kreditkette eintritt, so daß der Hauptzweck darin besteht, die Verzinsung der fraglichen Wertpapiere zu erhalten sowie die Forderung in ihrem Bestand abzusichern. So gesehen ist die Opposition gegen eine Finanzierung der Staatsschuld durch die Notenbank nicht eine Opposition, die von der Sorge über eine mögliche Geldentwertung getragen ist, sondern davon, daß die Staatsschuld nicht mehr eine garantierte und risikolose Verzinsung bietet. Denn dann müssen Ersparnisse eher in risikobehafteten Aktiva angelegt werden.

Aus diesen Gründen ist es daher geboten, den immer weniger tragbaren Lasten, welche aus der Bankenrettung den Staaten aufgebürdet werden dadurch zu begegnen, daß die Staaten in dem Ausmaß ihres „Rettungs“engagements in irgendeiner Weise durch die EZB bzw. durch die jeweiligen nationalen Zentralbanken entlastet werden. Das kann z.B. dadurch erfolgen, daß der EFSF bzw. ESM eine zweckgebundene Ermächtigung erhält im Ausmaß der staatlichen Schuldübernahme eine direkte Finanzierung der Staatsschuld vorzunehmen; wahlweise könnte man auch einen Sondervermögen “Bankenrettung” per EZB-Kredit (als symbolisch verzinste consols) auflegen; in jedem Fall hätten die Staaten den Vorteil, über einige Jahre auf eine Beanspruchung des Kapitalmarktes verzichten zu können, so daß zumindest für einige Zeit das staatliche Schuldenproblem nachhaltig entspannt würde.

Die Mehrzahl aller Ökonomen werden sich dennoch gegen die Alternative stellen, diesen ordnungspolitisch widrigen Teil der Staatsschulden zu liquidisieren. Das begründet sich aus dem alten Fehlglauben, daß die Quantitätstheorie eine Verbindung zwischen Geld und Realgüter herstellt und damit unmittelbare Inflationsgefahren erzeugt werden. Daß das nur eine Scheinwahrheit ist, müßte sich angesichts der Aufblähung der internationalen Finanzmärkte, ohne daß dadurch inflationäre Tendenzen identifizierbar wären, inzwischen herumgesprochen haben. Und überhaupt: in dem vorliegenden Fall werden in letzter Konsequenz lediglich hochliquide Aktiva, die sowieso jederzeit zur Refinanzierung bei der jeweiligen nationalen Zentralbank eingereicht werden könnten, zu Liquidität gemacht, ohne daß es zu einem automatischen Rücktausch in ein zinstragendes Wertpapier, wie es im Rahmen der Revolvierung von Staatsschulden üblich ist, kommt. Die verlorengegangene Rendite muß halt von den Geldanlegern verschmerzt werden. Einen Ertrag nicht mehr zu bekommen ist etwas anderes, als das eingesetzte Geld zu verlieren!

Die Alternative zu einer Schuldenreduzierung ist die weitere Aufschuldung über das als nachhaltig tragfähig angesehene Maß hinaus, welches mittelfristig (auch für Deutschland!) zu der Gefahr führt, daß Staatsschuldverschreibungen zu einem unsicheren Engagement werden, welches hoch verzinst werden muß, was wiederum die Möglichkeit nach sich zieht, die entsprechenden Forderungen abschreiben zu müssen. Statt also langfristig das Risiko eines Staatsbankrotts mit nachfolgendem Schuldenschnitt einzugehen erscheint es erfolgversprechender, den bestehenden Verschuldungsüberhang der Staaten über die/den EZB/ EFSF/ ESM zu liquidisieren.

Das Liquidisieren von Staatsschulden erfordert keine Bewertungsanpassungen seitens der Gläubiger sondern betrifft nur die Zusammensetzung von deren Vermögen, sowie dessen Rendite. Dabei wird der Druck der Vermögensverwalter eben dieses Vermögen zinsbringend anzulegen dazu führen, daß – wie bei jedem ordentlichen QE – die Kurse der zinstragenden Wertpapiere allgemein steigen. Ob das Investitionsvolumen dann auf den Finanzmärkten verbleibt, oder tatsächlich für Investitionen in z.B. die Energieinfrastruktur geht, ist davon abhängig, welche Richtungsentscheidungen die Politik für die Zukunft fällt. Die Chancen sind da, sie müssen nur ergriffen werden!

