Bargeldloser Zahlungsverkehr? Echt?

Es beginnt wieder mal mit einem Blogposting auf Inside Paradeplatz an den dortigen Kommentator Roman Günter:

@Roman Günter

„Notenbankgeld ist Zahlungsmittel, für jeden, der über solches verfügt. Banknoten werden als Inhaberpapier direkt physisch übertragen. Girokontoguthaben werden per Auftrag an die Nationalbank übertragen…“

Zunächst einmal vielen Dank dafür, daß Sie darauf hinweisen, daß Notenbankgeld keine einheitliche Menge ist, sondern aus unterschiedlichen Dingen besteht.

Banknoten werden durch Einigung und Übergabe transferiert und sind damit den Inhaberpapieren gleichgestellt!, sind selbst aber keine Inhaberpapiere. Ein Inhaberpapier muß einen Forderungsinhalt haben und dieser existiert bei Bargeld nicht. Bargeld hat nur eine Funktion, nämlich daß dessen Übertragung fähig ist, eine Geldschuld zu tilgen. (Deswegen ist der „Wert“ von Geld auch nur eine emotional-intrinsische Attribuierung, die geldtheoretisch sofort auf eine falsche Fährte führt…)

Auf eine falsche Fährte wird man auch dann geführt, wenn es um das Verfahren der Überweisung geht, denn wie Sie schreiben, sollen ja „Girokontenguthaben … per Auftrag an die Nationalbank übertragen…“ werden können. Sie suggerieren dabei, daß es die Giroguthaben sind, die übertragen werden, so als wären diese eine übertragbare Sache. Aber das stimmt nicht, denn Giroguthaben sind Teil eines Schuldverhältnisses im Rahmen eines Zahlungsdienstleisterarrangements (auch bekannt unter Girovertrag) und als solche an die beteiligten Vertragsparteien gebunden. Man kann aber mit diesen Guthaben die Bank (SNB) veranlassen (anweisen im Sinne von befehlen) einen Geldtransfer durchzuführen.

Und das geschieht so:

Die Bank bucht wie bei einer normalen Auszahlung:
Giroguthaben UBS an Kasse
Giroguthaben im Soll, was bei Passivkonten eine Abnahme bedeutet und
Kasse im Haben, was bei Aktivkonten eine Abnahme bedeutet.
D.h. es handelt sich hierbei um eine simple Bilanzverkürzung, genau wie bei einer Auszahlung am Geldautomaten.

Dann folgt die „Überweisungsbuchung“:
Kasse an Giroguthaben CS
Kasse im Soll, was bei einem Aktivkonto einen Zugang bedeutet und
Giroguthaben im Haben, was bei Passivkonten einen Zugang bedeutet.
D.h. es handelt sich hierbei um eine simple Bilanzverlängerung, genau wie bei einer Einzahlung auf der Bank.

Heißt: der eigentliche Geldtransfer besteht aus einer buchungsmäßigen Auszahlung sowie einer gleichhohen Einzahlung, wobei das Guthaben des Zahlungspflichtigen in diesem Umfang gestrichen wird und damit untergeht, während es im gleichen Moment bei dem Zahlungseingangsberechtigten in demselben Umfang neu entsteht und sein Kontostand sich damit erhöht. Den Untergang von Guthaben einerseits und die Neuentstehung von Guthaben andererseits als eine „Übertragung … von Guthaben“ zu bezeichnen unterschlägt somit, daß die eigentliche Zahlungsabwicklung sich wie es sich gehört auf der Aktivseite abspielt, obwohl es nach Saldierung so aussieht, als hätte sich auf der Aktivseite nichts getan.

