MMT – 1

duckiesVor einiger Zeit habe ich eine Zuschrift eines interessierten Lesers erhalten, wo er anmerkt, daß in diesem Blog bisher keine Behandlung der MMT („modern“ monetary theory) erfolgt sei. Ich möchte mich erst mal dafür bedanken und mal versuchen dazu ein paar Gedanken und auch Vorbehalte dazu zu entwickeln.

Eines der Probleme die ich damit habe ist der Umstand, daß Vertreter dieser Theorie von sich selbst behaupten ohnehin keine geschlossene Theorie zu vertreten, wahrscheinlich weil es an einem spezifischen Leitgedanken mangelt auf den die Aussagen der MMT einheitlich zurückgeführt werden könnten. So ist bei der Neoklassik die soziale Grundfigur der Tausch von Hirsch und Biber, woraus sich sukzessive über das System von Walras die allgemeine Gleichgewichtstheorie entwickelt hat, die interessanterweise bis heute die Grundlage für die Theorie der Marktwirtschaft geblieben ist, ohne daß die der Marktwirtschaft zugeschriebenen Eigenschaften aus ihr ableitbar wären.

Dieses tauschtheoretische Grundmuster findet sich bis zum heutigen Tage insbesondere in der herrschenden Geldtheorie wieder, indem immer noch steif und fest von höchsten Stellen behauptet wird, daß eine der wesentlichsten Funktionen des Geldes die des Tauschmittels sei. Das ist etwa so als würde man behaupten, daß die Funktion von Strom der Antrieb eines Motors sei, dabei ist dem Strom der Motor herzlich egal, weil nur die Randeigenschaft des Stromes, die Induktion, den entscheidenden Nebeneffekt darstellt, welcher genutzt werden kann einen Motor anzutreiben. In ähnlicher Weise argumentiere ich hier, daß Geld nur dann seine „Nebenwirkung“ entfalten kann, wenn es seine Funktion erfüllen kann eine Geldschuld zu tilgen. Daß auf einer weiteren Ebene dann auch eine Gegenleistung erfolgt ist zwar unmittelbar ersichtlich, läßt sich aber aus der Zahlung selbst nicht erkennen, weil man einer Zahlung als solche nicht ansehen kann, ob sie für drei Brötchen oder einen Nagellackentferner erfolgt. Denn die Motivation des Verkäufers liegt nicht in einer Nutzung der Ware, sondern in der monetären Verwertung seiner Ware, wobei ihm die Verwendung völlig egal ist, denn eine Reflektion über das, was man mit seiner Ware alles anstellen kann, ist nicht die Motivation für sein Verkaufsangebot.

Aber lassen wir mal einen Abschnitt der zugesandten Darstellung über die MMT zu Worte kommen:

„Wenn man Geld für ein öffentliches Gut oder für ein Gemeinschaftsgut hält, das dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen hat und nicht der privaten Bereicherung, dann wird man früher oder später bei der staatlichen Theorie des Geldes landen; diese wurde bereits vor 100 Jahren in Deutschland gelehrt, und nach dieser Theorie hat das fiat money keinen eigenen Wert an und in sich, es wird aus dem Nichts geschöpft. Dieser Ansatz der Chartalisten wurde von Modern Monetary Theory (MMT) unter Berücksichtigung der Einsichten von Keynes, Lerner, Minsky u.a. weiterentwickelt und ergänzt um das Konzept von Jobgarantie und Vollbeschäftigung. Die Jobgarantie ersetzt dabei die Arbeitslosigkeit als Puffer (Reservearmee): vom Staat werden alle ansonsten Arbeitslosen zu einem Mindestlohn eingestellt, und zwar unbefristet; wenn dann die Wirtschaft in Gang kommt und wegen der Produktionsausweitung zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden sollen, dann müssen die vom Puffer (den Arbeitskräften mit Jobgarantie) zu einem gleich hohen oder höheren Lohn abgeworben werden. Finanzierungsschwierigkeiten kennt der Staat nicht, der sein eigenes Geld herausgibt und damit Waren und Dienstleistungen einkauft.Hierzulande werden die Beiträge von Autoren wie B. Mitchell, R. Wray, W. Mosler, S. Kelton, P. Tcherneva, J. Galbraith u.a. nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn ernsthaft diskutiert; man kennt auch nicht die in den USA geführte Auseinandersetzung zwischen deficit hawks, deficit doves und deficit owls, d.h. Falken, Tauben und Eulen: eigentlich seltsam angesichts der seit Jahren andauernden Banken- und Finanzkrise und der bislang vergeblichen Therapiebemühungen von Mainstreamökonomen.“

Die MMT beruht also auf dem Chartalismus von Knapp, dessen Grundthese daraus besteht, daß Geld von den Wirtschaftssubjekten deswegen für Tauschprozesse verwendet wird, weil sie Geld für die Zahlung von Steuern benötigen, die seitens des Staates erhoben werden. Es handelt sich dabei also um ein Rechtskonstrukt, welches den Wirtschaftssubjekten zwangsweise auferlegt wird und Geld deswegen „erwirtschaftet“ werden muß, um die fälligen Steuern zahlen zu können.

Im Vergleich zu der sozialen Handlung Tausch ist diese Vorstellung nicht auf einer freiwilligen Interaktion von Individuen gegründet, sondern auf einer aufoktroyierten Bestimmung, deren Stabilität sich nicht aus freiwilligen Handlungen ableitet. Das muß nicht von vornherein falsch sein, weil die Verwendung von Geld sich als eine erfolgreiche Sozialtechnologie bewährt hat, die aus modernen Gesellschaften nicht mehr weggedacht werden kann. Inwieweit es jedoch erfolgreich ist, allein aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift die Etablierung eines attraktiven Geldes bewerkstelligen zu können bleibt hinsichtlich der möglichen Ausweichreaktionen der Wirtschaftssubjekte allerdings fraglich. Insbesondere ist dadurch nicht klar, inwieweit dieses Geld eine Vermögenssicherungsqualität aufweist, welche die Individuen dazu bringt, dieses Geld auch zum Zweck der Vermögensbildung zu verwenden. Dieser Frage weichen die MMTler weitgehend aus, auch wenn gelegentlich von ihnen betont wird, daß diese Frage derzeit für die USA keine bedeutende Rolle spielt. (Man bekommt auch immer wieder den Eindruck, daß die Behandlung geldtheoretischer Fragen von der MMT wesentlich von der spezifischen Situation in den USA abhängt, weil beispielsweise die Frage des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts für die MMT allenfalls eine Nebenrolle spielt. Dies hängt aber mit der Stellung des Dollars als – im Abstieg begriffene – Weltreservewährung zusammen und kann nicht so einfach auf andere Staaten übertragen werden – eine Geschichte, die wohl auch die MMT auf US-Verhältnisse beschränken dürfte.)

Man kann schon bei dieser oberflächlichen Darstellung der MMT die Vermutung hegen, daß das Insistieren der MMT-Vertreter auf der monetären Allmacht des Staates darin begründet ist, daß sie sich kaum darüber Gedanken machen, aus welchen Gründen Individuen miteinander kooperieren und deswegen die Frage der Regelung von Schuldbeziehungen sich für sie einfach als Ausfluß staatlicher Regelsetzung darstellt. Das wird wohl damit zu tun haben, daß MMTler die Quantitätstheorie als ihren Hauptgegner ausmachen, weil die Speerspitze ihrer Argumentation sich dagegen wendet, einen Konnex zwischen der (wie auch immer definierten) Geldmenge und dem realen Sozialprodukt herzustellen, was auch immer wieder dann deutlich wird, wenn sie erkennbar die Sachfrage hinsichtlich der inflationären Wirkungen von Staatsausgaben lediglich mit spitzen Fingern anfassen. (Daß Inflation kein genuin geldtheoretisches Thema, sondern eines der Interaktion von Geld- und Gütersphäre darstellt, steht auf einem anderen Blatt.)

Eine letzte Vorbemerkung an dieser Stelle betrifft die Qualität des chartalistischen Konzepts hinsichtlich des von der ‚mainstream‘-Ökonomie stets als heilig vorgestellten Postulats, daß Ökonomie auf jeden Fall aus Optimierungsprozessen von Individuen ableitbar sein muß. Die Ignoranz des ‚mainstream‘ der MMT gegenüber wird darin zu verorten sein, daß eine staatliche Anordnung nicht aus privatwirtschaftlichen Optimierungsprozessen ableitbar ist und damit das heilige ökonomische Postulat des methodologischen Individualismus verletzt wird. Nun ist ja der methodologische Individualismus nicht das ultimative ’nonplusultra‘ der Epistemologie. Daß jedoch die MMT sich völlig über die Frage hinwegsetzt, welche sozialen Prozesse ökonomische Phänomene wie eben das Geld zu erklären in der Lage sind, wird ihr wohl letztlich lediglich die Perspektive einer vorübergehenden Episode im ökonomietheoretischen Panoptikum eröffnen.

…to be continued…

99 Kommentare

Eingeordnet unter Geldtheorie, Wirtschaftstheorie

99 Antworten zu “MMT – 1

  1. Frankie Bernankie

    Schöner Beitrag, für den ich sehr dankbar bin. Wenn man sich als ökonomische Nacktschnecke, wie ich es bin, mit Geldtheorie befasst, und dann mit der These konfrontiert wird, die Schlagkraft, die dem Medium Geld in der Abwicklung sozioökonomischer Prozesse im Lauf der Zeit zugewachsen ist, sei im wesentlichen seinem „Steuerabführpotential“ geschuldet , da ist man schon sehr irritiert. Wie Du sagst: wenn nur das die Attraktivität von Geld begründen würde, hätte es die Ausweichreaktionen der Wirtschaftssubjekte nicht überlebt.

    • Der Artikel ist ja nun schon etwas älter, aber da ich gerade damit konfrontiert wurde: Das mit den Ausweichreaktionen ist so eine Sache.

      Worin wird denn die Attraktivität von Geld begründet, und welche Faktoren davon fixieren, welche Währung verwendet wird?

      Wenn die Attraktivität von Geld ausschließlich aus nicht-nationalspezifischen Faktoren rührt, dann würden eben die genannten Ausweichreaktionen irgendwann dazu führen, dass zu einer ausländischen Währung gewechselt wird.

      Tatsächlich passiert das auch immer wieder in verschiedenen Orten der Welt. Aber interessanterweise passiert es nur in Staaten, deren politisches System insgesamt schwach ist und zum Beispiel – sieh an, sieh an – kein funktionierendes, flächendeckendes Steuersystem existiert.

      Mit anderen Worten: Das überhaupt Geld verwendet wird liegt natürlich daran, dass Geld so nützlich ist. Aber welche Währung verwendet wird – also welche Maßeinheit für das Geld genutzt wird – lässt sich darüber nicht entscheiden. Und hier ist der Punkt, auf den die MMT heraus will: Wenn man die Wahl hat zwischen 100+ Währungen, die auf dem Globus existieren, dann wird sich über kurz oder lang die Währung durchsetzen, in der man seine Steuern bezahlen muss.

  2. Oliver

    …MMT is also a quantity-theoretic model of changes in the price level. The differences are (1) net financial assets of the non-government sector, rather than traditional monetary aggregates, are the MMT’ers preferred measure of “money,” and (2) desired leveraging of the non-government sector is akin to what one might call “velocity.” In MMT, the two of those together (net financial assets of the non-government sector relative to leveraging of existing income) set aggregate demand and ultimately changes in the price level, at least the changes that are demand-driven.

    aus:
    http://neweconomicperspectives.org/2011/07/scott-sumner-agrees-that-mmt-policy.html

    auch lesenswert, bevor man Weiteres behauptet:

    Klicke, um auf JMB_2012_Wray.pdf zuzugreifen

  3. Oliver

    …We would thus insist that any modern circuit should begin with the recognition that the “bank money” created at the beginning of the circuit is denominated in the State’s money of account. Further, recognizing that banks use HPM for clearing (more specifically, the reserve balance portion of HPM), the circuit should also begin with HPM. We believe this is now accepted by circuitistes like Parguez and Seccareccia, who have explicitly put the State in the circuit. (Parguez 2002, Parguez and Seccarrecia 2000) The final point we often make is that from inception the authorities must levy an obligation (fees, fines, taxes) to ensure their HPM will be accepted, however we will not try to make this case here…

  4. Nach allem, was ich bis jetzt von der MMT mitbekommen habe, halte ich auch nicht viel davon.
    Zumindest ein Beitrag von Wray zur Definition des Geldbegriffs, mit dem ich mich mal näher auseinandergesetzt habe („Time to say goodbye: To slipshod definitions of „money“ in economics! “ – http://beltwild.blogspot.de/2014/03/time-to-say-goodbye-to-slipshod.html) hat mich doch ziemlich schockiert. Das sah mir eher nach Indoktrination denn als ein Ringen um Erkenntnis aus.

    • Sie haben da einen gewaltigen Text geschrieben, dem ich gewissermaßen als Kontrapunkt einen Zweizeiler entgegenstelle, welcher die wesentliche Eigenschaft von Geld enthält:

      Geld ist diejenige Sache, mit der ein Schuldverhältnis begründet oder beendet werden kann.

      Und sobald Menschen bereit sind für Geld zu arbeiten, weil sie gelernt haben, daß es für Geld etwas zu kaufen gibt, was wiederum daran liegt, daß Unternehmer gezwungen sind das für Kosten (Lohnzahlungen) ausgegebene Geld durch einen Verkauf der erzeugten Waren wieder zu erlösen, hat man bereits den größten Teil der Geschichte erledigt, die zur Charakterisierung des Kreditgeldkapitalismus nötig ist. Ob man dann noch wie die MMTler den Staat mit ins Spiel bringt, der seine Steuerforderungen in Geld erhebt ist eigentlich nichts anderes als überflüssig, weil das Ziel der Steuererhebung auch nichts anderes ist, als der Kauf von Waren (bei den Unternehmen) und Dienstleistungen (der Menschen). Von daher ist das, was die MMT erzählt zwar nicht grundsätzlich fehlerhaft, nur hinsichtlich einer Erklärung für die Verwendung von Geld nicht gerade hilfreich.

      Man sollte die MMT weniger als Theorie, sondern als Blüte eines naiven US-Pragmatismus sehen, der sich einen Dreck um epistemologische Sauberkeit schert, sondern mit viel Brimborium eine (alte) Primitividee zur Offenbarung der neuen Zukunft stilisieren will. Bescheidene Gemüter kann man damit natürlich beeindrucken um damit Aufmerksamkeit, Ansehen, Einladungen und ggf. auch Positionen zu erhalten, die sonst außer Reichweite geblieben wären. In Zeiten der Aufmerksamkeitsökonomie ist nichts dämlich genug, um vor Publikumsinteresse verschont zu bleiben, solange der jeweilige Blödsinn nur laut und eindringlich genug in die Welt posaunt wird.

      In Bezug auf Ihren Beitrag möchte ich noch anmerken, daß Sie mit der Konzeption von Geld als „Gutschein auf das Sozialprodukt“ nicht weit kommen werden, denn Geld ist weder eine Forderung noch eine Verbindlichkeit, sondern eine Sache, die der Begleichung von Verbindlichkeiten dient (cf. Def.). Der Widerspruch liegt darin, daß eine „Forderung Geld“ ihrerseits ein Erfüllungsmedium benötigt, um erfüllt zu werden, wobei dieses Erfüllungsmedium nicht Geld sein kann, da es ja bereits eine Forderung (Schuldverhältnis) sein soll. Mit einer derartigen Konzeption katapultieren Sie sich aus einer Geldwirtschaft hinaus, weil Sie damit gezwungen sind einen Realwert als Erfüllungsmedium der „Forderung Geld“ zu postulieren – womit wir wieder in der Goldwährung angelangt wären. Diese gibt es aber seit Bretton Woods! nicht mehr! Aber unabhängig davon: die „Forderung Geld“ macht aus dem Geldsystem wieder den Geldschleier, welcher inzwischen über 200 Jahre die ökonomischen Gemüter verwirrt. Damit vergibt man sich auch die Erkenntnis, daß Geld das Wirtschaftsleben dekomplexiert und handhabbar macht, weil eine ‚barter‘-Wirtschaft aus kombinatorischen Gründen mit einem Informationsbedarf konfrontiert ist, welcher (fast) mit einem Fakultätsfaktor ansteigt und der ‚barter‘-„Auktionator“ bereits bei „kleinen“ Warenvolumina schon mehr als überfordert ist.

      Ihre Diskussion der Geldschöpfung via Kredit versus via Staatsverschuldung ist dagegen durchaus haltbar, weil im ersteren Fall die Geldversorgung sich dem Bedarf und der Entwicklung der Wirtschaft orientiert und nicht an den Befindlichkeiten der jeweiligen am „Ruder“ befindlichen Parteien. Dieser Elastizitätsaspekt betrifft auch das Thema Zinsen, die im Falle der Staatsverschuldung im Grunde nur mit Hilfe der Kreditrevolvierung und Kreditexpansion „gezahlt“ werden können, wobei die Funktion von Zinsen lediglich in der Vermehrung der Geldvermögen besteht, während Zinsen im anderen Fall dazu beitragen, die Aufwendungen aus Abschreibungen von Kreditforderungen bei den Banken zu neutralisieren. Das würde aber an dieser Stelle zu weit führen…

      • Vandermonde

        (also ich habe nichts dagegen, wenn es weiterführt…)

        Ich sehe da jetzt eigentlich keinen Unterschied, da die Geldschöpfung auch bei der Staatsverschuldung letzlich über der Finanzierung zugrundeliegende Kredite erfolgt. Die staatliche Infrastruktur bietet dabei ja überhaupt erst einen Rahmen in dem die Kreditprozesse mehr oder weniger ungestört (im Sinne Rechtssicherheit usw.) ablaufen können bzw. auch entsprechende Steigerungen erfahren.

        Oder spielen Sie auf einen Bail-Out Mechanismus an?

  5. Danke für Ihr Interesse, Dr. Menéndez!

    Ihre Gelddefinition
    „Geld ist diejenige Sache, mit der ein Schuldverhältnis begründet oder beendet werden kann“
    ist zwar knackig und korrekt – aber m. E. auch gewissermaßen selbstreferentiell.
    Dies insofern, als sie ein Abstraktum (Geld) durch ein anderes (Schuldverhältnis) definiert. Sie sagt also nicht unmittelbar etwas über die Funktionsweise von Geld in der Realwirtschaft aus, etwa darüber, wozu die Menschheit überhaupt das Geld erfunden und diese soziale Institution beibehalten hat.
    Sie bleiben sozusagen in der juristischen Sphäre, während ich meine:
    „Even more important is to differentiate between the legal-financial sphere (terminology, regulations and mechanisms) on the one hand and the realm of real economy (real life effects and rationale of legal-financial institutions and mechanisms) on the other [hand].“

    Die MMT sehe ich als eine Art ökonomischer Sekte, der es hauptsächlich darum geht, den Amerikanern das Deficit Spending im Wege des reinen Gelddruckens einzureden. Dann geht alles wie von selbst …..
    Jedenfalls ist die Vermanschung von 3 völlig unterschiedlichen Definitionen dessen, was ein IOU sein soll, aus meiner Sicht der bewusste Versuch einer Gehirnwäsche.

    „… noch anmerken, daß Sie mit der Konzeption von Geld als “Gutschein auf das Sozialprodukt” nicht weit kommen werden, denn Geld ist weder eine Forderung noch eine Verbindlichkeit, sondern eine Sache, die der Begleichung von Verbindlichkeiten dient … .Der Widerspruch liegt darin, daß eine “Forderung Geld” ihrerseits ein Erfüllungsmedium benötigt, um erfüllt zu werden, wobei dieses Erfüllungsmedium nicht Geld sein kann, da es ja bereits eine Forderung (Schuldverhältnis) sein soll. Mit einer derartigen Konzeption katapultieren Sie sich aus einer Geldwirtschaft hinaus, weil Sie damit gezwungen sind einen Realwert als Erfüllungsmedium der “Forderung Geld” zu postulieren – womit wir wieder in der Goldwährung angelangt wären.“
    Sicherlich ist Geld keine Verbindlichkeit. Im ganz strengen Sinne ist es in der Tat auch keine „Forderung“: Wenn ich Geld habe, kann ich gleichwohl niemanden zwingen, mir etwas Spezifisches zu verkaufen, was ich haben möchte. Zum einen kann ich damit nur aus dem MARKTANGEBOT auswählen. Und zum anderen kann ich aus dem Geldcharakter selbst (also jenseits von einem eventuellen gesetzlichen Annahmezwang) nicht einmal „auf dem Markt“ die Forderung herleiten, dass der Anbieter mir dafür etwas geben müsse.

    De facto machen das aber alle, einfach weil sie selber Geld benötigen, oder gerne noch mehr davon hätten. Auf der realwirtschaftlich-faktischen Ebene IST Geld also eine „Forderung“ gegen den Markt. Das Erfüllungsmedium sind die Güter.

