Logische Typenlehre und die Ökonomie

dont believeDas Schönste an der Quantitätstheorie M V = P Y ist die Naivität, mit der allen Ernstes versucht wird einen Zusammenhang zwischen der Ebene der Güter und der Ebene des Geldes herzustellen. Da allerdings den Urhebern dieser Theorie bei dem Gedanken an deren Stichhaltigkeit nicht so ganz geheuer war, wurde denn auch in der Folge die Gleichung wahlweise als Tautologie, Identität oder gar als Kontinuitätsformel ökonomischer Weisheit präsentiert. (Es ist aber auch möglich, daß man ausgehend von der Quantitätstheorie zu korrekten Aussagen kommt, wenn man sich nur an die monetären Grundsätzlichkeiten hält, die von den statistischen Ämtern veröffentlicht werden; die Feldtheorie der Ökonomie  ist, jenseits der Tatsache, daß sie sich nicht um die hier angesprochene Problemlage schert ein Beispiel dafür, daß man auch ‚right for the wrong reasons‘ sein kann.)

Der quantitätstheoretische Ansatz sucht die Antwort auf die „Geldfrage“ in einer Realmystik, weil er sich nicht damit abfinden will, daß die Funktionsweise (!!!) von Geld mit Wert nichts zu tun hat. Denn die Frage nach dem Wert hat was mit intrinsischen Befindlichkeiten zu tun, welche durch die Präferenzen der allgemeinen Gleichgewichtstheorie in aller Form dargelegt werden. Nun ist zwar die Frage, was Geld für ein Individuum wert ist auch eine Frage von persönlichen Einschätzungen, nur ist dieser Entscheidungsaspekt auf einer anderen Ebene angesiedelt, als es die Entscheidung über die Nützlichkeit eines Objektes ist.

Der theoriegeschichtliche Hintergrund ist dabei, daß das Zentralmodell der herrschenden Wirtschaftstheorie – die allgemeine Gleichgewichtstheorie – aufgrund ihrer Konstruktion nur relative Tauschverhältnisse abbilden kann. Aus diesem kühlen Grunde ist es erforderlich eine formelhafte Abbildung zu finden, um die relativen Preise in absolute Preise (Geldpreise) zu transformieren. Dazu wurde der gesamtwirtschaftliche Umsatz (P * Y) mit „der“ Geldmenge (M) in Beziehung gesetzt und heraus kommt eine ominöse Variable (V), die dann so etwas Ähnliches abbilden soll wie die „Händewechselhäufigkeit“ jeder einzelnen Geldeinheit.

Die wichtigste und leider für die Ökonomie fatale Zuschreibung an den auf diese Weise unterschwellig definierten „Geldwert“ ist die Assoziierung von Geld als einem „Realwert“, obwohl die Quantitätstheorie gerade diesen Schluß nicht nahelegt. Denn wie man durch einfache überlegung nachvollziehen kann, ist die Höhe der Geldpreise (P) von der Geldmenge (M) abhängig, so daß in der Definitionsformel für V (die sagenumwobene Umlaufgeschwindigkeit)
V = P*Y/M
auf der rechten Seite Variable stehen, die auch ohne ein ominöses V voneinander abhängig sind. Die logische Folge davon ist, daß damit die Frage des „Geldwertes“ völlig in der Luft hängt – weil die entscheidende Frage der Abhängigkeit von P und M bereits auf der „rechten“ Seite stattfindet – und zu allem Überfluß auch noch Y (das reale Sozialprodukt) in diese vermeintlich selbst-evidente Beziehung hineinspielt, was, sobald man V als konstant voraussetzt, zu einer Beziehung von monetären und realen Einheiten führt und damit automatisch die Vorstellung des „Realwertes“ einer Geldeinheit erzeugt wird. Der intellektuelle Kurzschluß zu einer Vorstellung eines „werthaltigen Geldes“ (Goldwährung) ist an dieser Stelle nicht mehr weit. Dieser Kurzschluß trifft sich mit der phänomenologischen Erfahrungstatsache, daß Geld ja gegen Sachgüter „getauscht“ werden kann, so daß einer Identifizierung von Geld und Wert nichts mehr im Wege steht. Daß damit einer Verwechslung kategorialer Ebenen Vorschub geleistet wird ist dann kein Wunder mehr.

