Monatsarchiv: Mai 2012

Stufen von Geldsystemen – ein Kurzdurchlauf

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EINS

Ein einstufiges Geldsystem ist dadurch gekennzeichnet, daß Zahlungen mit Werten erfolgen. Prototypisch steht dafür die Goldwährung. Gold dient dazu, die Tauschrelationen abzubilden, d.h. der “unsichtbaren Hand” einen gegenständlichen Ausdruck zu geben.

Die Quantitätstheorie ist denn auch eine Theorie des Tauschmittels. Daher muß Geld (=Gold) von der Zentralbank im Notfall exogen bereitgestellt werden. Seither laborieren Zentralbanken an dem Glauben herum, sie seien für die Entwicklung des Geldwertes verantwortlich.

Eigentlich ist in einem einstufigen Geldsystem eine Zentralbank entbehrlich, denn sie erfüllt nur die Funktion bei dem Aufkommen von Vertrauenskrisen einzuspringen. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum die Zentralbanken auch heute noch als “lender of last resort” verstanden werden. Das bedeutet, daß eine Zentralbank letzten Endes die Funktion eines Wertspeichers erhält und wegen der Endlichkeit der Vorräte in dem Tauschmittel (Gold) illiquide werden kann!

ZWEI

Zweistufiges Bankensystem bedeutet, daß ausschließlich die Zentralbank, Zentralbankgeld emittieren darf (und zwar per Kredit) und somit die Geschäftsbanken ein Liquiditätsproblem haben. Das ist deswegen erforderlich, weil das Delegationsproblem zwischen Zentralbank und Geschäftsbank, gelöst werden muß, da eine Zentralbank nicht alleine die Qualität der Kreditvergabe des Geschäftsbankensystems kontrollieren kann. Daher unterliegen Geschäftsbanken einem Liquiditätsproblem, welches permanent gelöst werden muß, damit keine Exklusion vom Interbankenmarkt erfolgt, die unmittelbar die Gefahr einer Insolvenz aufgrund von Illiquidität nach sich zieht. Das Delegationsproblem zwischen ZB und GB kann also nur so gelöst werden, daß der Interbankengeldmarkt gewissermaßen zur Kontrollinstanz wird, die darüber entscheidet, ob das Geschäftsgebaren einer Bank den allgemeinen Bonitätserfordernissen entspricht oder nicht. Verschlechtert sich die Bonität einer Geschäftsbank, steigt deren Refinanzierungszins, ansonsten bleibt er gleich, was den Effekt hat, daß bei einem ausgeglichenem Liquiditätssaldo zwischen bonitätsmäßig gleichen Banken der Refinanzierungszins zu einem durchlaufenden Posten der bankinternen Kalkulation wird. Heißt: das Kontrollproblem der Zentralbank hinsichtlich der Bonität der Kreditforderungen der Geschäftsbanken wird auf die Ebene des Interbankengeldmarktes verlagert!

Nur die Zentralbank darf den Zahlungsmittelstandard emittieren. Das bedeutet, daß die Geschäftsbanken von sich aus zu einer zentralbankgeldsparenden Operationsweise übergehen. Damit ist nicht die Werteinlage des Publikums bei der Bank der Ursprung für den Umfang des Kreditvolumens, sondern die Möglichkeit der Banken Zentralbankgeldabflüsse durch Kreditaufnahme bei der Zentralbank zu kompensieren. Denn Geschäftsbanken werden aus Kostengründen versuchen, ihren Zentralbankgeldbedarf möglichst gering zu halten.

Das führt zu der geldtheoretischen Erkenntnis, daß die primäre Funktion von Zentralbankgeld im Zusammenspiel von Zentralbank und Geschäftsbanken die Nivellierung von Bonitätsnormen ist und nicht, wie es eine Nutzen- und Produktivitätstheorie will, die Erleichterung eines Tausches von Gütern. Letzteres kann zwar durchaus mal passieren. Jedoch reflektiert die emotionale Unmittelbarkeit des Austausches von Ware gegen Geld nicht die wesentliche Funktion des Geldes im Liquiditätsausgleich des Interbankenmarktes gewissermaßen zum Lackmustest dafür zu dienen, inwieweit die Kreditvergabepolitik der einzelnen Bank den allgemeinen Anforderungen an die Bonitätsnormen entspricht.

DREI

Das Grundproblem zwischen EZB und NZBen ist wie vorher, daß die zentrale Währungsbehörde (EZB) nicht alleine in der Lage ist die Kontrollaufgaben hinsichtlich der Bonität der Kreditvergabepolitik von NZBen zu überwachen. Im Fall der EZB wird jedoch stets die Vorstellung verbreitet, daß das Verhältnis von EZB zu NZBen quasi so geartet sei, wie das Verhältnis der Bundesbank zu den ihr angeschlossenen Landeszentralbanken. Diese Ansicht gewinnt ihre Nahrung aus dem Umstand, daß die NZBen an sich “nur” die Beschlüsse des EZB-Rates umsetzen, ohne daß es dabei zu länderspezifischen Besonderheiten kommen würde. Diese Theorie hat jedoch einen empfindlichen Schönheitsfehler, der zum einen daraus bestand, daß die jeweiligen NZBen durchweg die Wertpapiere “ihres” Staates ohne Risikovorbehalte akzeptierten, obwohl die Bonitätskriterien für die jeweiligen Staatshaushalte diese Gleichbehandlung keineswegs nahelegen. Zum anderen ist ebenso unklar, inwieweit die NZBen die Anforderungen an die Bonität für rediskontfähige Wertpapiere in gleicher Weise behandeln. Man darf jedoch bezweifeln, daß das Rating (es geht hier nicht um die Spaßagenturen) der Portfolios der NZBen einem einheitlichen Standard entspricht.