    „die “Forderung Geld” macht aus dem Geldsystem wieder den Geldschleier, welcher inzwischen über 200 Jahre die ökonomischen Gemüter verwirrt. Damit vergibt man sich auch die Erkenntnis, daß Geld das Wirtschaftsleben dekomplexiert und handhabbar macht, weil eine ‘barter’-Wirtschaft aus kombinatorischen Gründen mit einem Informationsbedarf konfrontiert ist, welcher (fast) mit einem Fakultätsfaktor ansteigt und der ‘barter’-”Auktionator” bereits bei “kleinen” Warenvolumina schon mehr als überfordert ist.“
    Eben, vom Gütertausch bin ich bei meiner Definition ja auch als Grundlage ausgegangen:
    „Money is an economic institution which permits a highly indirect „barter“.
    Und:
    „Money morphs barter into markets.“
    Und
    „“
    Die Gründe habe ich nicht detailliert ausgeführt, aber es sind natürlich die von Ihnen beschriebenen.

    Dass der Tausch als Ausgangspunkt die Gefahr in sich birgt, Geld nur als einen Schleier zu sehen (so ist in der Tat auch mein simples „EBaKeBa-Modell von Geldschöpfung, Zinsen und Realwirtschaft“ – – angelegt) ist mir schon klar. (Bzw. Sie sehen das wohl eher umgekehrt, dass die Schleiervorstellung dann auftaucht, wenn man NICHT vom Tausch ausgeht?). Ich denke aber nicht, dass sie eine zwingende Folge meiner Gelddefinition ist. Und vor evtl. in diese Richtung abirrenden Gedankenspielen hatte ich ja gewarnt:
    „This definition does not mean to imply that money is perfect and may not pose economic problems of its own („have a life of its own“). At least until now, however, mankind has not come up with anything better suited to fulfill the above functions.“

    Kreditzinsen: Das ist klar, dass die auch eine Versicherungsprämie enthalten. Und daneben einen Betriebskostenanteil und einen Gewinnanteil, also sich m. E. aus 3 Komponenten zusammensetzen (natürlich ohne dass man deren Anteil abstrakt bestimmen könnte).

    Vielleicht interessant:
    Im Zusammenhang mit weiteren Internet-Recherchen zum Thema stieß ich auf das Papier „Understanding the Modern Monetary System“ von Cullen O Roche. (http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1905625)
    Sein „Monetary Realism“ macht (wenngleich, wie MMT, anscheinend ebenfalls stark auf die US-Verhältnisse bezogen und wohl nicht in allen Punkten unmittelbar für die EWU anwendbar) beim Anlesen einen soliden Eindruck:
    „Government serves as a facilitating feature within the monetary system. While government assists in the economic process it is ultimately the private sector that is the primary driver of innovation, productivity and economic growth. It is the private sector that primarily propels increases in living standards with its activities being the most important factor in giving value and viability to fiat money. But it is helpful to view government as a tool available for public purpose where appropriate.“
    Das kennt man von der MMT ja anders. Roche hat sich auch spezifisch mit der MMT auseinandergesetzt:
    Hier http://pragcap.com/post-keynesian-is-not-necessarily-modern-monetary-theory-mmt kurz und die Kritik mehr beiläufig, aber auch in einem langen freundlich-kritischen Papier (das ich allerdings noch nicht gelesen habe): http://pragcap.com/wp-content/uploads/2014/03/Critique-of-Modern-Monetary-Theory1.pdf

    • Ich kann mir gut vorstellen, daß diese Formulierung so aussieht wie eine selbstreferentielle Formel, denn die üblichen Gelddefinitionen sind ja nichts weiter als ein Vorspiegeln von sachlichen Inhalten. Wer nicht spätestens bei der Formulierung „Geld ist, was Geld tut.“ hellhörig wird und anfängt selber zu denken, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

      Aber mit einer solchen Bedeutungslosigkeit haben wir es hier nicht zu tun, denn diese Formulierung definiert Geld als Zusammenspiel eines Schuldverhältnisses (auf Geld), während die Sache, welche die Erfüllung dieses Schuldverhältnisses überhaupt erlaubt, davon strikt getrennt ist und für die erste Annäherung als Geldschein betrachtet werden kann, welcher der Inhalt des Schuldversprechens ist. Denn Kreditgeld ist nicht ohne das zugehörige Schuldversprechen definierbar, weil sonst nichts existiert, auf das sich die Funktion einer Banknote richten könnte. Denn die einzige Funktion einer Banknote ist es eine Schuld in der aufgedruckten Höhe begleichen zu können. Da aber ein Schuldverhältnis immer interpersoneller Art ist, ist Geld im Grunde genommen ein soziales Arrangement und nicht eine isolierte Entität, die über willkürliche „Funktionen“ bestimmt werden müßte. Marx war mit seinem Ausdruck „soziales Verhältnis“ schon recht nahe dran.

      Ihre Bemerkung hinsichtlich des Verbleibens in der juristischen Sphäre deute ich mal dahingehend, daß Sie einige der hier diskutierten Dinge des letzten Jahres nur am Rande verfolgt haben. Für einen Kurzdurchlauf über die Thematiken empfehle ich einfach die oben aufgeführte Seite „42 – das Große Ganze“. Denn dort finden Sie die Begründung für den Gebrauch von Geld als Lösung der Koordinationsaufgabe „Arbeitsteilung“ bzw. der Verteilung eines gemeinschaftlich erstellten Produktonsergebnisses. Das stützt zwar insoweit Ihre These von „Geld als Anspruch auf Sozialprodukt“, findet sich aber in der Geldordnung deswegen nicht wieder, weil die Frage der Eigentumsübertragung in einer liberalen Gesellschaft eine Angelegenheit der Freiwilligkeit ist. Daß man für Geld dann doch ziemlich viel kaufen kann (Ihr MARKTANGEBOT) liegt am Schuldendruck, der jedem (typischerweise) Unternehmer den Zwang auferlegt, die ausgegebenen Geldscheinchen auch wieder „einzufangen“, um damit seinen Schuldendienst zu leisten. Kenner wissen, daß auch die Auslage eines Supermarktes lediglich eine „invitatio ad offerendum“ darstellt, also eine Einladung an den Käufer ein Kaufangebot zu unterbreiten – dem nicht entsprochen werden muß! Warum Sie angesichts dieser eindeutigen Sachlage darauf bestehen wollen, daß Geld eine Forderung gegen den Gütermarkt IST, erschließt sich mir nicht. Ein derartiges Postulat ist in keiner Hinsicht nützlich.

      Man mag den Anteil der Zinszusammensetzung nicht genau festlegen können (obwohl das hinsichtlich des Risikoanteils durchaus interessant wäre), aber man kann dabei Prioritäten setzen: erst einmal müssen Zinsen (wie andere Erträge auch) die Aufwendungen des Geschäftsbetriebes kompensieren, wozu spezifisch bei Banken die Aufwendungen aus Abschreibungen von Kreditforderungen gehören – so wie es jedem Bürgen mal passieren kann. Und bei der niedrigen Gesamtkapitalrentabilität von Banken kommt man schnell zu dem Schluß, daß höhere Schadenfälle nur durch höhere Prämien (aka Zinsen) ausgeglichen werden können – wodurch man versteht, daß die Kreditzinsen für Nichtbanken in Krisenzeiten geradewegs in die Höhe gehen und nicht sinken wie man vielleicht meinen könnte, weil die Haushalte in der Krise ja soviel sparen würden (das ist die naive Tauschtheorie). Womit bereits wieder das nächste Faß geöffnet wäre, denn die Beziehung von Investition und Ersparnis ist ein Feld, wo die Fallstricke zwischen der statischen und der dynamischen Analyse, bei der man die Elastizität von Schuldverhältnissen nicht mehr ignorieren kann, lauern…

      Sie sehen: so unverbunden steht diese Definition nicht im Raum!

    • Sehr geehrter Herr Brinkmann, sehr geehrter Herr Menendez,

      Die NMT hat einen wahren Kern und das sind die Identitäten: Forderungen der Untergruppe = Verbindlichkeiten des Rests. Woraus – gemeinsam mit der Vergänglichkeit der Investitionsgüter – folgt: dass Akkumulation (Forderungsaufbau) der Unternehmen NUR auf Grundlage der Verschuldung des Rests möglich ist. Der Rest aus Sicht der Unternehmen kann der Staat oder das Ausland sein, nicht aber die Haushalte, die per definition Forderungen aufbauen. Dass man das im deutschsprachigen Raum nicht gerne hört, liegt daran, weil Deutschland Exportüberschüsse hat und sich daher in der Vorstellung sonnt, dass Akkumulation der Unternehmen auch ohne Staatsverschuldung möglich sei. Während die US-Amerikaner, die von Importüberschüssen geplagt sind, die gegenteilige Sichtweise einnehmen, nämlich: dass ohne Staatsverschuldung die Unternehmen kein Eigenkapital aufbauen können. Dies – und manch anderes – erklärt den Stellenwert der NMT in den USA.

      Abgesehen von den ideologischen Differenzen kann man an der Wahrheit der Identitäten nicht rütteln: Ohne Schuldner ist kein EK-Aufbau der Unternehmen möglich. Dass diese simple Tatsache nicht in das Ohr der Menschen dringt, nicht einmal jener, die an die Identitäten glauben, ist ein bemerkenswerter Zustand des Diskurses in Deutschland. Offensichtlich macht sich hier ein Glauben breit, dass Kapitalismus ohne Verschuldung des Staates möglich sei. Er ist es nicht, sondern eben nur: für ein Überschussland. Diese Tatsache ist um vieles bedeutender als die Frage wie man Geld definiert – als blosse Forderung oder als Sache. Denn innerhalb der Identitäten ist die Gelddefintion aufgelöst, indem man nur die Schuldverhältnisse betrachtet. Anders gesagt: Man sollte sich zunächst dem grossen Ganzen zuwenden, nämlich den Schuldverhältnissen, bevor man sich in das Kleine, in die Bedienung der Schuldverhältnisse durch Geld, verirrt.

      Mit freundlichem Gruss
      Alfred Felsberger

  6. Überhaupt vermisse ich bei Ökonomen das Verständnis: dass der Staat der Gelddefinition vorgelagert ist. Der Staat – und niemand sonst – definiert durch seine Verschuldung, was Geld ist. Geht er an die Sache wie der US-Staat heran, dann setzt er (auf lange Sicht) Staatsverschuldung gleich Geld, indem er die von ihm kontrollierte Notenbank anweist, die Staatsanleihen in Zentralbankengeld zu übersetzen.Entscheiden sich die Staaten jedoch wie in Europa ihre Verschuldung von der Frage des Geldes unabhängig zu machen, dann sind es alleine die Aktionen der Noten- und Geschäftsbanken, die Geld definieren. Es gibt keine Marktregel, die dem Staat die Gelddefinition abnimmt, und jeder Ökonom, der darauf beharrt, verirrt sich in den absurden Marxschen Kosmos des Basis-Überbau-Denkens. Er reproduziert bloss, was er an jenem kritisiert, dass Geld durch die ökonomischen Aktionen der Einzelnen definiert wird. Zu behaupten, dass es der Tausch ist, der Geld festlegt, ist genauso abstrus wie der Ökonomie eine Macht über den Staat zuschreiben zu wollen. Das Gift des Liberalismus (=Marxismus) muss endlich aus unserem Denken verschwinden! Bevor Ökonomie beginnt, ward der Staat längst geschaffen.

    Alfred Felsberger

  7. Es ist unbestreitbar, dass die Staaten seit Einführung der Notenbanken das Geld als Sache definiert sehen wollen. Ebenso unbestreitbar ist jedoch, dass die USA schon seit Anfang der 30er-Jahre dazu übergegangen sind, die so definierte Sache, zumindest partiell, mit Staatsschuld gleichzusetzen. Man kann dann für diesen Fall weiter darauf beharren, dass Geld juristisch als Sache definiert ist, nur leider: hat das wenig Aussagekraft. Eher sollte man dann schon sagen, dass sich der Staat in diesem Fall zum grossen Regler der Ökonomie aufschwingt, indem er über seine Staatsverschuldung die Akkumulation der Unternehmen steuert. Er wird zum grossen Bändiger und Zähmer, indem er jeden Moment selbst entscheidet, welche Entbehrungen er den Unternehmen und Menschen auferlegt. Dass Zeiten der Staatsentschuldung für alle schmerzhaft sind, und eine Disziplin im Volk befördern, die den Staat eine Fülle an Machtmittel in die Hand legen, steht wohl ausser Frage. Ebenso dass Zeiten der steigenden Staatsverschuldung das Locker-Lassen der Zügel bedeuten, und dem Volk einen Freiraum einräumen, der zu grosser Prosperität führen kann. Summa summarum werden die Staaten schon aus Gründen der Aufrüstung und Kriegsführung immer zur Verschuldung drängen, sodass sich Prosperität mit plötzlich eintretenden Katastrophen abwechseln. Auf jeden Fall ist die Vorstellung zurückweisen, dass der Staat in sich kein Interesse hätte, und eine Art neutrales Geld in einer neutralen Ökonomie schafft. Oder dass es Kräfte in der Ökonomie gäbe, die dem Staat diese Handlungen auferlegen. Weder das eine noch das andere ist der Fall.

    Alfred Felsberger

  8. „… die einzige Funktion einer Banknote ist es eine Schuld in der aufgedruckten Höhe begleichen zu können.“
    Aus meiner Sicht krankt die ganze Gelddebatte daran, dass allzu sehr mit abstrakten Begriffen jongliert wird, ohne diese immer mit den realen Abläufen, bzw. einem Denkmodell der realen Abläufe, zu verknüpfen.
    Also:

    1) A hat, als (wie ich das nenne) „Erstgeldempfänger“ oder „Erstkäufer“ einen Bankkredit aufgenommen. Von der Entstehung dieses Geldes her (Geldschöpfung ex nihilo unterstellt) ist er Schuldner der Bank.
    Aber diese Schuldnereigenschaft ist KEIN Charakteristikum derjenigen Geldscheine, die er (anschaulich gedacht) jetzt in den Fingern hält. Sie gehört nicht zur Gelddefinition; auch wenn der Staat einfach Geld druckt (1923!) ist das Geld (solange es angenommen wird).
    Selbstverständlich ist die Form der Geldentstehung – Kredit oder „drucken“ – für die Funktionsfähigkeit des Systems extrem wichtig (was die MMT und andere Bigspender zwar nicht völlig verkennen, aber dennoch mindestens teilweise zu verschleiern suchen). Nur ist sie für mich nicht Bestandteil der Definition von Geld, weil eine kreditäre Geldentstehung nicht zwingend ist. (Was man nicht nur 1923 in D. beobachten konnte, sondern noch heute bei der staatlichen Münzprägung!).

    2) A kauft z. B. Kartoffeln bei B und „bezahlt“ seine Schuld mit diesem Geldschein. Das, und nur das, ist die Funktion von Geld. Ich vermute, bis hierher sind wir uns einig?
    Aber „bezahlt“ hat A damit nur in einem rechtlichen, oder meinetwegen auch finanzwirtschaftlichen, Sinne. Wenn ich davon ausgehe, dass B ja „eigentlich“ kein Geld haben will, sondern eine realwirtschaftliche Gegenleistung von A (Lieferung von Äpfeln im Herbst) dann hat A seine Schuld in einem REALWIRTSCHAFTLICHEN Sinne eben noch nicht bezahlt.
    In DIESEM Sinne erfolgt die Bezahlung erst dann und dadurch, dass A etwas an Z verkauft (zu welchem die Geldscheine mittlerweile von B über C … gewandert sind). Eine weitere Bedingung ist, dass A das geborgte Geld an die Bank zurückgibt. (Tut er das nicht, und täuscht z. B. eine Insolvenz vor, könnte er erneut mit dem Geld einkaufen gehen. Damit hätte er den Kredit doppelt ausgegeben, aber nur einmal eine eigene Leistung in die Volkswirtschaft zurückgegeben.)

    „Eigentumsübertragung freiwillig, trotzdem kann man viel kaufen“:
    Eben, genau das hatte ich ja gesagt: „Sicherlich ist Geld keine Verbindlichkeit. Im ganz strengen Sinne ist es in der Tat auch keine “Forderung”: Wenn ich Geld habe, kann ich gleichwohl niemanden zwingen, mir etwas Spezifisches zu verkaufen, was ich haben möchte…… De facto machen das aber alle, einfach weil sie selber Geld benötigen, oder gerne noch mehr davon hätten. Auf der realwirtschaftlich-faktischen Ebene IST Geld also eine “Forderung” gegen den Markt. Das Erfüllungsmedium sind die Güter.“
    Der Unterschied scheint mir auch hier also nur darin zu liegen, dass Sie die juristische Seite sehen („ist“ oder „ist nicht“ Forderung), während ich die realwirtschaftliche Seite beleuchte („ist juristisch keine Forderung, funktioniert aber in der Praxis so, als ob es eine wäre“).

    Andererseits, okay, sagen Sie (in „Jessie James … https://soffisticated.wordpress.com/2013/05/02/jesse-james-oder-die-abstraktheit-sozialer-verpflichtungsrelationen/):
    „Fazit: die Substanz von Geld sind soziale Verpflichtungsrelationen und keine konkreten Gegenstände! Deswegen heben sich auch Forderungen und Verbindlichkeiten gesellschaftlich gesehen auch auf, und zwar nicht nur manchmal, sondern immer! Auch auf den lustigen “Finanzmärkten”.“

    Ich denke aber nicht, dass das zu meiner Gelddefinition konträr ist. Statt etwas zu verkaufen, kann mein Erstgeldempfänger A selbstverständlich auch irgendwo arbeiten, seinen Lohn abholen und damit seine Kreditverbindlichkeit tilgen. Auch ich gehe natürlich nicht davon aus, dass A irgend eine vorher spezifizierte konkrete Gegenleistung (Güter oder Handlungen) erbringen müsste, um seinen Kredit tilgen zu können.
    Der gemeinsame Topf der Volkswirtschaft, bzw. des Marktes, ist wesentlich ein Ergebnis von Arbeit (allerdings mit der Ausnahme von Grund und Boden und von Rechten an Naturschätzen). Also muss der „Erstkäufer“ A (eigene, ererbte oder von anderen an ihn abgetretene – Zinsen usw. -) Arbeit (oder eben Grund und Boden …) in den gemeinsamen Topf zurückspeisen, um den kreditären Erstgeldempfang zu tilgen.
    Nur kann man diesen Zusammenhang m. E. nicht (wie Sie es nach meinem Eindruck versuchen) in die Definition des Geldbegriffes einbauen, weil „Geld“ historisch (und aktuell? Fed, EZB, Großbritannien?) eben durchaus auch durch ein Anwerfen der Notenpresse „geschöpft“ werden kann (aktuell vermutlich hinter scheinbaren bzw. rein formalen Kreditmechanismen verstecktes). (Auch bei der – üblichen? – Ponzi-Finanzierung der Staatsschulden verschwimmen ja die Grenzen zwischen kreditärer und druckerischer Geldschöpfung.)

    Und das Beunruhigende, bzw. für eine „saubere“ Theoriebildung Störende daran ist, dass das möglicher Weise noch nicht einmal in jeder Situation schlimm sein muss, sondern positiv oder gar notwendig sein könnte. So habe ich (in einer freilich oberflächlichen und auf das Internet beschränkten Recherche) beispielsweise über die Falschmünzerzeit der Kipper und Wipper (nicht die Endphase 1620, sondern die Zeit vorher, wohl ab der Mittel des 16. Jh.) gelesen, dass diese Falschmünzerei sozusagen das durch Leistungsbilanzdefizite und „Verschatzung“ von Münzen (u. a. Einschmelzen zu Prunkgeschirr) ersetzt und damit die Wirtschaft angekurbelt habe. (Vgl. meinen Blott „Kipper, Wipper, Notenbanken“ – http://beltwild.blogspot.de/2009/01/die-credit-default-swaps-als.html).
    Frohe Botschaft für Don Draghi & Co. sowie die MMTler.

    „Das große Ganze …“: Auch wenn ich nicht alles auf Anhieb verstehe, gefällt mir Ihr Ansatz.
    „Eine Geldwirtschaft bezieht dabei ihre Funktionsfähigkeit daraus, daß sie die Werthaltigkeit des Geldes daraus bezieht, daß Geld ausschließlich aufgrund eines Kredites zur Existenz gelangt. Damit wird essentiell durch den system immanenten Schuldendruck sichergestellt, daß Geld einen “Wert” erhält, obwohl Geld als solches keine genuine Werthaltigkeit benötigt.“
    Richtig; „gedrucktes“ Geld ist im Prinzip wertlos. Aber eben möglich (weshalb man m. E. die Entstehung nicht in die Definition einbeziehen kann) – und vielleicht nicht einmal immer schädlich (wiewohl ein solcher Gedanke – auch? – mir gegen den Strich geht).