Damit kommen wir aber zum Punkt: der logische Typensprung besteht daraus, daß Kommunikation über Sachen anderen Kriterien unterliegt, als die Sachen selbst. Kommunikation über die Verfügung von Sachen hat was damit zu tun, daß diese Funktionalität keine direkte Verbindung mit einer (möglicherweise) zugehörigen Interaktionsform besitzt, die auf einen Ausgleich von Werten aufgebaut ist. So ist zum Beispiel die Funktionalität von Sachen in der Korntheorie des Zinses von Ricardo zu finden, die mit der Funktionalität der Kommunikation über monetäre Profitraten nicht das mindeste zu tun hat. Oder anders: die klassische Austauschrate von Hirsch und Biber bei Adam Smith hat zwar etwas mit den relativen Wertverhältnissen zu tun – der Zielpunkt dieser Art von Interaktion ist jedoch darauf geeicht, aus der geschäftlichen Interaktion gerade keine Schuldbeziehung erwachsen zu lassen, welche nach Abschluß dieses Tausches eine Fernwirkung auf zukünftige (geschäftliche) Beziehungen haben könnte. Ein Tausch hat gerade mit dem, was monetäre Verpflichtungsrelationen angeht allenfalls indirekt etwas zu tun!

Der Hintergrund für diese Konzeptionierung ökonomischer Ebenen findet sich vordergründig in der Kommunikationstheorie von G. Bateson, im Endeffekt jedoch in der logischen Typenlehre von Whitehead und Russell:

„Unser Forschungsansatz beruht auf dem Teil der Kommunikationstheorie, den Russell die ‚Theorie der logischen Typen‘ genannt hat. Die zentrale These dieser Theorie besagt, dass zwischen einer Klasse und ihren Elementen eine Diskontinuität besteht. Die Klasse kann weder ein Element ihrer selbst sein, noch kann eines ihrer Elemente die Klasse sein, da der für die Klasse gebrauchte Terminus einer anderen Abstraktionsebene – einem anderen logischen Typ – angehört, als die auf die Elemente anwendbaren Termini.“

Der hier verwendete Ansatzpunkt besteht daraus:

Obwohl in dieser Passage sowohl von (Abstraktions) ‚Ebenen‘ als auch von ‚Typen‘ gesprochen wird, suchen wir in Batesons Arbeiten vergeblich nach einer Bestimmung der Unterschiede zwischen diesen beiden Parametern. So deutlich einerseits der Unterschied zwischen den Begriffen Element und Klasse im Rahmen logischer Argumentation ist, so ungeklärt bleibt andererseits das Verhältnis zwischen Ebenen und Typen in der psychologischen Kommunikationstheorie von Bateson.

Nun geht es hier nicht darum die logische Typenlehre zu diskutieren, sondern darum den Aspekt hervorzuheben, der sich daraus ergibt, daß Bateson und später Luhmann angeregt haben, daß Wirtschaft als ein Kommunikationssystem begreifbar ist, welches von der Konzeption, Wirtschaft als reales Tauschsystem zu betrachten, fundamental unterschiedlich ist. Damit hat es sich allerdings mit Bateson und Luhmann auch schon. Das was man als Wesentliches daraus lernen könnte ist, Wirtschaft nicht als Substanzfrage zu betrachten, sondern als kommunikative Veranstaltung, die davon geprägt ist, daß Einvernehmen über Verfügungen hinsichtlich realer Objekte erzielt wird. Die Ignoranz der Ökonomie besteht dagegen daraus, daß die Formulierung einer Grenzproduktivität als a priori postulierter handlungsleitender Zentralaspekt dazu führt, daß monetäre Kommunikation zu einem abhängigen Abbild der realen Sphäre wird. Das ist der (tragische) Stand der Dinge!