Und selbst Herr Meyer bestätigt ja, daß ein Zahlungsmittel nur ein Aktivum sein kann…

Ende des Postings von Inside Paradeplatz

Das ganze Durcheinander hinsichtlich der Frage, wie der elektronische Zahlungsverkehr genau erfolgt wird durch Formulierungen, wie durch den Art. 2 im Schweizer WZG erst richtig befördert:

Als gesetzliche Zahlungsmittel gelten:

a. die vom Bund ausgegebenen Münzen;

b. die von der Schweizerischen Nationalbank ausgegebenen Banknoten;

c. auf Franken lautende Sichtguthaben bei der Schweizerischen Nationalbank.

https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19994336/index.html

Daß Banknoten Zahlungsmittel sind ist ja unstittig, denn die stehen ja auch auf der „richtigen“ Seite der Bilanz: auf der Aktivseite. Das gilt mit einer Einschränkung auch für die SNB, denn auch die SNB-Buchhaltung verfügt über ein Konto „Kasse“, welches zwischen den Bilanzzeitpunkten auch fleißig bebucht wird, zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung jedoch auf Null bereinigt wird (Notenumlauf an Kasse), weil ein positiver Kassenbestand bei der SNB die Vermögenslage zu groß ausweisen würde (netto spielt das natürlich keine Rolle). Um diesen Effekt bei der Erstellung der Bilanz herauszurechnen wird am Jahresende das Konto Kasse auf Null gesetzt, so daß es in der Jahresbilanz nicht auftaucht. Man sollte daraus nicht den Schluß ziehen, bei der SNB (wie bei jeder anderen Zentralbank auch) gäbe es keine Kasse – und ob es die gibt!

Nun rechnet das WZG die Giroguthaben der Banken (bei der SNB) zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln und meint damit die Aktiveinträge „Forderungen gegen die SNB“, die sich bei den Banken befinden. Das hat nur ein Problem, denn diese Aktiveinträge sind lediglich eine Referenz, denn sie beziehen sich auf die Passiveinträge bei der SNB und diese stehen hinsichtlich einer Zahlungsmitteleigenschaft schlichtweg auf der falschen Bilanzseite. Die Auflösung dieses Widerspruchs liegt darin, zu erkennen, daß die Forderungen gegen die SNB in Wahrheit Dispositions- oder Weisungsrechte sind, womit die Banken die SNB veranlassen können zu ihren Gunsten entweder Bargeld auszuzahlen, oder einen Transfer von Bargeld vorzunehmen, dessen Funktionsweise sich in dem oben zitierten Posting nachlesen läßt.

Das heißt: es handelt sich bei einer Überweisung der UBS zur CS, welche durch die SNB abgewickelt wird, um eine Operation des papierlosen Bargeldverkehrs und nicht um den sagenumwobenen bargeldlosen Zahlungsverkehr. Das stimmt dann nämlich auch mit dem Grundsatz, daß nur ein Aktivum ein Zahlungsmittel sein kann überein, heißt aber auch, daß die SNB für die Durchführung einer Überweisung keine anderen Vermögenswerte braucht, als ihre eigenen (virtuellen) Banknoten. Letztere könnte eine Zentralbank in jedem beliebigen Umfang in ihrer Kasse aktivieren – deswegen ist es ja eine Zentralbank – ohne auf andere Vermögenswerte angewiesen zu sein. Ich vermute mal, daß die SNB es sogar vermeiden wird auch nur eine Millisekunde mit einem negativen Kassenbestand zu operieren, so daß für die Abwicklung derartiger Kassenzahlungen eine Ausgleichsbuchung eingefügt wird, die den Kassenbestand auf die erforderliche Auszahlungshöhe bringt, damit die virtuelle Auszahlung erfolgt und der entsprechende Betrag, nach der virtuellen Einzahlung wieder gegen den virtuellen Notenumlauf neutralisiert wird. (Oder man deklariert ein Kassenkonto als Transitkonto, wo sich niemand wundert, daß es für eine Millisekunde ins Minus rutscht…) Auf jeden Fall wird – auch bei Zentralbanken – die Zahlung auf der Aktivseite vollzogen, so daß eine Formulierung, welche die Passiveinträge „Guthaben“ zu Zahlungsmitteln erklären will, aus logischen Gründen zum Scheitern verurteilt ist.