    Zinsen = Versicherungsprämie: Schon, aber eben (leider) nicht nur! Sondern durchaus (mit einem prozentual zwar vermutlich geringen Anteil) „leistungsloses Einkommen“. Was dann zu Übersparen/Unterkonsum und zur Zahlungsunfähigkeit der Kreditnehmer führen kann (wie in meinem EBaKeBa-Modell dargestellt: http://beltwild.blogspot.de/2014/01/das-ebakeba-modell-von-geldschopfung.html).

    Im Übrigen (nicht gegen Sie gerichtet; Sie bestreiten – und erörtern – das jedenfalls an dieser Stelle gar nicht) wäre es völlig verfehlt, unter Akkumulationsgesichtspunkten nur das als Zins anzusehen, was man als „Zins“ bezeichnet (vgl. meinen Blott „Der ‚Eigentrag‘ oder: Der Zins besteht nicht nur aus Zinsen – und nicht alle Zinsen sind ein Zins “ – http://beltwild.blogspot.de/2011/07/der-eigentrag-oder-der-zins-besteht.html)

    • Hallo Herr Brinkmann,

      „Ich vermute, bis hierher sind wir uns einig?“

      Das kann ich Ihnen so nicht sagen, weil dieser Problemaufriß unvollständig ist. Denn zum einen müßte man dazusagen, woher A das Geld mit dem er bezahlt erhalten hat und aus welchem Grund A und B den Handel mit Hilfe des Geldes abwickeln. Außerdem ist mir bei dieser Formulierung die Nähe zum „Tauschhandel“ nicht geheuer, weil damit suggeriert wird, daß Geld gegen Kartoffeln „getauscht“ wird. Richtig ist, daß das als phänomenologische Erscheinung beobachtbar ist. Was jedoch tatsächlich passiert ist, daß A mit B zwei Schuldverträge – einer lautend auf Kartoffel, der andere lautend auf Geld – abschließt, die beide rechtlich und sachlich selbständig sind. Wegen! dieser Schuldgeschäfte werden dann die jeweiligen SACHEN ausgetauscht und zwar die Sache Kartoffel wegen der Kartoffelschuld sowie das Geld wegen der Geldschuld. Das sind noch einmal zwei rechtlich und sachlich selbständige Übertragungsgeschäfte. Daß man sich üblicherweise dieser Vorgänge beim Brötchenkauf am Morgen nicht bewußt wird liegt zwar in der Natur der Sache – was nicht heißt, daß das, was nicht gesehen wird, auch deswegen schon nicht existiert.

      Sie qualifizieren zwar Ihre Darstellung im folgenden und legen Wert auf die Feststellung, daß Sie die Geschichte aus einer realen Sicht interpretieren wollen. Das können Sie natürlich gerne tun und befinden sich damit auch in der Gesellschaft einer 200-jährigen Ökonomietradition, die bis heute vergeblich versucht Geld ökonomisch interpretieren zu können. Das wird auch nicht dadurch geheilt, daß man dort versucht ein bißchen über Geld zu forschen. Das liegt daran, daß dieser jahrzehntealte Zwiespalt eine paradigmatische Qualität aufweist und die Entscheidung erfordert, ob man nun Ökonomie mit Wertkategorien erklären will oder mit Geld. Und ja, auch der Integrationsgedanke ist schon uralt und nicht erfolgreich gewesen – was allerdings ein längeres Studium der einschlägigen Literatur erfordert und nicht in drei Zeilen zusammengefaßt werden kann. Einzelne Aspekte dazu finden sich in meinen Blogposts allerdings schon.

      Noch eine Bemerkung zur Modellbildung: natürlich kann man diese Gelddefinition (Sache/ Schuld) für eine Modellierung verwenden. Das ganze nennt sich dann stock-flow konsistente Modellierung und besagt, daß ein Transfer der Geldsache nur nach Maßgabe der tatsächlichen Verfügbarkeit erfolgen kann, wobei der Zusammenhang der Schuldverhältnisse gewissermaßen den Rahmen für die erfolgenden Geldübertragungen absteckt. Wenn Sie Differenzen mögen, nehmen Sie mein Modell, wenn Ihnen Differentialgleichungen lieber sind, schauen Sie einfach bei Steve Keen und seiner Minsky-Software vorbei.

  9. „Welche Konsequenz ergibt sich nun aus der Sichtweise Zinserträge als Kompensation für fehlgeschlagene Kreditengagements zu sehen? Dazu muß man sich zunächst einmal klarmachen, was eine Kreditabschreibung bedeutet. Sie bedeutet, daß ein Kreditnehmer in dieser Höhe Ressourcen in Anspruch genommen hat, denen auf dem Markt kein konkurrenzfähiges Angebot gegenübergestellt wurde. Dies bedeutet, daß der Mechanismus, der dem Kreditgeld überhaupt erst seinen “Wert” verleiht, durchbrochen wird. Denn dieser besteht essentiell daraus, daß alleine der Schuldendruck dem sich der Kreditnehmer ausgesetzt sieht ihn dazu veranlaßt, gegen Geld reale Leistungen anzubieten, um Zins, Tilgung und (hoffentlich) einen Gewinn zu erzielen.“ (https://soffisticated.wordpress.com/2013/05/07/zinsen-individual-oder-gemeinschaftskonzept/)

    Genau so sehe ich das auch:
    „Obviously, a system like this can only work if there is a built-in mechanism that coerces the first shopper to give back the advance that he was granted (in terms of the real economy, i. e. not „money“ from the bank, but „stuff“ from the economy as a whole). There must be a quasi-automatic mechanism which constrains (or induces) the „first money receiver“ = „first shopper“ to kind of „put back in the common pot something of equal value as what he was permitted to take out“. ….. This „return-mechanism“ is the credit creation of money itself. Since the first receiver has to pay his credit back, the „whole circle“ is not complete unless he himself has sold something in order to get hold of money in order to amortize his credit.!

  10. „Die NMT hat einen wahren Kern und das sind die Identitäten: Forderungen der Untergruppe = Verbindlichkeiten des Rests. Woraus – gemeinsam mit der Vergänglichkeit der Investitionsgüter – folgt: dass Akkumulation (Forderungsaufbau) der Unternehmen NUR auf Grundlage der Verschuldung des Rests möglich ist. Der Rest aus Sicht der Unternehmen kann der Staat oder das Ausland sein, nicht aber die Haushalte, die per definition Forderungen aufbauen.“

    Sie erklimmen da ein Abstraktionsniveau, Herr Felsberger, dem ich
    a) nicht folgen kann und bei dem ich ganz allgemein
    b) immer den Verdacht hege, dass sich ein solches Jonglieren mit (vielleicht nur scheinbar) eindeutigen Begriffen leicht von der realen Basis entfernen könnte.

    Bei der Geldtheorie, und damit auch bei der MMT, geht es darum, wie Geld funktioniert, aber auch (und bei der MMT steht das im Vordergrund, bzw. die ganze Theorie basiert darauf) wie es in die Welt kommt. (Eigentlich sollte es auch darum gehen, auf welchen alternativen Wegen es kommen kann. Aber zumindest die MMT versucht nach meinem Eindruck, ihre Rezipienten dahin gehend zu „framen“, dass denen Fragen nach Alternativen gar nicht erst in den Sinn kommen.)

    Nach herrschender (und auch meiner) Vorstellung erfolgt die Geldschöpfung heute weitestgehend (Münzen ausgenommen) kreditär.
    Und irgendwie proaktiv oder regressiv „kaskadierend“ zwischen den hochwertigen Zentralbankgeld (High Powered Money – HPM) und dem nicht ganz so vielseitig verwendbaren Bankengeld.
    Die MMT scheint davon auszugehen, dass am Anfang das HPM war, und die Schöpfung von Bankengeld erst danach möglich ist. Da bin ich mir nicht ganz sicher, ob das zutrifft. Aber egal: Irgendwie braucht man zumindest heutzutage beides, weil die Geschäftsbanken Bankengeld nur gutschreiben, aber keine externen Verbindlichkeiten damit tilgen können.

    Jedenfalls muss auf irgend eine Weise Geld in die Realwirtschaft kommen, in der „ohne Moos nichts los“ wäre.
    Ich verstehe derzeit nicht, was das mit saldenmechanischen Zusammenhängen zwischen Staat, Haushalten und Unternehmen zu tun hat.

    Es müssen ja nicht alle Entitäten einer Untergruppe sich verschulden, und vermutlich (da blicke ich nicht wirklich durch) nicht einmal per Saldo eine Verschuldung einer Untergruppe vorliegen.
    Einige Unternehmen, Haushalte und ggf. der Staat verschulden sich halt, und der Rest arbeitet mit diesem Geld. D .h. solange der jeweilige Kreditzeitraum läuft, rollt der jeweils geschaffene Bankenrubel in der Welt herum.

    Möglich freilich, dass ich da was übersehe. Denn so ganz überblicke ich Ihre Behauptungen nicht.

  11. Sehr geehrter Herr Brinkmann,

    Man muss immer zwischen Schuldverhältnissen und Geld unterscheiden, wobei das Geld Massstab der Schuld und Schuldtilgungsmittel zugleich ist. Für die Schuldverhältnisse gilt immer Zweiseitigkeit, weshalb die Verbindlichkeiten in toto den Forderungen entsprechen, für das Geld gilt, dass es – zumindest von seiner historischen Entstehung her – Sachwert war (Silberbarren, Münze). Man kann auch zeigen, dass das Geld sich nur dort entwickelte, wo Schuldverhältnisse bestanden, dass also nicht der Tausch der Motor der Geldentwicklung war sondern die Schuldverhältnisse, die nach einem Massstab und einem Tilgungsmittel riefen. Von daher gilt der unumstössliche Grundsatz: „Geld misst und tilgt Schuld“, und folglich: „Geld selbst kann niemals Schuld sein“, und von diesem Grundsatz ausgehend ist das moderne Geldsystem zu analysieren.

    Die Schwierigkeit, mit der man hier konfrontiert wird, beruht alleine darauf, dass das moderne Geld (sprich: Zentralbankengeld) prima facie selbst durch Kredit ins Leben gerufen wird. Wenn man nun den obigen logisch-historischen Kompass verliert, triftet man in Positionen ab, die Zentralbankengeld mit Schuld verwechseln. Das geht logisch nicht, weil alle Schuldverhältnisse ein Tilgungsmittel, sprich: einen Sachwert, benötigen, und historisch nicht, weil zu keiner Zeit die Arbeit das Schuldentilgungsmittel war. Es kann immer nur ein Sachwert Tilgungsmittel sein, so wenig Schuld durch Schuld getilgt wird. Man muss daher das Zentralbankengeld als einen Sachwert begreifen, der bloss oberflächlich von der Notenbank als Schuld verrechnet wird. An diesem „dialektischen Gedankensprung“ scheitern die meisten Geldtheoretiker.

    Alfred Felsberger

    • Hallo Herr Felsberger,

      fast richtig – bis auf den Begriff „Sachwert“. Richtig wäre gewesen: Sachgegenstand. Denn die Frage nach dem Wert ist anhand von Zahlungen nicht erkennbar, denn Geld zeichnet sich ja gerade dadurch aus, daß es das Wirtschaftsleben vom „Wert“ dekomplexiert.

      Übrigens: das hat mit Dialektik nichts zu tun sondern lediglich mit dem Abstraktionsprinzip des BGB. Sobald das einmal klar ist kann man auf Mythologisierungen wie Dialektik – zumindest in diesem Zusammenhang – glatt verzichten.

  12. Also entweder stehe ich auf dem Schlauch, oder wir reden in verschiedenen Dimensionen.

    Modell:
    Zentralbank + einige Unternehmen + einige Haushalte.
    Unternehmen U geht zur ZB (kontrafaktisch, aber egal) und holt sich (zur Vereinfachung: zinsfreies) Zentralbankgeld (sagen wir: Bar auf Tatze).

    ZB bucht Forderung gegen U in den Aktiva und Verbindlichkeit gegen U (aus Geldumlauf) in den Passiva. Diese Buchung ist natürlich sinnfrei, weil die ZB (heutzutage) nichts (also z. B. kein Gold) mehr ausliefern muss.
    Das ändert aber nichts am Kreditverhältnis zum U: Das hat ZB-Geld erhalten und muss bei Kreditfälligkeit ZB-Geld zurückzahlen.

    Unternehmen verbucht den erhaltenen (Bargeld-)Kredit als Verbindlichkeit gegen ZB in Passiva und zunächst als Kassenbestand in Aktiva.

    Dann wandert das Geld in der Wirtschaft umher: U bezahlt zunächst andere Unternehmen (Vorlieferanten) und Haushalte (Arbeitnehmer).
    Die treiben anschließend untereinander munter Handel, aber schließlich kaufen sie sämtlich Produkte von U.
    Dadurch hat U bei Fälligkeit das ganze Geld wieder in der Kasse und kann es somit im Geldtransporter zur ZB ZB zurückbringen.

    Wo ist das Problem?
    Im Modell, und vom Grundsatz her ebenso in der Realität, brauchen wir keinen Staat, um Geld in Umlauf zu bringen.
    Und die (ZB-)Geldschöpfung ist selbstverständlich im Kreditwege erfolgt: Geld ging raus, Geld muss wieder zurückgegeben werden.
    Ob die ZB den Geldumlauf in ihren Passiva bucht, ist m. E. jedenfalls in diesem Zusammenhang bedeutungslos.

    Genau wie in meinem EBaKeBa-Modell (http://beltwild.blogspot.de/2014/01/das-ebakeba-modell-von-geldschopfung.html) hat das Geld hier eine reine Katalysatorfunktion: Es kommt aus der Wirtschaft unverändert heraus, und ist mit der Rückgabe an die ZB verschwunden.
    Kometengeld sozusagen, das aufglühte, die Wirtschaft ein Weilchen erleuchtet und erwärmt hat, und dann erlischt.

  13. >Also entweder stehe ich auf dem Schlauch>. Nein, Herr Brinkmann, Sie stehen nicht auf dem Schlauch, wir reden nur von zwei verschiedenen Dingen. Alles, was ich sagen wollte, ist: dass es einen Gegensatz zwischen Geld (Zentralbankengeld) und Schuld (Geschäftsbankengeld) gibt, der sich in der Logik äussert: „Geld bezahlt Schuld.“ Was voraussetzt, dass Geld ein auslieferbarer Sachgegenstand sein muss. Das passiert bei jeder Barzahlung und bei jeder Überweisung: Immer muss von der Geschäftsbank der Sachgegenstand „Zentralbankengeld“ geliefert werden, um Schuld zu tilgen. Daher kann Zentralbankengeld niemals, wie Sie vermuten, Schuld sein, auch wenn die Notenbank es buchhalterisch so darstellt. Denn wäre Zentralbankengeld Schuld, dann würde aus dem Grundsatz: „Geld bezahlt Schuld“, das Diktum: „Schuld bezahlt Schuld“, was ein Ding der Unmöglichkeit ist. Einfach gesagt: Man muss einen Weg finden das Zentralbankengeld als „Sachgegenstand“ zu denken und sich damit von der klassischen Theorie, der Sie anhängen, abwenden. Die ist nämlich wertlos. Sie führt mitten in die absurde Vorstellung hinein, dass Bargeld eine Schuld der Notenbank sei…..

    Alfred Felsberger

  14. Es gibt einen Streit zwischen einer Mehrheit, die Zentralbankengeld als Schuld sehen wollen, und einer Minderheit, die Zentralbankengeld als Sachgegenstand sehen. Ersere phantasieren sich in Konkurse von Zentralbanken hinein, und in eine Vorstellung von Bargeld als Schuld. Herr Menendez und ich – ich erlaube mir für ihn zu sprechen – finden sich auf Seite der Minderheit, jedoch mit dem Unterschied, dass er juristisch argumentiert und ich, weil ich von der Juristerei nichts halte, faktisch. Ich gehe alleine von dem Grundsatz aus „Geld bezahlt Schuld“, womit bewiesen ist, dass Zentralbankengeld, das nachweislich Schuld bezahlt, keine Schuld sein kann. Denn ansonsten müsste der Satz lauten: „Schuld bezahlt Schuld“ lauten, was unmöglich ist. Die Konsequenz aus dieser Sichtweise ist, dass erstens ein Konkurs der Zentralbank undenkbar ist, und zweitens Bargeld keine Forderung gegen die Zentralbank darstellt. Alles Bargeld (plus Sichtguthaben der Geschäftsbanken bei der Notenbank) ist Geld, also: ein Sachgegenstand. Hier ist kein Atom „Schuld“ versteckt……

    Alfred Felsberger

    • Hallo Herr Felsberger,

      ich glaube, ich muß Ihnen nicht erklären, daß der Grundsatz „Geld bezahlt Schuld“ als Sachbeschreibung zwar richtig, als Beweis allerdings mehr als dürftig ist. Insofern ist mein Insistieren darauf, daß einer Schuldvereinbarung auch eine Schulderfüllung folgen sollte, die dann auch zu einer Löschung der Schuld führt dann doch eine vertretbare Vorgehensweise. Es ist ja nicht zufällig, daß das bürgerliche Recht sich ausgiebigst damit beschäftigt, wie Schuldverhältnisse entstehen, bedient und gelöscht werden – und natürlich was passiert, wenn dabei Vereinbarungsstörungen oder Leistungsstörungen eintreten. Ich beschränke mich dabei ja schon auf den allereinfachsten Fall ohne Komplikationen, bei dem man lediglich die Kategorien Schuld und Erfüllung auseinanderhalten muß – und dennoch schaffen es Ökonomen immer wieder diese elementaren Kategorien durcheinanderzuwerfen. Das hat natürlich seinen Grund, denn Geld mit einem Schuldkontrakt in Verbindung zu bringen sprengt das nutzentheoretische Konzept der Tauschwirtschaft…

      • Sehr geehrter Herr Menendez,

        Ich bin sehr froh, dass ich Ihren Blog entdeckt habe, zumal Sie der Erste waren, der mich in der Sichtweise, das ZB-Geld eine Sache sei, bestärkt hat. Davor war ich immer mit einem unguten Bauchgefühl unterwegs, das sich Formalitäten stellen musste, die mein Verstand ablehnte. Jetzt weiss ich zumindest, dass ich nicht der Einzige bin, der ZB-Geld nicht als Schuld sieht. Ich musste aber umgekehrt die Erfahrung machen, dass viele, mit denen ich zuvor diskutiert hatte, für diese Erkenntnis in keiner Weise zugänglich sind, ja nahezu hysterisch reagieren, wenn man sie mit dieser Sichtweise konfrontiert. Die Menschen wollen ZB-Geld als Schuld sehen um ihrer tiefen Abneigung dem Staat gegenüber freie Bahn zu lassen. Und diesem heiligen Zweck wegen sind sie sogar bereit ihr Hirn abzuschalten……

        Alfred Felsberger

        • Hallo Herr Felsberger,

          die Erklärung, warum es so ein Durcheinander bei der Geldtheorie gibt liegt ja eigentlich eher daran, daß sie vom Design her die allgemeine Gleichgewichtstheorie als valide Formulierung der Neoklassik stützen muß. Sie ist damit gewissermaßen eine Hilfstheorie und besitzt daher keine Eigenständigkeit. Da sie sich aber anpassen muß, ist der Geldbegriff so beschaffen, wie es die Ressourcen in der Haupttheorie auch sind. Denn dort ist Geld als Tauschmittel durchaus eine Sache, eben (irgendein) Tauschgut mit ein paar Besonderheiten. Ebenso ist auch die Allokation des „Geldes“ von der Konsum / Nicht-Konsum Entscheidungen der Haushalte geprägt, so daß nahtlos die Theorie des Bankensektors als „Transformatoren“ des vorhandenen Geldbestandes formuliert ist. Deswegen gibt es in der Neoklassik auch nur ‚outside money‘ – Geld von der Zentralbank: eine Sache. Und dann kommen noch die Idioten von der Austrian-Schiene und fabulieren irgendwas von dem Cantillon-Effekt und schon ist der Blödsinn perfekt.

          Auf der anderen Seite stehen die ‚positive money‘-Vertreter, die etwa wie die MMT argumentieren und voraussetzen!, daß die Zentralbank die Liquiditätsbedürfnisse des Bankensektors immer erfüllen werden. Damit – und mit der Voraussetzung, daß sich die Zahlungsströme über die kurze Friste ALLE wieder ausgleichen – definieren sie sich eine Fiktion zurecht, in der Geld tatsächlich nur noch als Kreditverhältnis existieren muß. Warum ist auch klar: weil es in dieser Welt niemals einen Liqiditätsausgleich geben muß. Das ‚fei-lun‘ ist ja nicht umsonst als „fliegendes Rad“ der vermeintlich fliegende Teppich der Geldreformer.