Als Konsequenz dieses Kontrollproblems müßte das gleiche Prinzip auf der Ebene zwischen EZB und den NZBen existieren. Ein dreistufiges Bankensystem benötigt daher zwei Geldmedien. Das heißt, daß zwischen der EZB und den NZBen ein separates clearing-System existieren müßte, welches für die NZBen einen Zahlungsmittelstandard definiert, der von den NZBen nicht geschaffen werden kann. (Ich nenne diesen Zahlungsmittelstandard an dieser Stelle mal EUROR!) Die EZB emittiert demnach ein bestimmtes Volumen von EUROR, welches nach üblichen Auktionsverfahren auf die angeschlossenen NZBen aufgeteilt wird. Für die NZB ist das von ihr “ersteigerte” Volumen an EUROR die Bemessungsgrundlage für ihren Kreditvergabespielraum, der sie dazu befähigt an die an sie angeschlossenen Geschäftsbanken Kredite in EURO zu gewähren.

Das Prinzip des Liquiditätsausgleiches ist somit für die NZBen in EUROR dasselbe, wie zwischen Geschäftsbanken in Bezug auf EURO. Das bedeutet, daß eine NZB dafür Sorge tragen muß, daß durch EURO-Überweisungen des Publikums ins Ausland der von ihr verwaltete EUROR-Bestand nicht abschmilzt und sie daher genötigt wäre, eine restriktivere Kreditvergabepolitik zu etablieren. Das clearing zwischen den NZBen übernimmt dann die EZB, die sich erst in dieser Funktion tatsächlich als europäische Zentralbank etablieren würde! Warum? Weil die NZBen den InterNZB-Zahlungsmittelstandard EUROR nicht selbst schaffen können und sie bei der Kreditgewährung an die Geschäftsbanken an die Verfügung über EUROR gebunden bleiben.

NUN DIE TATSACHEN

Was haben wir stattdessen? Eine TARGET-Regelung, die jede NZB dazu zwingt, auf jede Überweisungsanforderung eine entsprechende Zentralbankgeldemission genehmigen zu müssen. Das heißt auf gut Deutsch, daß die überweisende NZB in ihrer Zahlungsfähigkeit gegenüber anderen NZBen nicht beschränkt ist, weil jede NZB den Zahlungsmittelstandard EURO selbst emittieren kann.

Und das ist für die Nachhaltigkeit eines Zahlungssystems der eigentliche Knackpunkt: da es nicht zu einem Zahlungsbegehren der “nördlichen” Zentralbanken kommen kann, weil eine Forderung gegen eine Zentralbank, die diesen Zahlungsmittelstandard emittiert, bereits Zentralbankgeld ist und auf der anderen Seite aber auch keine Liquiditätsrestriktion bei der “südlichen” Zentralbank existiert (die ELA-Fazilität ist der greifbarste Ausdruck dieser Unbeschränktheit), ist dieses Zahlungssystem tendenziell davon bedroht, aufgrund der im “Süden” nachlaufenden bzw. überbordenden Zentralbankgeldemission (Ponzi-Finanzierung)  in eine Bonitätskrise zu geraten. Letzteres äußert sich im relativen Preis zu Alternativwährungen, die eine höhere Geldvermögenssicherheit versprechen.

Wenn man so will, ersetzt der EUROR die Funktion des Goldes, indem er die Kreditschöpfungsmöglichkeit einer NZB steuert. Denn die Funktionsbedingungen eines Goldstandards laufen ja auch darauf hinaus, daß die Zentralbank, die einen Goldabfluß realisiert, die Zinsen bzw. die allgemeinen Bonitätsstandards anheben muß, um dem Goldabfluß entgegenzuwirken. Um diesen Mechanismus zu erhalten, ist jedoch die Verwendung von Gold entbehrlich, sondern nur die Durchsetzung des Prinzips, daß eine Nichtzentralbank den Zahlungsmittelstandard, in dem sie zahlen muß, nicht selbst schaffen kann, erforderlich.

Its that simple!

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Griechenland: Bonität, nicht Sozialhilfe

Die deutsche Griechenland-Debatte hat sich auf eine Trottelnummer festgelegt: die Griechen betrügen, ob bei der Frage der EURO-Beitrittskriterien oder bei der Durchführung von angekündigten Sparmaßnahmen. Damit wird der Eindruck erzeugt, daß Griechenland es willentlich darauf anlegt, die (vermeintliche!) EURO-Staatsschuldenkrise zu seinen Gunsten zu nutzen.

Doch so kann man das nicht sagen. Aber ein Aspekt ist richtig: daß nämlich in Griechenland – und in einigen anderen „Südländern“ auch – mit der Frage, wie mit der Bonität des Aktivportfolios der dortigen Banken umgegangen wird, andere Kriterien gelten als in Deutschland. Und genau diese Frage macht den Unterschied aus, wenn man diskutieren will, warum die Situation in diesem Europa so ist wie sie ist. Denn wie man aus der „Daneia-Parabel“ von W. Stützel wissen könnte, ist die Frage des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts davon abhängig, daß – zwischen Banken – der Liquiditätsausgleich eine Frage der Abtretbarkeit der Forderungen ist. Salopp gesagt hätten die griechischen Banken keine Liquiditätsprobleme, wenn sie als collateral für Zentralbankgeld den deutschen Banken Wertpapiere des griechischen Staates einreichen könnten. Oder Anleihen griechischer Unternehmen etc.

Daß das griechische Bankensystem im EURO-Verkehr praktisch illiquide ist liegt daran, daß grob gesagt die Usancen der griechischen Banken, was das Eintreiben von Außenständen angeht, nicht so funktioniert, wie in Deutschland. DESWEGEN sind sie illiquide und nicht, weil es in Griechenland nichts zu verdienen gibt. Denn eine Grundregel der Bankwirtschaft lautet, daß ein Liquiditätsbedarf stets dadurch gedeckt sein muß, daß man irgendeiner anderen Bank interbankenfähige Forderungen übertragen kann. Wer das nicht kann, fliegt aus dem Geschäft!