Fazit: eine einmalige Befreiung der Staaten von den Lasten der Bankenrettung beinhaltet die Möglichkeit mehrere ordnungspolitische Grundsätze wieder einzuhalten, indem

a) die Einhaltung der Maastricht-Kriterien wieder in ein erreichbare Nähe rückt,
b) die Liquiditätslage der Banken sich weiter entspannt und eine Reduzierung der LTRO-Kredite realistisch wird,
c) die Staatsintervention in den Bankensektor zurückgefahren wird,
d) die Staaten dadurch die nötige Zeit bekommen, das Verhältnis von Staat und Finanzbranche auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, ohne dem Druck eines permanenten Krisenmodus ausgesetzt zu sein
und
e) die Staatsverschuldung nicht zur Daseinsvorsorge von Finanzinstituten mißbraucht wird.

Daß man daneben noch eine EURO-Bankenaufsicht mit weitgreifenden Eingriffsrechten errichten kann, versteht sich von selbst. Diese kann dann ihre Arbeit in einem Umfeld aufnehmen, wo tatsächlich Aufsicht als Prävention möglich ist – und nicht als Reparaturbetrieb für unlösbare Aufgaben!

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Nüchterne Anmerkungen zu einer hysterischen Debatte

Es gibt mal wieder einen „Brandbrief“ deutscher Ökonomen. Kernthese dieses Briefes ist die Warnung vor einer Bankenunion, die eine Vergemeinschaftung der Risiken des Bankensystems in EURO-Land zur Folge haben soll. Das klingt erstmal nach einer weiteren Erweiterung der Haftung Deutschlands hinsichtlich der insolvenzgefährdeten Südländer in EURO-Land.

Nun ist ja eine Vergemeinschaftung von Risiken eine altehrwürdige Technik, um die Betroffenen einer Risikoklasse vor dem Eintreten eines Risikos, wenn schon nicht zu schützen, so doch die üblicherweise desaströsen Folgen weitgehend zu mildern. Dieses Prinzip nennt sich Risikoversicherung und ist ein bestens eingeführter Bestandteil der Daseinsvorsorge. Von daher gibt es eigentlich keinen Grund, eine gemeinsame Risikovorsorge in einem euroweiten Risikosicherungsfonds abzulehnen.

Das Mißtrauen gegen eine Vergemeinschaftung des Risikos einer Bankeninsolvenz kann eigentlich nur in einer impliziten Annahme stecken, die von der Theorie der Risikovorsorge in keiner Weise gedeckt wird. Denn normalerweise würde jede Versicherung die Risiken nach ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit bewerten und demgemäß die Prämien für den jeweiligen Teilnehmer des Risikopools in entsprechender Höhe festsetzen. Das hätte dann schlichtweg zur Folge, daß die Banken der „Südländer“ salopp gesagt die 100-fache Risikoprämie zahlen würden wie die Banken aus Deutschland oder Finnland. Das wäre für letztere Banken durch einen Griff in die Portokasse erledigt, während es für die hoch risikobehafteten „Südbanken“ ein Finanzaufwand wäre, der von ihnen wahrscheinlich kaum geschultert werden könnte. In einer derartigen Konstellation von einer Haftung deutscher Sparer für die betroffenen Problembanken zu sprechen ist schon ziemlich weit hergeholt.

Dieses Mißtrauen hat aber einen realen Kern. Der besteht nämlich daraus, daß die Konstruktion des ESM auf einem Solidaritätsgedanken beruht, der wie beim steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip die Lasten der Krisenbewältigung auf die vermeintlich finanzstarken Länder umlegt. Nun wird man sich in Südeuropa nicht einbilden, daß die Einzahlungen in einen derartigen Fonds dergestalt erfolgen, daß Deutschland gemäß seiner Wirtschaftskraft für 23% dieses Sicherungsfonds einsteht, sondern es wird zu einer Vorstellung kommen, daß alle Banken die gleichen Beitragslasten zu erfüllen haben. Das klingt fair, ist vom Standpunkt der Risikoverteilung jedoch nichts, was ein anständiger Risikokalkulator für angemessen halten würde. HIER lauert die Bananenschale, die zu einer Subvention von „Südbanken“ führen würde, welche noch nicht mal durch die Richtlinien der europäischen Wettbewerbsbehörde gedeckt sein dürfte. Man erinnere sich an die Kritik der EU-Wettbewerbsbehörde im Zusammenhang mit der Gewährträgerhaftung von Landesregierungen zu Gunsten deutscher Landesbanken und Sparkassen.

