Das vergangene Märchen der ’seigniorage‘

KrötchenEs gibt wohl kaum ein besseres Beispiel für die Ignoranz der Wirtschaftstheorie dem monetären Komplex gegenüber als die Tatsache, daß ein Überwintern historischer Konzepte bis in die Gegenwart möglich ist, obwohl sich die Rahmenbedingungen in der Zwischenzeit fundamental geändert haben. So ist das Konzept der ‚seigniorage’ in einer Zeit entstanden, als es tatsächlich noch Zahlungsmittel gab, die aus Gold gefertigt wurden. Aus diesem Grund ist der historische Teil des oben verlinken Artikels insoweit korrekt.

Was danach folgt kann man nur noch mit Grausen betrachten. Die folgende Begriffserklärung bezieht sich einmal auf einen „Zuwachs des nominalen Bestandes an Zentralbankgeld“, womit bereits völlig naiv eine Gleichsetzung von Goldgeld mit dem heutzutage verwendeten Kreditgeld insinuiert wird. Ganz so als hätte es die Aufhebung des Goldstandards durch Nixon 1971 nie gegeben – mal abgesehen davon, daß der Goldstandard im Wesentlichen bereits seit Bretton Woods Toast war, denn seitdem regierte de facto der Dollar-Standard, auch wenn es danach noch ein paar Verwicklungen wegen einiger Goldbarren gab.

Die nachfolgende Definition von Issing ist es jedoch wert genauer unter die Lupe genommen zu werden. Das Erste was dabei auffällt ist, daß dort über „reale Erträge“ gesprochen wird, ganz so, als sei es nicht angebracht diese Erträge vielleicht mal monetär zu definieren. (Herzlichen Glückwunsch an die Geldtheorie, die sich über „reale Erträge“ definieren soll!) Und woraus bestehen diese nun? Daraus, daß „Private zinslos Zentralbankgeld halten“. Dazu muß man eines wissen: für Ökonomen ist der „Wert“ einer Sache stets durch die Opportunitätskosten definiert, welche deswegen entstehen, daß mit der Wahl einer Alternative stets der Verzicht auf eine andere Verwendung einhergeht. Das ist im Wesentlichen eine werttheoretische „was wäre wenn“ Argumentation, die sich in vielen Argumentationen wie auch z. B. in der Konzeption der Liquiditätsprämie wiederfindet. (Übrigends auch in der „wertstiftenden“ Arbeitskraft von Marx, die angeblich durch „Ausbeutung“ zu einer monetären Akkumulation Anlaß geben soll – selten so gelacht, was allerdings die Versuche, die Neoklassik geldtheoretisch nutzbar zu machen genauso betrifft. Klassik ist halt Klassik! Zur Ehrenrettung: das hat Marx selber gesehen, seine ‚follower‘ dann schon nicht mehr! Ja, ja, R. Luxemburg ist ein anderes Kapitel!) Nun ist an dieser Stelle die relevante Alternative eine zinstragende Anlage des Geldes, so daß eigentlich eine monetäre Begründung gegeben scheint. Bei dieser Geschichte bleibt allerdings die Frage offen, ob und inwieweit der entgangene Zinsertrag auf der einen Seite auch auf der anderen Seite zu einem Zinsgewinn führt – wofür nicht mal im Ansatz eine Begründung geliefert wird. Das ist jedoch, wie der weitere Inhalt des Artikels zeigt, nicht die ‚seigniorage’ die gemeint ist, denn in einer folgenden Formel wird sie doch tatsächlich als der um das Preisniveau bereinigte Zuwachs der „realen“ Geldmenge formuliert. Was damit suggeriert wird ist, daß der Zuwachs an Zentralbankgeld tatsächlich zu einem Vermögenszuwachs bei den monetären Autoritäten und letztlich beim Staat führt.