Was man noch aus der „Stützel-Parabel“ lernen könnte ist, daß auch eine wirtschaftlich „schwache“ Region die Bonitätskriterien, welche allgemein gelten, einhalten kann. Das hat dann was damit zu tun, daß dort kleinere Brötchen gebacken werden, als in einem Bankenbereich, der in einer Region mit bonitätsmäßig guten Unternehmen angesiedelt ist. Diese Geschichte wird immer durch eine Sozialphilosopie überdeckt, die meint, daß es überall die gleichen Lebensverhältnisse geben müsse. Das Deutschland-Problem, daß das so quasi grundgesetzlich verankert ist heißt auf der anderen Seite nicht, daß das auch im europäischen Maßstab funktioniert. Das geht deswegen nicht, weil die Erfahrungen der deutschen ökonomischen Zuschußphilosophie aka Solidaritätsbeitrag gezeigt haben, daß Finanzhilfen gerade das verhindern, was eigentlich erreicht werden soll. Das heißt auch, daß der vielgepriesene Marshall-Plan zum Glück NICHT gegriffen hat (die Marshall-Plan Mittel mußten mit viel Mühe seitens der Politik „untergebracht“ werden, damit sich die Amis damit nicht blamieren) und deswegen, bzw. in der Hauptsache aufgrund der Politik der deutschen Bundesbank, das deutsche „Entwicklungswunder“ überhaupt eine Chance hatte sich zu entfalten! Denn: es gab kein deutsches Wirtschaftswunder, es gab nur falsche Prognosen (Stützel)!

Aus diesen Gründen schießen sich die Griechen selbst ins Knie, weil die Abweichung von den eigentlich europaweit geltenden Bonitätskriterien für sie – zumindest zur Zeit – keine Bedeutung hat. Woher sollen sie das auch wissen, wenn der lokale Bankdirektor seinem Schwager/ Bruder/ Enkel bei der Ansage, daß ein Kredit nicht bedient werden kann nicht den Kredit sperrt, sondern fragt, wieviele Millionen es noch sein dürfen. Da liegt der Hase im Pfeffer und zwar deswegen, weil man so die eigene Bonität untergräbt, die für ein Verbleiben im Interbankenliquiditätsausgleich unbedingt erforderlich ist. Daß inzwischen die griechische Zentralbank dieses Scheißspiel mitmacht – die EZB ja auch, indem sie eine Freigabe sprich Aufweichung der Kriterien für zentralbankfähige Wertpapiere akzeptiert hat – bedeutet aber nur, daß die Bankenbonität in Griechenland weiter untergraben wird.

Wie bekommt man die Griechen wieder zurück? Ganz einfach: das EZB-System muß die ELA-Fazilität für Griechenland aufheben und die Kreditvergabekriterien auf ein höheres Bonitätsniveau schrauben, damit Griechenland – zwangsweise – seine ökonomischen Probleme lösen muß. Klingt komisch, ist aber so. Wer Altmeister Bagehot noch kennt wird wissen, daß man Bankenkrisen mit einem offenen Diskontfenster begegnen muß – aber mit fast prohibitiven Zinsen, sprich höheren Bonitätsanforderungen! DAS ist Ökonomie, alles andere hat nur was mit falschverstandener Sozialhilfe zu tun!

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Plädoyer für eine Frau

Nun hat es halt mal JP Morgan erwischt. Und wie eine Remisiszenz auf die Buchstabensuppe, die nach der Lehmann-Exekution in die Kritik gekommen ist, sind es diesmal „Synthetic Credit Securities“, die das Debakel von JP Morgan möglich gemacht hatten. Es ist dabei vergleichsweise unerheblich, was denn diese SCS genau sind, denn das Grundmuster dessen, was sich auf den Finanzmärkten abspielt ist von der Wahl des jeweiligen Acronyms unabhängig. Natürlich heißt das nicht, daß nun nicht alle möglichen angesagten Finanzinformationsdienste ihre Version dessen, „was da jetzt genau passiert sei“, in die Welt posaunen. Das gehört sicherlich zum Spiel und verdrängt damit die Reflektion einer kleinen Tatsache, nämlich daß es sich bei den Finanzmärkten um einen Markt handelt, auf dem das dort eingesetzte Geld nicht einfach verschwindet – es hat nur jemand anders.

Letzteres ist ja noch nicht mal eine Erkenntnis, denn der Hauptsatz der Buchgeldökonomie lautet ja nun mal, daß einem Soll ein Haben gegenübersteht – und zwar ohne wenn und aber. Insofern könnte man statt der Klage über den Verlust von 2 Mrd. US-$ alternativ eine strahlende Erfolgsmeldung ausrufen, die einen Gewinn von 2 Mrd. US-$ zum Thema hätte. So gesehen ist eigentlich alles in Ordnung.