          Daß beide Positionen einen Schuß an der Waffel haben ist ja nicht so schwer zu verstehen. Erstaunlich ist eher, daß sich beide Positionen anmaßen, eine „realistische“ Sicht auf die Finanzsphäre zu geben. Vielleicht macht das auch die Schwierigkeit aus über dieses Thema zu diskutieren, denn sobald man mit einem Vertreter der einen Fraktion diskutiert, setzt dieser automatisch voraus, ich würde die andere (ebenso bekloppte) Sichtweise vertreten (et vice versa). Daß ich dann weder aus der einen noch der anderen, sondern von einer dritten (übergeordneten) Sicht argumentiere, geht dann meist im gelegentlich schon mal emotional gefärbten Austausch der Standpunkte unter.

          Wahrscheinlich liegt dies an einer mangelhaft ausgeprägten Fähigkeit abstrakt denken zu können, weswegen ich ganz gerne auf das Abstraktionsprinzip des BGB verweise – denn dort ist sowohl die Eigenschaft des Zentralbankgeldes als Sache zu finden, wie auch dessen Entstehung aus einem Schuldverhältnis. Es ist ja nicht so schwer zu verstehen, es sei denn, damit versinkt der Fundus der in langen Jahren errungenen eigenen „Erkenntnis“ ins Nirwana der Bedeutungslosigkeit. Das macht kaum einer mit!

  15. Warum ist es für mich so wichtig Zentralbankengeld als Sachgegenstand zu denken und nicht als Schuld? Es gibt einen theoretischen Grund und einen ideologischen: Theoretisch erlaubt diese Vorgangsweise die Schuldverhältnisse der Gesellschaft von der Geldfrage zu trennen. Man kann, mit anderen Worten, eine Ökonomie analysieren, die nur aus Unternehmen, Haushalte und einem Geschäftsbankensektor besteht, ohne sich der Frage der Zentralbank zu widmen. Man kann sich darauf verlassen, dass der Markt für Schuldtilgungsmittel, gesteuert über die Zentralbank und die Geschäftsbanken, ordnungsgemäss funktioniert und sich der Analyse der Identitäten zuwenden. Von da weg lassen sich eine Fülle von Aussagen entwickeln, die für die Entwicklung des Schulden-Kapitalismus relevant sind. Ideologisch ist die Herangehensweise für mich deshalb so wichtig, weil es eine Gruppe von Theoretikern gibt, die über gewissen Gestaltungsmassnahmen des Staates immer das Damoklesschwert des Konkurses der Zentralbank oder des Staates hängen sehen, die also der Meinung sind, dass eine wachsende Staatsverschuldung kein Mittel der Krisenbewältigung ist. Damit öffnet sich für mich ein weites Feld analytisch und kritisch zugleich zu denken.

    Alfred Felsberger

    • Danke für die zusammenführenden Ideen, Gedanken- und Buchungspfade. Bringen neue Verknüpfungen.
      Kann eine Zentralbank in ein Volkswirtschaftliches Modell integriert werden mit obigen Annahmen?

      • >Kann eine Zentralbank in ein Volkswirtschaftliches Modell integriert werden mit obigen Annahmen?> Natürlich. An den Identitäten ändert sich vordergründig nichts, weil die ZB ja nur bestehende Schuld (private und öffentliche) in Geld übersetzt. Man hat also eine Schuldmenge, die den Identitäten folgt, und eine Geldmenge, die von Geschäftsbanken und Staat entsprechend ihren Bedürfnissen geschaffen wird und in einem variablen Verhältnis zur Schuldmenge steht. Die Schwierigkeit besteht nur darin, dass jener Teil der Staatsschuld, der sich dauerhaft in den Büchern der Zentralbank findet, streng genommen, gar keine Staatsschuld mehr ist. Weder die Zinsen auf diese Staatsschuld noch die Staatsschuld selbst müssen jemals bedient werden. Das verändert natürlich die Zusammenhänge gegenüber einem Modell, das nur auf einem Geschäftsbankensektor beruht, wo die Staatsschuld und ihr Zins zwingend bezahlt werden muss. Das ist alles.

        Alfred Felsberger

    • Sehr geehrter Herr Menendez,

      Man darf niemals die ideologische Dimension ausser Acht lassen: Ein Bürger assoziiert mit Verschuldung Niedergang. Niemals kann er seine Verschuldung als das Geldvermögen der anderen denken. Mehr als drei Jahrhunderte hat es gedauert, von Mandeville`s Bienenfabel bis zu den ausgeklügelten Modellen des ökonomischen Gleichgewichts, um den Eigennutz der Einzelnen als gestaltendes Prinzip der Gesellschaft in den Köpfen der Menschen zu verankern. Und wieviele Attacken hat es dagegen gegeben, Hasstiraden gegen den Utilitarismus und sinnlose Kriege gegen den Handel, bis sich das Prinzip verfestigt hat! Noch drei Jahrhunderte wird es dauern bis die Menschen auch die Verschuldung als Motor des gesellschaftlichen Reichtums verstehen lernen. Denn es heisst viel mehr als Eigennutz preisen, es heisst: seinen persönlichen Niedergang, seine Bereitschaft zur Verschuldung, gutheissen. Es wundert ja, dass trotz aller ideologischen Atacken gegen die Verschuldung sich doch immer wieder Kräfte fanden, die den Prozess nach vorne trieben. Es zeigt aber auch wie wenig sich die Menschen über ihren Lebenszusammenhang bewusst sind.

      Von daher steht eine Verschuldungstheorie von vornherein auf unsicherem Boden. Sie argumentiert gegen die Vernunft, gegen die Borniertheit des Bürgers, um das Gemeinwohl und sein Entstehen zu erklären und zu fördern. Marx dachte mit dem Geldfetisch eine Begründung gegeben zu haben, warum die Menschen ihren gesellschaftlichen Zusammenhalt nur als Ding, als Geld, denken können, warum sie dem Geld wie einem Gott folgen, wo es doch nur ihr aller Werk ist. Was aber wirklich zu leisten wäre, ist nicht eine Theorie des Geldfetischs, sondern eine Theorie der Verlogenheit: dass Menschen über Jahrhunderte Verschuldung in Kauf nahmen und solcherart gegen ihr eigenes Werturteil verstossen haben. Sie verachteten, sie verspotteten die Verschuldung, sie priesen die Sparsamkeit, und taten es doch. Grosse Teile unserer Soziologie, von Marxens Geldfetisch bis zur protestantischen Ethik, sind im Lichte der modernen Verschuldungstheorie schlichtweg umzuschreiben! Deshalb, lieber Herr Menendez, grämen Sie sich nicht zu sehr, wenn Sie heute noch, hie und da, missverstanden werden. Die Zeit der Verschuldungstheorie wird erst kommen!

      Liebe Grüsse
      Alfred Felsberger

      • Ihre Argumentation, Herr Felsberger, verkennt die dialektische Natur der menschlichen Einrichtungen. Verschuldung ist nicht per se gut, und der Kampf dagegen ist sehr wohl sinnvoll.
        Weil wir in der Summe offenbar nur so die erforderliche Balance einhalten können zwischen einem Maß an Verschuldung, welches die Wirtschaft fördert, und einem Übermaß an Verschuldung (oder gar Gelddrucken ohne Verschuldung, also ohne „Deckung“), welches zerstörerisch wirkt.

        Nur gemeinsam machen eben Sympathikus und Parasympathikus ein funktionstüchtiges Ganzes 😉

  16. Dass eine ZB nicht pleite gehen kann, ist klar. Aber Verluste einer ZB sind dasselbe wie Gelddrucken. Wenn das überhand nimmt, hat es natürlich inflationäre Folgen.
    Und ein Staat kann zwar Geld drucken. Aber kleinere Länder können ein Ausweichen auf andere Währungen nicht verhindern. Selbst in Deutschland war nach dem Krieg ja die Zigarettenwährung höher im Kurs als die Reichsmark.
    Also bezüglich der „Gestaltungsmöglichkeiten“ bin ich äußerst kritisch.
    Ich sehe solche Debatten als einen Versuch, Staatsausgaben, die man „vorne“ nicht durchbekommt, „hintenrum“ einzuführen. Letztlich via Inflationssteuer. Und das ist undemokratisch.

  17. Um hier einem Missverständnis vorzubeugen: Natürlich bekommt ein Staat, der seine Staatsschuld dauerhaft in die Zentralbank verschiebt, diese nicht „geschenkt“. Er neutralisiert sie, muss aber in Kauf nehmen, dass er eine über den Bedürfnissen der Privaten liegende ZB-Geldmenge geschaffen hat. Anders, als viele vermuten, ist die Folge dieser Massnahme nicht Inflation, sondern ein Absinken des Zinsniveaus, weil die Geschäftsbanken auf reichlich Zentralbankengeld zur Schuldentilgung zurückgreifen können. Es ist also ein starker Eingriff in das inhärente Zins- und Profitniveau der Gesellschaft, der Investitionen auslösen kann, die gesellschaftlich ohne Nutzen sind. Mit anderen Worten kann ein Kreislauf unprofitabler Investitionen in Gang gesetzt werden, die eines Tages abgeschrieben werden müssen und den Staat erneut mit der Verlockung konfrontieren, die Verluste über die Staatschuld zu sozialisieren. Auf diese Art kommt ein circulus vitiosus in Gang, der die Ökonomie Richtung Degeneration treibt: Man investiert, nicht um Gewinn zu machen, sondern um die Verluste zu sozialisieren. Da aber jede Investition einen Sachwertaspekt hat, sinkt dadurch der materielle Reichtum der Gesellschaft ab. Sinnbild dieser Entwicklung sind leer stehende Häuser, unterausgelastete Kapazitäten, kurzum: Reichtum, für den niemand Verwendung hat.

    Alfred Felsberger

  18. >Ich sehe solche Debatten als einen Versuch, Staatsausgaben, die man “vorne” nicht durchbekommt, “hintenrum” einzuführen. Letztlich via Inflationssteuer. Und das ist undemokratisch.> Sehen sie, Herr Brinkmann, hier ist die ganze Palette der ideologischen Verzerrungen enthalten, gegen die ich mich wende. Erstens, führt eine erhöhte ZB-Geldmenge durch Einspeisung von Staatsschuld nicht zu Inflation, sondern, wie dargelegt, zu gesellschaftlichen Ruinen, zu Mahnmalen der Überakkumulation, weil Investitionen angeregt werden, die nutzlos sind und eines Tages abgeschrieben werden müssen. Wie man sich in einer Welt von Überkapazitäten, leerstehenden Haus- und Industrieanlagen, Inflation vorstellt, wird das Geheimnis aller orthodoxen Ökonomen bleiben, die von der ZB-Geldmenge auf Inflation schliessen. Zweitens wäre es ja gerade wünschenswert, dass Inflation einsetzt, weil dadurch nicht nur der Vermehrung der Zahl und damit ökonomischer Prosperität die Tür geöffnet wird, sondern auch die Kosten der Geldhaltung extrem „demokratisch“ auf die Gesellschaftsmitglieder verteilt werden: Derjenige, der mehr Geld hat, verliert auch mehr durch Inflation wie bei einer Aktiengesellschaft, wo der, der mehr Anteile hat, auch mehr Stimmen hat. Man lernt daraus: dass diese Gesellschaft nicht nur in einer völlig verzerrten Gedenkenwelt bezüglich Inflation lebt, sondern, dass sie auch noch Begriffe wie „Gerechtigkeit“ gebraucht, deren Sinn Sie nicht einmal versteht und Sie in Konflikt zur ureigensten Form ihres eigenen Gerechtigkeitsbegriff: der Aktiengesellschaft, bringt. Der Bürger schafft die „Werte“ und weiss Sie dann nicht einmal zu interpretieren!

    Alfred Felsberger

  19. Inflation ist historisch mit Krieg verbunden, mit Zerstörung von aktiven Produktionsanlagen, nicht passiven, die aufgrund von Überkapazitäten sowieso leerstehen. Im Gegenteil würde sich der Kapitalismus nichts mehr wünschen als die leerstehenden Haus- und Hotelanlagen an der spanischen Küste durch Bombarement zu vernichten. Wenn aber aktive Produktionsanlagen getroffen werden, die einen laufenden Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung leisten, dann, ja dann, kann es schnell zu Unterangebot von Waren und Inflation kommen. Die orthoxen Ökonomen befinden sich, was ihr Denken betrifft, in einem permanenten Kriegszustand, der die Ängste des Bürgers spiegelt. Wie aber die Geschichte lehrt sind unterausgelastete Kapazitäten eher Merkmal eines Vorkriegszustandes als eines Kriegszustandes. Insofern kann man das Dasein des aktuellen Kapitalismus als Vorkriegszustand bezeichnen, der sich in einen Krieg auflösen will, aber dummerweise: nicht kann. So bekommt jeder Fürst die Strafe, die er verdient.-)

    Alfred Felsberger

  20. Aus gegebenem Anlass: >http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-03/russland-ukraine-schroeder-sanktionen-verstaendnis>

    >Österreich ist schwach, Russland ist stark, wäre die kaltschnäuzige Erwiderung. Dann schafft Macht Recht? Genau so haben die Athener im berühmten Melier-Dialog doziert, als sie den Insulanern im Peloponnesischen Krieg erklärten: „Die Starken tun, was sie können, die Schwachen, was sie müssen.“ Als die Melier sich weigerten, dem athenischen Bündnis beizutreten, wurden die Männer massakriert und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauft. Das war allerdings vor 2.500 Jahren und so wollen wir doch im heutigen Europa nicht mehr leben – oder?>

    Dieser Artikel ist das Maximum, was die Sanktions-Befürworter denken können. Man wird im deutschsprachigen Raum schwer eine journalistische Instanz finden, die intellektuell über den Joffe steht. Er beantwortet die alles entscheidende Frage: „Schafft Macht Recht?“ mit einem Verweis auf die Härten des Peloponnesischen Krieges, der sich ausserhalb der modernen humanitären Standards bewegt hat. Er weicht der Frage aus, indem er sie mit Humanität vermengt. Er ist ausserstande die Frage „Schafft macht Recht?“ mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten, er muss gerade zwanghaft einen Konnex zur Humanität herstellen. Das ist die entscheidende Scheidelinie zwischen Redlichkeit und Lüge, nämlich: sich einer Frage zu stellen oder ihr auszuweichen. Die Wahrheit lautet simpel: „Ja! Macht schafft Recht“, weil die gegenteilige Antwort: „Nein. Macht schafft kein Recht“ sich jeder Vorstellung entzieht. Joffe darf dies nicht sagen, er darf nicht mit „Ja“ antworten. Warum nicht?

    Wenn man akzeptiert hat: „Ja, Macht schafft Recht!“, dann gibt es nur mehr zwei Entwicklungswege: Sanktionen oder Nicht-Sanktionen, Krieg oder Nicht-Krieg (Nachgeben). Jeder kann dann selbst votieren, ob er sich und andere geopfert sehen will oder nicht. Und genau das will Joffe nicht, er will nicht sagen: „Ja, Macht schafft Recht“, folglich: „Wo zwei unversöhnliche Rechte aufeinandertreffen, herrscht Krieg, entscheidet die Gewalt“. Das will er nicht sagen, obwohl es seiner Meinung entspricht. Er will nicht als das erscheinen, was er ist: Ein Sanktions- und Kriegsbefürworter. Er versteckt sich hinter Moral, die keine ist. Denn die höchste und einzige Frage bleibt für alle Ewigkeit: „Krieg oder Nicht-Krieg?“ Ich sage: „Nein! Keine Sanktionen! Kein Krieg! Geben wir nach!“ Und die „Humanisten?“ Ach ja, man weiss, was sie meinen: Sie blinzeln und zeigen mit dem Finger auf die Moral….

    Alfred Felsberger

  21. Zustimmung zu Ihrer Position betr. Sanktionen gegen Russland, Alfred Felsberger. (Auch wenn das hier off topic ist.)

    „Zweitens wäre es ja gerade wünschenswert, dass Inflation einsetzt, weil dadurch nicht nur der Vermehrung der Zahl und damit ökonomischer Prosperität die Tür geöffnet wird, sondern auch die Kosten der Geldhaltung extrem “demokratisch” auf die Gesellschaftsmitglieder verteilt werden: Derjenige, der mehr Geld hat, verliert auch mehr durch Inflation“

    Das denke ich zwar manchmal auch. Nur fürchte ich, dass es dann eben weniger die großen Geldbesitzer treffen wird: Die weichen in andere Währungen und Sachwerte aus.
    Sondern den kleinen Sparer, Versicherten und Riester-Sparer.

    Inflation im Zusammenhang mit Zerstörung von Produktionskapazitäten: 1923 nicht; damals war in Deutschland nichts zerstört. In Zimbabwe um 2000 auch nicht.
    Mag sein, dass Gelddrucken zunächst die Zinsen senkt. Aber am Ende werden wohl auch die Preise in die Höhe schießen. Anfänglich werden natürlich evtl. brach liegende Kapazitäten ausgeschöpft. Aber irgendwann wird der Verteilungskonflikt zwischen Staat und Bürger dann doch sehr real.

  22. Danke. Man muss über jeden froh sein, der noch halbwegs bei Verstand ist. Auch wenn ich nicht weiss, was damit anzufangen wäre.-)

    Verteilungssorgen? Natürlich, die werden wir immer haben. Die sind nun mal essentieller Bestandteil des Kapitalismus. Wer sich den einen ohne das andere wünscht, leidet unter beängstigenden Realitätsverlust. Man muss eher hoffen, dass das Ganze gedeiht sodass wenigstens Spielräume erwachsen um die grössten Verteilungssorgen in den Griff zu bekommen. Und natürlich ist die Spekulation in Papier ein entscheidender Nebenaspekt der wachsenden Staatsverschuldung. Aber auch hier gilt: Man bekommt das eine ohne dem anderen nicht. Eine Deflations- resp. Sparpolitik, so wie sie Europa im Moment betreibt, ist auf jeden Fall zum Scheitern verurteilt. Aber so ist das im Leben: Jeder kann nur an seinen eigenen Schmerzen wachsen. Europa wird lernen – müssen.

    Gruss
    Alfred Felsberger

  23. Man muss sich vor dem Staat fürchten. Richtig, da gehe ich völlig dacore. Wenn`s nach mir ginge, würde ich den Anarchismus Tolstoi`s predigen: Zerschmettert das Ungeheuer, das Euch krank macht! Nur leider ist`s so einfach nicht. Kapitalismus ohne Staat ist nicht zu haben und wird doppelt schmerzlich, weil der Bürger den Staat auch noch verklärt. Aber was sollen wir tun? Was, ausser: unter allen Unglücken das Geringste wählen!

    Alfred Felsberger

  24. „Verschuldung ist nicht per se gut, und der Kampf dagegen ist sehr wohl sinnvoll“. Ebenso könnten Sie sagen, lieber Herr Brinkmann: „Geldvermögen ist nicht per se gut, und der Kampf dagegen ist sehr wohl sinnvoll.“ Noch aber ist der Bürger nicht erfunden, der gegen ein wachsendes Geldvermögen ankämpft, und dies aus gutenmGrund. Aber Sie haben recht: Noch ein paar Jahre „schwäbische Intelligenz“ und es wird passieren.-) Womit natürlich nicht gesagt ist: dass der Regierungspartner irgendeine Intelligenz hätte.-)

    Mit feundlichem Gruss
    Alfred Felsberger

  25. Man kann ja nur lachen: wenn man einen Bürger beim Studium des Wirtschaftsteils einer Zeitung beobachtet, wo die ökonomische Prosperität der letzten Jahrzehnte mit den ewig steigenden Verschuldungszahlen verglichen wird. Er schliesst daraus nicht, was er sollte: dass nämlich die Verschuldungsexplosion der Grund seines Wohlstands ist, sondern, dass hierin bereits das erschütternde Ende, die Vernichtung der Zahl, vorweggenommen wird. Nein, lieber Herr Brinkmann, so ist es nicht. Das Einzige, was die ewig steigenden Verschuldungszahlen lehren, ist: dass jede weiter Expansion zu immer geringeren Wohlstand führt, dass wir gegen eine Mauer ankämpfen, die immer schwerer zu überwinden ist, konkret: dass das (reale) BSP, das mit einer Verschuldungseinheit geschaffen wird, abnimmt. Das ist alles und das mag schmerzlich genug sein. Aber die Vernichtung der Zahl über das normale, alltägliche Mass (Konkurs, etc.) hinaus brauchen Sie deshalb nicht zu befürchten. Das ist irrationale Angstmacherei, die ihre Gründe in der sparsamen und vorsichtigen Konstitution des Bürgers hat……

    Alfred Felsberger

  26. Es ist nun einmal so, Alfred Felsberger, dass die Verschuldung des Staates NICHT der Reichtum „der“ Bürger ist.

    Sondern die Mehrwertsteuererhöhung der einen ist das (leistungslose)Zinseinkommen der anderen. (Zum Glück momentan wohl mit negativem Realzins.)
    DIESER Gesichtspunkt ist es, der für mich zentral ist. Und der, fürchte ich, durch eine vorwiegend saldenmechanische Betrachtungsweise nur verdeckt und verschleiert wird.