An dieser Stelle muß man mal wieder an die Erkenntnisse von Stiglitz/ Weiss erinnern, weil eine Kreditvergabe an Schuldner, die keine nachvollziehbaren Zukunftsaussichten darstellen können selbst bei dem Angebot exorbitanter Zinsen keine positive Kreditzusage zu erwarten haben. (Das hat auch was damit zu tun, daß man Vertrauen nicht mit dem Versprechen höchster Geld-/ Zinszahlungen erkaufen kann.) Übertragen auf eine Risikogemeinschaft würde ein derartiges Risiko von einer ordentlich wirtschaftenden Versicherung schlicht und einfach abgelehnt, weil die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikofalls durch noch so hohe Prämien nicht gedeckt werden könnte. Und selbst unter politischen Zwangsgesichtspunkten (Zwangsmitgliedschaft bzw. Zwangsaufnahmeverpflichtung kennen die AOKs zur Genüge) müßten die Risikoprämien für „Südbanken“ demnach derart hoch sein, daß sie von alleine von der Idee eines europäischen Bankensicherungsfonds Abstand nehmen würden.

Das heißt auf gut Deutsch: würde man diesen Bankensicherungsfonds nach versicherungsüblichen Kriterien bepreisen, wäre die ganze Idee sowieso schon begräbnisreif. Wenn Politiker sich aber zu solchen Ideen bekennen, ist das Mißtrauen insofern berechtigt, weil zu erwarten ist, daß auch die Lastenverteilung der Finanzierung dieses Fonds NICHT nach ökonomischen Kriterien erfolgt.

Und das wäre tatsächlich ein Desaster, weil sich Politik über Ökonomie stellt und das Prinzip Risikogemeinschaft zugunsten eines oktroyierten Solidaritätszwangs beiseite gewischt wird. In diesem Fall ist der professorale Aufruf nur zu berechtigt!

Update:

Der SVR hat in seinem jüngsten Gutachten ebenso darauf hingewiesen, daß er nicht damit rechnet, daß die Anpassung der Versicherungsprämien die notwendige Höhe aufweisen wird. Das ist natürlich dort etwas höflicher ausgedrückt:

„Daher müsste eine Versicherungsgebühr so an die Risiken einer Bank angepasst werden, dass die Wahrscheinlichkeit von Schieflagen bei den Banken tatsächlich sinkt. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, könnte eine Einlagensicherung auf europäischer Ebene zu einem Transfermechanismus werden und Anreize zur Verschuldung tendenziell erhöhen.“

http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/download/publikationen/sg2012.pdf  Ziffer 55

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Was ist ‚clearing‘?

Der Verlauf der TARGET-Debatte hat gezeigt, daß es erhebliche Unsicherheit darüber gibt, was als endgültige Zahlung einer NZB gegenüber einer anderen NZB anzusehen ist. Das hat auch was damit zu tun, daß gelegentlich auch im Zusammenhang mit dem Interbankenclearing im Geschäftsbankenbereich darüber Verwirrung herrscht, ob nun die Geschäftsbanken „Geld aus Luft“ schaffen können oder nicht. Angelagert an diese Falschvorstellung ist auch der Irrglaube, daß es eine bargeldlose Zahlung ohne eine korrespondierende Bewegung von Zentralbankgeld (ZBG) gäbe und so der Vorstellung Vorschub geleistet wird, das Geldsystem sei ja doch nur „virtuell“ und nicht real. Dabei ist es nicht so schwer, die Unterschiede auseinanderzuhalten.