Wie es aber anscheinend der menschlichen Natur so entspricht, wird bei derartigen Ereignissen derjenige gesucht, dessen Handeln den völlig unvermuteten Verlust zu verantworten habe. Nun ist ja Verantwortung ein Begriff, der sich zunächst auf die Frage der Rechtfertigung einer Handlung bezieht und erst danach die Frage entschieden wird, inwieweit es daraufhin zu Konsequenzen kommt. So gesehen hätte nach den üblichen Gepflogenheiten zunächst eine Untersuchung darüber stattfinden können, inwieweit es sich bei dem Verhalten von Frau Drew überhaupt um eine Pflichtverletzung handelt oder nicht. Nun, nach allem, was man so von Ökonomen kennt, ist die Spannbreite der Beurteilung, ob Frau Drew eine Pflichtverletzung begangen hat oder nicht, umfassend, d.h. sowohl das Ergebnis „völlig pflichtgemäßes Handeln“ als auch „Nichteinhaltung sämtlicher Sorgfaltspflichten“ sind möglich und begründbar. Offenbar war eine Kontroverse um derartige Auslegungsfragen nicht erwünscht, so daß man durchaus davon ausgehen kann, daß Frau Drew – auch unter dem Aspekt der unmittelbar bevorstehenden Aktionärsversammlung – das Bauernopfer geben mußte, um Schlimmeres zu verhindern.

Was hätte dieses Schlimmere sein können? Das größte Desaster für den Nimbus eines Finanzunternehmens wäre, daß die Öffentlichkeit erkennt, daß der Erfolg des einen Finanzinstituts mit dem Verlust des anderen Finanzinstituts erkauft werden muß. Diese Regel gilt unbedingt und hat nur zwei Hintertürchen: die Börse und die Muppets. Die Muppets sind – wie man inzwischen weiß – diejenigen „Finanzmarktteilnehmer“, welche dafür sorgen dürfen, daß Nettoeinzahlungen in den Finanzmarkt fließen, welche dann von Gebühren, Provisionen, Boni und Wertberichtigungen aufgefressen werden. Sollten sich die beteiligten „Dienstleister“ zu sehr zurückhalten und es sollte noch etwas übrig sein, kommt dieser Betrag ggf. dem einen oder anderen Anleger zugute, der Rest bekommt nichts, oder muß weiter warten. Die andere wesentlich spaßigere Sache ist, wenn die Börsenkurse steigen, da dann die Wertansätze der Wertpapiere in die Höhe gehen und sich sogar die „Anleger“ etwas reicher fühlen dürfen – obwohl die höheren Wertansätze nur auf dem Papier stehen und auch da stehen bleiben müssen. Sobald jemand meint, so etwas unmoralisches wie „Gewinn realisieren“ machen zu müssen, kommen postwendend wieder die bedauernden Bitten über Nachschüsse zu neudeutsch: margin-calls zum Vorschein. Das alles gilt natürlich für die Anleger als Ganzes, jeder einzelne kann sich natürlich in seiner persönlichen Glücksträhne wähnen!

Was hätte also gedroht, wenn eine solche Untersuchung stattgefunden hätte? Meine Vermutung ist: es wäre der schlimmste Fall eingetreten, der darin bestünde, daß Frau Drew nicht das kleinste Fehlverhalten hätte nachgesagt werden können. Wenn sie nun aber kein Fehlverhalten gezeigt hätte, wäre ebenso auch das gesamte Firmenkonzept fehlerfrei – schließlich hat das ja mit Frau Drew auch 30 Jahre funktioniert! Dann wäre aber zu fragen, warum ein fehlerfreies Firmenkonzept, welches auch sachgemäß umgesetzt worden ist, derartige Verluste erzeugt?

Und jetzt kommt die Frage, ob man Fisch oder Fahrrad sein will: man kann sich natürlich als aufgeklärter Mensch, als Krone der Schöpfung immer noch dem Glauben hingeben, daß aus Geld durch „anlegen“ mehr Geld wird, daß dann, wenn das Geld statt im Sparschwein auf dem Konto „liegt“ (ist auch schon falsch) auf einmal eine wundersame Geldvermehrung einsetzt. Oder man kann akzeptieren, daß Ökonomie nicht nur die Abwägung von Alternativen bedeutet (Opportunitätskosten), sondern auch die Beachtung der Gegenbuchung! In diesem Fall setzt sich dann die Erkenntnis durch, daß Wohlstand sich erst dann einstellt, wenn Geld zu dem gemacht wird, was es eigentlich ist: ein abstraktes aber effektives Mittel um Wohlstand zu erzeugen, wenn es dazu verwendet wird, um arbeitsteilig organisierte Schöpfungsprozesse in Gang zu setzen, die das Wohlergehen von Menschen zu steigern in der Lage sind.

In letzterem Fall kommt man dann irgendwann auf die Idee, daß es für die Menschheit weder ein richtiges noch ein falsches Anlagekonzept gibt, sondern nur ein zufällig erfolgreiches oder ein zufällig verlustbringendes Konzept. Und soweit es nicht möglich ist, durch vorbildlichstes Handeln einen gesellschaftlichen Nutzen zu erzeugen, sondern es lediglich wie in einem Strategiespiel darum geht, auf Kosten des Anderen einen Vorteil zu erzielen, dann ist es vor der Alternative „Bleiben mit Konflikt“ oder „Gehen im Konsens“ stets richtig, denjenigen Weg zu wählen, welcher den Fundamentalismus des „Mehr-Geld“ nicht in Frage stellt. Denn was würde man gewinnen, die Welt darüber aufzuklären, daß die Finanzmärkte eine größere Traumfabrik sind, als Holly- und Bollywood zusammen?

Eben. Mit festem und unerschütterlichen Glauben kann man Berge versetzen, aber wer will das? Im Traum kann man sogar fliegen – solange man nicht aufwacht. Der individuelle Traum kann ja sogar zur Realität werden, solange die Gesamtheit den Traum weiterträumt. Und solange er weitergeträumt wird, muß sich auch niemand persönlich dafür opfern, daß Wahrheit in die Welt der Finanzmärkte eindringt.

Danke Frau Drew, daß Sie uns weiter träumen lassen!