    Und was bedeutet es, dass, wie Sie richtig konstatieren, „jede weitere Expansion zu immer geringerem Wohlstand führt“?
    Welche Mechanismen stehen hinter dieser Tatsache? Ich vermute, dass es mit der Verteilungsfrage zu tun hat.
    Und ich befürchte, dass Ihre Betrachtungsweise “ irrationale Angstmacherei, die ihre Gründe in der sparsamen und vorsichtigen Konstitution des Bürgers hat“ geeignet sein könnte, derartige kritische Fragestellungen zu verschütten.
    Cui bono? Zu MEINEN Gunsten sicherlich nicht!

    Am Rande: Habe es selbst noch nicht gelesen, aber dieses http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1905625 Papier eines gewissen Cullen O. Roche, der einen „monetary realism“ propagiert, könnte im vorliegenden Zusammenhang von Interesse sein. In der Einleitung stach für mich (nachdem ich mich gerade mit der MMT beschäftigt hatte) der folgende Absatz hervor:
    „Government serves as a facilitating feature within the monetary system. While government assists in the economic process it is ultimately the private sector that is the primary driver of innovation, productivity and economic growth. It is the private sector that primarily propels increases in living standards with its activities being the most important factor in giving value and viability to fiat money. But it is helpful to view government as a tool available for public purpose where appropriate.“

    • Sehr geehrter Herr Brinkmann,

      Saldenmechanik ist keine Verteilungstheorie sondern eine Theorie der Zahl. Sie existiert um uns die Gesetzmässigkeiten des Zahlensystems, in dem wir leben, vor Augen zu führen. Diese Gesetzmässigkeiten sind gut belegt, weshalb daran zu rütteln nicht sehr fruchtbar ist. Worüber sich der Streit entzündet, sind ja nicht die Identitäten, sondern die Verteilungsmechanismen, die zwischen den Akteuren wirken. Kein Mensch bestreitet, dass die Staatsschulden die Geldvermögen der Komplementärgruppe (Haushalte + Unternehmen) sind, nur die Frage, was passiert, wenn der Staat seine Schuld tatsächlich reduziert, daran knüpfen sich die Streitpunkte. Ist es dann so, dass die Haushalte Geldvermögen abbauen müssen oder doch die Unternehmen? An solchen verteilungstheoretischen Fragestellungen kann die Saldenmechanik nicht heranreichen, und hierin mag auch der Grund liegen, warum sie von Liberalen und Radikalen gleichermassen akzeptiert oder kritisch liebäugelt wird. Man streitet sich über die Verteilungswirkungen, aber nicht über das Fundament, auf dem das Ganze ruht. Verteilungstheoretisch darf sich jeder seine Wirklichkeit zusammen zimmern.-) Und da sind bekanntlich viele Baumeister am Werk.-)

      Alfred Felsberger

  27. Allgemein gilt, dass Unternehmen und Staat die Nettoschuldner sind, und die Haushalte die Netto-Gläubiger. Die Verteilungsproblematik kann sowohl zwischen Unternehmen und Haushalte, als auch innerhalb des Haushaltssektors eskalieren. Der Staat tritt bloss als „edler Spender“ auf, indem er Jahr für Jahr Neuverschuldung unter das Volk verteilt. Was er auch immer an Steuern einnimt, er gibt, solange er ein Haushaltsdefizit hat, mehr aus. All dies Geld fliesst den Privaten zu und regt ihre ökonomische Aktivität an. Grundfalsch sind die Vorstellungen, dass die Neuverschuldung des Staates ökonomische Aktivität hemmt. Es sind mehr Geldeinheiten im Spiel, daher auch mehr Nachfrage, daher auch mehr Impulse zur Produktion. Natürlich gibt es Verschuldung nicht geschenkt, weil die Zinslast darauf zu bedienen ist. Und natürlich wird es immer wieder Konkurse geben, die die Geldmenge reduzieren und das Eigenkapital des Geschäftsbankensektors unter Druck setzen. Aber der Staat hat die Macht sich selbst aus dem Zinszwang herauszunehmen, indem er seine Notenbank anweist die Staatschuld in ZB-Geld zu übersetzen. Es ist nur die Frage ob er es will…..

    Alfred Felsberger

  28. „Saldenmechanik ist keine Verteilungstheorie sondern eine Theorie der Zahl. Sie existiert um uns die Gesetzmässigkeiten des Zahlensystems, in dem wir leben, vor Augen zu führen.“
    Logo, Herr Felsberger: Und genau das ist ja der Grund, warum ich ein Problem damit habe.

    Wobei ich keineswegs die Identitäten bestreite, sondern das Risiko identifiziere, dass sich die Betrachtungsweise auf Perspektiven wie die von Ihnen so beschriebene reduziert:
    „Kein Mensch bestreitet, dass die Staatsschulden die Geldvermögen der Komplementärgruppe (Haushalte + Unternehmen) sind, nur die Frage, was passiert, wenn der Staat seine Schuld tatsächlich reduziert, daran knüpfen sich die Streitpunkte. Ist es dann so, dass die Haushalte Geldvermögen abbauen müssen oder doch die Unternehmen?“

    Staat – Haushalt – Unternehmen mag ja für die Wirtschaftswissenschaft eine bequeme Perspektive sein. Und die Versuchung allzu nahe liegen, eben nur auf dieser Ebene mit Begriffe und Realien zu agieren (z. B. Geldmenge vermehren/drosseln).

    Aber was passiert auf der Ebene darunter? Wie ergeben sich evtl. Verwerfungen auf der Makro-Ebene aus solchen in der Mikro-Ebene? Bzw. umgekehrt: Was richtet eine Aktivität im Makro-Bereich im Mikro-Bereich aus bzw. an?
    Und insoweit ist mein Eindruck eben, dass Sie (wie viele andere) diese Fragestellungen mit dem Hinweis auf „schwäbische Hausfrau“ und „Angstmacherei“ beiseite wischen wollen.
    Nicht, dass ich das als Boshaftigkeit auf Ihrer Seite bewerten würde.
    Eher schon nach dem Motto: „Ich habe (nur) einen Hammer, also muss jedes Problem ein Nagel sein“. ,-)
    Es mag ja sein, dass wir meine Fragen derzeit oder überhaupt nicht beantworten können.
    Das aber sollten wir uns dann ehrlich eingestehen und auf der Suche bleiben, anstatt ein Scheinwissen für die Wahrheit auszugeben.

    Der Stand der Volkswirtschaftslehre erinnert mich irgendwie an die Pestärzte der frühen Neuzeit (http://beltwild.blogspot.de/2012/10/bevor-sie-mit-dem-lesen-des-nachsten.html). Die „wussten“ natürlich auch „alles“ über die Pest. Heißt: Die hatten mutmaßlich einen ebenso gelehrten (lateinischsprachigen) Diskurs über die Pest entwickelt, wie die VWL heute einen hochgezüchteten mathematischen Diskurs über die Wirtschaft.
    Aber beide waren/sind noch nicht so weit, um die realen Zusammenhänge zu erkennen.
    Das ist an sich nicht schlimm; schlimm ist nur, dass die einen heute glauben, was die anderen damals zweifellos ebenfalls glaubten: „Wir wissen doch schon alles“.
    Insofern spult sich unser gegenwärtiger gesellschaftlicher Diskurs leider noch sehr nach vorneuzeitlichen Mustern ab.

  29. Wann immer der Staat (in einer geschlossenen Ökonomie) eine Entschuldung anstrebt, zwingt er den Privaten eine Reduktion ihrer Geldvermögen auf. Das kann freiwillig geschehen durch Steuererhöhungen oder Kürzungen der Pensionen, Subventionen, etc., es kann aber auch erzwungen werden, indem über die Ausgabenreduktion des Staates die Privaten in Konkurs schlittern. Ist dann das Eigenkapital des Geschäftsbankensektors, das als Puffer gegen Konkurse dient, bereits strapaziert, kann dies in eine Geldvernichtung durch Bankenkonkurse übergehen. Dies ist auch der Grund, warum es de facto nie zu einer Entschuldung des Staates kommt, weil er nämlich dann, wenn die Konkurswelle überhandnimmt und der Bankensektor ins Schlittern kommt, erst recht wieder durch Neuverschuldung die Banken auffängt. Das ganze Lamentieren um die Staatschuld ist daher nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern auch noch: verlogen. Jeder erinnert sich an das blasse Gesicht der „Mutti“ (und ihres Gefolgsmannes) als es 2008 zur Sache ging.-)

    Alfred Felsberger

  30. Die Realität, lieber Herr Brinkmann, ist vielschichtig, da gebe ich Ihnen schon recht: Menschen, die für einen Hungerlohn ihr Leben geben, andere, die sich in der täglichen Arbeit bis zur Erschöpfung aufreiben, wieder andere, die Erben sind. Es ändert aber nichts daran, dass dieses ganze Gefüge durch eine Zahl gesteuert wird und dass sich dieses ganze Leid innerhalb dieses Zahlengefüges abspielt. Nicht, dass jemand nicht glücklich sein könnte, wenn er verarmt ist, aber sein Glücksempfinden schmilzt signifikant, weil Zahl nun mal Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bedeutet. Man kann diesem Zahlensystem nicht absprechen, dass es das Herz unserer Gesellschaft ist, sowie der Boden der feudalen. Was sollen wir jetzt tun? Ich kann nicht jedes Leid dieser Welt bis auf seine tiefsten Verästelungen zurückführen, da müsste ich ein Dostojewski sein.-) Deshalb begnüge ich mich mit dem Zahlensystem.-)

    Alfred Felsberger

  31. >Wie ergeben sich evtl. Verwerfungen auf der Makro-Ebene aus solchen in der Mikro-Ebene? Bzw. umgekehrt: Was richtet eine Aktivität im Makro-Bereich im Mikro-Bereich aus bzw. an?> Man muss sich über den Staat nicht allzu viele Illusionen machen. Bis dato nutzt er seine Verschuldung um einen Militärkomplex zu erhalten, um seine Bürokratie zu füttern, Unternehmen zu subventionieren, eine Infrastruktur zu erhalten und Sozialleistungen auszuschütten. Die historische Rolle des Staates als Finanzier der Rüstungsindustrie hat viele Innovationen angestossen, leider auch Blutvergiessen und Elend in die Welt gesetzt, unternehmerisch war sie auf jeden Fall ein Erfolg. Man wird dem Staat in dieser Rolle kein ökonomisches Versagen vorwerfen können, er hat die schändliche Tat, die er sich auferlegt hat, mit Bravour geleistet. Die Bürokratie wiederum ist, soweit sie Gehälter und Sachinvestitionen betrifft, ein reiner Durchlaufposten, der die Gelder zu den Unternehmen weiterreicht. Noch ist kein Beamter vermögend geworden und alle Investitionen fliessen an die Unternehmen. Gleiches gilt für die Subventionen und die Sozialleistungen, nirgends wird sich eine nennenswerte Ersparnis, die das Gefüge stocken könnte, sammeln. Die Infrastrukturausgaben schliesslich zeitigen darüberhinaus sogar eine produktivitätserhöhende Wirkung, die den Unternehmen umsonst zufliesst. Man wird also summa summarum von der Staatsverschuldung keine allzu grossen Verzerrungen erwarten dürfen, es sei denn sie mündet in der Verstaatlichung von Unternehmen. Diese Zeit ist allerdings schon längst vorbei. Es sind immer die Unternehmen, die die staatliche Schuld letztendlich einsammeln, und es sind auch die Unternehmen, die den ganzen Arbeitsprozess gestalten. Gefährlicher als die Staatsschuld sind die Gesetze des Staates, die Regulierungen und Vorschriften nach sich ziehen. Da kann schon manch Unerfreuliches zum Vorschein kommen, das Investitionen ins Stocken bringt.

    Alfred Felsberger

  32. Also, Herr Felsberger, ich sehe nicht, wie Staatsverschuldung im EWU-Kontext (bzw. früher unter dem Bundesbank-Regularium) privates Vermögen schaffen kann.

    Wenn eine Zentralbank die Staatspapiere ankauft, ist das natürlich klar, dann ist das gleichbedeutend mit (sobald der Staat das Geld ausgibt) der Injektion von Zentralbankgeld in die Wirtschaft. Womit die Reserven der Banken steigen und damit auch eine Kreditausweitung möglich wird. (Nach MMT-Meinung „akkomodieren“ zwar die Zentralbanken den ZB-Geldbedarf grundsätzlich, so dass die Geschäftsbanken beliebig Kredite vergeben könnten. Die Geschichte von der gänzlich endogenen ZB-Geldmengenversorgung glaube ich aber nicht so ganz, weil die Banken ja immerhin Sicherheiten für die Geldleihe stellen müssen. Auch das setzt (neben natürlich der Bonität der Kreditnachfrager) eine Begrenzung.

    Werden die Anleihen an Private (und deren Finanzintermediäre: Versicherungen usw.) verkauft, findet lediglich eine Umschichtung im Portefolio statt: Reserven (i. e. ZB-Geld) raus, Staatsanleihen rein.
    Ebenso bei Banken. Allenfalls könnte sich hier die Frage stellen, ob die mit Bankengeld bezahlen können. Falls der Staat bei denen Konten unterhält, ist das vielleicht teilweise möglich; allerdings habe ich keine Vorstellung, wie das konkret funktionieren könnte.

    Wenn die ZB die Staatsanleihen anschließend von den Banken usw. ankauft, vermehrt sich natürlich die ZB-Geldmenge. Zumindest in der EU und zumindest im Prinzip macht sie das allerdings nicht.
    Allerdings werden hier Staatsanleihen wohl beliehen, was die gleiche Wirkung haben müsste. Vorausgesetzt, sie werden zur Beleihung eingereicht. Was aber wohl nur Banken dürfen.

    Also können jedenfalls Anleiheverkäufe an den privaten Sektor dessen Geldreichtum m. E. nicht mehren.

    • Technisch darf man sich das wie folgt vorstellen (GB, Saat, Private): Der Staat plant einen Ausgabenüberschuss, zu dessen Finanzierung er eine Staatsanleihe auflegt. Die wird von der Geschäftsbank aktiv gebucht und das GB-Geld auf dem Konto des States passiv. Der tätigt damit Käufe, wodurch das GB-Geld auf den Konten der Privaten landet. Nun halten die Privaten Forderungen gegen die GB und die GB eine gleich hohe Forderung gegen den Staat, was nichts anderes heisst: als dass die Privaten die Forderung gegen den Staat halten. Die Geschäftsbank ist eine reine „Verrechnungsdrehscheibe“, die die Staatsanleihe in GB-Geld übersetzt. Deshalb findet der Geschäftsbankensektor bei der Formulierung der Identitäten auch keine Berücksichtigung. Es gilt immer: Verbindlichkeiten des Staates = Forderungen der Privaten.

      Alfred Felsberger

  33. Sobald der Staat Verbindlichkeiten aufbaut (Ausgaben > Einnahmen), entsteht ein Forderungsüberhang bei der Komplementärgruppe (Ausgaben < Einnahmen), weil ja für die Gesamtheit gilt: Ausgaben = Einnahmen. Somit entspricht der Aufbau von Verbindlichkeiten seitens des Staates dem Aufbau von Forderungen seitens der Privaten (=Komplementärgruppe). Die ganze Verwirrung kommt nur durch Begriffe wie "Geldvermögen" ins Spiel, die man im Grunde gar nicht verwenden sollte. Es ist nur so umständlich immer nur von Forderungen/Verbindlichkeiten und Einnahmen/Ausgaben zu sprechen, weshalb man im Laufe der Zeit dazu übergeht die Forderungen mit "Geldvermögen" (GB-Geld) und die Verbindlichkeiten mit "Schuld" gleichzusetzen. Um ZB-Geld geht`s da gar nicht, das hat mit Schuld nichts zu tun.

    Alfred Felsberger

  34. Die Forderungen/Verbindlichkeiten wachsen von unten nach oben, die Geschäftsbank ist ein blosser Intermediär in dieser Forderungs-/Verbindlichkeits-Welt. Wann immer eine Gruppe einen Ausgabenüberschuss tätigt, schlägt sich dieser bei der Komplementärgruppe als Einnahmenüberschuss nieder. Die Forderungen der einen wachsen Hand in Hand mit den Verbindlichkeiten der anderen. Theoretisch ist eine Welt denkbar, in der nur Schuldpapiere (z.B.Wechsel) zirkulieren, ohne dass ein Geschäftsbankensektor existiert („Nullstufiges Geldsystem“), auch eine Welt, in der diese Schuldpapiere in GB-Geld übersetzt werden („Einstufiges Geldsystem“), schliesslich eine Welt, in der auch ZB-Geld auftritt („Zweistufiges Geldsystem“). Die Schwierigkeit das letzte System zu erfassen, resultiert alleine daher: das ZB-Geld keine Verbindlichkeit mehr ist. Man bewegt sich sozusagen in Neuland, während die übrigen Welten nach „Schema x“ zu analysieren sind.

    Alfred Felsberger

  35. Es gibt ja Leute, die behaupten, dass alle drei Welten völlig gleich zu analysieren sind. Die Konsequenz aus dieser Sichtweise ist, dass ZB-Geld, genauso wie GB-Geld und passiv verbuchter Wechsel, eine Verbindlichkeit ist. Das ist falsch, weil mit der Aushändigung von ZB-Geld (z.B. Bargeld) keine Verbindlichkeit der Zentralbank übergeben wird. Vielmehr agiert das ZB-Geld als „einzige wirkliches Geld“, als „Ding an sich“ im Kant`schen Sinne, das Verbindlichkeiten bezahlt. Das „zweistufige Geldsystem“ ist also eine Neugeburt in dem Sinne, dass erst jetzt Geld entsteht, während die vorgelagerten Welten ohne Geld, bloss mit Verbindlichkeiten/Forderungen, leben. Man kann das einem Normalsterblichen gegenüber kaum argumentieren, weil er diesen „qualitativ-dialektischen“ Sprung ins Neue nicht schafft. Da hilft`s auch nichts, wenn der Herr Menendez die Juristerei zu Hilfe zieht: denn was unverständlich ist, wird unverständlich bleiben.-)

    Alfred Felsberger

  36. „Ausgabenüberschuss des Staates“ heißt: Staat gibt mehr aus, als er regulär (über Steuern usw.) einnimmt.

    Theoretisch sehe ich genau ZWEI Möglichkeiten, das Defizit zu decken:
    – Geld drucken (ZB-Geld) und/oder
    – Geld borgen.

    „Geld borgen“ lässt sich, von den Auswirkungen auf die Geldmenge (Bankengeld und – sofern es Rückkopplungsmechanismen gibt, etwa Beleihung durch ZB – ggf.. proportional ZB-Geld) her, wiederum in zwei Gruppen unterteilen:
    – Staatsanleihen werden von Banken mit neu geschöpftem Bankengeld angekauft und/oder
    – Staatsanleihen werden von Bankkunden mit ihren Depositen aufgekauft.

    Bei den Privaten müssen sich die sonstigen Ausgaben nicht ändern, d. h. die laufenden Ausgaben und Einnahmen könnten z. B. gleich bleiben. Lediglich die Depositen würden dann umgeschichtet: Von Forderungen gegen das Bankensystem zu Forderungen gegen den Staat.
    Der Aufbau von Verbindlichkeiten seitens des Staates entspricht in diesem Szenario eben NICHT dem AUFBAU von Forderungen seitens der Privaten, sondern stellt lediglich eine Umschichtung dar.

  37. >Von Forderungen gegen das Bankensystem zu Forderungen gegen den Staat.> Im Geschäftsbankensystem gilt immer: Forderungen = Verbindlichkeiten. Das Bankensystem ist ein Intermediär, eine Verrechnungsdrehscheibe, sie können hier keinen Überschuss an Forderungen oder Verbindichkeiten erzeugen. Es bleibt immer neutral. In Ihrem konkreten Beispiel: Wenn der Private die Staatsanleihe aufkauft, dann tut er es mit GB-Geld, das nach Tilgung auf der Passivseite der Bank einen entsprechenden Abzug auf ihrer Aktivseite (z.B. durch Übertrag von ZB-Geld) erfordert. Die Bilanzsumme der Geschäftsbank schrumpft im Gleichschritt so wie sie im Gleichschritt wächst. Einfach gesagt: Forderungen/verbindlichkeiten existieren nur zwischen Staat und Privaten, das Geschäftsbankensystem ist eine Null, ein Nichts, innerhalb dessen sich Forderungen und Verbindlichkeiten immer aufheben.