Dieser Sachverhalt ist jedoch durch nichts gedeckt, denn die Emission von Zentralbankgeld erfolgt im Kreditgeldsystem im Wesentlichen im Zuge einer Kreditgewährung der Zentralbank gegenüber einer Geschäftsbank, was zwar die Bilanz der Zentralbank verlängert, aber keineswegs zu einem „Wohlfahrtszuwachs“ der Zentralbank führt. Denn das Einzige was eine Zentralbank davon hat ist eine Forderung, von der sie hofft, daß diese auch bedient wird. Wie man aus einer derartigen Transaktion schließen kann, daß damit ein Realtransfer stattfinden würde muß eigentlich auf ewig unerfindlich bleiben. (Man kann es auch anders ausdrücken: diese Sichtweise postuliert kraft eigener Wassersuppe, daß die Vergabe eines Kredites bereits einen monetären Nettovermögenszuwachs bedeuten würde – was jedem halbwegs erfahrenen Buchhalter Magenkrämpfe bescheren würde.)

Der Grund dieser Verwirrung liegt wohl eher darin, daß auch hier wieder der klassische Irrtum über das Verhältnis von Geld und Forderungen bei der Formulierung dieser Definition Pate gestanden hat. Denn obwohl jeder, der schon mal einen Kredit bedienen mußte weiß, daß Geld das Geschuldete ist, krallt sich der Irrtum über die Eigenschaft des Geldes entweder Forderung oder Verbindlichkeit zu sein wie eine fixe Idee in den Köpfen von Ökonomen – und vielen die sich dafür halten – fest.

Und es geht weiter: unter fiskalischer ‚seigniorage’ wird diese definiert aus der monetären ‚seigniorage’ was nichts anderes heißt, daß das defekte Konzept der monetären ‚seigniorage’ nun auch für die Formulierung eines weiteren Kunstbegriffs verwendet wird, was die Sache natürlich nicht besser macht. Da die Voraussetzung schon nicht stimmt, muß man sich darüber erst garkeine Gedanken machen. Obwohl: richtig witzig wird die ganze Sache dadurch, daß man sich daraufhin darüber Gedanken machen kann, warum nicht erzielte Zinseinnahmen zu einem zinsbedingten fiskalischen Ertrag führen sollen. Man kann es nur so sehen: auf eine fehlerhafte Fragestellung gibt es keine sinnvolle Erklärung! Und: die Erklärung, daß die ‚seigniorage’ durch den Gewinn der Notenbank gemessen werden kann, steht mal einfach so im Widerspruch zu der formelpräsentierten Darstellung, die sich ein paar Zeilen weiter oben findet, daß nämlich die ‚seigniorage’ aus einer Bestandsveränderung der monetären Entität „Zentralbankgeldzuwachs“ entstammen soll. (Wie soll man sich eigentlich über einen Artikel lustig machen, wenn er sich sogar schon selbst zerlegt?)

Die Katastrophe dabei ist, daß diese Definition von ‚seigniorage’ von einem Ökonomen stammt, der bis vor ein paar Jahren noch Chefökonom der EZB war. Das ist schon schlimm genug, aber es ist ja nicht so, daß sich nicht irgendwelche ‚follower’ der Sache verschrieben hätten und solche Dinge raushauen, wie z.B.: die „Opportunitätskosten-Seigniorage“ ist „der Zinsertrag, der erzielbar ist, wenn der Gegenwert der Zentralbankgeldmenge zum Marktzins angelegt wird.“ Fragt sich eigentlich von diesen „Ökonomen“ überhaupt einer, wo der „Gegenwert“ der Zentralbankgeldmenge steht? Richtig, auf der Passivseite der Zentralbank, wobei der Posten des Zentralbankgeldumlaufs in der Zentralbankbilanz letztlich nur einen Merkposten darüber darstellt, wieviel Zentralbankgeld von der Zentralbank im Zuge irgendwelcher Kreditvergaben ausgegeben (geliefert) worden ist. Aus einem Merkposten über geliefertes Zentralbankgeld abzuleiten, daß daraus ein „realer Wert“ entstünde, überstrapaziert selbst den geduldigsten Menschenverstand. (Wer meint eine buchhalterische Begründung dafür zu haben, daß diese Argumentation richtig sei, mag sich in einem Kommentar melden. Falls es tatsächlich jemand tut: das wird nicht jemand sein, der in buchhalterischen Dingen auch nur halbwegs bewandert sein kann!) Aber gemach: auch die Theoretiker der „Liquiditätspräferenz“ sind nicht davor gefeit, die intrinsischen Gefühle der Geldbesitzer als Argument für knallharte Sachfragen zu verwenden. So hat jeder sein Kuckucksnest! Man kann es auch anders ausdrücken: wenn ein Wirtschaftssubjekt sich für eine Sache entscheidet heißt das nicht, daß die Nichtentscheidung für die Alternative für jemand anderes einen (monetären) Gewinn bedeutet. Noch einfacher: wenn ich auf etwas verzichte, hat ein anderer erst recht nichts davon! (Kennt man aus dem Sparparadoxon! Und: ’school-shootings‘ mal ausgenommen!)