Dieser Befund, daß es sich beim Überweisungsverkehr im Grundsatz um einen papierlosen Bargeldverkehr handelt ist natürlich nicht auf die SNB beschränkt, auch wenn hierbei das zentrale Mißverständnis, irgendeine lustige „Zirkulation von Einlagen“ als Zahlungsverkehr zu stilisieren, im Art. 2 des WZG besonders schön zum Ausdruck kommt. Auch wenn sich Zentralbanken viel darauf zugute halten den Zahlungsverkehr elektronisch abzuwickeln: es geht kein Weg daran vorbei zu registrieren, daß nach dem ganzen „clearing“, welches im Wesentlichen nur die Redundanzen des Zahlungsverkehrs beseitigt, das „settlement“ in letzter Konsequenz stets über das Kassenkonto der Zentralbank abgewickelt wird. Dafür, daß diese Operation papierlos erfolgen kann ist die zentrale Eigenschaft einer Zentralbank, nämlich jede Verbindlichkeit, die auf den Standard lautet, welchen sie selbst emittieren kann, in jeder beliebigen Höhe in Bargeld auszahlen zu können, verantwortlich. Genau aus diesem und nur aus diesem Grund ist es legitim, die Bargeldauszahlung und -einzahlung durch einen virtuellen Prozeß zu substituieren. (Im Umkehrschluß heißt das natürlich auch, daß bei einer Abschaffung des Bargeldes eine Zentralbank automatisch zahlungsunfähig wird! Eine simple Erkenntnis, die allerdings in manche Köpfe nicht reingeht…)

Bleibt eigentlich nur noch die Frage übrig, warum es angemessen ist, die Buchungen auf dem Kassenkonto einer Zentralbank als Bargeldverkehr zu bestimmen. Denn das, was Bargeld ist, wird ja in diesem Zusammenhang nicht wirklich bewegt oder transferiert. Im Grunde genommen hängt das damit zusammen, daß auf einem Kassenkonto definitionsgemäß Bargeldein- und -auszahlungen gebucht werden und der Saldo den Kassenbestand angibt. Nun ist es ja so, daß bei derartigen Buchungstransaktionen von vornherein feststeht, daß der Saldo der vorzunehmenden Transaktionen gleich Null ist und somit der Kassenbestand nach Abschluß aller Buchungen genauso hoch ist wie vorher, die Zentralbank als Zahlungsdienstleister also keine Kassendifferenz buchen muß und damit von vornherein eine physische Bewegung von Banknoten entbehrlich wird. Die Rechtskonstruktion, welche das ermöglicht, daß dadurch die korrespondierenden Forderungen/ Verbindlichkeiten als ausgegelichen angesehen werden können, setzt voraus, daß es sich hierbei um gleichartige, miteinander verbundene Operationen handelt, welche dann analog zu dem Prinzip der Aufrechnung behandelt werden können. Bei Aufrechnungen ist es so, daß die betreffenden Forderungen tatsächlich als bezahlt gelten, es sich also – im Unterschied zur Leistung an Erfüllung statt – hierbei um einen Zahlungsvorgang handelt, bei dem man sich lediglich erspart, dieselbe Geldsumme hin- und herzutransferieren. Genau das wird durch die papierlose Bargeldbuchung abgebildet, so daß es sich hierbei nicht um eine fiktive, sondern um eine tatsächliche wenngleich virtuelle Zahlungsoperation handelt.

Fazit: man mag es ein wenig als gekünstelt ansehen, daß die SNB als Zahlungsdienstleister der UBS und die SNB als Zahlungsdienstleister der CS quasi sich selbst gegenübersteht und die Verpflichtung zur Auszahlung und die Forderung der Einzahlung mit sich selbst verrechnet – und dadurch zahlt. Das mag auf den ersten Blick recht umständlich aussehen, gewährt aber dann, wenn man sich klar macht, daß genau hier die Wurzel des modernen Zahlungsverkehrs liegt, einen Einblick in die Operationsstruktur des gegenwärtigen Zahlungssystems. Das ist der Vorteil, wenn man sich analytisch und nicht mythisch den Basisprozessen des Zahlungsverkehrs nähert, wobei letzten Endes klar wird, daß auch im Zentralbankwesen hauptsächlich mit Wasser gekocht wird…

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Geldtheorie, Wirtschaftstheorie

Eine Antwort zu “Bargeldloser Zahlungsverkehr? Echt?

  1. Pingback: Kleine Presseschau vom 30. April 2019 | marktEINBLICKE

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..