    Alfred Felsberger

  38. „Es gibt ja Leute, die behaupten, dass alle drei Welten völlig gleich zu analysieren sind. Die Konsequenz aus dieser Sichtweise ist, dass ZB-Geld, genauso wie GB-Geld und passiv verbuchter Wechsel, eine Verbindlichkeit ist. Das ist falsch, weil mit der Aushändigung von ZB-Geld (z.B. Bargeld) keine Verbindlichkeit der Zentralbank übergeben wird.“

    Ich sehe nicht, welchen Erkenntnisgewinn die Aussage „Geld ist (k)eine Verbindlichkeit“ irgend eine Klarheit bringt.

    Der Kreditnehmer, egal ob bei der ZB oder der GB, muss seine Schuld zurückzahlen (im Prinzip immer mit ZB-Geld; Ausnahme: Er hätte ein Guthaben aus einer Überweisung von einem Kunden derselben Bank).

    Für den Kreditnehmer ist Geld also immer eine Verbindlichkeit.

    Für die Banken allenfalls für einen kurzen Moment:
    – bei Kreditvergabe in -2- Stufen (zwischen Gutschrift des Kreditbetrages und späterer Abhebung bzw. Überweisung durch Schuldner) (so jedenfalls theoretisch auch für ZBs vorstellbar; Praxis – ??)
    bzw. überhaupt nicht:
    – wenn Kreditvergabe und Auszahlung zusammenfallen (Überziehungskredit, Rahmenkredit).

    Der Unterschied bleibt natürlich, dass Banken für Zahlungen außer Haus ZB-Geld benötigen und ggf. irgendwo auftreiben müssen. Während die ZB beliebig „drucken“ kann.

    • Hallo Herr Brinkmann,

      daß Sie die unmittelbare Bedeutung dieser Unterscheidung nicht sehen verwundert mich ein bißchen. Denn genau um diese Geschichte dreht sich u.a. der Prozeß vor dem BverfG hinsichtlich des OMT-Programms, weil einige der Herren, die dort ein Gutachten abgegeben haben genau auf diesen Zusammenhang abheben. Das betrifft nämlich die Frage, ob die TARGET2-Salden als Verschuldung einer nationalen Zentralbank anzusehen sind und daher ein Risiko für die öffentlichen Finanzen von EURO-Ländern darstellen oder nicht.

      Wie in meinem Post „Was ist ‚clearing'“ nachgelesen werden kann ist die Emission von Zentralbankgeld gerade keine Schuld einer Zentralbank und zwar genau deswegen, weil sie das Recht hat genau diese Währung EURO zu emittieren – und zwar (im Prinzip) unbegrenzt, d.h. eine nationale Zentralbank im ESZB-System kann Verbindlichkeiten in EURO immer ausgleichen. Das kann sie bis eine Minute bevor ihr dieses Recht entzogen wird und in dieser Minute kann sie das benötigte Bargeld an die Korrespondenzbank EZB liefern! lassen, womit ihre EURO-Schulden beglichen sind. (Wohlgemerkt nur die der Zentralbank, nicht der privaten Akteure.) Die Herren Sinn und Konrad ect. erzeugen vor dem BverfG mit Hilfe der Unkenntnis der Richter ein Bedrohungsszenario für den Bundeshaushalt, den es in dieser Hinsicht überhaupt nicht gibt. Und das nur deswegen, weil sie ignorieren, daß auch eine Forderung gegenüber einer Zentralbank schon Zentralbankgeld ist – was sogar die Bundesbank wörtlich schreibt.

      Es hat schon seine Bedeutung, das ist alles andere als Kleinkram!

  39. Noch einfacher gesagt: Der Staat kann sich gegen jeden anderen Sektor verschulden, die Unternehmen können sich gegen jeden anderen Sektor verschulden, die Haushalte können sich gegen jeden anderen Sektor verschulden. Alle diese Sektoren können untereinender Forderungen und Verbindlichkeiten aufbauen. Aber: das Bankensystem nicht! Dort halten sich Forderungen und Verbindlichkeiten stets die Waage. Folglich kann man, wenn es um die Identitäten geht, vom Bankensystem abstrahieren. Noch mehr vereinfachen möchte ich aber nicht, denn dann wär`s schon wieder falsch.-)

    Alfred Felsberger

  40. Gesetzt, Bank A und Bank B bilden das Geschäftsbankensystem, wobei ich als Privater ein Konto bei der Bank A unterhalte, und der Staat ein Konto bei der Bank B, über das er sein Emmisionsgeschäft abwickelt. Wenn er nun eine Anleihe begibt und sie mir verkauft, dann muss die Bank A gegen Abzug meines Guthabens (aus Sicht der Bank A: Verkürzung ihrer Passivseite) der Bank B die entsprechende Menge an ZB-Geld aushändigen (aus Sicht der Bank A: Verkürzung ihrer Aktivseite). Dadurch wächst bei der Bank B simultan die Aktiv- und die Passivseite, indem dem ZB-Geld auf der Aktivseite nun das GB-Geld auf dem Konto des Staates gegenübersteht. Im gesamten Bankensystem hat sich die Bilanzsumme nicht verändert, wohl aber habe ich nun eine Forderung gegen den Staat. Die Verschuldung des Staates (Staatsanleihe) ist meine Forderung.

    Alfred Felsberger

  41. >Für den Kreditnehmer ist Geld also immer eine Verbindlichkeit.> Eben nicht. Man muss hier messerscharf definieren, was leider nicht meine Stärke ist Nochmals: Forderungen/Verbindlichkeiten haben mit Geld nichts zu tun. Sie werden durch Geld getilgt. Stellen Sie sich doch einfach einen riesigen Sandhaufen vor, den Sie am Strand ausgehoben haben. Dieser soll die Forderungen darstellen. Daneben ist ein ebenso grosses Loch, aus dem sie sich den Sand besorgt haben. Das sind die Verbindlichkeiten. Der Sandhaufen (sprich: die Forderungen) und das Sandloch (sprich: die Verbindlichkeiten) sind gleich gross. Und nun wird von Ihnen verlangt: Teile des Sandhaufens abzubauen um das Loch zu glätten. Was Sie dafür benötigen, ist eine Schaufel und diese Schaufel ist: das Geld.

    Alfred Felsberger

    • Klasse, die Abstraktion von Forderung/Verbindlichkeit mit der Verfüllung einer Kuhle zu vergleichen – kann auch etwas anderes dafür benutzt werden (siehe Geldmengendefinitionen im Herdentrieb).
      Soffisticated hatte bereits auf das BGB mit seinem Schuldrecht hingewiesen. Fällt Ökonomen sehr schwer zu trennen.
      Aber Ihre Bemühungen in der Diskussion bleiben hartnäckig.
      Danke.

      • Danke, Herr Rubycon. Den Vergleich aber habe ich kürzlich wo gelesen, in irgendeinem Buch eines Börsianers. Stammt also nicht von mir.-) Nur die Schaufel (=ZB-Geld) habe ich erfunden, wobei man hinzufügen hätte sollen, dass die Schaufel umso grösser sein muss desto tiefer das Loch ist.

      • Eine volkswirtschaftliche Erklärung von grundlegenden Funktionsmechanismen „des“ Geldes kann nicht auf das BGB rekurrieren.
        Das ist
        a) fachfremd
        b) sehr jung und
        c) auf Deutschland beschränkt.

        Natürlich „ist“ das Geld nicht selber die Verbindlichkeit, sondern durch die Kreditgewährung wird eine Verbindlichkeit des Kreditnehmers begründet.

        Aber mir geht es nicht um juristische Definitionen, sondern um eine Untersuchung der volkswirtschaftlichen Funktionsmechanismen von Geld (in diesem Falle: im Zusammenhang mit der Entstehung von Geld).
        Und da gilt nun einmal:
        Wenn ich bei einer Bank Kies ausbaggere, muss ich später wieder Kies verfüllen. Das gilt – und darum ging es ja – für Verbindlichkeiten von Kreditnehmern gegenüber einer Geschäftsbank in gleicher Weise wie gegenüber einer Zentralbank.

        Staatsausgaben und Geldschöpfung:

        Sie hatten gesagt „Sobald der Staat Verbindlichkeiten aufbaut (Ausgaben > Einnahmen), entsteht ein Forderungsüberhang bei der Komplementärgruppe (Ausgaben Einnahmen), entsteht ein Forderungsüberhang bei der Komplementärgruppe (Ausgaben < Einnahmen), weil ja für die Gesamtheit gilt: Ausgaben = Einnahmen. Somit entspricht der Aufbau von Verbindlichkeiten seitens des Staates dem Aufbau von Forderungen seitens der Privaten (=Komplementärgruppe)"
        sehe ich nicht, inwiefern das einen Gegenbeweis darstellen soll?

        @ soffisticated:

        Dass Zentralbanken mit der Ausgabe von ZB-Geld im volkswirtschaftlichen Sinne keine Forderung gegen sich selber begründen (sondern, im faktischen Sinne, gegen die gesamte Volkswirtschaft), hatte ich in meinem Blott "Was ist Geld? Was sind folglich die Target2-Salden in der Eurozone?" (http://beltwild.blogspot.de/2012/10/was-ist-geld-was-sind-folglich-die.html) dargestellt.

        Die Target-Forderungen sind bei einer Auflösung der Eurozone (und volkswirtschaftlich wohl schon jetzt) wie Devisenreserven zu sehen .
        (Vgl. Wilhelm Kohler, Zahlungsbilanzkrisen im Eurosystem:
        Griechenland in der Rolle des
        Reservewährungslandes? – http://www.cesifo-group.de/portal/pls/portal/docs/1/1209726.PDF
        (Sie sind natürlich keine Forderungen gegen die Staatsorgane der Schuldnerländer.)

        Das heißt aber keineswegs, dass Targetsalden heiße Luft wären,

        Ganz allgemein sind sie das Resultat einer (großenteils schlecht oder teilweise evtl. gar nicht) besicherten Kreditvergabe nationaler Zentralbanken in der EMU an die nationalen Geschäftsbanken.
        Sofern
        a) diese Kredite ausfallen und
        b) die jeweilige nationale ZB (bzw. der nationale Staat) die Ausfälle nicht abfangen können, schlagen die Verluste auch auf die anderen EWU-Notenbanken durch. Und somit irgendwann auch auf die Staatshaushalte.

        Bei einem Zerfall der EWU und einer Währungsabwertung der Schuldnerländer mindern sich ebenfalls die Gewinne der Zentralbank (oder fallen sogar Verluste an).

        • Hallo Herr Brinkmann,

          ich verstehe ja Ihre Intention und halte Ihre Darstellung auch für durchaus interessant. Dennoch möchte ich zur Diskussion stellen, ob das Postulat, daß „Zentralbankgeld … im faktischen Sinne … eine Forderung … gegen die gesamte Volkswirtschaft“ sei, für die Ableitung einer für Ihr Anliegen wesentlichen These überhaupt notwendig ist. Zum einen kann die „ganze Volkswirtschaft“ nur das sein, was auch für Geld käuflich ist. (Das erinnert ein bißchen an Bankhaus Rott, bzw. an dessen Formulierung, daß Nachfrage derjenige Teil der Bedürfnisse ist, die bezahlt werden können.) Zum anderen müssen – zumindest in einer Welt, in der Geld mit Hilfestellung eines Kredits entsteht – die prototypisch verschuldeten Unternehmer ihre Waren (nicht: Güter, die einen Nutzen stiften) DESWEGEN am Markt verkaufen, weil sie ihren Schuldendienst zu leisten haben. Dieser Umstand ist der eigentliche (ökonomische) Grund, warum es unnötig ist, Geld selbst noch einmal als Forderung an die Volkswirtschaft zu konzipieren. Denn soweit irgendeine gehaltvolle Forderung damit verbunden wäre, müßte es auch die dahingehend Verpflichteten (Individuen/ Unternehmen) geben, die demjenigen gegenüber, der Geld sein Eigen nennt, bestimmte festgelegte Leistungen herauszugeben hätten. Man muß nicht lange darüber nachdenken um festzustellen, daß man mit einem derartigen Konzept Geld schnurstracks als Bezugsschein definiert und über kurz oder lang in einer bezugsscheingesteuerten Zentralplanwirtschaft landet. Unabhängig davon wie man die Leistungen dieser Wirtschaftsform auch immer bewerten mag, ist eine derartige Konzeptionierung von Geld mit den Kriterien einer liberalen Ökonomie in keiner Weise vereinbar.

          Nichts für ungut, aber ich würde diese Vorstellung noch einmal gründlich überdenken. 🙂

        • „Natürlich “ist” das Geld nicht selber die Verbindlichkeit, sondern durch die Kreditgewährung wird eine Verbindlichkeit des Kreditnehmers begründet.“

          In der Ökonomie gibt es immer zwei Seiten, so auch hier. Denn ein Kredit verpflichtet nicht nur den Kreditnehmer, sondern auch den Kreditgeber, weil dieser – um überhaupt Gläubiger werden zu können – erst einmal dem Kreditnehmer die Verfügung über Zentralbankgeld gewähren muß (entweder über Barauszahlung oder über Zentralbankgeldtransfer zu Gunsten des Kreditnehmers) und erst DANN das eintritt, was üblicherweise für das „Normale“ gehalten wird: der Schuldendienst des Kreditnehmers.

          Es geht aber kein Weg daran vorbei zu akzeptieren, daß erst der Gläubiger (typischerweise sofort und auf einmal) zahlen muß und erst dann der (häppchenweise) Schuldendienst des Kreditnehmers eintritt.

  42. Geld erfordert eine zentralisierende Kraft, eine Macht, wie sie nur die Zentralbank darstellt. Man denke sich eine Ökonomie mit Privaten und Staat, ohne Geschäftsbanken und ohne eine Zentralbank. Der Staat bezahlt in Anleihen seine Gehälter, Pensionen, usw., die Privaten halten die Forderungen, der Staat die Verbindlichkeiten, die er über Steuern wieder zu reduzieren vermag. Gibt`s hier ein Geld? Natürlich nicht: Das Einzige, was zirkuliert, sind Staatsanleihen und die stehen wahlweise auf der Aktiv- oder der Passivseite der Akteure. In Summe heben sich Forderungen und Verbindlichkeiten auf. Nun denken wir uns eine Ökonomie, in der EINE Geschäftsbank hinzukommt.Sie kauft die Staatsanleihen auf Kredit und setzt solcherart GB-Geld in die Welt. Was hat sich verändert? Anstelle der Staatsanleihen, die auf der Aktivseite „ruhend“ gestellt sind, zirkuliert nun GB-Geld. An den Forderungen und Verbindlichkieten ändert sich nichts, weil ja das GB-Geld ein blosser „Stellvertreter“ der Staatsanleihen ist. Ist das GB-Geld nun Geld? Ja! Denn will der Staat sich entschulden und die Anleihen tilgen, so muss er bei den Privaten GB-Geld, das Schuldtilgungsmittel, eintreiben. Nun stellen wir uns die gleiche Welt mit VIELEN Geschäftsbanken vor. Ist das GB-Geld der Vielen nun weiterhin Geld? Natürlich nicht! Denn um die Überweisungen zwischen den GB`S zu verrechnen muss jetzt ein anderes Geld an diese Stelle treten: Und das ist das ZB-Geld. Man lernt daraus: dass Geld ein Akt der Zentralisierung ist, den die Notenbank leistet.

    Alfred Felsberger

    • Ich denke, dass das ZB-Geld das Gold ersetzt. Im 19. Jh. gab es ja großenteils (USA; Dtld.?) noch gar keine ZB, und das System hat auch funktioniert.
      Insofern sehe ich die ZB nicht als Voraussetzung für die Existenz eines funktionierenden Geldsystems an sich, sondern lediglich für ein fiat-Geldsystem.

  43. Tja, früher hat man das Gold als Schuldentilgungsmittel zwischen den Geschäftsbanken transportiert und sich vor Raubüberfälle gefürchtet, heute verschickt man ZB-Geld mit einer wesentlich geringeren Furcht, weil grossteils elektronisch. Insofern kann man das ZB-Geld schon als Fortwentwicklung des Goldes als Geld sehen. Nur muss man bedenken, dass die Zwischenperiode ein Jahrhundert gedauert hat, in der die Geschäftsbanken trotzdem als GB-Geld-Schöpfer auftraten und daher Bankenzusammenbrüche en masse produzierten. Auch ist die Funktion einer Zentralbank von der Frage, was nun als Geld fungiert, eine Einheit Gold oder eine Einheit Dollar, unabhängig, weil alleine ihre Fähigkeit zur Kreditschöpfung sie zum „lender of last ressort“ macht.

    Die Frage, ob ZB-Geld Verbindlichkeit oder auslieferbare Sache (wie Gold), ist immens wichtig nicht nur für die Diskussion um die Target2-Salden, sondern vor allem für die Frage der Verschuldungsfähigkeit des Staates. Im wesentlichen wird der deutsche Diskurs von der Annahme getragen, dass ZB-Geld Verbindlichkeit sei, um damit die Verschuldungsfähigkeit des Staates in Frage zu stellen. Es ist ein gutes Beispiel dafür wie sich die Marktliberalen, gruppiert um den Herrn „Sinnlos“, sich ihre Welt zurecht biegen um das Volk mit Angstthesen zu überschütten. Sie sind damit die Gefolgsleute ihrer eigenen Ängste, nicht aber der Redlichkeit, die man von Ökonomen erwarten solte. Offensichtlich gibt`s im Kopf eines Liberalen einen Schalter, den man umlegt, wenn`s heiss wird, um ja nichts von der Welt mit zu bekommen.

    Alfred Felsberger

  44. Das vorhin zitierte „Sandburg-Paradoxon“, wo die Höhe der Sandburg (Forderungen) immer der Tiefe der ausgehobenen Grube (Verbindlichkeiten) entspricht, gibt ein gutes Bild für den Zustand des Kapitalismus. Man denke sich ein Kind, das mit dem Auftrag an das Meer geschickt wird eine Sandburg zu bauen, und schon nach kurzem erkennen muss, dass sich daneben ein Loch sammelt, aus dem es den Sand schaufelt. Umso höher der Berg wird, desto tiefer das Loch, und desto grösser die Gefahr, dass Sand vom Berg wieder in das Loch rutscht und der berg verschwindet. Forderungen und Verbindlichkeiten drohen mit steigender Grösse durch Konkurs sich zu vernichten. Verzweifelt fängt das Kind an noch schneller zu schaufeln, den Berg noch mehr in die Höhe zu treiben, um aber erkennen zu müssen, dass dadurch auch das Loch immer grösser wird, in der der Sand abrutscht. Panikartig schaufelt es dahin. Das ist die Lage, in der wir stecken. Wir heben immer neue Schulden und Forderungen aus und drohen sie dadurch, umso höher wir das Spiel treiben, durch das Abdriften des Sandes in das Loch wieder zu verlieren. Der Kapitalismus ist permanent am Rutschen, die vorhandenen Forderungen und Verbindlichkeiten drohen sich durch Konkurs zu entwerten. So und nun betrachte man den Lösungsvorschlag der „schwäbischen Hausfrau“: „Kind, höre doch endlich zum Schaufeln auf, setzte Dich hin und ruhe Dich aus!“. Das Kind antwortet: „Mama, wenn ich da zum Schaufeln aufhöre, kommt alles ins Rutschen und am Ende ist die Burg im Loch.“ Und die „schwäbische Hausfrau“, was sagt Sie: „Ist ja egal, Kind, sind ja nur Schulden.“ Und das Kind: „Aber auch Forderungen, das heisst: Geld!“ Die Mutti: „Ach Kind, Du phantasierst.“ Das ist der Zustand unserer Eliten.-)

    Alfred Felsberger

  45. >Wenn ich bei einer Bank Kies ausbaggere, muss ich später wieder Kies verfüllen. Das gilt – und darum ging es ja – für Verbindlichkeiten von Kreditnehmern gegenüber einer Geschäftsbank in gleicher Weise wie gegenüber einer Zentralbank.> Niemand bestreitet, das ZB-Geld durch Kreditschöpfung entsteht, sondern nur: dass ZB-Geld eine Verbindlichkeit ist. Das sind zwei verschiedene Dinge, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Und nein! Wenn der Staat sich entscheidet dauerhaft seine Anleihen bei seiner Zentralbank einzustellen, dann fliesst kein Kies mehr zurück. Dann bleibt es wie es ist: auf der Aktivseite die Staatsanleihe, auf der Passivseite das ZB-Geld. Siehe USA. Da ändert sich NIE WIEDER etwas. Deshalb: ZB-Geld ist Sache, ein vom Staat geschaffenes Ding.