Daß irgendwelche Leute, die derart lustige Theorien vertreten, ob sie nun beanspruchen das (angeblich) maßgebliche Internetlexikon zu repräsentieren, oder ob sie nun derart krude Theorien über eingebildete „Erträge“ vertreten, auch noch Einfluß auf die europäische Geldpolitik hatten (haben), kann man nur noch mit Humor ertragen.

Ich möchte an dieser Stelle noch Michael Gunczy dafür danken mir die Inspiration für diesen Post vermittelt zu haben! (Ach so, die Vollgeldler sind diesmal noch glimpflich davongekommen!)

22 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Wirtschaftstheorie

22 Antworten zu “Das vergangene Märchen der ’seigniorage‘

  1. Michael Gunczy

    Vielen Dank für die Aufklärung, also ich hab es jetzt verstanden.
    Man könnte für einfache Gemüter auch sagen, Seigniorage ist ein virtueller Gewinn, der niemals realisiert werden kann. Das spiegelt auch ganz gut das gröbste Missverständniß an unserem FIAT Geldsystem (ich weiß nicht ob der Ausdruck passt, da ich ihn bei dir noch nicht gesehen habe) wider.

    • Sie müssen das etwas anders sehen: „einfache Gemüter“ verstehen das (fast) sofort, die Ökonomen brauchen deswegen länger – sofern es ihnen überhaupt möglich ist – weil sie glauben, die richtige Interpretationsweise für diese Welt „gelernt“ zu haben.

      Ihre Formulierung „Seigniorage ist ein virtueller Gewinn, der niemals realisiert werden kann.“ gefällt mir außerordentlich gut, und zwar deswegen, weil auch die „virtuelle Forderung“, die einige Leute aus einer Banknote herauslesen wollen, nicht wirklich realisiert werden kann. (Ich hatte schon mal den Fall, daß jemand versucht hatte zu argumentieren, daß eine Banknote deswegen eine Forderung sei, weil man damit ein „Recht“ hätte, bei der Zentralbank die Begleichung seiner Schulden „fordern“ zu können! Heiliger Bimbam!)

      Was die „FIAT“-Nummer angeht: für den Kreditgeldkapitalismus in dem wir leben, ist genau das das ‚feature‘ und nicht der ‚bug‘ – aber das ist eine andere Story!

  2. Michael Gunczy

    es würde mich freuen, wenn Sie vielleicht einmal zu dem letzten Satz noch mehr ausführen könnten. 😉

  3. Seignorage wird übersetzt als „Münzgewinn“. Da war es den Leuten noch deutlich, daß eine Münze etwas anderes als eine Banknote ist. Der Münzgewinn leitet sich aus der Differenz her zwischen den Kosten des Förderns eines Metalls und dem Nennwert der daraus hergestellten Münze. Würde mich mal interessieren, ob wer verifizieren kann, ob das Münzregal immer noch die Nationalstaaten inne haben.
    BitCoin schöpft sein Zahlungsmittel schuldfrei, die Seignorage ist dort der Unterschied zwischen den „mining“-Kosten des Erstellens des Codes und der volatilen Kaufkraft eines BitCoins im Markt. Rheingold schöpft sein Zahlungsmittel schuldfrei und die Seignorage beträgt 100% des geschöpften Nominals, da auch die Herstellungskosten des Rheingolds mit eben diesen Rheingold beglichen werden. Wie kann es bei Kreditverträgen (=Banknote) eine Seignorage geben? Beim Rheingold ist der erste Kauf immer „kostenlos“ bei allen.