Der Grundsatz ist: die Übergabe von ZBG bewirkt eine endgültige Befreiung von einer Geldschuld. Im Grunde genommen ist das trivial, denn sobald das Geforderte übergeben wird, ist eine Schuld erloschen. Denn selbiges gilt auch, wenn das Geforderte nicht ZBG ist, sondern wie beim „Kaufmann von Venedig“ in einem Pfund Fleisch des Schuldners besteht. (Das hindert aber chartalistisch orientierte Geldtheoretiker nicht daran aus dieser Selbstverständlichkeit ein Theoriegebäude zusammenzuzimmern, welches von der Anlage her bereits den Defekt aufweist, auf einer Nullaussage zu beruhen.)

Im Zusammenhang mit dem Überweisungsverkehr zwischen Geschäftsbanken wird dieser Punkt deswegen virulent, weil sich die Üblichkeiten des Bankverkehrs darauf verständigt haben, daß zum Ende eines Banktages offene Salden des Zahlungsverkehrs ausgeglichen werden müssen. Dazu stehen – wenn man sich auf die Frage der endgültigen Zahlungen konzentriert – zwei Möglichkeiten zur Verfügung.

Die beiden Möglichkeiten zum ‚clearing‘ sind durch die beiden Doppelpfeile markiert und betreffen

a) eine Zahlung in ZBG in Banknoten (Kasse)
b) eine Zahlung in ZBG in Forderungen gegen die Zentralbank.

Der erste Fall sieht so aus:

Das Publikum verfügt über seine Forderungen an die Geschäftsbanken per Überweisung und per Saldo schält sich am Ende des Tages ein Saldo von Netto 20€ heraus, der von der Bank B durch einen Griff in die Kasse und den Transport des Geldes zu der Bank A bewerkstelligt werden kann. Damit ist der Saldenausgleich endgültig erfolgt, auch wenn die Verbringung von Geld unpraktisch, teuer und riskant ist. Das Grundprinzip bleibt jedoch so wie es ist. (Letztlich gehören deswegen auch die Kassenbestände der Geschäftsbanken zum Zentralbankgeld – deren Herausrechnung muß man wohl als Kotau gegenüber der Quantitätstheorie interpretieren, welche ebenso auf einer Nullaussage beruht.)

Im Grunde genommen nichts anderes ist es, wenn der Saldenausgleich über ein Konto bei der Zentralbank erfolgt.

Das liegt daran, daß Banknoten und Forderungen an eine Zentralbank, die das Geforderte selbst emittieren kann, identisch sind. Zu beachten ist hierbei, daß diese endgültige Zahlung aus einem „Passivtausch“ der Zentralbank besteht und daß andererseits – ob bei Banknotentransfer oder Zentralbank-‚clearing‘ – dieselbe Bilanzverlängerung bzw. -verkürzung stattfindet.

Ergebnis: ‚clearing‘ ist für die zahlende Bank B stets mit einem ZBG-Abfluß verbunden während die empfangende Bank A einen ZBG-Zufluß realisiert. Das heißt, daß eine bargeldlose Zahlung in keiner Weise auch eine zentralbankgeldlose Zahlung ist. Dieser feine Unterschied wird in der wirtschaftspolitischen Diskussion zu oft schlichtweg ignoriert.

Und TARGET?

Die einfachste Version beim €-TARGET-Zahlungsverkehr ist diejenige, wo es sich bei der z.B. zahlenden Bank um eine Zentralbank handelt, die keine EURO-NZB ist. Denn dort erfolgen Zahlungsverrechnungen bei der EZB nur auf Guthabenbasis (grün unterlegt), d.h. wenn die EZB gegenüber der z.B. dänischen Zentralbank eine Verbindlichkeit aufweist.

Auch in diesem Fall verändern sich die Bilanzgrößen wie im nationalen Geschäftsbankenverkehr und das ‚clearing‘ durch die EZB erfolgt wie vorher von der Zentralbank durch einen „Passivtausch“ zwischen den Konten der Bundesbank und der DK-Zentralbank. Das ist deswegen so, weil die DK-Zentralbank kein Mitglied des EURO-Raumes ist und deswegen die Zahlungsfähigkeit der DK-Zentralbank in Bezug auf EURO nicht unbeschränkt gegeben ist. Durch die Umbuchung der Zahlung vom DK-ZBKonto auf das BB-ZBKonto ist die Zahlung endgültig rechtswirksam erfolgt.