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TARGET und Griechenland: Anmerkungen zu einem fiktiven Problem

Nachdem es inzwischen in den Bereich des Möglichen gelangt, daß es tatsächlich zu einem Austritt Griechenlands aus dem EURO kommen könnte, wird die Hysterie über die Frage, was mit den TARGET2-Salden der Bundesbank gegenüber der griechischen Zentralbank passieren wird, immer schriller. (Ja ich weiß, daß sie formell gegen die EZB gehen!) Man könnte fast meinen, daß der Maya-Kalender dieses deutsche Weltuntergangsereignis punktgenau prognostiziert hätte. Denn was gibt es schließlich Schlimmeres, als eine ohnehin uneinbringliche Forderung endgültig abzuschreiben?

Doch gemach. Die Lösung für aussichtslose Probleme liegt üblicherweise darin, die unausweichlichen Realitäten zu akzeptieren und nicht darin, vermeintlich ewige Prinzipien so lange zu Tode zu reiten, bis man sich selbst der Lächerlichkeit preisgibt. Letztere bestünde darin, die vermeintlichen TARGET-Forderungen dahingehend eintreiben zu wollen, daß ein Ausgleich dieser „Forderungen“ nur durch eine Übertragung von Gold oder wahlweise einem Eigentumsrecht an griechischen Inseln erfolgen könne.

Wenn man der literarischen Vorlage Glauben schenkt, beginnt die Lösung des o.a. Pseudo-Problems so: „Dann stelle mer uns janz dumm un sage mer so: das Schüld is echt!“

Eigentlich müßte man dazu nichts mehr sagen, da aber vermutlich der Clou an der Sache einer gewissen Erläuterung bedarf, gibt es noch die Auflösung hinterher. Also: wie man weiß, ist auch die griechische Zentralbank eine Zentralbank wie z.B. die Bundesbank – ja, richtig gehört, man glaubt es kaum! Nun weiß man aber, daß eine Forderung gegen eine Zentralbank auf eben das Zentralbankgeld, welches eben diese ZB emittieren kann, eben das IST: Zentralbankgeld. Nicht umsonst werden die Forderungen von Banken gegen die Zentralbank zum Zentralbankgeld gerechnet. Wenn aber die Forderung dasselbe ist wie ZBG, DANN kann man frei nach Schnauz´ Diktum auch so tun, als wäre der Transfer dessen, was gefordert ist, bereits erfolgt. Heißt: „Die Überweisung ist echt!“ In diesem Fall sieht die ganze Transaktion in etwa so aus:

Nachgebastelt m.Korr. im Anschluß an das working-paper von Burgold/Voll

Da weder die griechische Zentralbank noch die Bundesbank an einem Mangel an ZBG leidet (Das ist bei Zentralbanken nun mal so!), weist die griechische Zentralbank einen um 100 GE höheren ZBG-Umlauf aus – nämlich um den Betrag, der an die Bundesbank transferiert wurde, während die Bundesbank den Erhalt dieses ZBGes damit quittiert, daß sie einen Kassenbestand in Höhe von 100 GE auf der Aktivseite ausweist. Da weder für die griechische ZB noch für die Bundesbank ein ZBG-Bestand irgendeinen Wert darstellt (Wie schon gesagt, das hat nichts mit gesundem Menschenverstand zu tun!) ist im Grunde mit ein paar Buchungseinträgen der Fall erledigt. Man könnte für alle diejenigen, die solche Dinge erst dann glauben, wenn sie es auch gesehen haben eine Bargeldsendung von Athen nach Frankfurt vor laufenden Kameras organisieren, um den unerschütterlichen Fehlglauben daran, daß diese TARGET-Salden halt eben doch eine Forderung sind, zu befriedigen. Denn worauf lauten diese „Forderungen“? Eben, auf EURO. Und sobald die Bundesbank den Kassenbestand ausweist, ist die Forderung keine Forderung mehr, sondern, na halt ein Kassenbestand. Daß die Bundesbank nicht wirklich weiß, was sie damit anstellen soll, steht auf einem anderen Blatt. (Geld nach Deutschland zu bringen ist wie Eulen nach Athen tragen!) Das wäre noch das geringste Problem.

Nur: in diesem Fall findet sich garantiert der eine oder andere übereifrige Politiker, der diesen Kassenbestand für die Gesundung der öffentlichen Haushalte instrumentalisieren möchte. Das gibt dann eine ebenso schräge Diskussion, weil man dann wiederum niemandem erklären kann, wieso ein Kassenbestand kein Ertrag ist, der deswegen nicht an die z.B. Bundesregierung ausgeschüttet werden kann. Mit Griechenland hat das alles dann aber herzlich wenig zu tun!

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Die Wunder geldpolitischer Hierarchien

Irgendwie sieht es so aus, als wenn das Thema Zentralbank doch zum Nachdenken anregt. Dann kann ich ja mal darüber plaudern, was es mit dem Begriff des zweistufigen Banksystems auf sich hat! Achtung, es gibt keine Einleitung!

Zweistufiges Bankensystem bedeutet, daß die Primärbank, sprich die Zentralbank, Zentralbankgeld emittiert (und zwar per Kredit) DAMIT die Sekundärbanken, sprich die Geschäftsbanken ein Liquiditätsproblem haben. Das ist deswegen erforderlich, weil das Delegationsproblem zwischen Zentralbank und Geschäftsbank, was darin besteht, daß eine Zentralbank die Geschäftsbeziehungen einer Geschäftsbank nur rudimentär kontrollieren kann, dahingehend gelöst werden muß, daß die Primärbank ein Kontrollregime erzeugt, was dazu führt, daß die allgemeinen Normen der Kreditvergabe dem vorgegebenen Standard entsprechen. Das ihr zur Verfügung stehende Mittel besteht daraus, daß das von ihr zur Verfügung gestellte Zahlungsmittel der Standard ist, den die ihr angeschlossenen Geschäftsbank eben NICHT emittieren können und deswegen die banktechnischen Bewirtschaftungsüblichkeiten des Zentralbankgeldes dazu führen, daß die – hoffentlich – vorgegebenen Ziele der Zentralbank erreicht werden.