    • Wo ist denn jetzt eigentlich der Unterschied zu dem herrschenden Geldsystem, denn die NZBen emittieren ja das Zentralbankgeld ebenfalls zinslos, was man an einer Spezialität der Zentralbanken sieht, daß sie im Prinzip ihre Kosten falls nötig durch selbst emittiertes Geld bezahlen könnten und sich selbst natürlich keine Zinsen berechnen; erst wenn darüber im Wege des Kredits verfügt wird, werden dann auch Zinsen fällig. Und wenn sich jemand Rheingold leihen möchte (sofern das überhaupt interessant ist), wird der Verleiher wohl auch für den Kredit (Rheingold)-Zinsen haben wollen.

      Deswegen frage ich mich immer, wofür das Argument der „zinslosen Geldschöpfung“ eigentlich gut sein soll? Da gibt es doch keinen Dissens was man ja auch daran sieht, daß der Besitz von Zentralbankgeld für die Privaten eben das ist – zinslos!

  4. Stephan Goldammer

    Hinweis: Ottmar Issing hat “Private zinslos Zentralbankgeld halten” in der neuesten Ausgabe (15.) geändert zu „Private freiwillig Zentralbankgeld (Basisgeld) halten“.

    • Ja, das steht bei Wikipedia auf der Diskussionsseite unter: „Definition“!

      Das macht die Definition auch nicht besser, denn die „Freiwilligkeit“ verhindert nicht die „Zinslosigkeit“. Diese Änderung wird wohl eher deswegen erfolgt sein, weil die EZB bereits seit geraumer Zeit die Überschußreserven der Banken verzinst und damit Geldhaltung nicht mehr automatisch unverzinslich erscheint. Der Absurdität tut das keinen Abbruch!

  5. rubycon

    Ach Soffi, wir stehen unmittelbar vor der Helikoptermethode die C. Lange auf Seite 24 f Deines Links beschreibt … siehe auch aktuell Bank of Japan und die Huldigungen durch die Geldpolitiker der Chicago Boys and Girls (Mde Lagarde) 😉
    Also schon mal Regenschirme zum einsammeln der Scheine organisieren.
    Können natürlich auch Verindlichkeitenkonten für ZB-Kredite sein.

  6. @soffi
    Die Tilgungspflicht einer Forderung erzwingt ein reales Leistungsangebot an den Forderungshalter (Geldhalter/Gläubiger)

    >>>>Sie müssen das etwas anders sehen: “einfache Gemüter” verstehen das (fast) sofort, die Ökonomen brauchen deswegen länger – sofern es ihnen überhaupt möglich ist – weil sie glauben, die richtige Interpretationsweise für diese Welt “gelernt” zu haben.

    Nun werfen Sie doch bitte endlich mal das zusätzliche wertgebende
    „Geld-Ding“ als geistigen Ballast ab, Zentralbankgeld incl. Bargeld ist nur ein Derivat der realen Leistungs-Schulden aus den GB-Krediten.

    Nach diesem Befreiungsakt sind Sie das führende Schnellboot unter Economy-Blogs.

    • @Guthabenkrise

      „Die Tilgungspflicht einer Forderung erzwingt ein reales Leistungsangebot an den Forderungshalter (Geldhalter/Gläubiger)“

      Ein Kreditvertrag stellt Forderungen-Verbindlichkeiten doppelseitig gegenüber, aber der Forderungsgegenstand auf den sich die Forderung bezieht ist das Zentralbankgeld/Banknoten. Die Tilgungspflicht einer Kreditvertrags-Forderung lautet daher auf Zentralbankgeld/Banknoten.

      Das aus diesem Tilgungsdruck auch ein reales Leistungsangebot entsteht ist richtig, ändert aber nichts daran, dass der Tilgungsdruck auf Zentralbankgeld lautet.

      „Nun werfen Sie doch bitte endlich mal das … ‚Geld-Ding‘ als geistigen Ballast ab“

      Das Geld-Ding existiert tatsächlich. Wenn man eine doppelseitige Verpflichtungsbeziehung (z.B. Wertpapier) auf die Aktivseite einer Zentralbank legt entsteht auf der Passivseite ein (nicht-doppelseitiges) Banknoten(Ding).