Die logische Typenlehre der Ökonomie postuliert demgegenüber, daß die Objekte der Realökonomie einen „Transmissionsmechanismus“ brauchen, in dem Sinne, daß es einen Kommunikationsstandard braucht, der die Kriterien definiert, wann reale Objekte entweder einen Eigentumswechsel erfahren oder zu einer Produktionsveranstaltung eingesetzt werden (können). Damit betrachtet sie die Unterschiede, welche zwischen der Realebene und der monetären Ebene existieren. Die Differenz der Unterschiede ökonomischer Kategorien hebt gerade den Unterschied hervor, der sich zwischen Produktivität, die sich auf eine reale Menge von Gütern bezieht, befindet, während demgegenüber Gewinn sich auf Geld bezieht, welcher sich nicht aus einer Produktivitätsphilosophie erklären läßt. Es klingt lächerlich, aber den (meisten) Ökonomen muß man sagen: Geld wächst nicht auf Bäumen!

Der in dieser Problemverstrickung enthaltene Hänger ist dabei immer der gleiche: Kommunikation wird immer dann zum Problem wenn Objekt und Bezeichnung verwechselt werden. So ist eine Zinstheorie der Produktivität eine Angelegenheit von Mengen. Dagegen ist die Kommunikation über Mengen eine Metaebene (die Zins als eine Zuschreibung zu dem abstrakten „Wert“ – besser: Forderungsvolumen – einer Schuldforderung manifestiert), deren Existenz von der bisherigen ‚mainstream‘-Ökonomie weitgehend geleugnet wird. Der augenfälligste Ausdruck dieser Scheuklappenstrategie ist die Quantitätstheorie, die völlig unbekümmert von einer strukturellen Differenz von Objekt- und Kommunikationsebene einen kausalen (meistens noch schlimmer als selbst-evidenter Identitätskomplex verstandener) Konnex zwischen beiden Ebenen postuliert und damit das zentrale Hindernis für eine ökonomische Theorie darstellt, die wenigstens mal den Anspruch struktureller Konsistenz erheben könnte.

Ein Ansatz, der sich zugutehalten kann, dieser Verwechlung nicht zu unterliegen resultiert aus den Untersuchungen von L.A. Hahn und M. Copeland, deren Untersuchungsobjekt die monetären Relationen einer Volkswirtschaft sind, der sich über A. Forstmann, W. Lautenbach und schließlich W. Stützel in dem Konzept der „volkswirtschaftlichen Saldenmechanik“ niedergeschlagen hat. Das eigentliche ‚feature‘ dieses Ansatzes, gerade ohne einen Bezug zu realen Objekten auszukommen macht sie in den Augen des ‚mainstream‘ zu einer nicht-ökonomischen Theorie, weil damit der Bezug zu den realen „Wahrheiten“ verloren geht, woraus sich ganz zwanglos auch die permanente Abneigung gegen diese Art der Konzeptualisierung ökonomischen Denkens erklären läßt. Dabei ist diese Kritik in etwa so, als würde sich die Hardwareabteilung über die Softwareabteilung eines Computerherstellers dahingehend beschweren, daß die Software-Programmierer keine Hardware-Entwicklung betreiben wollen. Natürlich ist da auch ein Zusammenhang, aber die Regeln und Kriterien der Software-Entwicklung sind eben nur indirekt davon bestimmt, welche Konstruktionsprinzipien in der Hardwareabteilung als neuester Schrei zur Anwendung kommen.

Die logische Typenabbildung zwischen der Realsphäre und dem monetären Kommunikationssystem besteht eben daraus, daß Geld als relatives Maß der Produktion einen indirekten Zusammenhang herstellt, da ja Bezeichnung und Objekt eine zwar begriffliche, aber letztlich nur eine phänomenologische Einheit zu etablieren in der Lage sind. Das ist vor dem Hintergrund einer effizienten Institutionalisierung auch nicht schlimm, bedeutet aber hinsichtlich einer angemessenen Wirtschaftstheorie, daß man sich davon fern halten muß, die strukturellen Ebenen der ökonomischen Analyse auf eine unangemessene Weise zu vermengen. Die Einsicht, die logischen Typen der ökonomischen Erkenntniswelt strukturell auseinanderzuhalten eröffnet die Möglichkeit, Geld und Wert, wenn schon nicht zu „integrieren“, so doch miteinander dergestalt zu verbinden, daß es möglich wird, ohne logische Kategorialverwechslungen über Ökonomie in einer zukunftsfähigen Weise diskutieren zu können.