Heißt: Geschäftsbanken ökonomisieren Zentralbankgeld, können es aber nicht selbst schaffen. (Ja, das steht scheinbar im Gegensatz zu der weitläufig kolportierten Vorstellung, daß Geschäftsbanken „Geld“ schaffen können – nur eben kein Zentralbankgeld.) Das hat zur Folge, daß Geschäftsbanken einem Liquiditätsproblem unterliegen, welches permanent gelöst werden muß, damit keine Exklusion vom Interbankenmarkt, also eine Pleite aufgrund von Illiquidität erfolgt. Das Delegationsproblem zwischen ZB und GB kann also nur so gelöst werden, daß der Interbankengeldmarkt zur Kontrollinstanz wird, die darüber entscheidet, ob das Geschäftsgebaren einer Bank den allgemeinen Bonitätserfordernissen entspricht oder nicht. Verschlechtert sich die Bonität einer Geschäftsbank, steigt deren Refinanzierungszins, ansonsten bleibt er gleich, was den Effekt hat, daß bei einem gleichmäßigen Liquiditätsausgleich zwischen bonitätsmäßig gleichen Banken der Refinanzierungszins zu einem durchlaufenden Posten der bankinternen Kalkulation wird. Heißt: das Kontrollproblem der Zentralbank hinsichtlich der Bonität der Kreditforderungen der Geschäftsbanken wird auf die Ebene des Interbankengeldmarktes verlagert!

Das gleiche Prinzip müßte – denn irgendwie scheinen sich die Politikparameter der 17 EURO-Zentralbanken denn doch erheblich zu unterscheiden – auf der Ebene zwischen EZB und den NZBen existieren, wenn man von der EZB dasselbe erwarten würde, was z.B. die Bundesbank hinsichtlich der Bonitätskriterien für die ihr angeschlossenen Geschäftsbanken erzeugt hat. (Ein solches Geldregime wäre dann dreistufig.) Das würde bedeuten, daß die EZB darauf hinwirken könnte, daß sich im InterNZBengeldmarkt (ja ich weiß, ein scheußliches Wort) der Liquiditätsausgleich auch nach Maßgabe der Einschätzungen der Bonitäten der jeweiligen NZBen zwischen den betroffenen NZBen regelt, d.h. daß die Frage der Kreditvergabe einer NZB gegenüber einer anderen NZB sich danach bemißt, ob die Bonität des Bankensystem welches der NZB angeschlossen ist, als dem allgemeinen Standard entsprechend eingeschätzt wird oder nicht. Was haben wir stattdessen? Eine Hilflosigkeitserklärung der EZB, die es jeder NZB erlaubt, die Bonitätskriterien für die Einreichung von ‚collaterals‘ selbst zu bestimmen. So etwas hätte es mit der Bundesbank nie gegeben!

Kleiner Exkurs:
Die TARGET-Regeln, die jede NZB quasi dazu ZWINGT, auf jede „Überweisung“ einer NZB eine entsprechende Zentralbankgeldausgabe (ohne Liquiditätsempfang – das ist so!) zu gewähren, erzeugen in dem betreffenden Emissionsland einen unnützen Liquiditätspool, der sich lediglich in überflüssigen Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken niederschlägt. Heißt auf gut Deutsch, daß die „empfangende“ NZB (es wird ja dabei kein Zentralbankgeld übertragen) – möglicherweise entgegen ihrer eigenen Bonitätspolitik – eine Zentralbankgeldausweitung zulassen muß, die von ihr nicht kontrolliert werden kann. Das führt zu einer gröblichen Aushebelung des Prinzips, daß eine Geschäftsbank, die nur die VERWALTUNG von Liquidität zu besorgen hat und sich nie darauf verlassen können darf, daß jegliches Liquiditätsbegehren sofort alimentiert wird, auf ein Liquiditätspolster stützen kann, welches nach Maßgabe der nationalen Bonitätspolitik möglicherweise als nicht angemessen angesehen wird. Das heißt konkret: die Bundesbank ist kaum noch in der Lage, die von ihr erwarteten Bonitätsnormen der Kreditvergabe der Geschäftsbanken zu kontrollieren. (Der Grund, warum das anscheinend in Deutschland doch funktioniert, muß in spezifischen Verfahrensüblichkeiten der deutschen Bankenlandschaft gesucht werden. Mal sehen.)
Exkurs Ende

Die Gewährung der Möglichkeit an die NZBen durch die EZB, die ‚collaterals‘ selbst zu bestimmen bedeutet letzten Endes jedoch, daß es so etwas wie eine Zentralbank im Sinne der Deutschen Bundesbank in Europa mit der Scheinkoryphäe einer EZB überhaupt nicht gibt. Denn bis heute werden über 90% aller Geldemissionsgeschäfte in EURO-Land immer noch von den NZBen getätigt! Das Schlimmste dabei ist, daß jede NZB ihre eigenen Bonitätskriterien anlegen darf und damit das Grundprinzip, daß Geschäftsbeziehungen zwischen Partnern auf verläßlichen Kriterien beruhen müssen, mit aller Seelenruhe ausgehebelt wird, bzw. in jedem EURO-Land unterschiedliche Standards für ‚collaterals‘ existieren.