      Mit einer Banknote hat man keine Forderung auf etwas (außer zerknittert gegen frisch zu tauschen).

      Ein Wertpapier hält eine doppelseitige Verpflichtungsbeziehung fest. Lege ich nun das Wertpapier auf die Aktivseite einer Zentralbank, entsteht auf der Passivseite (nicht-doppelseitiges) Zentralbankgeld/Banknoten. Eine Ebene darüber liegt der (wieder doppelseitige) Wertpapierpensionsgeschäftsvertrag, und legt fest, wer, was, wann zurückzugeben hat. Die Banknote stellt die zu übergebene Sache in einem übergeordneten Verpflichtungspaar (Wertpapierpensionsgeschäftsvertrag) dar, die Banknote selbst ist aber keine Forderung. Und was keine Forderung auf etwas ist, ist ein Ding!

      • moneymind

        Ich hätte zunächst mal eine Frage, um ihre Sicht von Zentralbanknoten (die der currency theory entspricht) besser zu verstehen.

        Sehe ich recht, daß es aus Ihrer Sicht vor der Existenz von Zentralbanken, als nur private Banken existierten, nichts dem heutigen Zentralbankgeld-Ding entsprechendes gab (Dokumente, die keine Forderungen darstellten, aber dennoch vom Publikum bereitwillig mit dem aufgedruckten, weit über dem Materialwert liegenden Wert bewertet und als Zahlungsmittel genutzt wurden)? Daß dies mithin (qua Einlösepflicht der privaten Banken) ein Warengeldstandard – Goldstandard – war?

        Falls ich Ihre Sicht korrekt interpretiert habe: wie und aus welchen Gründen kam es dann aus Ihrer Sicht zur Zentralbank und zur heutigen Zentralbanknote?

        Danke + Gruß!

      • @moneymind

        Ich hoffe der Kommentar erscheint an der richtigen Stelle, unter Ihnen war kein Antwortfeld.

        Für materiellen Wohlstand ist ausschließlich das doppelseitige soziale Verpflichtungsbeziehungsnetz entscheidend. Zentralbankgeld(Ding) ist nur ein kleiner juristischer Wurmfortsatz, den wir z.B. brauchen um den Verkehr zwischen Banken leichtgängig zu ermöglichen.

        „Sehe ich recht, daß es aus Ihrer Sicht vor der Existenz von Zentralbanken, als nur private Banken existierten, nichts dem heutigen Zentralbankgeld-Ding entsprechendes gab“

        Doch, das Gold-Ding. Das war der Forderungsgegenstand auf den sich historische Banken untereinander einigen konnten, und auf den die doppelseitigen Verträge lauteten (oft auch Silber etc.).

        Der Grund für die Gründung einer Zentralbank: Es senkt die Kosten wenn sich alle auf ein einheitliches internes Transaktions-„Ding“ einigen [Gold ist zwar schon ganz gut, aber selbst da müssen Sie als Bank doch noch mal die Lupe rausholen, chemische Tests machen, Stempel vom König prüfen, Gold hin und herfahren, Lagerung etc. etc., alles Kosten.] Mit einheitlichem Zentralbank(buch)geld können Banken ein sehr kostengünstiges „Clearing“ betreiben. Und => Bei mittelalterlichem Gold ist es ja unfairerweise so, dass jemand der ein Goldbergwerk besitzt, einfach mit dem ausgebuddelten Gold-Ding einkaufen geht, aber keine Gegenleistung erbringt. Auf Deutsch, wer Güter vom Markt ohne Gegen-Verpflichtung „kauft“, der bescheißt 🙂

        Der „Wert“ einer Banknote und Gold, ist und bleibt null. Für unseren materiellen Wohlstand sind Arbeitsteilung und der Faktor Zeit notwendig, all das leistet (elegant) das soziale Verpflichtungsbeziehungsnetz, mit millionenfachen Verträgen, die nicht einseitig gelöst werden können, und die als Forderungsgegenstand ein einheitliches „Ding“ haben.