    Alfred Felsberger

  46. Die ewig deutsche Perspektive, die macht einen krank. Dieses Land hält sich für den Nabel der Welt und weigert sich die Augen aufzumachen was dort passiert, wo wirklich der Nabel der Welt ist: den USA. Der deutsche Diskurs – das sage ich ganz allgemein – ist so mühselig, weil ewig moralisierend, weil ewig sich selbst zum Masstab machend. Deshalb ist dieses Deutschland auch Gift für Europa, denn was man heute bräuchte, ist: Offnung der Perspektive und nicht Verschliessung. Nur weil der deutsche Staat in der Lage ist sich nicht weiter zu verschulden, heisst das noch lange nicht: 1) dass das für die Welt relevant ist (da zählt alleine die USA), und 2) dass das für Europa gut ist. An der deutschen Seele kann kein Europa wachsen! Das sage ich als Österreicher.-)

    Alfred Felsberger

  47. Alleine, dass Deutschland sich mit dem Gedanken des Zerfalls der Euro-Zone spielt, zeigt das ganze Schlamassel auf. Aus Angst vor zukünftigen Verlusten, wird eine restriktive Geldpolitik gefahren. Ja, wenn sich in Europa niemand verschulden soll, kein Staat, kein Unternehmen, wenn die Banken durch immer schärfere Richtlinien die Kreditvergabe blockieren, wie soll dann dieses Europa blühen? Wenn einer Angst hat vor den zukünftigen Verlusten, dann ist er im falschen Film, dann nimmt er nicht an dem Spiel teil, das Kapitalismus heisst. Dann blockiert er einen ganzen Kontinent aus seiner ganz persönlichen Angst heraus. So wird eine Katastrophe Wirklichkeit, die man sich durch seine Phantasien herbeisehnt. Deshalb sage ich: Wenn es Zweifel an dem Euro-System gibt, dann jetzt, SOFORT, raus, um die anderen Staaten zu schützen. Wenn man jedoch zu diesem Euro-System steht, dann heisst`s ohne Rücksicht auf Verluste Schulden zu machen! Endlich das Tor zur weiteren Verschuldung aller Staaten – ganz wie in den USA – durch die Notenbank zu öffnen. Mir ist es wurscht, was kommt. Aber für eines von beiden sollte sich Deutschland ENDLICH entscheiden!

    Alfred Felsberger

  48. Ich sage das jetzt hier allgemein in die Runde, ohne jemandem persönlich nahezutreten zu wollen. Ein Europa unter der Führung Österreichs würde gedeihen, die Verschuldung der Staaten würde explodieren, die Kredithähne geöffnet werden. Ich kenne meine Landsleute, die wissen, wo es lang geht. Und wenn sie das Gefühl haben, es geht nicht mehr weiter, dann steigen sie aus. Aber ein Europa unter der Führung Deutschlands ist eine Katastrophe, nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch. Was sich hier in den letzten 5 Jahren abspielt, spottet jeder Beschreibung. Ich kann der Frau Merkel nicht mehr ins Auge schauen, auch nicht den Männern der SPD, der FPD, der vertrottelten Grünen und der alterskranken Linken. Ein Haufen von selbstgefälligen Idioten, das einem der Atem stockt!

    Alfred Felsberger

  49. Ich kann einfach nicht sehen, wo wir uns wirklich unterscheiden, soffisticated:
    „Zum anderen müssen – zumindest in einer Welt, in der Geld mit Hilfestellung eines Kredits entsteht – die prototypisch verschuldeten Unternehmer ihre Waren (nicht: Güter, die einen Nutzen stiften) DESWEGEN am Markt verkaufen, weil sie ihren Schuldendienst zu leisten haben. Dieser Umstand ist der eigentliche (ökonomische) Grund, warum es unnötig ist, Geld selbst noch einmal als Forderung an die Volkswirtschaft zu konzipieren. Denn soweit irgendeine gehaltvolle Forderung damit verbunden wäre, müßte es auch die dahingehend Verpflichteten (Individuen/ Unternehmen) geben, die demjenigen gegenüber, der Geld sein Eigen nennt, bestimmte festgelegte Leistungen herauszugeben hätten.“

    Das kann ich ja voll unterschreiben. (Deckt sich z. B. auch mit derjenigen von Eladio Febrero in seinem Papier „Three difficulties with Neo-Chartalism“ – http://pendientedemigracion.ucm.es/info/ec/ecocri/cas/Febrero.pdf).
    Sie wollen mich aber irgendwie partout auf eine juristische Schiene festnageln. Ich spreche aber davon, dass Geld eine FAKTISCHE Forderung an die Volkswirtschaft (ok, genauer: an den Markt) ist.

    „In der Ökonomie gibt es immer zwei Seiten, so auch hier. Denn ein Kredit verpflichtet nicht nur den Kreditnehmer, sondern auch den Kreditgeber, weil dieser – um überhaupt Gläubiger werden zu können – erst einmal dem Kreditnehmer die Verfügung über Zentralbankgeld gewähren muß (entweder über Barauszahlung oder über Zentralbankgeldtransfer zu Gunsten des Kreditnehmers) und erst DANN das eintritt, was üblicherweise für das “Normale” gehalten wird: der Schuldendienst des Kreditnehmers.
    Es geht aber kein Weg daran vorbei zu akzeptieren, daß erst der Gläubiger (typischerweise sofort und auf einmal) zahlen muß und erst dann der (häppchenweise) Schuldendienst des Kreditnehmers eintritt.“

    Nein: Das ist ja gerade das Arkanum des Bankenwesens, dass es FAKTISCH eben KEINE Parallelität zwischen Zahlungspflicht der (Geschäfts-)Bank [anders bei der ZB] und Tilgungspflicht des Schuldners gibt.
    Die (Geschäfts-)Bank zahlt eben NICHT die Kreditsumme in ZB-Geld aus (die wenigen Barzahlungen ausgenommen), sondern durch hausinterne Überweisungen und Interbanken-Clearing lediglich einen Bruchteil davon.
    Während der Kreditnehmer den vollen Betrag mit ZB-Geld tilgen muss. (Allerdings auch nur im Prinzip. Denn er wird die Tilgungssumme aus Gutschriften anderer auf seinem Konto nehmen, und diese Guthaben, die von anderen Banken kommen, bestehen ja aus denselben Gründen ebenfalls nicht aus voll überwiesenem ZB-Geld.

    Auch hier gilt, dass die rechtliche Ebene sich nicht mit der ökonomischen Realität deckt. Was man rechtlich schön in eine chronologische Reihe bringen kann, das überschneidet sich in der Realität, weil dort zahlreiche Vorgänge gebündelt werden (im Interbanken-Verkehr).
    Mit einer analytischen Zerlegung der Vorgänge in ein Schritt-für-Schritt-Zeitlupentempo kommen wir hier genauso wenig weiter wie bei Aristoteles und seiner Schildkröte.
    Wir müssen uns anschauen, was passiert, und das dann ÖKONOMISCH deuten. (Um die rechtliche Seite mögen sich die Juristen kümmern.)

  50. >Nein: Das ist ja gerade das Arkanum des Bankenwesens, dass es FAKTISCH eben KEINE Parallelität zwischen Zahlungspflicht der (Geschäfts-)Bank [anders bei der ZB] und Tilgungspflicht des Schuldners gibt. Die (Geschäfts-)Bank zahlt eben NICHT die Kreditsumme in ZB-Geld aus (die wenigen Barzahlungen ausgenommen), sondern durch hausinterne Überweisungen und Interbanken-Clearing lediglich einen Bruchteil davon.> Das ist falsch: Egal ob Barauszahlung oder Überweisung, es muss immer das ZB-Geld zur Gänze übertragen werden. Es kommt immer der Tag, wo die Konten der Banken untereinander gecleart werden müssen. Und sei es die nächste grosse Krise….. Und eben weil es so ist, muss auch jede Bank dies bei ihrer Kreditschöpfung berücksichtigen.

    PS: Herr Brinkmann, man spürt bei Ihnen eine starke Abneigung gegen den Kreditschöpfungsprozess. Denn zu sagen, dass die GB`s nur partiell ZB-Geld liefern (was kurzfristig stimmt, aber nicht langfristig), heisst ja nichts anderes: als dass die GB`s „unverantwortlich“ handeln. Aber unser Problem ist nicht, dass die GB`s zu viel Kredit vergeben, sondern: ZU WENIG. In diesem Europa geht uns der Saft aus, lieber Herr Brinkmann. Hier erkennt man die ganze deutsche Tragik ……

    Alfred Felsberger

    • Konstanz Vogel

      felsberger2012
      18. März 2014 um 04:35

      „Egal ob Barauszahlung oder Überweisung, es muss immer das ZB-Geld zur Gänze übertragen werden.“

      Wie funktioniert das technisch, wenn bei einer Überweisung Zentralbankgeld übertragen wird?
      Eine Bank übernimmt einen Zahlungsanweisung. Sie wird direkt (Onlinebanking) oder mittels Überweisungsformular in das Buchungssystem einer Bank eingegeben. Im ersten Fall besitzt der Adressat sein Konto bei der gleichen Bank, im anderen Fall bei einer anderen.

      Sobald sich die Überweisungsabsicht im Buchungssystem einer Bank befindet, kann die Abwicklung nur mittels Zentralbankgeld erfolgen, da für Banken Geld ohnedies nur als Zentralbankgeld existiert. Wobei Zentralbankgeld keine physischen Grössen darstellt, sondern nur die Bezeichnungeinheit für die Zahlen (Bits,Byts) ist. Sie könnte auch einen anderen Namen haben.
      Im Grunde genommen geht es um den Buchungssatz, der einerseits ein Konto der Zielbank beinhaltet und andererseits ein Konto des die Überweisung beauftragten Person und weiters die jeweiligen Konten beider Banken bei einer Zentralbank. Bei einer Überweisung von einem Konto ist die Kontodeckung und die Berechtigung auf diesem Konto Buchungen auszuführen entscheidend. Die Deckung bezeichnet den Saldo auf einem Konto, der jederzeit ersichtlich ist. Bei einer Unterdeckung gelten vereinbarte Regeln (z.B. Rahmen) um die Überweisung auszuführen. Eine Umbuchung innerhalb desselben Kontos einer Bank bei einer Zentralbank, führt zu keiner Veränderung des Kontostandes. In diesem Fall führt die Überweisung nur zu einer Umbuchung zwischen einzelnen Konten bei ein und derselben Bank.
      Eine Baraus- oder -einzahlung erfolgt mittels Zentralbankgeld. Zentralbankbargeld wird täglich von einer Bank nach Bedarf angefordert und wieder retourniert. Die zugehörigen Buchungen erfolgen auf dem jeweiligen Konto einer Bank bei einer Zentralbank und verändern dort den Kontostand.

      • Hallo Herr Vogel,

        möglicherweise besteht das Mißverständnis daraus, daß bei einer Überweisung von Bank zu Bank oft von einem Buchungssatz gesprochen wird. Das ist so nicht korrekt, denn es handelt sich dabei um einen Datensatz, den die sendende Bank der empfangenden Bank zukommen läßt, dessen Inhalt aus Namen, Kontonummer etc. des Empfängers besteht. (Eine Bank bucht nur für sich selbst, was am schönsten dadurch ersichtlich wird, daß ein positiver Kontostand als „Haben“ bezeichnet wird, was eine Verschuldung der Bank bedeutet, aber eben nicht ein Haben im Sinne von In-Besitz-Haben, denn der Kunde hat ja das Geld gerade nicht!) Gleichzeitig beauftragt die sendende Bank i.d.R. die Zentralbank zu Lasten ihrer dortigen Sichtforderung eine Gutschrift auf dem Konto der empfangenden Bank zu erteilen. Dadurch erhält die empfangende Bank Zentralbankgeld und schreibt danach! dem Kunden den erhaltenen Geldbetrag gut – sonst nicht!

        Aus diesen Gründen ist es mißverständlich davon zu sprechen, daß „von einem Konto“ etwas abgebucht wird, denn auf dem Konto liegt nichts – schon mal deswegen nicht, weil das die falsche Bilanzseite ist. Und transferiert werden kann nur Zentralbankgeld, auch wenn der Denkfehler, es würden ja lediglich die „Guthaben“ umgebucht, weit verbreitet ist.

      • Konstanz Vogel

        soffisticated
        11. Juni 2014 um 14:51

        „…daß bei einer Überweisung von Bank zu Bank oft von einem Buchungssatz gesprochen wird…..“

        Ich dachte daran, es detailierter hinzuschreiben. Natürlich kann eine Bank nicht auf den Konten einer anderen Bank herumbuchen. Jede Bank führt Konten mit den Namen ihrer vertraglich verbundenen Korrespondenzbanken in ihrem eigenen Buchungssystem. Auf diesen dann „eigenen“ Konten werden Zu- und Abgänge verbucht, die die Korrespondenzbanken betreffen. Diese Informationen (Namen, Kontonummern…) über die Kontobewegungen werden mehrmals täglich den betreffenden Banken übermittelt. Die Korrespondenzbanken geben die übermittelten Daten der Datensätze in ihr eigenes System ein (Konto der Partnerbank im eigenen System) sicher alles „computerrisiert“. Wie oft ein Abgleich der Salden dieser Konten über die jeweiligen Zentralbankkonten der Banken erfolgt, entzieht sich meiner Kenntnis, wahrscheinlich einmal täglich.

        Aus dem Geschrieben wird meiner Ansicht nach ersichtlich, dass unser derzeitiges „Geld“ ohne dem System der doppelten Buchhaltung nicht existiert, dass „Geld“ Buchungen (Informationen) sind.

        Freundlichen Gruss

  51. Der grösste Teil der Schuldverhältnisse wachst von unten durch Anleihen (Unternehmensanleihen, Staatsanleihen, etc.). Die GB`s können dann entscheiden, ob sie diese Schuldpapiere auf Kredit kaufen oder nicht, sie also in GB-Geld übersetzen oder nicht. Das klassische Bankgeschäft, die Vergabe von Unternehmens- und Haushaltskrediten, ist gegenüber dem Anleihevolumen gering und macht bestenfalls ein Drittel der Aktivseite aus. Dies zeigt auf`s Deutlichste, dass die Bedeutung des Bankensysytems für die Entstehung der Schuldverhältnisse allgemein überschätzt wird. Die ganze Gesellschaft lebt in einer Wahnvorstellung übermächtiger Banken. Sie sind es nicht! Noch immer sind es die Unternehmen und der Staat, die über ihr Emissionsgeschäft die Schuldverhältnisse in die Welt setzen.

    http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/ESZB_Statistiken/Monetaere_Statistiken/eszb_table_view_node.html?statisticId=outstanding_amounts

    Alfred Felsberger

  52. Korr.: Stattt „Aristoteles und Schildkröte“ muss es natürlich heißen „Achilles und Schildkröte“. (http://de.wikipedia.org/wiki/Achilles_und_die_Schildkr%C3%B6te)
    (Fangen zwar bei mit A an, aber der eine war sportlich durchtrainierter. 😉 )

  53. Abneigung gegen Kreditschöpfungsprozess? Wüsste ich nicht, Alfred Felsberger. Wäre auch inkonsequent, weil ich ja grade von einer kreditären Geldschöpfung ausgehe.

    „… zu sagen, dass die GB`s nur partiell ZB-Geld liefern (was kurzfristig stimmt, aber nicht langfristig), heisst ja nichts anderes: als dass die GB`s “unverantwortlich” handeln.“
    Aus meiner Sicht heißt das nur: Den Gelschöpfungsprozess zutreffend beschreiben.

    „….. unser Problem ist nicht, dass die GB`s zu viel Kredit vergeben, sondern: ZU WENIG.“
    Warum vergeben die Banken zu wenig Kredit? Weil die Schuldner nicht mehr kreditwürdig sind.
    Warum sind die Schuldner nicht mehr kreditwürdig? Weil sie wegen der (schon von Keynes prognostizierten, wenn nicht sogar schon für seine Zeit diagnostizierten) Über-Akkumulation der Kapitalsammler („Reiche“, Pensionsfonds, Riester-Sparer, sparsame chinesische Wanderarbeiter …) nicht mehr die Chance haben, genügend „Eigengeld“ (http://beltwild.blogspot.de/2010/04/blick-zuruck-im-kater-auf-den-us.html und http://beltwild.blogspot.de/2013/03/einen-kredit-gibt-es-nicht-zur.html) zu verdienen (Unterkonsumtionstheorie).
    Das wäre zumindest eine brauchbare Arbeitshypothese.

    Überhaupt würde ich mir von den Wirtschaftswissenschaftlern wünschen, dass diese sich mehr als Suchende denn als Erleuchtete begreifen (http://beltwild.blogspot.de/2010/02/es-ist-nicht-gut-dass-der-mensch-allein.html und http://beltwild.blogspot.de/2013/03/manhattan-project-fur-die_1.html).