Das einzige Zucken, wo die EZB überhaupt ökonomisch fühlbar ist, sind die Anleihenkäufe von Pleitekandidaten, was auch postwendend dazu geführt hat, daß sie dafür kritisiert wurde – zu Recht. Letzteres allerdings nicht deswegen, weil sie damit irgendwelche europäischen Verträge gebrochen hätte, das scheint ja mittlerweile Usus zu sein, sondern weil sie sich als Joker positioniert, um der virulenten Frage: ist denn die eine NZB gegenüber der anderen überhaupt noch zahlungsfähig, einen Nebelschleier überzustülpen. Denn die EZB hat eins kapiert: in der Rolle einer clearing-Stelle kann man durchaus MACHT ausüben – etwas was die EZB bisher an die BIS, auch im EURO-Kontext, abtreten mußte. Insofern muß man nicht so erstaunt sein, wenn die EZB die Schieflagen von TARGET und ELA Salden als Anlaß dazu nimmt, um sich selbst als wesentlichen Faktor neben der BIS ÜBERHAUPT mal ins Gespräch zu bringen. Denn für die EZB hat sich doch bis auf die 99%-Kommentatoren niemand jemals interessiert! Nicht mal die Frisur von Trichet war Gesprächsthema, wo jedes Outfit von DSDS-Groupies wichtiger war!

Das Problem ist: der Aufkauf von „Schrottanleihen“ gibt der EZB ERSTMALS überhaupt eine Aufgabe! Vorher hatte sie keine – es sei denn man sieht eine Aufgabe darin, irgendwelche kryptischen Sprüche abzusondern, welche die vereinigten Glaskugelputzer dann für ihre Prekärleserschaft häppchengerecht aufbereiten. Das bedeutet leider nach allem was man über Institutionen weiß, daß sie sich mit aller Macht daran klammern wird, um ihre eigene Existenz begründen zu können, obwohl sie eigentlich redundant ist. Für alle, die es immer noch nicht begreifen wollen: man hätte das EURO-System auch ohne den Popanz EZB installieren können! Ob die EZB irgendwann mal zu einer ernstzunehmenden Institution wird, wird wohl die Bundesbank entscheiden, ob es einem gefällt oder nicht!

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Warum Zentralbanken Zentralbanken sind

Die nachfolgenden Absätze sollten eigentlich ein Kommentar zu einem Blogeintrag des Handelsblogs sein. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund, wollte die Blogsoftware den Kommentar nicht verarbeiten. Ist auch egal, schließlich bezieht sich dieser Kommentar auf ein Diskussionspapier von Peter Burgold und Sebastian Voll.

Et voilá:

„Durch die Übertragung eines Zentralbankguthabens entsteht für die beauftragende NZB keine Zahlungsverpflichtung.“ (S. 9)

und

„…während andere darauf verweisen, dass das Geld aus den Peripherieländern stammt.
Letzteres ist offensichtlich korrekt.“ (S. 12)

und dann auch noch:

„Paradoxerweise könnte hier also eine „Tilgung“ mittels gesetzlichen Zahlungsmittels nur stattfinden, indem der Gläubiger (hier: die Überweisungen empfangende NZB) dem Schuldner (hier: die Überweisungen beauftragende NZB) Geld übergibt.“ (S. 9)

Irgendwie kann hier etwas nicht stimmen. Der Fehler liegt wohl wieder mal darin, daß den Autoren irgendwo die Fehlvorstellung von der „bargeldlosen Zahlung“ in die Quere gekommen ist. Denn wenn die Peripherie-NZB einen Auftrag hat Zentralbankgeld an eine Zentrum-NZB zu zahlen, dann müßte sie eigentlich zahlen, sprich Zentralbankgeld übergeben – im wörtlichen Sinne! Insofern stimmt zwar der Verweis, daß das Zentralbankgeld aus den P-Ländern stammt. Der Punkt ist jedoch: die P-NZB gibt zwar eine Anweisung über einen Anspruch auf Zentralbankgeld an die Z-NZB weiter und und beide verbuchen das, ohne daß jemals gezahlt wird. Weswegen die P-NZB aber keine Zahlungsverpflichtung hat, bzw. darauf verzichtet werden kann, ist doch der ganze Witz an der Sache. DAS hätten die Autoren mal erklären sollen!

Der Grund, daß man auf die Übergabe des Zentralbankgeldes aber tatsächlich verzichtet, ist, daß eine Zentralbank gedanklich über einen nicht beschränkten Bestand an Zentralbankgeld verfügt und es DESWEGEN entbehrlich ist einen Zentralbankgeldausgleich zu machen, da eine nicht beschränkte (oder unendliche) Menge von Zentralbankgeld durch eine Zahlung von einer Zentralbank, die ebenso über einen unendlichen Bestand an Zentralbankgeld verfügt, nicht vergrößert werden kann. Die Empfänger-NZB wird dadurch weder reicher noch ärmer, ebenso wie die Sender-NZB nicht ärmer oder reicher wird. Oder anders gesagt: weil eine Forderung gegen eine Zentralbank schon Zentralbankgeld IST, kann man auf die tatsächliche Zahlung verzichten. Noch anders: das Verbringen von ZBG von einer P-NZB zu einer Z-NZB erzeugt nur eins: Kosten! Woran liegt das alles letztlich? Weil Zentralbankgeld für eine Zentralbank keinen Wert darstellt! (Schöner Gruß an den gesunden Menschenverstand – der hat hier aber gerade nichts zu suchen!)

Daher ist auch eine Verringerung der TARGET-Salden davon abhängig, ob die Besitzer von Sichtforderungen gegen deutsche Banken ihre Vermögens-Konten wieder in der Peripherie halten und damit ihre Guthaben statt im Zentrum wieder in die Peripherie verlagern. Die Übertragung von Zentrum zu Peripherie erfolgt – wie im umgekehrten Fall – ebenso ohne Übertragung von Zentralbankgeld, wozu auch, wenn ein paar Buchungssätze reichen! Die Voraussetzung dafür wäre, daß die Peripherie-Banken ihre verlorengegangene Bonität wiederherstellen, um so für Vermögensanleger wieder interessant zu sein. Denn das – die verlorengegangene Bonität – ist der eigentliche Grund dafür, daß es überhaupt zu diesen TARGET-Salden gekommen ist – ein Aspekt, der bei den Autoren immerhin einmal in einem Nebensatz erwähnt wird.