        Ich glaube es ist auch verwirrend, das auf Banknoten Euro steht, und die meisten glauben, Euros, also die Euro-DINGE haben einen „Wert“. „Wert“ dürfen nur die Verpflichtungsbeziehungen haben, denn aus denen entsteht das reale Leistungsangebot. Banknotendrucken und Gold ausbuddeln erhöht nicht den Wohlstand. Weder die erste noch die letzte gedruckte Banknote, hat je den Wohlstand erhöht. Das schaffen nur Verpflichtungsbeziehungen. Die aber wiederum als Forderungsgegenstand das „wertlose“ Ding haben.

        (Bei guthabenkrise.blog habe ich Ihnen sehr ausführlich geantwortet, vielleicht da nochmal gucken. Besonders der letzte Absatz, zu Tobias Deiters (All)Aussage: Geld ist kein Ding. Plus meiner Einwendung, Zentralbankg e l d ist aber ein Ding und endet als Wort mit Z…g e l d, und Herr Deiters sagt, Bargeld ist eine Forderung gegen die Zentralbank, was auch nicht richtig ist, außer er meint zerknittert gegen frisch zu tauschen…)

  7. Claartje

    >>>>“Bei dieser Geschichte bleibt allerdings die Frage offen, ob und inwieweit der entgangene Zinsertrag auf der einen Seite auch auf der anderen Seite zu einem Zinsgewinn führt – wofür nicht mal im Ansatz eine Begründung geliefert wird.“

    Die Passivseite ist dafür tatsächlich ungeeignet. Aber bei einer Bilanzverlängerung nimmt doch wesensgemäss auch die Aktivseite entsprechend zu (jedenfalls sollte sie … ob den Aktiven tatsächlich jener Wert zukommt, den Fed, EZB & Co. ihnen zumessen, muss die Zukunft freilich erst noch weisen): So werden etwa bei Offenmarktgeschäften die hereingenommenen (oder dafür mittels Umschichtung erworbenen) notenbankfähigen Effekten verbucht. Soweit diese Aktiven Erträge abwerfen, verbleiben Letztere der ZB (und sie wären bei den Geschäftsbanken angefallen, wenn diese sie nicht für Zentralbankguthaben hergegeben hätten), oder nicht?

    Das gilt jedenfalls für outright transactions. Wo die Effekten nur temporär gehalten werden, verlangen die ZBen Zins (z.B. „Reporate“). Dieser dürfte in der Praxis mutmasslich direkt mit den Erträgen aus den Aktiven verrechnet werden, die die ZB bei Pensionsgeschäften weiterreichen muss.

    Hier wie dort nimmt die Zentralbank ihr eigenes Geld wieder ein, was die Passivseite verkürzt, während die Aktiven unverändert bleiben. Die Differenz trägt (neben anderen Quellen) zur Seigniorage bei. Vielleicht liege ich aber auch falsch…

    • rubycon

      @ Claartje

      „…was die Passivseite verkürzt, …“
      Zinsen sind Flows, die Passivseite wird bei Thesaurierung statt Gewinnausschüttung durch EK-Erhöhung verändert / verlängert?

    • Sicherlich erzielt die Zentralbank Zinsen aus einer Kreditvergabe, wobei es vergleichsweise unerheblich ist, ob sie ihr Zentralbankgeld nun direkt als Kredit vergibt, oder zinstragende Forderungen ankauft, die während der Verwahrung im Bestand ihren Zinsertrag an die Zentralbank abgeben. Dennoch ist ein Zins-flow etwas anderes als eine Bestandsveränderung des Zentralbankgeldumlaufes (vgl. rubycon), welcher ja laut ’seigniorage‘-Verfechter ebenfalls zu einem Zuwachs des Nettogeldvermögens der Zentralbank (und damit des Staates) führen soll. Man könnte salopp sagen, daß dabei eine Bilanzverlängerung, die per Definition geldvermögensneutral ist, mit einem Ertrag verwechselt wird, der selbstverständlich geldvermögenserhöhend bzw. -vermindernd wirkt.