7 Kommentare

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7 Antworten zu “Logische Typenlehre und die Ökonomie

  1. rubycon

    Was Du beschreibst ist der Unterschied zwischen der Aufwands- und Ertragsrechnung und der Cash-Flowrechnung oder gemäß den kommunalen doppischen Haushaltsrechnungen zwischen der Ergebnisrechnung und der Finanzrechnung. Diese Abstraktionsfähigkeit wird mit der Technik der Saldenmechanik abgebildet – mehr nicht .
    Sie laufen in die Bilanz als zeitpunkterfasste Bestandspositionen Kasse und Eigenkapital .

    • Vandermonde

      Die Aufwände sind ja bereits das Ergebnis einer erfolgten Abbildung in die monetäre Sphäre und sagen über die grundlegenden Regeln und Gesetzmäßigkeiten einer solchen Abbildung ja nichts aus. Eine solche Abbildung wäre vermutlich auch unabhängig davon, ob man sie auf der Aufwands- oder Ertragsseite betrachtet, da diese ja i.a. wiederum sowohl Ergebnis als auch Ausgangspunkt von weiteren Aufwands- und Ertragssituationen darstellt.

      • Der Unterschied zwischen Finanzhaushalt und Ergebnis-/Aufwandshaushalts führt zu den Insolvenzursachen Zahlungsunfähigkeit (Cash-Flow; Kasse Aktivseite) und Überschuldung (EK-Verzehr; negatives Passivseite mit Gegenposition nicht durch EK gedeckter Fehlbetrag auf Aktivseite).
        Unter welchen Bedingungen Kontokorrentkredit gewährt bzw. Schuldenabbau ermöglicht werden bestimmen die Geldgeber bzw. die Eigentümer. Siehe den kommenden Bankenstresstest und die Beurteilung der Lebensfähigkeit durch die Aufsicht für das Kreditwesen (KWG) und die EZB – sie setzen die grundlegenden Regel und Gesetzmäßigkeiten.
        Ob diese durch übergeordnete Staatshaushalte fort“geschöpft“ werden ist eine Entscheidung der Währungspolitik.
        Wim Duisenberg hat dafür sein Leben gegeben 😉

      • Man kann das darin involvierte „Henne-Ei“-Problem damit erledigen, daß durch die Genese von Geld als Voraussetzung von Investition eben die Investition die dominierende Seite des geldwirtschaftlichen Ablaufs darstellt. Schumpeter hat dafür mal die schöne Methapher geprägt: „Jeder (erfolgreiche) Unternehmer ist auf seinen Schulden zum Erfolg geritten!“ Daß Schulden letzten Endes ein Ergebnis arbeitsteiliger Prozesse und damit interpersonelle Verpflichtungen darstellen bedeutet, daß damit auch die Prozeßrichtung des Produktionssystems bestätigt wird: erst kommt die Produktion (Eingehung von Schulden auf das Prozeßergebnis), dann die Verteilung (Löschung von Schulden durch Akzeptanz des Output).

        Aufwand und Ertrag stehen damit in einer eindeutigen Relation: erst der Aufwand, dann folgt der Ertrag! Oder: „Von nichts, wird nichts.“ (Soviel zu der oberschlauen Strategie, durch Steuersenkungen den Ertrag verbessern zu wollen um sich dann zu wundern, daß kein entsprechender Aufwand erfolgt!)

  2. rubycon

    Sie, das sind die Periodenergebnisse/Endsalden von GuV sowie Finanzmittelbestand der C+F-rechnung oder Ergebnis- und Finanzrechnungssaldo (siehe Vordruckmuster der GemHVO-Doppik)

    Klicke, um auf fb-260.pdf zuzugreifen

    siehe Schaubild af Seite 286

  3. Wer zukünftig die grundlegenden Regel und Gesetzmäßigkeiten dominieren wird ?
    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/ein-eu-kommissar-fuer-die-finanzmaerkte-13065825.html
    Und Deutschland weiß bereits Bescheid !

  4. Pingback: Vollgeld ist voll daneben - Iromeisters Abenteuerreise

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