„Die Existenz der TARGET2-Salden liegt allein in der Konstruktion der Europäischen Währungsunion begründet.“ (Zit. Paper S. 8) So ist es. Und das liegt in a nutshell daran, daß wir es mit 17 NZBen zu tun haben und die EZB noch nicht mal eine ordentliche Clearingstelle ist – weil zwischen Zentralbanken, die dasselbe Zentralbankgeld emittieren, kein Clearing erforderlich ist. Its that simple!

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Verirrungen zwischen Geld und Forderungen

Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen taucht in der wirtschaftstheoretischen Diskussion immer wieder die Behauptung auf, daß Geld, weil es ja irgendwie eine Schuld der Zentralbank sei, daher eine Forderung darstellen müsse und diese Forderung sei ein Anteil am Sozialprodukt. Gelegentlich werden derartige Dinge als selbstverständlich gültige Binsenweisheit dargestellt, deren Wahrheitsgehalt qua „Selbstverständlichkeit“ außer Frage steht. Man sieht ja, daß man Geld für Güter eintauschen kann – man kann es ausgeben und erntet keinen Widerspruch.

Und genau diese vermeintliche „Binse“ ist nicht korrekt! Am leichtesten erkennt man das durch einen Blick ins BGB. Eine einfache Rückbesinnung auf die Erinnerungsspuren an die zweistufige Konstruktion des Kaufvertrages läßt erkennen, daß ohne das Verpflichtungsgeschäft aus $ 433 BGB usw. KEIN Erfüllungsgeschäft nach $ 929 BGB usw. entstehen kann. Selbst eine Übertragung von Geld ohne Gegenleistung setzt das Zustandekommen eines Schenkungsvertrages voraus, d.h. die Annahme des Angebots einer Schenkung. (Ja, auch eine Schenkung ist ein Vertrag, der durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen geschlossen wird!) Verpflichtungsgeschäfte stehen ja auch mit gutem Grund im Abschnitt Schuldrecht, während Erfüllungsgeschäfte demgegenüber im Abschnitt Sachenrecht des BGB zu finden sind.

Soll heißen: ohne einen Geschäftspartner, der als Gegenleistung eine Zahlung in Geld akzeptiert, gibt es für Geld keine Verwendung. Das bedeutet aber auch, daß Geld selbst noch keine irgendwie geartete Forderung begründet. Würde Geld eine Forderung darstellen, wäre schon allein mit dem Besitz von Geld eine schuldrechtiche Leistung verbunden, so ist es aber nicht! D.h. die Vermutung, daß Geld = Forderung gilt, vermischt eine phänomenologisch motivierte Erfahrung mit einem juristisch wie wirtschaftstheoretisch völlig konträr fundierten Sachverhalt.

Noch nicht mal die oft kolportierte Scheingewißheit, daß der Bargeldumlauf, weil er ja eine Passivposition der Zentralbank darstellt, eine Schuld der Zentralbank und folglich eine Forderung des Geldinhabers darstellt, kann als Argument für die These „Geld = Schuld“ herhalten.

In ‚a nutshell‘ was Geld ist: ein (Geld-)Schuldentilgungsmittel! Nicht mehr und nicht weniger. Auch beim Kaufmann von Venedig wurde letztlich die eigentliche Schuld (ein Pfund Fleisch des Schuldners) in eine Geldschuld „umgerubelt“, jedoch zeigt das ganz deutlich, daß die Frage der Gegenleistung nicht automatisch auf Geld lauten muß, selbst wenn es meistens so ist.

Warum erscheint die Vermutung, daß Geld selbst bereits eine Forderung darstelle, so plausibel? Nun, weil die Einräumung eines Kredites, der dem Schuldner das Recht einräumt über einen bestimmten Zeitraum über eine bestimmte Summe von Geld zu verfügen, den Schuldner verpflichtet, selbiges wieder zu erwirtschaften. Er ist somit dazu gezwungen ein Leistungsangebot (Warenangebot) zu machen, um die fälligen Geldsummen zu erwirtschaften. Wegen dieses Zwanges, wegen der Existenz des Schuldendrucks wird das produzierte Warenangebot mit Geldpreisen ausgezeichnet und nicht deswegen, weil irgendein „Vertrauen“ in den „Geldwert“ existiert. Insofern „vertraut“ ein Einkommensempfänger letztlich nur in den Schuldendruck der Unternehmen, auch wenn es ihm nicht bewußt ist. (Daß dieser Schuldendruck mit einem Gewinninteresse seitens der Unternehmer einhergeht, stört dabei nicht!)

Von einem derartigen Standpunkt aus gesehen ist dann auch klar zu definieren, was es mit dem Begriff der „Ware“ auf sich hat. Nach dem vorstehend gesagten ergibt sich: Ware ist nichts anderes als kalkulierter Geldwert. Heißt: für einen Unternehmer hat die Ware nur insofern Bedeutung, als sie dazu eingesetzt werden kann, um durch den Erlös für die Ware den Schuldendienst zu leisten und möglichst ein Nettoeinkommen aus der unternehmerischen Tätigkeit zu erzielen. Ware ist für den Unternehmer nur Mittel zum Zweck der Wiedererlangung der verauslagten Kosten mit dem Ziel, einen Überschuß der Erträge über die Kosten zu erzielen. Und solange die Unternehmer diese Motivation haben, kann man auch daran glauben, daß ja Geld eine Forderung sei. Daß das nicht stimmt, stört ja nicht!

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