      Um eine Erhöhung des Nettogeldvermögensbestandes zu erreichen müßte eine Zentralbank z.B. eine Kassenbestandserhöhung buchen, ohne daß sie eine entsprechende Erhöhung des Notenbankgeldumlaufs gegenbuchen würde. Quasi etwa so: Bundesdruckerei liefert neue Banknoten, diese landen in der „Kasse“ der Zentralbank ohne daß eine Erhöhung des Notenbankgeldumlaufs gebucht würde. Dann entsteht natürlich ein Nettogeldvermögenszuwachs. Es gibt sicherlich „Spezialisten“ die sich das so vorstellen – mit Ökonomie hat das allerdings weniger zu tun, sondern eher mit dem Märchen von Sterntaler! 🙂

    • moneymind

      @Stefan Goldammer

      Bevor ich antworte, würde ich gern noch einige Fragen zur Zentralbank stellen:

      Warum verfolgen Zentralbanken aus ihrer Sicht ein Inflationsziel, und welche Rolle spielt dabei deren Möglichkeit, die „Nicht-Forderung“ Zentralbankgeld zu schaffen? Welchen Restriktionen unterliegen Zentralbanken bei der Schaffung von Zentralbankgeld, und wer erlegt ihnen diese Restriktionen auf?

      Sorry, wenn ich Fragen stelle statt „eine Position zu verteidigen“, wie das der übliche Diskussionsstil ist. Ich denke aber, wenn das Ziel „Erkenntnis“ heißt, kommt man so wesentlich besser voran.

      Gruß
      moneymind

  8. Michael Stöcker

    Wie immer, sehr erhellend! Vielen Dank. Bin selber Anfang dieses Jahres am Wikibeitrag verzweifelt. Hatte nichts verstanden. Nun weiß ich endlich, woran es lag. Vielleicht ist für interessierte Leser noch folgende Ergänzung interessant (ich hoffe, ich liege mit meiner Darstellung richtig):

    Seigniorage gibt es in einem modernen Kreditgeldsystem als historische Reminiszenz auch heute noch; allerdings in zu vernachlässigender Höhe. Und zwar aufgrund des Münzregals, das bei der Regierung liegt. Die Gewinne hieraus fließen direkt in den Bundeshaushalt. Eine detaillierte Darstellung findet sich im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank von Januar 2013 Seite 29 ff.: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte/2013/2013_01_monatsbericht.pdf?__blob=publicationFile

    Zum zweiten kann Seigniorage interpretiert werden als Differenz von Zinserträgen aus Wertpapierpensionsgeschäften und den Aufwendungen der Zentralbank, um diese Geschäfte durchzuführen. Dann gilt grundsätzlich: Je niedriger die Leitzinsen, desto geringer die Seigniorage. Zugleich führte die Absenkung der Mindestreserve zu einer Umverteilung der Seigniorage zu Lasten der Zentralbank und somit zu einer Reduktion des Zentralbankgewinns.

    Am interessantesten erscheint mir die Seigniorage im Zusammenhang mit internationalen Reservewährungen. Denn hier geht es um ganz andere Größenordnungen. Permanente Leistungsbilanzdefizite können in eigener Währung finanziert werden. So lange alle dran glauben und keine starke Alternative auftaucht (oder wieder abtaucht), funktioniert das, wie man sieht, recht gut. Der de facto Dollar-Standard ist in der Tat Gold wert. Im Herdentrieb hatten Sie es mal so nett als moderne Variante der Sklaverei beschrieben.

    Und zu guter Letzt kann Seigniorage durch den aktuellen Vorschlag zur Schwarz- und Drogengeldbekämpfung entstehen. Sollten tatsächlich alle 500 Euroscheine aus dem Verkehr gezogen werden, bliebe sicherlich ein nicht unerheblicher Teil als Altpapierbestand in manchen Tresoren zurück. Alle Scheine, die nicht bei der Zentralbank innerhalb eines Monats eingelöst werden, könnten dann als Verbindlichkeit abgeschrieben werden. Ich vermute, dieses Konto muss im Kontenrahmen erst noch temporär neu geschaffen werden.