In diesem Fall würde sicherlich niemand auf die Idee kommen, daß die TARGET2-Forderung der Bundesbank gegenüber der EZB NICHT Zentralbankgeld darstellt, denn die Umbuchung von einem Guthabenkonto stellt ja wie gehabt eine endgültige Zahlung durch das ‚clearing‘ seitens der EZB dar.

Der Unterschied zu einer Zentralbank des EURO-Raumes besteht darin, daß die EZB für die NZBen keine Guthabenkonten führt bzw. zu führen braucht. Denn die Konstruktion des ESZB als Einheit führt dazu, daß innerhalb des ESZB die Frage des Forderungsausgleichs deswegen keinen Sinn macht, weil davon ausgegangen wird, daß alle NZBen die gleichen Kriterien bei der Emission von ZBG anlegen. (Daß das eine politisch motivierte Schönwettervorstellung gewesen ist, macht das EURO-Desaster aus, interessiert hier jedoch nicht.) Die entsprechenden Buchungen sehen damit so aus:

Man könnte versucht sein zu argumentieren, daß ja der Zahlungsausgang nicht erfolgt sei, da ja die „normale“ Bilanzverkürzung bei der ZB Spanien nicht eintritt. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß eine Zentralbank die Eigenschaft aufweist, daß eine Verbindlichkeit von ihr zum Zentralbankgeld gehört und eine Geltendmachung dieser Verbindlichkeit z.B seitens einer Geschäftsbank bei ihr nicht als ein Kassenausgang gebucht wird, sondern als eine Erhöhung des ZBG-Umlaufs. Durch diesen Vorgang wird zwar ZBG emittiert welches dann tatsächlich in der Kasse der Geschäftsbank landet – einen Kassenausgang kann eine Zentralbank deswegen jedoch nicht buchen! (Gut, wird vielleicht für die logische Sekunde mit der Länge Null gemacht, ändert aber am Prinzip nichts, daß Zentralbanken dafür keine „Kassenbestände“ vorhalten.)

Damit stellt sich jedoch die entscheidende Frage: Ist es gerechtfertigt, eine Forderung der EZB an eine NZB als Zentralbankgeld anzusehen oder nicht? Beantwortet man diese Frage mit JA ist alles gut, denn dann hätte die EZB unmittelbar Zugriff auf das geschuldete Geld. (Das ist wie bei Forderungen der Geschäftsbanken gegen eine Zentralbank, denn auch diese Forderungen gehören zum Zentralbankgeld.) Somit stellt eine TARGET2-Forderung der Bundesbank bzw. der EZB eine schuldbefreiende Zahlung der ZB Spaniens dar, ist mithin das ‚clearing‘ bzw. das ’settlement‘ seitens der EZB endgültig erfolgt.

Beantwortet man diese Frage mit NEIN, müßte geklärt werden wie eine NZB an eine andere NZB zahlen könnte, da ja damit behauptet würde, daß eine Forderung gegen eine NZB eben KEIN Zentralbankgeld darstellt. Somit wird die Frage virulent, WOMIT denn eine NZB tatsächlich schuldbefreiend zahlen kann. Die simple Antwort ist, daß eine NZB einen Passivtausch vornimmt, den TARGET2-Saldo auf den ZBG-Umlauf bucht und dann das emittierte Zentralbankgeld per Koffer – nach Durchleitung über die EZB – an die empfangende NZB (physisch) transferiert. Das hätte zur Folge, daß die empfangende NZB zwangsweise einen Kasseneingang buchen müßte. Damit wäre wohl für jeden Zweifler sichtbar, daß tatsächlich Zentralbankgeld gezahlt worden wäre. Damit wäre man wieder bei dem ‚clearing‘-Verfahren: physische Übergabe von Zentralbankgeld. (Daß die empfangende NZB nicht weiß was sie damit soll, steht auf einem anderen Blatt!)

Ob das ein Fortschritt ist?

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