  54. Wilfried Müller

    Hier nur eine zugespitzte Zusammenfassung zu MMT; bisher hat mir noch keiner erklären können, wo denn der logische Fehler in der Argumentation liegt; „utopisch“, „nicht umsetzbar“ und andere Killerphrasen zählen nicht, da sie nichts mit Logik zu tun haben:
    Den Blickwinkel ändern, Neues bemerken und Alternativen entdecken
    Eigentlich habe ich ja nichts Neues zu berichten, alles ist bekannt, sollte den studierten Fachleuten
    jedenfalls bekannt sein, das Rad muss nicht neu erfunden werden. Und es dürfte einem
    Normalverbraucher keine Schwierigkeiten bereiten, das alles mit gesundem Menschenverstand zu
    verstehen. Aber seltsam, fast keiner will davon etwas wissen. Ob es sich dabei um Linke oder
    Rechte handelt, um Geldfachleute oder -reformer, um studierte Ökonomen oder Gewerkschaftler,
    man will einfach nicht darüber nachdenken. Und veröffentlichen will man so etwas auf keinen Fall.
    Bei Ökonomen und Normalsterblichen sind die Grundsätze von Buchhaltung und Bilanzierung
    unbestritten, ebenso die darauf aufbauende volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Da gibt es immer
    zwei per def. gleiche Seiten wie Soll und Haben, Einnahmen und Ausgaben, Geldvermögen und
    Geldschulden (wie immer abgegrenzt), Exporte und Importe global, die sich immer zu Null addieren.
    Wenn man die Ausgaben an einer Stelle um einen bestimmten Betrag kürzt, dann sinken die
    Einnahmen an anderer Stelle um mindestens denselben Betrag, wenn alle Geldschulden getilgt
    werden, dann gibt es auch keine Geldvermögen mehr, und die Wirtschaft ist kollabiert. In der
    öffentlichen und veröffentlichten Diskussion scheint man solche Banalitäten verdrängt zu haben.
    Bei Ökonomen, jedenfalls solchen ohne ideologische Scheuklappen, gibt es auch keinen Streit
    darüber, dass Wirtschaft nur dann funktionieren kann, wenn alle wirtschaftlich relevanten
    Angelegenheiten gesetzlich geregelt sind. Und diese gesetzlichen Regelungen werden von Politikern
    gemacht und durchgesetzt. Wenn eine solche gesetzliche Regelung ihren Zweck nicht erfüllt, nicht
    zielführend ist, dann wird ein verantwortungsvoller Politiker sie modifizieren oder kassieren und
    durch ein besseres Gesetz ersetzen. Nebenbei bemerkt: Politiker können und dürfen sich nicht wie
    Theologen oder Juristen verhalten, die Gesetze auslegen und für deren Einhaltung Sorge tragen,
    Politiker haben eben diese Gesetze zu verfassen, zu gestalten unter dem Gesichtspunkt, dass sie der
    Wohlfahrt und Nachhaltigkeit der Gesellschaft dienen. Oberste Gerichte müssen Politiker an diese
    Pflichten erinnern, sie in wichtigen Fällen dazu auffordern, notwendige gesetzliche Regelungen zu
    beschließen. – Dieses Primat der Politik wird von allen Politikern in Sonntagsreden beschworen, es
    wäre zu wünschen, dass es auch im Alltag gilt. Jedenfalls sollte der mündige Wahlbürger den
    Politikern nicht erlauben, dass sie sich aus der Verantwortung stehlen, indem sie sich auf
    Sachzwänge berufen. Bei solcher Betrachtung der Lage kann es solche Sachzwänge nämlich gar
    nicht geben.
    Nach der Aufgabe des Goldstandards wurde von Ökonomen zur Kenntnis genommen, dass es
    weltweit nur noch fiat money gibt, dass sich die staatliche Theorie des Geldes in der Realität
    durchgesetzt hat, nach der Geld ein staatliches Konstrukt ohne eigenen Wert ist. Diese staatliche
    Theorie des Geldes (Chartalismus) wurde von Modern Monetary Theory unter Einbeziehung der
    Einsichten von Keynes, Lerner, Minsky u.a. weiterentwickelt und mit dem Konzept von Jobgarantie
    verbunden. MMT kam dabei schlüssig und logisch einwandfrei zu der Feststellung: Ein souveräner
    Staat mit eigener Währung hat bei der Finanzierung seiner Ausgaben und Aufgaben keine
    Schwierigkeiten, wenn er sich nicht in fremder Währung verschuldet; als Herausgeber der eigenen
    Währung durch die staatliche Institution Zentralbank ist er im Prinzip nicht auf Einnahmen durch
    Steuern, Abgaben oder Anleihen angewiesen, diese dienen vielmehr politischen Zielen wie der
    Korrektur von Marktergebnissen, der Verhinderung von Inflation usw. Wenn nun ein solcher Staat
    zwecks Bezahlung seiner Ausgaben sein eigenes Geld direkt in den Wirtschaftskreislauf einschleust,
    in den Privatsektor (Privathaushalte und Unternehmen des Inlandes) einspeist, dann kann es keine
    Forderung nach Zinszahlung oder Schuldentilgung seitens des Privatsektors oder Auslandes geben,
    da der Staat ja nur bei sich selbst verschuldet ist. In der Realität und Realwirtschaft verwandeln sich
    diese virtuellen Schulden in öffentliches Vermögen, in Infrastruktur im weitesten Sinne. Natürlich
    lassen sich diese fiktiven Schulden rein theoretisch tilgen, wenn der Staat dieses öffentliche
    Vermögen zu Herstellungspreisen an den Privatsektor verkauft (privatisiert) und die dabei erzielten
    Einnahmen an die Zentralbank zwecks Tilgung der „Schulden“ weiterreicht. Dann fehlt das Geld
    allerdings im Privatsektor und in der Privatwirtschaft.
    Um es klar und deutlich zu wiederholen: Es muss klar unterschieden werden zwischen dem
    Staatssektor und dem Privatsektor, es muss demzufolge auch ein zweistufiges Bankensystem geben:
    die Zentralbank ist als staatliche Institution dem Staatssektor zugeordnet, im Privatsektor gibt es ein
    zweites Bankensystem, das mit dem Privileg ausgestattet ist, dass es Geld „schöpfen“ darf und
    Kredite vergeben , und das sorgfältig reguliert und beaufsichtigt werden muss. Eine staatliche
    Finanzierung, die zu virtuellen Schulden führt, ist bislang verboten, weil das starken wirtschaftlichen
    Interessen widerspricht, und ist entsprechend gesetzlich geregelt ist. Diese virtuellen Schulden
    müssen gedanklich scharf unterschieden werden von den Schulden, die ein Staat macht, wenn er
    Anleihen auflegt und diese an den Privatsektor verkauft zwecks Erzielung von Einnahmen; solche
    staatlichen Anleihen werden im Privatsektor gehandelt, dafür müssen Zinsen gezahlt werden, diese
    Schulden müssen auch getilgt werden.
    Angesichts des riesigen Investitionsstaus gerade im öffentlichen Bereich sollte es an der Zeit sein,
    auf diesem Wege (mittels virtueller Schulden) öffentliches Vermögen aufzubauen, zu investieren und
    mit der Manie von Privatisierung aufzuhören, mit dieser Verschleuderung des öffentlichen
    Vermögens. Denn mangels Gewinnaussichten wird ja von den Privatunternehmen seit längerer Zeit
    nicht mehr in die Realwirtschaft investiert, entsteht also auch da eine Investitionslücke und
    vergrößert die in der Volkswirtschaft insgesamt.
    Sicher, ein gewöhnungsbedürftiger Denkansatz, aber das ist kein hinreichender Grund, um jede
    Diskussion darüber zu verweigern. Und mir geht es zunächst einmal darum, dass so etwas ernsthaft
    diskutiert wird. In diesem Falle könnte man nämlich dank besserer Diagnose die Banken- und
    Finanzkrise von ihren Ursachen her angehen und sogar lösen. Und das ewige Gerede über die
    Staatsschulden könnte ad acta gelegt werden, weil es schlichter Aberglaube ist. Natürlich ist mir auch
    klar, dass es erhebliche Schwierigkeiten geben wird bei der Regelung des Finanzbereichs im
    Privatsektor, wo es vornehmlich um Privilegien geht und deren Verteidigung. Aber vielleicht würde
    die Finanzkrise dann nicht mehr alle anderen Probleme aus den Blickwinkel verdrängen, könnte sich
    die Politik ernsthaft mit den wirklich wichtigen Themen der Nachhaltigkeit beschäftigen. Ich gebe
    die Hoffnung jedenfalls nicht auf, vielleicht ist der Mensch ja kein Irrläufer der Natur, wie A.
    Koestler meinte, der scheitert, weil er seine Lebensgrundlagen vernichtet.
    Falls man übrigens an einer gut lesbaren und mit historischen Fakten gespickten Darstellung der
    gegenwärtigen Wirtschaftslage interessiert ist, dann kann ich ohne Vorbehalt empfehlen „Der Sieg
    des Kapitals“ von Ulrike Herrmann; ich habe bei der Lektüre eine Menge gelernt. Und falls man
    einen logischen Fehler in meiner Argumentation entdeckt, dann teile man mir das bitte mit; ich falle
    anderen nämlich nicht gern mit Unsinn auf den Wecker.
    PS 1: Financial debt is a debt, but government debt is financial wealth to the private sector
    (jedenfalls bei keiner Auslandsverschuldung in fremder Währung und außenwirtschaftlichem
    Gleichgewicht; R. Wray, einer der Pioniere von MMT)
    PS 2: Den USA gelingt es bislang immer noch, sich auch im Ausland in eigener Währung zu
    verschulden, so dass sie keine Schwierigkeiten bei der Zinszahlung haben; die
    Staatshaushaltsprobleme und die Schuldenobergrenze sind hausgemacht; der Gesetzgeber könnte
    diese gesetzliche und finanzielle Selbstfesselung der Politik per Gesetz auflösen, falls Wall Street das
    erlauben würde, was unwahrscheinlich ist. Es müsste ein zweistufiges Bankensystem installiert
    werden mit der Zentralbank als staatlicher Institution einerseits, dem Bankensektor im Privatsektor
    andererseits, wie von MMT vorgeschlagen.

  55. Der letzte Kommentar von Wilfried Müller führt mich zu diesem Blogposting von Dr. Menendez zurück.
    Zwischenzeitlich habe ich (im Rahmen einer E-Mail-Debatte mit einem US-Sozilogen) weitere Blotts zum Thema MMT veröffentlicht (auf Englisch).

    Meine Schlussfolgerung: MMT ist Müll; die Texte der MMT-Vertreter sind insofern Geschwätz, als zumindest einige (zentrale) Aussagen überhaupt keinen konkreten Inhalt haben bzw. je nach Gusto mit beliebigem Inhalt gefüllt oder verstanden werden können.
    Ein Nachvollzug abstrakter Behauptungen mit Hilfe eines konkreten Modells beweist, dass die MMT-Propagandisten zu einer belastbaren Modellbildung unfähig sind.

    MMT: Modern Monetary Theory – or Monstrous Mental Twisting? – http://beltwild.blogspot.de/2014/04/mmt-modern-monetary-theory-or-monstrous_12.html
    und
    iMostly Model Tailoring against the Miraculous Money Treat of Modern Monetary Theory (MMT) – http://beltwild.blogspot.de/2014/04/mostly-model-tailoring-against.html

    Im Übrigen verweise ich wegen einer sehr umfangreichen und sehr fundierten Kritik an der MMT noch einmal auf einen Text eines gewissen Cullen O. Roche (den ich oben bereits zitiert, jedoch erst später gelesen hatte): http://pragcap.com/wp-content/uploads/2014/03/Critique-of-Modern-Monetary-Theory.pdf

    • Wilfried Müller

      Eine wirklich fundierte Kritik, würdig eines Mainstream-Ökonomen, der sich seinen Glauben nicht kaputtmachen lassen will und daher auf eine rationale Argumentation verzichten muss, weil das ja ans Eingemachte gehen würde. Man kann ja auch schlecht etwas sagen gegen die volkswirtschaftliche Saldenmechanik und das Primat der Politik, wie es in einer Demokratie selbstverständlich sein sollte.
      Schade, dass da keine echte Diskussion möglich ist. Mir geht es vor allem darum, dass das leidige Finanzierungsproblem endlich mal abgehakt wird und die Fachleute sich den wirklich brisanten Fragen der Nachhaltigkeit in all ihren Verzweigungen ernsthaft widmen können, ob es um Klima geht, den overshoot day, ökologische Füße oder Rucksäcke, Bodendegradation, Rohstoffbegrenzung, Energieversorgung unter Berücksichtigung des Entropiegesetzes, Nahrungsmittelversorgung, Wirtschaft ohne Wachstum etc. – Und was C. O. Roche betrifft, so hat der das mit dem Primat der Politik schlicht nicht begriffen oder zur Kenntnis genommen: es gibt keine Wirtschaft ohne Staat und Politik, jedenfalls hat noch niemand so etwas entdeckt bislang.

      • Falls Sie mal etwas sinnvolleres machen möchten, als sich darüber zu beklagen, daß sich kaum jemand dafür interessiert, was MMTler zu sagen haben, könnten Sie sich ja mal den verlinkten Kommentar ansehen und sich an die Arbeit machen, die MMT auf die dort aufgezählten Punkte dahingehend zu überprüfen, ob diese von der MMT erfüllt werden. Damit würden Sie sich und ggf. auch der MMT einen wichtigen Dienst erweisen, indem mal verortet werden könnte, ob ein derartiger Ansatz überhaupt insofern ernstzunehmen wäre, indem der Nachweis erbracht wird, daß die Normen der Theoriebildung eingehalten werden. Das wäre eine qualifizierte, aber nicht einfache Aufgabe.

        Zwischen Pluralität und Paradigma

        Sie mögen ja meinen, mit der MMT den Stein der ökonomischen Weisheit zu besitzen. Das bedeutet jedoch nicht, daß man die methodologischen Voraussetzungen für die Theoriebildung einfach ignorieren darf. Lediglich Behauptungen aneinanderzureihen ist jedenfalls zu dürftig.

  56. „Schade, dass da keine echte Diskussion möglich ist.“
    Abgesehen davon, dass ich kein Ökonom bin, haben Sie Recht, Wilfried Müller: Wenn man einen Text (in diesem Falle Sie den meinen) nicht gelesen hat, dann kann man wirklich nicht drüber diskutieren.

    Im Übrigen: Machen sie sich nichts draus, dass Sie das Geldwesen nicht verstehen. Auch ich habe erst heute den Begriff „Willkürgeld“ kennengelernt. (Nur war mir, anders als offenbar Ihnen, der dahinter stehende Sachverhalt als solcher schon längst klar.)

    • Es sind vier Fälle entlang zweier Kriterien zu unterscheiden:

      1) ob der Staat in der betrachteten Periode einen Ausgabenüberschuss hat oder einen Einnahmenüberschuss

      2) ob die Ausgabenüberschüsse (Einnahmenüberschüsse) über Geschäftsbanken oder die Zentralbank finanziert (getilgt) werden.

      Das war`s: In diesem Spektrum spielt sich staatliche Finanzierung ab.

      Zu glauben, dass es relevant sei, ob Staatsanleihen von GB`s oder der ZB aufgekauft werden, hiesse zu behaupten: dass die ZB keine Geschäfte mit GB`s machen darf. Idiotie pur wie man am Verhalten der EZB 2009 -2012 ablesen darf. Wann immer die Staaten es verlangen, wird die ZB ihre Finanzierung betreiben. Das ist nun mal eine Frage der Macht, und die liegt auf der Seite des Staates, auch wenn das eine Juristen-Seele nie begreifen wird. Insofern ist das arrogante Herabblicken der Europäer auf die Staatsfinanzierungstechniken der USA völlig unangebracht. Worin soll denn der Unterschied liegen die Ausgabenüberschüsse des Staates über die GB`s zu finanzieren oder die ZB?

      PS: Herr Brinkmann: Ich halte ihre Texte für überladen!

      Alfred Felsberger

    • Anders gefragt, Herr Brinkmann: Was kritisieren Sie denn an an der NMT? Diese „Theorie“ ist eine simple Beschreibung von Finanzierungstechniken des Staates, diese Beschreibung kann falsch sein oder richtig. Mehr ist nicht möglich. Darin „Ideologie“ entdecken zu wollen, halte ich für verwegen – es sei denn, man will überall „Ideologie“ entdecken. Diese „Krankheit“ soll`s bekanntlich ja auch geben…..

  57. Da irren Sie, Felsberger2012, wenn Sie meinen, dass die MMT lediglich eine Beschreibung der Finanzierungstechniken wäre.
    Nicht umsonst wirft Cullen O. Roche den MMTlern „doublespeak“ vor. Was sich einerseits als Beschreibung tarnt, will nämlich andererseits eine Aufforderung an den Staat sein, fleißig Geld zu drucken.
    Um alle Arbeitslosen einzustellen, und eine Menge schöner Sachen zu finanzieren, wofür man angeblich nur Geld drucken muss. (Mit dem man dann vorzugsweise in den dummen Exportüberschussländern einkaufen geht – also z. B. beim Blödmichel.)
    Im Übrigen ist MMT auch eine falsche Beschreibung des Geldwesens.

  58. „PS: Herr Brinkmann: Ich halte ihre Texte für überladen!“

    Dass ein solcher Eindruck entsteht, kann ich durchaus nachvollziehen, Herr Felsberger.
    Aus meiner Sicht liegt das aber eher daran, dass ich mir die Mühe mache, (in diesem Falle: ) die MMT sehr detailliert zu widerlegen.
    Natürlich kann man, wenn man darauf fokussiert, eleganter schreiben. Das wird dann aber leicht ein gefälliges Gerede, das keine präzise Konfrontation mit den angegriffenen Texten mehr wäre.

  59. Sehr geehrter herr Brinkmann,

    >Was sich einerseits als Beschreibung tarnt, will nämlich andererseits eine Aufforderung an den Staat sein, fleißig Geld zu drucken.> Genau darin liegt ja mein Argument: Dass es keinen Unterschied macht ob sich der Staat über Geschäftsbanken oder die Zentralbank finanziert. In den USA lauft die Finanzierung über GB`s und die ZB, in Europa ausschliesslich über die GB`s. Das ganze Lamentieren über „Gelddrucken“ ist ein grobes Missverständnis, weil man in Wahrheit bloss darüber lamentiert: dass der Staat Ausgabenüberschüsse hat (im Volksmund: sich verschuldet). Einfach gesagt: Eine jährliche Staats-Neuverschuldung heisst nun mal „Gelddrucken“, man kann`s sich nur aussuchen ob als GB- oder als ZB-Geld. Ändern tut sich nichts, weil der relevante Akt die Begebung der Staatsanleihe ist und nicht die Frage, wer als Gläubiger auftritt. Die „Gelddruck-Jammerer“ sollten sich endlich als das outen, was sie sind: Gegner der Staats-Neuverschuldung. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit täte der Diskussion gut.

    Alfred Felsberger

  60. Eine Netto-Neuverschuldung des Staates ist nur dann Gelddrucken, Herr Felsberger, wenn sie (indirekt) durch die Notenbanken finanziert wird.
    Das ist freilich keineswegs zwingend uns war zumindest bislang auch wohl eher die Ausnahme. Denn sonst müsste eine dramatische Ausweitung der Zentralbank-Geldmenge erfolgt sein. Ich kenne die Daten nicht, glaube aber nicht, dass die tatsächlich zu konstituierende Ausweitung der Zunahme der Staatsverschuldung entspricht.

    Somit wäre der Verschuldungszuwachs entweder aus Ersparnissen oder aus Bankengeldschöpfung erfolgt.
    Aber das sind empirische Fragen, die man anhand der Daten untersuchen und beantworten müsste.

  61. >Somit wäre der Verschuldungszuwachs entweder aus Ersparnissen oder aus Bankengeldschöpfung erfolgt.> Ein Kredit kann eröffnet, er kann übertragen und getilgt werden. Was Sie als „Verschuldungszuwachs aus Ersparnissen“ bezeichnen ist die Übertragung eines Kredits. Ich, der eine Forderung gegen die GB hält (Gläubiger: Ich; Schuldner: GB), kaufe eine neu emittierte Staatsanleihe. Nun bin ich der Gläubiger des Staates, und der Staat der Gläubiger der GB. Nach wie vor agiert die GB als Schuldner: Der Kredit wurde übertragen (zediert), indem der Staat nun meine Rolle der GB gegenüber einnimmt. Also zunächst : Ich ==> GB, und dann: Ich ==> Staat ==> GB, wobei die Pfeilrichtung die Richtung der Forderung angibt. Zusammenfassung: Sie müssen drei Formen der Staatsfinanzierung betrachten: GB-Geld, ZB-Geld und Übertragung. Die beiden ersteren erhöhen (ceteris paribus) die Gesamtschuld im System, letztere lässt sie unverändert. Das ist Ihr „verschuldungszuwachs aus Ersparnisse“.-)

    PS: Was das Grössenverhältnis in Europa betrifft, ist es ja wohl ganz klar: Die Masse der Staatsschuld wird von den GB`s gehalten, sie sind die Gläubiger. Die ZB ist kaum vertreten und die Fonds (+Privaten) liegen grössenmässig in der Mitte. Kurzum: Ohne die GB`s geht gar nix.-)

    Alfred Felsberger

  62. >Eine Netto-Neuverschuldung des Staates ist nur dann Gelddrucken, Herr Felsberger, wenn sie (indirekt) durch die Notenbanken finanziert wird.> ????????? Solche Sätze versteht kein Mensch. Was soll „indirekt“ heissen? Nochmals es gibt drei Methoden der Finanzierung der Staats-Neuverschuldung: GB`s, ZB und Übertragung der Verschuldung. Die beiden ersteren führen zu einer erhöhten Geldmenge, die letztere nicht.

    PS: Man kann natürlich ewig streiten, worin nun der Unterschied zwischen ZB-Geld und GB-Geld liegt. Ich sag`nur so viel: Wann immer Krise herrscht, verwandelt sich GB-Geld in ZB-Geld. Damit sollte klar sein, dass eine statische Abgrenzung sinnlos ist.

    Alfred Felsberger

  63. Im Ganzen Betrachtet, sehr geehrter Herr Brinkmann, ist der Bankensektor (GB`s plus ZB) neutral. Das ist die grosse Erkenntnis der NMT oder der „Saldenmechanik“. Das heisst: Forderungen und Verbindlichkeiten existieren immer nur zwischen Unternehmen, Staat und Haushalten, während der Bankensektor diese Forderungen bloss in ZB- und GB-Geld übersetzt. Er übernimmt also die Funktion eines Intermediärs, der das Risiko streut, indem er mit der Gesamtheit seiner Aktiva für das GB- und ZB-Geld „haftet“ (und darüberhinaus das EK als Puffer einsetzt). Daher ist das ganze Geschwätz über „Geldmenge“ entbehrlich: Wir sprechen immer von Forderungen, die die Haushalte den Unternehmen und dem Staat gegenüber haben. Der Bankensektor ist eine riesengrosse NULL.-) Und das ist die Lehre aus der NMT, die sich jeder beherzigen sollte.

    Alfred Felsberger

  64. Ihre Darstellung & Kritik von MMT ist von einigen Missverständnissen verzerrt.
    Es war Keynes der darauf hingewiesen hat, dass Geld kein Ding ist, sondern einfach nur ein Schuldschein.
    Modernes Geld sei eben nicht entstanden durch Tausch (so wie im Robinson Crusoe Mythos) sondern durch das Steuererhebungdmonopol von Fürsten.
    Nur durch deren Gewaltmonopol könnte eine Akzeptanz ihres Geldes durchgesetzt werden.
    Im Freien Tausch ist die verbreitete Akzeptanz von Geld schwerlich zu erklären. ( Warum soll ich Papier oder Münzgeld von jemandem akzeptieren, wenn ich nicht sicher sein kann, dass dieses Geld weiterhin akzeptiert wird ?)
    Deswegen heißt die Theory MODERN Mone(tar)y Theory.
    Übrigen hat MMT auch Bedeutung für 2 & 3 Weltstaaten. So hat Bill Mitchell die südafrikanische Regierung bei einen Jobprogramm für poor people beraten.
    Auch in Argentinien wurden Public Jobprogramms zur Linderung der Arbeitslosigkeit aufgelegt, die den Ideen von MMT entsprachen.
    MMT ist auch relevant für Länder deren Währung nicht Reservewährung ist (z.B. Indien).
    Es geht lediglich darum, dass ein souveräner Staat mit dem eigenen Geld im Interesse seiner Bürger bis zum Erreichen höher wirtschaftlicher Ausladtung und Vollbeschäftigung soviel Güter und Dienstleistungen dem öffentlichen Zweck zuführen kann wie hoffentlich demokratisch entschieden wird.

  65. Am Ende des Beitrags steht „to be continued“ – eine Suche nach „Modern Monetary Theory“ fördert allerdings nur diesen einen Beitrag zutage. Wann gibt es denn mal ne Fortsetzung?
    Ich frage auch im Hinblick auf dieses Interview, das ich gerade lese: https://www.nachdenkseiten.de/?p=71443

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