    • Von einigen Seiten wird bestritten, daß es das Münzregal noch gäbe. Die Gewinne der Bundesbank rühre aus anderen Quellen her (Devisenhandel). Devisenreserven führen immer dazu, daß der Geldumlauf in der Binnenwährung erhöht wird. Der Importeur gibt die eingenommenen Devisen der Zentralbank und erhält dafür die Binnenwährung, die er schließlich braucht, um Verbindlichkeiten hier zu tilgen. Die Zentralbank kann doch nicht anders handeln, als diese Binnenwährung daraufhin aus dem Nichts zu schaffen (richtiger gegen Verpfändung der Außenwährungszettel). Verliert die Außenwährung an Wert, realisiert die Zentralbank Verluste, gewinnt die Außenwährung an Wert, gibts Gewinne (die dann an den Staat abgeführt wird). Wenn Rheingold mit anderen Regiogeldern kooperiert, würde das gleiche Szenario passieren.

    • rubycon

      Danke für die inhaltlichen Ansätzepunkte zur Analyse der Erfolgsentstehungsrechnung einer Zentralbank mit Einheitswährung und anderen Aussenhandelswährungen zu Staaten:

      „niedrige Leitzinsen mit Absenkung der Mindestreserve;
      internationale Reservewährungen mit de facto Dollar-Standard ;
      Schwarz- und Drogengeldbekämpfung bei Zeitregulierung“

      Zu letzterem jährliche FED-Abrechnung bei den US-Bundesstaaten/Reserveboards als regelmässiges Targetclearing auf das HW Sinn hingewiesen hat.

      Soffi erklärt immer sehr blumig und emotional 😉
      Es wird nicht umsonst auf permanente ausgeglichene Leistungsbilanzen hingewiesen (Bernd Klehn). Die USA kaschiert ihr positive Kapitalbilanz zur Finanzierung ihrer negativen Handelsbilanz very cool !

    • Erst mal vielen Dank für den Link zur Bundesbank hinsichtlich der Klärung der Frage nach dem Münzregal. Man kann es so sehen, daß da ein unwesentlicher Rest von ’seigniorage‘ noch existiert. Aber darum geht es ja gemäß der Definition von Issing nicht, der ja explizit auf das Notenbankmonopol hinweist. In Bezug darauf ist der Begriff ’seigniorage‘ nicht mehr – wie im Post diskutiert – anwendbar.

      Daß eine Notenbank außerhalb der Emission von Zentralbankgeld auch Gewinne machen kann, ist ja eher üblichen Bankgeschäften zuzuschreiben, die man nicht unbedingt mit dem Etikett ’seigniorage‘ bepflastern muß. So sind Wertpapierpensionsgeschäfte im Grunde genommen auch nichts anderes als Kredite, da das von der Zentralbank auf Zeit Gekaufte seinerseits zinstragend ist.

      „Die moderne Variante der Sklaverei“ – ja das ist ein Phänomen, welches mit dem Aufstieg Chinas wieder an Fahrt gewonnen hat. Allerdings haben die Chinesen hinterrücks den Spieß umgedreht und ihrerseits davon großflächig Forderungen in den USA erworben und den einstigen Sklavenhalter zum Nettoschuldner gemacht. That´s life… (Es ist allerdings ein zweifelhaftes Vergnügen einen unberechenbaren Schuldner wie die USA an der Leine zu haben – aus einer Leine kann auch schnell mal eine Schlinge werden!)

  9. An alle Münzregal-Zweifler: http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Kerngeschaeftsfelder/Bargeld/Euro_Muenzen/Rechtliche_Rahmenbedingungen/rechtliche_rahmenbedingungen.html . Die Gewinne hieraus sind für den Bundesbankgewinn irrelevant, da sie ja an den Finanzminister fließen. Daher stimmt Ihre Schlussfolgerung, dass die Gewinne aus anderen Quellen stammen.

    Devisenzugänge aus Exportgeschäften führen nur dann zu einer Erhöhung der Geldmenge, sofern sie nicht durch die Zentralbank sterilisiert werden. Was die Werthaltigkeit der Reserven angeht bin ich dann wieder ganz bei Ihnen.

  10. Pingback: QE versus ML | Zinsfehler

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..